Urteil vom Landgericht Dortmund - 6 O 87/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar
1
Tatbestand:
2Die Klägerin erwarb durch notariellen Vertrag vom 16.11.2012 vom Beklagten das im Klageantrag bezeichnete Grundstück zum Preis von 53.000 EUR, der das Grundstück in den S Nachrichten unter anderem mit den Angaben „… Zur Zeit kein Bauland, voll erschlossen, Zufahrt 6,50 m breit, Kanal-, Strom-und Wasseranschluss vorhanden…“ beworben hatte.
3Im Auftrag des Beklagten hatte der Sachverständige T in einem schriftlichen Gutachten 5. Mai 2006 unter Berücksichtigung einer planungsrechtlichen Auskunft der Stadt E vom 31.3.2006 den Wert des Grundstücks 51.000 EUR ermittelt. Im Gutachten wird unter anderem ausgeführt, dass die große Teilfläche von 2.091 m² die „Qualität von Unland“ habe, die Fläche seien aufgrund seiner Lage und Größe landwirtschaftlich nicht nutzbar. Zuschnitt, Größe und Lage der Grundstücke lasse keine Land-bzw. forstwirtschaftlichen Nutzung erwarten. Es sei hierfür daher nur die Hälfte des Verkehrswerts einer landwirtschaftlichen Fläche, nämlich 2,30 EUR/Quadratmeter angemessen. In der planungsrechtlichen Auskunft der Stadt E wird ausgeführt, dass die Grundstücke sich in Bereich des Bebauungsplanes S Holz befänden und als Verbandsgrünfläche ausgewiesen seien. Im Flächennutzungsplan seien sie als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen, es würde nach § 35 BBauG (Außenbereich) beurteilt.
4Im Vertrag versicherte der Beklagte, dass keine den Grundbesitz betreffenden nicht erfüllbaren behördlichen Auflagen oder Forderungen bestehen, die das Kaufobjekt oder seine Nutzung betreffen und das in kein Untersagungsverfügung, Widerruf, Rücknahme oder Beschränkungen zu den ergangenen Bau-und Nutzungsgenehmigungen zugegangen sind.
5Als auf dem Grundstück Rodungsarbeiten durchgeführt wurden erfuhr die Klägerin erstmals aus dem Schreiben der Stadt E vom 1.10.2013, dass es sich um ein Landschaftsschutzgebiet handelt.
6Mit Schreiben vom 2.12.2013 ließ die Klägerin den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten.
7Mit ihrer Klage fordert die Klägerin Erstattung des Kaufpreises, der Notarkosten von 427,21 und 77,68 EUR, der Grunderwerbsteuer 2.650 EUR, festgesetzter Verwaltungsgebühren von 38,50 EUR, von Gebühren für die Eintragung der Vormerkung von 73,50 EUR, des Eigentumswechsel von 193,75 EUR, von Grundsteuern 2013 und 2014 von je 442,58 EUR und gezahlter Anwaltskosten von 1.642,40 EUR.
8Sie behauptet :
9Die Gespräche seien ausdrücklich mit dem Inhalt geführt worden, dass es sich zur Zeit noch nicht um Bauland handelt, aber aufgrund der „vollen Erschließung“ in der nächsten Zeit erwartet werden könne, insbesondere aufgrund der bevorzugten Wohnlage im Süden E und der planungsrechtlichen Möglichkeiten gemäß §§ 34, 35 BBauG. Der Beklagte habe einen Plan vorgelegt, der eindrucksvoll eine mögliche zukünftige Bebauung dargestellt habe. Eine Ortsbesichtigung habe ergeben, dass jedwede Beschilderung in einer rechtlichen bzw. behördlichen Einschränkung nicht vorhanden war (Beweis: Zeugin C). Sie habe keine Veranlassung gehabt, an den Aussagen des Beklagten zu zweifeln.
10Der Beklagte habe gegen die guten Sitten verstoßen, da er der Klägerin „Vermögensvorteile versprochen“ habe, die in einem auffälligen Missverhältnis zu seiner Leistung stünden. Die Bodenrichtwertkarte weise für ein Landschaftsschutzgebiet keinen Bodenpreis aus, da solche Grundstücksflächen nicht marktfähig sind. Bei Ansatz des Wertes von landwirtschaftlichen Flächen gelte ein Preis von 3,90 EUR/ Quadratmeter, für Voss Fischer Wegeflächen 1,70 Euro/Quadratmeter. Der vereinbarte Kaufpreis liege bei 23,13 EUR pro Quadratmeter tief ich leider.
11Die Klägerin stützt ihre Ansprüche hilfsweise auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und behauptet insoweit:
12Vom Bauordnungsamt sei dem Beklagten eine telefonische Rückfrage zur Anfrage zum Planungsrecht sowie zur Entscheidung am 4. 20.4.2008 dahin beantwortet worden, dass ihm wegen des Landschaftsschutzgebiets in der Außenbereichs Lage eine Bebauung dauerhaft nicht möglich sein werde.
13Es treffe nicht zu, dass das Gutachten T Grundlage der Preisverhandlungen war. (Beweis: Zeugin C, H2). Der Beklagte habe das Gutachten mit Schreiben vom 29.11.2012 nach Vertragsschluss übersandt.
14Der Sachverständige T treffe zur tatsächlichen Sach-und Rechtslage keine eindeutige Aussage. Für Unland gibt es keinen Bodenwert. Die Hälfte des Wertes für eine landwirtschaftliche Nutzung sei unseriös. Das Schreiben der Stadt E vom ein 31.3.2006 beigefügt an den Sachverständigen sei frisiert.. Es spreche einiges dafür, dass es sich hierbei um eine negative Bescheidung einer Bauvoranfrage handelt.
