Urteil vom Landgericht Dortmund - 16 O 168/08
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 19.945,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2008 zu zahlen.
Die Beklagten werden darüber hinaus verurteilt, an den Kläger vorprozessuale Anwaltskosten in Höhe von 1.023,16 € zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 56 % und die Beklagten 44 % zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger war Eigentümer des Sportmotorbootes T2.
3Am 30.07.2007 ankerte er gegen 13:30 Uhr in einer Ankerbucht der Insel Pak, welche zu Kroatien gehört. Auf dem Boot befand sich außer ihm die Zeugin F. Im Laufe des Tages frischte der Wind in der Bucht deutlich auf.
4Zu einem Zeitpunkt, als das Boot des Klägers bereits vor Anker lag, erschien der Beklagter zu 1 mit dem Sportmotorboot C3, deren Eignerin seine Ehefrau, die Beklagte zu 2 ist, ebenfalls in der Bucht, und ankerte das Boot etwa 50 m luvseitig vom Boot des Klägers.
5Nach weiter auffrischendem Wind geriet das Boot der Beklagten in Bewegung, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob sich der Anker wegen des Winddrucks vom Grund löste oder ob der Anker gelichtet wurde. Das Boot der Beklagten gelangte zunächst auf der Steuerbordseite hinter das Boot des Klägers, wurde sodann vom Beklagten zu 1 durch Motorkraft beschleunigt und rammte das Boot des Klägers vorne an der Steuerborseite. Sodann überfuhr das Boot der Beklagten die Ankerleine des Bootes des Klägers, so dass die Leine gekappt wurde und das Boot des Klägers seinen Anker verlor.
6Der Kläger steuerte sein Boot sodann aus der Bucht auf das offene Meer hinaus, da er befürchtete, es könne durch die starken Winde (Bora) gegen die Steilküste gedrückt werden und dort zerschellen. Unmittelbar nach Verlassen der Bucht musste der Kläger feststellen, dass der auf See herrschende Wellengang zu stark für sein Boot war. Es geriet Wasser in das Boot, wodurch der Motor mehrfach ausfiel. Der Kläger versuchte in die Bucht zurückzufahren, was letztlich nicht gelang. Das Boot kenterte und sank schließlich. Dem Kläger und der Zeugin gelang es, vor dem Sinken des Bootes Schwimmwesten und Schwimmflossen anzuziehen und sich mit Leinen an Fendern und gegenseitig zu sichern. Sie schwammen etwa drei Stunden im Wasser, bevor sie sich auf die Steilküste retten konnten. Dort liefen sie zu der Bucht zurück, wo sie am nächsten Morgen von Hilfskräften aufgenommen und in ein Krankenhaus verbracht wurden.
7In der Zeit vom 03. bis zum 06.08.2007 wurden die Zeugin und der Kläger in einer chirurgischen Praxis in G ambulant behandelt. Dort stellte man am ganzen Körper diffus verteilte Kontusionsmarken mit schmerzhaften Blutergüssen fest, die mit Voltaren behandelt wurden. In den ärztlichen Befundberichten vom 18.09.2007 – wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K2 und K3 zur Klageschrift verwiesen – attestierte der behandelnde Arzt Lic. med. (E) C4 F jeweils eine „auffällige posttraumatische Störung“.
8Die Zeugin F, die sämtliche Ansprüche an den Kläger abgetreten hat, begab sich ferner in Behandlung eines Facharztes für psychotherapeutische Medizin, der in seinem „Psychosomatischen Gutachten“ vom 17.10.2007 eine posttraumatische Belastungsstörung nach ICD10:F43.1 diagnostizierte und eine niederfrequente psychotherapeutische Betreuung empfahl, um mögliche Spätreaktionen rechtzeitig erkennen zu können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K2 zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Gutachtens verwiesen.
