Urteil vom Landgericht Dortmund - 10 O 109/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden nach einem Streitwert in Höhe von 10.000 € der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar
1
T a t b e s t a n d
2Der Beklagte beteiligte sich mit einer Beitrittserklärung € als Kommanditist an der Klägerin, einer Fondsgesellschaft, deren Gegenstand der Erwerb und der Betrieb eines Tankschiffes ist (Einlage 50.000,00 €).
3Grundlage der Beteiligung des Beklagten an der Klägerin ist ein Gesellschaftsvertrag, der unter anderem folgende Regelungen enthält:
4§ 4 Ziffer 9:
5„Für jeden Kommanditisten wird ein festes Kapitalkonto I, das die Höhe der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen wiedergibt, eingerichtet. Die Höhe der Kapitalkonten entspricht den zum Handelsregister angemeldeten Kommanditeinlagen. Die Kapitalkonten sind Festkonten.
6Auf dem Kapitalkonto II werden die Gewinn- und Verlustanteile jedes Gesellschafters/Treugebers gebucht. Diese Konten gewähren keine Gesellschafterrechte.
7Für jeden Gesellschafter wird ein gesondertes Einlage-/Entnahme-/Darlehenskonto gebildet, auf dem etwaige weitere Einlagen sowie sämtliche Entnahmen/Ausschüttungen gebucht werden, soweit letztere zu einem Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führen. Diese werden als zinslose Darlehensverbindlichkeit der betroffenen Gesellschafter/Treugeber gegenüber der Gesellschaft gebucht. Eine Rückzahlung ist jedoch aufschiebend bedingt von der Liquiditätslage der Gesellschaft abhängig.
8…“
9§ 11 Ziffer 3 lautet:
10Unabhängig von einem im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn oder Verlust schüttet die Gesellschaft für den Fall, dass die Liquiditätslage es zulässt, im jeweiligen Geschäftsjahr unbeschadet der Regelung gemäß § 4 Ziff. 6 drittletzter Absatz einen Betrag in Höhe von voraussichtlich
11für die Tranchen I (2003) und II (2004) unterjährig
127,5 % auf das vertragsgemäß eingezahlte Kommanditkapital in 2004
137,5 % in 2005-2009
148,0 % in 2010-2013
159,0 % in 2014 und 2015
1610,0 % in 2016
1711,0 % in 2017
1817,0 % in 2018
1918,0 % in 2019
20des Kommanditkapitals p. a. an die Gesellschafter aus, der auf das Darlehenskonto des Gesellschafters gebucht wird. Ausschüttungen werden, soweit das Kapitalkonto des Gesellschafters in der Investitionsphase und der Betriebsphase herabgesetzt ist und soweit diese Herabsetzung nicht auf Ausschüttungen bzw. Entnahmen beruht, zuerst aus der im Handelsregister eingetragenen Pflichteinlage geleistet. Sofern ein Gesellschafter im Hinblick auf das Wiederaufleben der Haftung auf diese Entnahmen verzichtet, entfällt für ihn insoweit die Bildung der Darlehensverbindlichkeit.“
21Die Klägerin zahlte an den Beklagten Ausschüttungen in Höhe der Klageforderung aus.
22Mit Schreiben vom 31.07.2012 erklärte sie die Kündigung der „in der Vergangenheit als Darlehen gewährten Auszahlungen“ gegenüber dem Beklagten.
23Am 17.10.2012 beschloss die Gesellschafterversammlung eine Kapitalerhöhung, welche es den Gesellschaftern ermöglichte, der Klägerin freiwillig weiteres Kapital zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte schloss sich der Kapitalerhöhung nicht an. Daraufhin forderte die Klägerin von dem Beklagten mit Schreiben vom 12.12.2012 die Rückzahlung von Ausschüttungen in Höhe von 20 % seines Kommanditkapitals, mithin 10.000,00 €.
24Die Klägerin meint, ein Rückforderungsanspruch ergebe sich eindeutig aus § 4 Ziffer 9 und § 11 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages, wo ausdrücklich geregelt sei, dass die Ausschüttungen als zinslose Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft gebucht würden und zurückzuzahlen seien, wenn die Liquiditätslage dies erfordere. Im Unterschied zu den Regelungen, die den Entscheidungen des BGH (II ZR 73/11 und II ZR 74/11) zugrunde lagen, sei hier eine ausdrückliche Regelung zu dem Darlehenskonto enthalten. Danach seien auf dem Darlehenskonto nur rückforderbare Ausschüttungen zu buchen, wobei klargestellt werde, dass es sich um eine Darlehensverbindlichkeit der betroffenen Gesellschafter handele. Dabei sei zu beachten, dass in § 11 Ziffer 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages nicht von „einer“, sondern von „der“ Darlehensverbindlichkeit die Rede sei. Hierdurch werde die Verbindung zu § 4 Ziffer 9 Abs. 3 hergestellt.