15Die Klägerin beantragt,
16den Beklagten zu verurteilen, an sie 57.345,80 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2013 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück G1, eingetragen ein Grundbuch des Amtsgerichts E vom E, in einer Gesamtgröße von 2.291 m²;
17festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der angebotenen Rückübertragung des Eigentums an dem vorbezeichneten Grundstück im Annahmeverzug befindet;
18an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten von 1.642,42 EUR zu zahlen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er behauptet :
22Er habe das weiterveräußerte Grundstück erworben, um darauf ein Bauvorhaben zu verwirklichen. Nachdem es 10 Jahre in seinem Eigentum war, ohne dass ich die Hoffnung, die Flurstücke würden zu Bauland, erfüllt hatte, er sich entschlossen, es zu veräußern. Er selbst habe das Objekt für 480.000 DM gekauft, es sei mit 240.000 DM zu Gunsten der Volksbank belastet worden.
23Die Mutter der Käuferin, die Zeugin C, sei über den gesamten Sachverhalt aufgeklärt worden. Sie habe das Wertermittlungsgutachten des T gekannt.
24Sie habe gewusst, dass eine Hoffnung darauf bestand, die Grundstücke würden Bauland. Sie habe erklärt: Für Bargeld gebe es im Augenblick ohnehin keine Zinsen. Es sei ihr egal, wann die Grundstücke Bauland würden.
25Die Firma des Beklagten habe im Jahre 1990 mit der Stadt I2 einen Erschließungsvertrag geschlossen. Hierfür seien 93.702,91 EUR an die Stadtwerke gezahlt worden. Die umliegenden Eigentümer erwarteten auch noch heute, dass das Gelände Bauland werde. Sie hätten sich mit Datum vom 19. 7.8.2002 interessiert erklärt, Grundstücke für die Bebauung zur Verfügung zu stellen.
26Im Bebauungsplan sei aufgeführt: Es handle sich um eine Fläche für die Landwirtschaft mit der ergänzenden Darstellung mit besonderer Bedeutung für die Erholung in der freien Landschaft. Das Plangebiet sei teilweise als Außenbereich zu beurteilen. Der Landschaftsplanung stelle im wesentlichen eine Bebauungsmöglichkeit nach § 34 BBauG (im Zusammenhang bebauter Ortsteil) dar. Eine Bebauung werde danach nicht ausgeschlossen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den näheren Inhalt der in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze und der zu Protokoll genommene mündlichen Erklärung der Parteien Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Klägerin stehen keinerlei Ansprüche auf Rückgewähr des Kaufpreises und Erstattung der weiteren infolge des Kaufes entstandenen Kosten zu.
30Dass der Kaufvertrag als sittenwidriges Geschäft nichtig ist (§ 138 Abs. 1 BGB), ist nicht festzustellen. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass das ihr verkaufte Grundstück als Landschaftsschutzgebiet keinen Marktwert hat, allenfalls aber dem Wert eines landwirtschaftlichen Grundstücks entspricht. Ein wucherähnliches Geschäft ist vorliegend nicht festzustellen. Ein solches ist zwar in der Regel zu bejahen, wenn ein besonders grobes Missverhältnis vorliegt. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Parteien sich darüber im klaren waren, dass hier Bauerwartungsland verkauft werden sollte. Beim Kauf von Bauerwartungsland trägt grundsätzlich der Käufer das Risiko der Bebaubarkeit (BGH 74, 374; Palandt § 313 Rn. 37 mit weiteren Nachweisen). Dass abweichend hiervon der Beklagte als Verkäufer mit diesem Risiko belastet sein sollte, ergibt sich ebenso wenig aus dem von der Klägerin vorgetragenen Inhalt der Erörterung bei Vertragsschluss. Auch die Versicherung des Beklagten in § 5 Abs. 4 des Kaufvertrages bedeutet keine Übernahme des Risikos der Bebaubarkeit durch den Beklagten. Angesichts dieser Risikoübernahme musste der Beklagte nicht davon ausgehen, dass die seinerzeitige abschlägige Bescheidung der Bauvoranfrage die Entscheidung der Klägerin negativ beeinflusst hätte.
31Eine Baugenehmigung war, was der Klägerin bekannt war, nicht erteilt, ebenso war ungewiss, wann sie erteilt wird. Es handelt sich also vorliegend um ein Geschäft mit spekulationsähnlichen Charakter. Dass beide Parteien sich möglicherweise Gedanken über die geeignete Art der Bebauung gemacht haben und auch schon für eine Bebauung gewisse tatsächliche Erschließungsgrundlagen gelegt waren, ändert daran nichts. Inwieweit sich die Erwartung der Bebaubarkeit in eine Bebaubarkeit verwandelte, war für beide Parteien nicht zu erkennen. Der zwischen den Parteien vereinbarte Preis, der dem Preis für Bauerwartungsland entsprach, war ein spekulativer Preis. Daher verbietet es sich nach) auch, diesen Preis mit dem tatsächlichen Preis für eine andere Nutzung zu vergleichen.
32Ebenso wenig war der Vertrag anfechtbar. Den Beklagten traf insbesondere keine Aufklärungspflicht, was die Ablehnung seiner Bauvoranfrage aus 2008 betrifft. Dass eine Bebauung wegen des im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Charakters als Landschaftsschutzgebiet seinerzeit abgelehnt wurde, spricht nicht grundsätzlich gegen den Charakter als Bauerwartungsland.
33Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ist aus den vorstehenden Erwägungen ebenfalls nicht anzunehmen.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und den Vollstreckungsnachlass auf den §§ 708 Z. 11, 709 ZPO.
35Rechtsbehelfsbelehrung:
36Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
37a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
38b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
39Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, I-Straße, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
40Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.
41Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
42Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.