9In einem am 01.08.2007 von der Hafenmeisterei in Kroatien gefertigten Unfallbericht wurden die Wetterbedingungen zum Zeitpunkt der Havarie als sehr rau bezeichnet. Die Windgeschwindigkeit wurde mit 160 bis 170 km/h beziffert, es habe eine Bora („Orkanska Bura“) geherrscht. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage B1 zur Klageerwiderung zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Unfallberichts („Accident Report“, Blatt 22 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
10Der Kläger ließ die Beklagten mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten über den Kaskoversicherer als Vertreter unter Fristsetzung zum 11.01.2008 zum Schadensersatz auffordern. Schadensersatzzahlungen erfolgten nicht.
11Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, die Beklagten hafteten nach §§ 481, 485 HGB a.F., Art. 7 HGB a.F. Für ein Verschulden des Beklagten zu 1 bestehe ein Anscheinsbeweis. Dieser sei durch die Beklagten nicht erschüttert worden. Ein Verschuldensvorwurf sei den Beklagten zumindest insoweit zu machen, als sie luvseitig vor dem Boot des Klägers geankert hätten.
12Die Entscheidung, auf das offene Meer hinauszufahren, nachdem der Anker gekappt worden sei, sei aus damaliger Sicht seemännisch richtig gewesen.
13Der Kläger behauptet, der Wiederbeschaffungswert des Bootes betrage 18.000,00 €, mindestens jedoch 14.000,00 €. Ferner behauptet der Kläger, an Bord seines Bootes hätten sich Ausrüstungsgegenstände und persönliche Gegenstände im Wert von 11.812,09 € befunden. Wegen der einzelnen Gegenstände und den hierzu vom Kläger angegebenen Wert wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift verwiesen. Er vertritt die Rechtsansicht, es sei der Wiederbeschaffungswert (Neuwert) der Gegenstände zu ersetzen, weil es für solche Gegenstände keinen Gebrauchtmarkt gebe.
14Ferner behauptet er, die Zeugin F und er würden bis heute unter schweren traumatischen Störungen leiden. Sie hätten Todesangst erlitten. Unter Berücksichtigung der schweren körperlichen Verletzungen sei für die Zeugin F ein Schmerzensgeld von 8.000,00 € und für ihn eines von 7.000,00 € angemessen. Ferner seien Attestkosten von je 227,34 € und Kosten für Medikamente in Höhe von 10,00 € angefallen.
15Schließlich behauptet der Kläger, die vorprozessualen Anwaltskosten beliefen sich auf 1.530,58 €. Er vertritt die Ansicht, auch diese Kosten seien von den Beklagten zu erstatten.
16Der Kläger beantragt,
17die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch haftend an den Kläger 45.276,77 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach dem Diskontsatz-Überleistungsgesetz hieraus seit dem 12.01.2008 zu zahlen,
18die Beklagten darüber hinaus zu verurteilen, vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.530,58 € zu zahlen.
19Die Beklagten beantragen,
20die Klage abzuweisen.
21Die Beklagten vertreten die Rechtsansicht, es bestehe keine Haftung nach § 481 HGB, da der Beklagte zu 1 als Ehemann keine angestellte Schiffsbesatzung der Beklagten zu 2 sei.
22Sie behaupten, die Kollision der Schiffe sei ein Resultat höherer Gewalt. Der Anker habe wegen des Sturms nicht mehr gehalten und habe hochgenommen werden müssen. Dabei habe sich herausgestellt, dass er wegen der hohen Belastung verbogen gewesen sei.
23Jedenfalls sei die Kollision nicht kausal für den Schaden. Der eingetretene Schaden beruhe vielmehr darauf, dass der Kläger nautisch sachwidrig auf das offene Meer hinausgefahren sei. Jedenfalls treffe den Kläger ein 100%iges Eigenverschulden nach § 254 BGB.
