Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 309/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, die Bewilligung der Löschung der in das Grundbuch von Unna, Blatt 2433 in Abt. III unter der lfd. Nr. 32 eingetragenen Grundschuld über 121.000,00 € zu erklären, Zug um Zug gegen Zahlung von 115.481,77 €.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme der von den Klägern geschuldeten Zahlung in Höhe von 115.481,77 € im Verzug der Annahme befindet.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Darlehenskonto Nr. 13611082 der Kläger einen Betrag in Höhe von 2.768,16 € gutzuschreiben.
Im Übrigen – wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten – wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 125.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Unter dem 18.10.2006 und 29.03.2007 schlossen die Parteien zwei formularmäßige Darlehensverträge (Einzelheiten Blatt 8 bis 22 der Akten). Die Darlehenssumme belief sich auf 121.000,00 €, gesichert durch die im Grundbuch von V, Blatt #### in Abteilung III. laufende Nr. ## eingetragene Grundschuld in Höhe von 121.000,00 €. Die Widerrufsbelehrung zu beiden Darlehensverträgen hat folgenden Wortlaut:
3„Widerrufsbelehrung zu1 Darlehen über € 95.000,--/€ 121.000,00 €
4Widerrufsrecht
5Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen2 ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. …
6Der Widerruf ist zu richten an: (Name, Firma und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse). …
71 ….
82 Bitte Frist im Einzelfall prüfen“
9Mit Anwaltsschreiben vom 19.12.2013 (Blatt 24 und 25 der Akten) erklärten die Kläger den Widerruf und forderten die Beklagte auf, die Grundschuld gegen Zahlung der von der Beklagten geforderten Darlehensschuld ohne Vorfälligkeitsentschädigung zurückzugewähren. Dies lehnte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 10.01.2014 ab (Blatt 26 bis 31 der Akten). Am 31.12.2013 valutierten die Darlehen in Höhe von 115.481,77 € (Einzelheiten Blatt 32 der Akten).
10Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Rückgewähr der Grundschuld und die Stornierung der Kreditzinsen, mit denen die Beklagte das Konto Nr. #####/#### in dem Zeitraum Januar bis Juni 2014 in Höhe von 2.768,16 € belastete.
11Die Kläger beantragen,
121. die Beklagte zu verurteilen, die Bewilligung der Löschung
13der in das Grundbuch von V, Blatt #### in Abt. III unter der lfd. Nr. ## eingetragenen Grundschuld über 121.000,00 € zu erklären, Zug um Zug gegen Zahlung von 115.481,77 €,
142. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennah-
15me der von den Klägern geschuldeten Zahlung in Höhe von 115.481,77 € im Verzug der Annahme befindet,
163. die Beklagte zu verurteilen, dem Darlehenskonto Nr.
1713611082 der Kläger einen Betrag in Höhe von 2.768,16 € gutzuschreiben,
184. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger außergerichtliche
19Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.047,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu bezahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte meint, die Widerrufserklärung sei verspätet und rechtsmissbräuchlich.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
25Die Kläger haben gemäß §§ 495 Abs. 1, 355, 357, 346 BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung einen Anspruch auf Bewilligung der Löschung der streitgegenständlichen Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung von 115.481,77 €. Die Kläger haben die Darlehensverträge vom 18.10.2006 und 29.03.2007 wirksam widerrufen.
26Das Widerrufsrecht der Kläger ist nicht durch Zeitablauf erloschen, weil die Widerrufsbelehrungen der Darlehensverträge allein wegen der Formulierung „die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ nicht dem Deutlichkeitsgebot entsprachen (BGH, I ZR 66/08, Urteil vom 29.04.2010, Rn. 21, BGH, III ZR 83/11, Urteil vom 01.03.2012, Rn. 15, BGH, VIII ZR 82/10, Urteil vom 01.12.2010, Rn. 12, BGH, VIII ZR 219/08, Urteil vom 09.12.2009, Rn. 12 ff., BGH, VIII ZR 103/10, Urteil vom 02.02.2011, Rn. 14 und BGH, XI ZR 349/10, Urteil vom 28.06.2011, Rn. 34).
27Auf § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB InfoV in der zum Zeitpunkt der Darlehensverträge geltenden Fassung kann sich die Beklagte nicht berufen. Voraussetzung dafür ist, dass die von ihr formulierten Widerrufsbelehrungen in jeder Hinsicht, also sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig dem damaligen Muster der Anlage 2 zur BGB InfoV entsprachen (BGH, III ZR 83/11, Urteil vom 01.03.2012, Rn. 16, BGH, III ZR 252/11, Urteil vom 19.07.2012, Rn. 14, BGH, VIII ZR 103/10, Urteil vom 02.02.2011, Rn. 21, BGH, VIII ZR 82/10, Urteil vom 01.02.2010, Rn. 14 ff. und BGH, XI ZR 349/10, Urteil vom 28.06.2011, Rn. 36 ff. (insbesondere Rn. 39)).
28Im vorliegenden Fall gibt es Abweichungen zum Muster sowohl hinsichtlich der Ziffern 1. und 2. als auch hinsichtlich des Klammerzusatzes und der Fußnote, die allesamt nicht im Muster enthalten sind.
29Das Widerrufsrecht der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verwirkt (ebenso OLG Hamm, 31 U 74/14 und 75/14). Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie den Klägern keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat (BGH, IV ZR 76/11, Urteil vom 07.05.2014, Rn. 39). Zudem fehlt es an konkretem Vortrag, dass und aus welchen Gründen sich die Beklagte, die spätestens aufgrund der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 09.12.2009, VIII ZR 219/08, Rn. 12 ff., vom 29.04.2010, I ZR 66/08, Rn. 21, vom 01.12.2010, VIII ZR 82/100, Rn. 12 ff. und vom 28.06.2011, XI ZR 349/10, Rn. 34 ff. ohne weiteres hätte erkennen können, dass die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, berechtigterweise darauf eingerichtet haben will, dass ihre Vertragspartner Verträge nicht auch noch Jahre nach deren Abschluss widerrufen. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass die Beklagte ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, die Kläger in wirksamer Weise nachzubelehren (§ 355 Abs. 2 BGB a.F.). Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass es eine gesetzgeberische Entscheidung war, eine damalige Sechsmonatsfrist, innerhalb der das Widerrufsrecht auch bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung erloschen sollte, nicht in das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu übertragen. Diese gesetzgeberische Wertung kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass man Banken das Recht zubilligt, sich der Haftung durch die Berufung auf § 242 BGB zu entziehen (OLG Hamm, 31 U 74/14 und 31 U 75/14).
30Die Kläger können daher die Rückabwicklung der Darlehensverträge vom 18.10.2006 und 29.03.2007, also die Rückgabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung der unstreitigen Darlehensvaluta verlangen.
31Die Feststellung des Annahmeverzuges beruht auf § 298 BGB.
32Der Klageantrag zu 3. ist begründet, denn nach Widerruf und Annahmeverzug steht der Beklagten kein Anspruch auf Zinsen oder Nutzungsentschädigung nach §§ 301, 302 BGB zu.
33Der Klageantrag zu 4. ist nicht begründet. Die Kläger haben keinen Schadensersatzanspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280, 286 BGB, weil sich die Beklagte nicht im Schuldnerverzug befand und weil die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht durch eine vertragliche Pflichtverletzung der Beklagten verursacht worden sind, sondern durch die Erklärung des Widerrufes.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 BGB und berücksichtigt, dass die Zuvielforderung der Kläger verhältnismäßig geringfügig war und keine Mehrkosten verursacht hat.
35Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Referenzen
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