25Der Beklagte sei daher verpflichtet, die gewinnunabhängigen Ausschüttungen im Sinne des § 11 Ziffer 3 zurückzuzahlen.
26Die Weigerung des Beklagten, sich an dem Sanierungskonzept zu beteiligen, sei darüber hinaus sittenwidrig und treuwidrig. Andere Gesellschafter hätten die Rückzahlung nicht verweigert oder sich an der Kapitalerhöhung beteiligt. Die Verpflichtung zur Mitwirkung ergebe sich, weil sonst die nicht mitwirkenden Gesellschafter ohne eigenen Beitrag von einer möglichen Sanierung profitieren würden. Das Sanierungskonzept diene der Vermeidung der Insolvenz, welche dazu führen würde, dass der Beklagte seine gesamte Beteiligung verlieren und ein Insolvenzverwalter sodann gewinnunabhängige Ausschüttungen von den Gesellschaftern gemäß § 172 Abs. 4 HGB zurückfordern würde.
27Ein Anspruch ergebe sich auch daraus, dass der Beklagte über die Treuhandgesellschafterin dem Sanierungskonzept zugestimmt habe.
28Die Klägerin beantragt,
29den Beklagten zu verurteilen, an sie 10.000,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.01.2013 zu zahlen,
30ferner, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin nicht anrechenbare außergerichtliche Kosten in Höhe von 651,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Er macht geltend, eine wirksame Regelung zur Zurückforderung der Ausschüttung enthalte der Gesellschaftsvertrag nicht. Es liege ein offensichtlicher Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor.
34Er bestreitet, dem Sanierungsprogramm der Klägerin durch eigene Handlung oder Vertretung durch etwaige Treuhänder zugestimmt zu haben.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2014 Bezug genommen.
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37Die zulässige Klage ist unbegründet.
38Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung der „gewinnunabhängigen Ausschüttungen“ nicht zu.
39I.
40§ 169 Abs. 1 HGB sieht einen Anspruch des Kommanditisten auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns vor, wenn sein Kapitalanteil nicht durch Verlust oder Auszahlung unter die bedungene Einlage herabgemindert ist. Allerdings können sich Ansprüche auf Zahlung einer nicht durch Gewinne gedeckten Ausschüttung durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag ergeben, so wie hier aus § 11 Ziffer 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages.
41Solche Zahlungen können zu einem Wiederaufleben der Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft führen, § 172 Abs. 4 HGB. Die in § 172 Abs. 4 HGB beschriebene Wirkung tritt jedoch nur gegenüber den Gläubigern ein, d. h. das Innenverhältnis zur Gesellschaft ist davon nicht berührt. Ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft entsteht bei einer Rückzahlung der Einlage somit nicht automatisch, sondern kann sich nur aus anderen Rechtsgründen ergeben, insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede (BGH, Urteil vom 12.03.2013, Aktenzeichen II ZR 73/11, TZ 9 ff.).
42II.
43Eine vertragliche Vereinbarung im vorgenannten Sinne lässt sich dem Gesellschaftsvertrag nicht entnehmen. Aus § 11 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages folgt eine Rückzahlungspflicht nicht.
44Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unterliegen einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie allgemeine Geschäftsbedingungen. Daraus folgt in Anlehnung an § 305 c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. Für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter müssen sich daher die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechten und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben (BGH aaO, TZ 14).
45An der erforderlichen Klarheit fehlt es hier.
461.
47Die in § 11 Ziffer 3 und 4 verwendeten Begriffe „Ausschüttung“ und „Entnahme“ weisen gerade nicht auf einen Vorbehalt der Rückforderung hin. Der Begriff der Ausschüttung wird im HGB vielmehr im Zusammenhang mit der Auszahlung von Gewinnen verwendet (§ 268 Abs. 8 HGB), die vom Kommanditisten gemäß § 169 Abs. 2 HGB grundsätzlich nicht zurückzuzahlen sind. Gleiches gilt für den Begriff der Entnahmen. Diese verbleiben grundsätzlich dem Gesellschafter, § 122 Abs. 1 HGB (zu diesen Gesichtspunkten BGH, aaO, TZ 17).
482.