24Die Beklagten bestreiten ferner die Höhe des geltend gemachten Schadens und halten das geltend gemachte Schmerzensgeld für überhöht.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
26Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 29.06.2009 zur Ursache der Schiffshavarie Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin F. Ferner hat sie die Parteien zum Unfallhergang nach § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung der Parteien wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 31.08.2009, Blatt 60 ff. der Gerichtsakte, verwiesen.
27Ferner hat das Gericht zur Höhe des Schadens und zum Hergang der Havarie gemäß Beschluss vom 01.12.2009 (Blatt 111 der Gerichtsakte), geändert durch Beschluss vom 02.09.2011 (Blatt 151 der Gerichtsakte), und gemäß Beschluss vom vom 22.11.2012 (Blatt 206 der Gerichtsakte) Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen T3 vom 08.09.2012 und 24.04.2013 verwiesen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
29Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
30I. Der Kläger hat aus eigenem und abgetretenem Recht der Zeugin F gegen den Beklagten zu 1 einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2 folgt aus § 485 HGB a.F. i. V. m. Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 EGHGB a.F. Danach haftet der Reeder – dies ist gemäß § 484 HGB a.F. der Eigentümer – eines Schiffes auch dann für das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung, wenn die Verwendung des Schiffes zur Seefahrt nicht des Erwerbs wegen erfolgt. Die Beklagte zu 2 ist Eigentümerin des Bootes C3, der Beklagte zu 1 hat dieses Schiff am Schadenstag tatsächlich geführt, gehörte also zur Besatzung. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Eigentümer und dem Besatzungsmitglied ist für eine Haftung nicht erforderlich, ausreichend ist vielmehr, dass der Eigentümer das Besatzungsmitglied als solches eingesetzt hat. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da davon auszugehen ist, dass der Beklagte zu 1 das Boot mit Wissen und Wollen der Beklagten zu 2 geführt hat.
311. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte zu 1 die Havarie, die letztlich zum Untergang des Bootes T2 samt der an Bord befindlichen Gegenstände geführt hat, schuldhaft verursacht hat.
32a) Wie der Sachverständige T3 in seinen Gutachten vom 08.09.2012 und 24.04.2013 plausibel, nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, hat der Beklagte zu 1 gegen mehrere nautische Regeln verstoßen.
33aa) Die erste gravierende Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 bestand darin, dass er für das von ihm geführte Boot C3 einen ungeeigneten Ankerplatz ausgewählt hat.
34Als der Beklagte zu 1 mit seinem Boot in der Bucht erschien, lag das Boot des Klägers bereits vor Anker. Wie den Ausführungen des Sachverständigen T3 auf Seite 12 seines Gutachtens vom 08.09.2012 zu entnehmen ist, ist es dabei ohne Bedeutung, ob das Boot T2 als Ankerlieger gekennzeichnet war. Zum einen Bestand aufgrund der geringen Länge des Bootes wohl keine Kennzeichnungspflicht als Ankerlieger. Zum anderen war, wie der Sachverständige ausführt, mit Sicherheit davon auszugehen und zu unterstellen, dass beide Schiffsführer wussten, dass jedes der beiden Boote auf dem Anker liege.
35Wie der Sachverständige sodann auf Seite 16 seines Gutachtens vom 08.09.2012 weiter ausführt, war der Beklagte zu 1, da er mit seinem Boots später in der Bucht vor Anker ging, dazu verpflichtet, sich von dem Boot des Klägers, das dort bereits vor Anker lag, freizuhalten. Der Beklagte zu 1 hätte dabei, wie der Sachverständige ausführt, berücksichtigen müssen, dass ein Anker immer aus dem Grund ausbrechen und slippen kann und das Boot dann vertreibt und in die Drift geht. Ferner sei auch zu beachten, dass der Wind drehen und auffrischen könne und Boote einen Schwoikreis hätten. Der Beklagte zu 1 hätte daher den Ankerplatz so wählen müssen, dass das Boot des Klägers nicht gefährdet wird. Dies hätte der Beklagte zu 1 sicherstellen können, indem er jedenfalls auf einen im Verhältnis zum Kläger luvseitigen Ankerplatz verzichtet hätte.
36bb) Eine weitere erhebliche Pflichtverletzung – der Sachverständige spricht hier von einem „groben seemännischen Fehlverhalten“ (Seite 19 des Gutachtens vom 08.09.2012) – bestand darin, dass der Beklagte zu 1, nachdem der Anker seines Bootes gelöst war und er mit seinem Boot hinter das Boot des Klägers getrieben worden war, versucht hat, mit Motorkraft vor dem Boot des Klägers auf dessen Luvseite vorbeizufahren, wobei es schließlich zur Kollision und dem Überfahren der Ankerleine gekommen war. Wie der Sachverständige auf Seite 17 seines Gutachtens vom 08.09.20112 darlegt, war der Beklagte zu 1 nach der SeeStrO verpflichtet, das Boot des Klägers in jedem Fall hinter dessen Heck zu passieren. Dies wäre, wie der Sachverständige auf Seite 19 seines Gutachtens vom 08.09.2012 überzeugend darlegt, ohne weiteres möglich gewesen. Der Sachverständige führt hierzu aus:
37„Der Schaden, sowohl die Kollision, als auch das Überfahren der Ankerleinen waren von dem Beklagten leicht abwendbar und insgesamt vermeidbar gewesen. Nachdem das Boot des Beklagten Anker auf gegangen war, wäre es kein Problem gewesen, im Besonderen auch unter der Berücksichtigung der Windrichtung, den Ankerlieger konform der SeeStrO, achtern zu passieren.
38Dies wäre nur 1 – 2 Meter daneben und in Lee leicht und weitaus weniger gefahrlos“ (gemeint ist wohl: weitaus weniger gefährlich) „immer möglich gewesen. Das musste jedem einleuchten und die erforderliche Sorgfalt wurde hier in besonderem Maße nicht beachtet.
39In jedem Fall wäre dies auch beim Manöver des letzten Augenblicks erforderlich und leicht machbar gewesen.
40Den Ankerlieger, das Boot des Klägers, knapp in Luv mit der Windrichtung und -stärke zu passieren, war unter allen Umständen falsch und widersprach allen Regeln der Seemannschaft.
41Die Kollision war vorhersehbar und abwendbar.“
42Die Ausführungen des Sachverständigen sind plausibel, einleuchtend, nachvollziehbar – und eindeutig.
43Die Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 entfällt auch nicht wegen der im Zeitpunkt der Havarie herrschenden Witterungsverhältnisse. Diese hatte der Sachverständige nämlich bei seinem Gutachten berücksichtigt. Dies folgt zum einen aus den Ausführungen auf Seite 13 f. des Gutachtens zu den Windstärken. Der Sachverständige geht hier aufgrund der Anlage B1 von einer Windgeschwindigkeit von 160 – 170 km/h aus. Auf Seite 19 seines Gutachtens vom 08.09.2012 stellt der Sachverständige sodann ausdrücklich klar, dass die Kollision der Boote und das Überfahren und Kappen der Ankerleine nicht das Ergebnis höherer Gewalt gewesen sei, „sondern auf einem groben Fahrfehler, Missachtung der Ausweichpflicht und allen Regeln der SeeStrO und der guten Seemannschaft“ beruhe.