49Auch aus der Verwendung der Begriffe „Darlehenskonto“ und „Darlehensverbindlichkeit“ lässt sich ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin nicht mit der erforderlichen Klarheit herleiten. Es ist nicht hinreichend erkennbar, dass die Buchung der Ausschüttung „auf das Darlehenskonto des Gesellschafters“ die Bildung einer Verbindlichkeit des Kommanditisten gegenüber der Klägerin begründen soll. Je nach Kontoführung der Gesellschaft kommt entweder eine Buchung zu Lasten der Gesellschaft oder aber eine solche zu Lasten des Gesellschafters in Betracht. § 11 Ziffer 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages kann daher auch so verstanden werden, dass eine beabsichtigte Ausschüttung bis zur tatsächlichen Auszahlung auf dem Darlehenskonto als Guthaben des Gesellschafters verbucht wird. Der durch diese Buchung abgebildete Auszahlungsanspruch würde dann mit der Auszahlung erlöschen (BGH, aaO, TZ 20 f.). § 11 Ziffer 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Auch eine zu Gunsten des Gesellschafters bis zur Auszahlung vorzunehmende Buchung würde „entfallen“, wenn der Kommanditist im Hinblick auf eine möglicherweise im Außenverhältnis nach § 172 Abs. 4 HGB wiederauflebende Haftung auf eine Ausschüttung verzichtet (BGH, aaO, TZ 22).
503.
51Auch die Regelung in § 4 Ziffer 9 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Regelung bietet keine hinreichend klare und eindeutige Vereinbarung eines Rückzahlungsanspruches im Innenverhältnis zwischen Kommanditist und Klägerin. Die Regelung in Absatz 3 stellte zunächst lediglich klar, dass bei der Klägerin für jeden Kommanditisten ein drittes variables Konto geführt wird. Zwar heißt es in § 4 Ziffer 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages auch, dass sämtliche Entnahmen, soweit sie zu einem Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führen, „als zinslose Darlehensverbindlichkeit der betroffenen Gesellschafter/Treugeber gegenüber der Gesellschaft“ gebucht würden. Jedoch folgt hieraus nicht mit hinreichender Klarheit, dass die in § 4 Ziffer 9 Abs. 3 angesprochenen Buchungen mit denjenigen des § 11 Ziffer 3 identisch sind. § 11 Ziffer 3 beinhaltet keinen ausdrücklichen Verweis auf § 4 Ziffer 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages. Hieran ändert auch die Verwendung des bestimmten Artikels „der“ in § 11 Ziffer 3 Satz 3 nichts. Denn auch hieraus folgt eine direkte Verweisung auf § 4 Ziffer 9 Abs. 3 nicht. Diese Regelung erfasst zudem nur Entnahmen/Ausschüttungen „soweit letztere zu einem Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führen“, wobei § 11 Ziffer 3 diese Einschränkung nicht enthält. Dies kann auch für einen verständigen Anleger den Schluss nahe legen, dass die Buchungen nach § 11 Ziffer 3 eben nicht mit denen nach § 4 Ziffer 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages identisch sind.
524.
53Letztlich spricht auch gegen die Annahme eines wirksam vertraglich vereinbarten Rückzahlungsanspruches, dass es an einer konkreten Regelung über die Tatbestandsvoraussetzungen eines solchen Anspruches mangelt. Eine solche Regelung wäre jedoch nahe liegend gewesen, da es nicht dem Willen der Gesellschafter entsprechen dürfte, Liquiditätsüberschüsse, die den Kommanditisten nach der Regelung des § 11 Ziffer 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich zustehen und auch bei diesen verbleiben sollen, ohne besonderen Grund und näher bestimmten Voraussetzungen wieder entziehen zu können (vgl. BGH aaO, TZ 23). Hier wird in § 4 Ziffer 9 Absatz 3 des Gesellschaftsvertrages lediglich bestimmt, dass eine Rückzahlung aufschiebend bedingt von der Liquiditätslage der Gesellschaft abhängig ist. Dabei ist nichts dafür ersichtlich, wie die Liquiditätslage gestaltet sein soll, einen Rückzahlungsanspruch auszulösen. Unklar ist auch, wer dazu berufen sein soll, eine entsprechende Liquiditätsklage mit der Folge der Rückforderung festzustellen.
54III.
55Ein Rückzahlungsanspruch lässt sich auch nicht aus einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht herleiten. Die vom BGH in dem Urteil vom 19.10.2009 (Aktenzeichen II ZR 240/08) angestellten Erwägungen lassen sich auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragen, weil es dort um die Haftung von OHG-Gesellschaftern ging, welche unbegrenzt auch mit ihrem privaten Vermögen haften, während vorliegend die Haftung auf die Einlage begrenzt ist.
56IV.
57Letztlich folgt ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin auch nicht aus einer Zustimmung des Beklagten zum Sanierungskonzept. Eine solche Beschlussfassung ist von dem Beklagten bereits in Abrede gestellt worden. Die Klägerin hat hierzu lediglich das Versammlungsprotokoll der Gesellschafterversammlung vom 18.10.2012 zu der Akte gereicht. Daraus folgt allein eine Beschlussfassung zur Kapitalerhöhung, nicht jedoch zu der Begründung einer Pflicht zur Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen. Eine Zustimmung des Beklagten ist zudem nicht ersichtlich, wobei nach den Unterlagen auch offen geblieben ist, ob der Beklagte selbst oder ein Treuhandkommanditist an der Gesellschaft beteiligt war.
58Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen.
59Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.