44cc) Die Feststellungen des Sachverständigen werden auch nicht durch das zweite Gutachten vom 24.04.2013 relativiert. Zwar bestätigt der Sachverständige, dass bei starkem Wind der Anscheinsbeweis dafür spreche, dass der Wind für das Lösen des Ankers ursächlich sei. Auf Seite 14 Mitte des Gutachten vom 24.04.2013 heißt es: „Bei derartigen Wetterverhältnissen kann nicht von einer falschen (und damit schuldhaften) Verankerung des Bootes ausgegangen werden, sondern es ist vielmehr damit zu rechnen das ein Boot vor Anker liegend loskommt.“
45Diese Ausführungen bekräftigen letztlich sogar die Annahme eines Pflichtverstoßes des Beklagten zu 1. In seinem ersten Gutachten hat der Sachverständige nämlich nicht eine fehlerhafte Verankerung oder falsche Ausbringung des Ankers als Pflichtverletzung festgestellt. Eine Pflichtverletzung hat er vielmehr nur in der Auswahl des Ankerplatzes gesehen (siehe oben aa). Wenn aber aufgrund der herrschenden Witterungsverhältnisse mit einem Lösen des Ankers zu rechnen ist, erhöhen sich hierdurch die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten. Dann ist in besondere Weise auf die Eignung des Ankerplatzes und darauf zu achten, dass durch die Wahl des Ankerplatzes bereits vorhandene Ankerlieger nicht gefährdet werden. Ferner sind möglicherweise weitere Vorkehrungen zu treffen, etwa eine vorbeugende Unterstützung des Ankers mit Motorkraft. Keinesfalls kann den Ausführungen des Sachverständigen entnommen werden, dass aufgrund der herrschenden Windverhältnisse eine Sorgfaltspflichtverletzung hinsichtlich der Auswahl des Ankerplatzes entfiele.
46Dass der Sachverständige auf Seite 13 seines Gutachtens vom 24.04.2013 „durchschnittlichen Sportbootschiffern“ die Fähigkeit abspricht, ein Boot bei Orkan und Wellenschlag zu kontrollieren, entlastet die Beklagten ebenfalls nicht und lässt in rechtlicher Hinsicht auch eine Pflichtverletzung nicht entfallen, da im Zivilrecht kein individueller, sondern ein auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteter objektiv-abstrakter Sorgfaltsmaßstab gilt (Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 276 Rdnr. 15 m.w.N.). Der Beklagte zu 1) schuldete nicht die durchschnittliche, sondern die erforderliche Sorgfalt. Dass es objektiv möglich ist, ein Boot unter den genannten Bedingungen zu manövrieren, führt der Sachverständige an gleiche Stelle seines zweiten Gutachtens aus, indem er darlegt, dass geübte Regattasegler in der Lage sind, ein Boot bei Orkan auf See zu führen.
47Dass aber auch der Beklagte zu 1 in der Lage war, sein Boot unter den zum Zeitpunkt der Havarie geltenden Witterungsbedingungen hinreichend sicher zu manövrieren, ergibt sich bereits aus seiner Anhörung im Termin vom 31.08.2009 (vergleiche Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 31.08.2009, Seite 7, Blatt 77 der Gerichtsakte). Dort führt der Beklagte zu 1 aus, er habe nach der Kollision zunächst in der Bucht Kreise gedreht. Dann habe er sich ebenfalls entschlossen, aus der Bucht herauszufahren, habe dann aber in der Ausfahrt zum Vellebit-Kanal noch in der Bucht gedreht, weil er die hohen Wellen im Kanal gespürt habe. Dem Beklagten zu 1 war es somit möglich, mit seinem Boot verschiedene Manöver auszuführen. Es ist daher davon auszugehen, dass es ihm bei Aufbietung der erforderlichen Sorgfalt auch möglich gewesen wäre, das Boot des Klägers in der Bucht nach dem Aufgehen des Ankers achtern und leeseitig zu umfahren, wie es nach den Ausführungen des Sachverständigen T3 auf Seite 19 des Gutachtens vom 08.09.2012 seemännisch korrekt gewesen wäre. Zu beachten ist hierbei insbesondere, dass der Sachverständige es als problemlos bezeichnet hat, das Boot des Klägers achtern und leeseitig zu passieren.
48b) Die Pflichtverletzungen des Beklagten zu 1 indizieren sein Verschulden. Anhaltspunkte, die eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 entfallen lassen würden, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich, wie bereits ausgeführt, insbesondere nicht aus den zum Schadenszeitpunkt herrschenden Witterungsverhältnissen.
49c) Die schuldhafte Pflichtverletzung war auch kausal für den Schadenseintritt. Insbesondere wurde die Kausalität nicht dadurch unterbrochen, dass der Kläger sich nach dem Verlust seines Ankers dazu entschloss, mit dem Boot auf das offene Meer hinauszufahren. Wie der Sachverständige T3 auf Seite 20 f. seines Gutachtens vom 08.09.2012 ausgeführt hat, war es unter seemännischen Gesichtspunkten nicht falsch, nach dem Verlust des Ankergeschirrs die Bucht auf Leegerwall zu verlassen. Im Gegenteil sei die Entscheidung sogar richtig gewesen. Bei den herrschenden Windverhältnissen sei ein Verbleiben in der Bucht mit unkalkulierbaren Risiken für Leib und Leben der Besatzung verbunden gewesen. Eine kontrollierte Strandung sei mit einem Sportboot wie dem T2 überhaupt nicht möglich. Der Versuch, das Boot mit Motorkraft in der Bucht in Position zu halten sei insoweit risikobehaftet, dass Benzinmotoren in solchen Situationen in aller Regel sehr viel Kraftstoff verbrauchen würden.
50Die Kammer hält die Ausführungen des Sachverständigen auch in soweit für nachvollziehbar und überzeugend und schließt sich ihnen an. Da die Entscheidung des Klägers seemännisch richtig war, bleibt auch kein Raum für ein nach § 254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden des Klägers.
512. Die Schadenshöhe beläuft sich auf insgesamt 19.945,00 €.
52a) Der Wert des durch die Havarie zerstörten Motorbootes ist nach den Feststellungen des Sachverständigen T3 auf Seite 9 seines Gutachtens vom 08.09.2012 mit 10.700,00 € zu bemessen. An der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen bestehen insoweit keine Zweifel. Der Sachverständige hat die Händler-Ankaufnotierung nach Schwacke für ein gebrauchtes Boot des Typs Maxum 2200 SC des Baujahrs 1993 – um ein solches handelte es sich bei dem T2 – ermittelt, eine Händlerspanne von 15 % sowie die Mehrwertsteuer von 19 % hinzugerechnet. Hierbei hat er einen durchschnittlichen Zustand des Bootes zugrunde gelegt. Da nichts dafür ersichtlich ist, dass der T2 von einem durchschnittlichen Zustand abwich, erscheint die Ermittlung des Wertes des Bootes durch den Sachverständigen als zutreffend.
53b) Hinsichtlich der übrigen, in der Anlage K1 aufgeführten Gegenstände geht das Gericht zunächst davon aus, dass diese Gegenstände tatsächlich auf dem Boot vorhanden waren und durch die Havarie verloren gegangen sind. Es erscheint plausibel und nachvollziehbar, dass die genannten Gegenstände auf dem Schiff vorhanden waren. Darüber hinaus liegen für einen Teil der Gegenstände auch Belege vor.
54Hinsichtlich des Wertes der Effekten schließt sich die Kammer der Berechnung des Sachverständigen T3 auf Seite 10 f. seines Gutachtens vom 08.09.2012 an. Der Wert der Ausstattung ist daher mit 3.400,00 € zu bemessen.
55Hinzu kommt der Schadensersatzanspruch für die nach den Angaben des Klägers in Verlust geratenen persönlichen Gegenstände. An der Richtigkeit der Angaben des Klägers zu zweifeln besteht kein Anlass, da das Vorhandensein dieser Gegenstände auf einem Boot plausibel ist. Diese Gegenstände sind, sofern ein Gebrauchtmarkt besteht, nach den dort geltenden Preisen zu bewerten. Bei Fehlen eines Gebrauchtmarktes ist ein Abzug neu für alt vorzunehmen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, § 249 Rdnr. 20). In jedem Fall sind Neupreise also nicht zu erstatten, da von einer Neuwertigkeit der Gegenstände nicht ausgegangen werden kann. Da keine näheren Angaben zum Anschaffungszeitpunkt der Gegenstände vorliegen, nimmt die Kammer unter Anwendung von § 287 ZPO einen Abzug von 50 % vor. Hinsichtlich der privaten Gegenstände, die nach der Berechnung des Sachverständigen T3 auf Seite 10 seines Gutachtens vom 08.09.2012 mit einem Neupreis von 1.669,47 € angegeben sind, verbleibt daher gerundet ein zu ersetzender Betrag von 835,00 €.
56c) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nach § 253 Abs. 2 BGB sind zunächst die erlittenen körperlichen Verletzungen, nämlich die multiplen, am ganzen Körper verteilten Kontusionsmarken mit schmerzhaften Blutergüssen zu berücksichtigen, die eine Behandlung mit Voltaren erforderlich machten. Ferner muss die zweifellos erlittene Todesangst berücksichtigt werden, die dadurch entstanden ist, dass der Kläger und die Zeugin F mehrere Stunden in der durch den Orkan aufgewühlten See schwimmen mussten. Schließlich ist auch das Regulierungsverhalten der Beklagten zu berücksichtigen, die nach Ablauf von nunmehr mehr als sieben Jahren nach dem Schadensereignis bisher keine Schadensersatzzahlungen erbracht haben.
57Die von dem Kläger behaupteten posttraumatischen Störungen können hingegen nicht berücksichtigt werden. Der Kläger schildert, worauf die Kammer im Termin vom 26.05.2014 hingewiesen hat, keinerlei Symptome, die durch diese Störung hervorgerufen worden sein sollen. Auch das vorgelegte Gutachten des Dr. T (Anlage K2) ist hierzu nicht aussagekräftig.
58Insgesamt erscheint daher ein Schmerzensgeld von je 2.500,00 € für den Kläger und die Zeugin F als angemessen. Die Zeugin F konnte ihre Schmerzensgeldansprüche wirksam mit der Erklärung vom 02.01.2008 (Anlage K4) an den Kläger abtreten (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO, § 253 Rdnr. 22 m. w. N.).
59d) Ferner kann der Kläger die Medikamentenkosten von 10,00 € erstattet verlangen. Die Attestkosten von je 227,34 € für den Kläger und die Zeugin F sind hingegen nicht erstattungsfähig. Diese Kosten waren zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich. Es handelt sich jeweils um Attestkosten des Dr. T. Der Kläger hat ein Attest des Dr. T schon nicht vorgelegt. Das für die Zeugin F vorgelegte Attest ist für den Rechtsstreit und die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegenstandslos, weil es sich um ein psychosomatisches Gutachten handelt und etwaige psychosomatische Folgen des Schadensereignisses, wie oben unter c) dargelegt, nicht in die Berechnung des Schmerzensgeldes eingeflossen sind.
60e) Es ergibt sich somit folgende Schadensberechnung:
61Boot: 10.700,00 €
62Schiffsausrüstung: 3.400,00 €
63Persönliche Gegenstände: 835,00 €
64Schmerzensgeld Kläger: 2.500,00 €
65Schmerzensgeld Zeugin F: 2.500,00 €
66Medikamente: 10,00 €
67gesamt: 19.945,00 €
68II. Der Zinsanspruch folgt aus § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
69III. Der Anspruch auf Ersatz der vorprozessualen Anwaltskosten folgt aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 485 HGB a.F. i. V. m. Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 EGHGB a. F.
70Allerdings ist die Rechtsanwaltsgebühr nur nach einem Streitwert von 19.945,00 € zu berechnen. Danach ergibt sich folgende Berechnung:
71Geschäftsgebühr: 1,3 x 646,00 € = 839,80 €
72Pauschale 20,00 €
73Zwischensumme 859,80 €
7419 % Mehrwertsteuer: 163,36 €
75gesamt: 1.023,16 €
76IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 92 Abs. 1, 709 ZPO.
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