Urteil vom Landgericht Dortmund - 19 O 108/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.640,00 € i. W. achttausendsechshundertundvierzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.04.2014 zu zahlen und die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 679,10 € gegenüber der Rechtsanwaltssozietät T freizustellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin fordert geleistete Auszahlungen von der Beklagten zurück.
3Die Beklagte beteiligte sich mit einer Beitrittserklärung als Kommanditist an der Klägerin, einer Fonds-Gesellschaft, deren Gegenstand der Erwerb und Betrieb des Tankschiffes E 1 ist.
4Grundlage der Beteiligung der Beklagten an der Klägerin ist ein Gesellschaftsvertrag, der u.a. folgende Regelungen enthält:
5§ 4 Ziffer 9:
6„…Zusätzlich wird für jeden Kommanditisten bei Eintritt der in § 11 Ziffer 5 genannten Bedingungen ein gesondertes Darlehenskonto geführt.“
7§ 8 Ziffer 4:
8„Kein Kommanditist kann durch Gesellschafterbeschlüsse gegen seinen Willen verpflichtet werden, der Gesellschaft weitere Mittel nachzuschießen, unbeschadet der nicht abdingbaren gesetzlichen Haftungsregelung und der Darlehensregelung in § 11 Ziff. 5. Die im Gesellschaftsvertrag aufgeführten und sich aus dem Gesetz ergebenden Rechte der persönlich haftenden Gesellschafterin können nicht durch Gesellschafterbeschluss aufgehoben oder beschränkt werden, wenn hierfür nicht ein wichtiger Grund besteht. Ob und inwieweit ein wichtiger Grund vorliegt, kann nicht durch Gesellschafterbeschluss festgelegt werden.“
9§ 11 Ziffer 3 bis 5:
10„3.Sämtliche Auszahlungen gemäß den folgenden Ziffern gelten als Vorabgewinn und erfolgen unabhängig von einem im Jahresabschluss der Gesellschaft ausgewiesenen Gewinn oder Verlust der Gesellschaft.
114.Die Gesellschaft zahlt als Vorabgewinn für den Fall, dass die Liquiditätslage es zulässt, im jeweiligen Geschäftsjahr unterjährig zunächst und vorab für die Garant-Kommanditisten:
12- 13
bis zu 6,5 % für die Jahre 2006 bis 2025 (für das Jahr 2006 anteilig)und danach aus der verbleibenden Restliquidität als Vorabgewinn für die Dynamik-Kommanditisten:
- 14
bis zu 8 % für die Jahre 2007 bis 2014
- 15
bis zu 9 % für die Jahre 2015 und 2016
- 16
bis zu 10 % für das Jahr 2017
- 17
bis zu 11 % für die Jahre 2018 und 2019
- 18
bis zu 18 % für das Jahr 2020
- 19
bis zu 23 % für das Jahr 2021
- 20
bis zu 24 % für die Jahre 2022 bis 2025
jeweils bezogen auf ihr planmäßig eingezahltes Kommanditkapital p.a.Soweit darüber hinaus Liquidität für weitere Auszahlungen vorhanden ist, wird diese als Vorabgewinn unter Beachtung von Ziffer 6 im Verhältnis der eingezahlten Kommanditeinlagen der Kommanditisten zueinander ausgezahlt.“…5.Soweit Entnahmen/Auszahlungen an die Gesellschafter zu einem Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB führen, werden diese in einem gesonderten Verzeichnis geführt. Unter der aufschiebenden Bedingung, dass Entnahmen/Auszahlungen der Gesellschafter zu einem Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB führen und die Liquiditätslage der Gesellschaft eine Rückforderung nach Feststellung der Geschäftsführung notwendig macht, werden diese Entnahmen/Auszahlungen als Darlehen der Gesellschaft an die Gesellschafter angesehen und auf einem dann gesondert eingerichteten Darlehenskonto als Darlehensforderung der Gesellschaft verbucht.Sofern ein Gesellschafter im Hinblick auf das Wiederaufleben der Haftung auf diese Entnahmen verzichtet, entfällt für ihn insoweit die Bildung der Darlehensverbindlichkeit. Die Auszahlung erfolgt dann spätestens bei Liquidation der Gesellschaft vorab.“
22Die Beklagte erhielt Auszahlungen gemäß § 11 Ziffer 3ff. des Gesellschaftsvertrages in Höhe der Klageforderung.
23Die Gesellschaft befindet sich aufgrund einer seit Jahren andauernden Schiffsmarktkrise in Liquiditätsschwierigkeiten. Nach Feststellung der Geschäftsführung der Klägerin machte es die Liquiditätslage im Jahr 2013 erforderlich, die erfolgten Auszahlungen an die Gesellschafter gemäß § 11 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages wieder zurückzufordern.
24Dies teilte die Geschäftsführung den Anlegern unter dem 13.09.2013 mit und bat um Mitwirkung an einer Kapitalerhöhung. Zugleich wurden gegenüber der Beklagten die Auszahlungen der Vergangenheit in Höhe des mit der Klage geltend gemachten Betrages gekündigt.
25Eine Vielzahl von Anlegern beteiligte sich an der Kapitalerhöhung, der Beklagte jedoch nicht.
26Mit Schreiben vom 10.02.2014 stellte die Klägerin den mit der Klage geltend gemachten Betrag fällig und forderte die Beklagte auf, diesen wegen der eingetretenen Liquiditätsschwierigkeiten zurückzuzahlen. Nach einer weiteren Fristsetzung mit Schreiben vom 25.03.2014, das ohne Reaktion der Beklagten blieb, beauftragte die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten, welche die Beklagte mit Schreiben aus Juli 2014 nochmals zur Zahlung aufforderten.
27Die Klägerin macht geltend, die Regelungen im Gesellschaftsvertrag machten auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteile vom 12.03.2013, AZ: II ZR 73/11 und II ZR 74/11) hinreichend deutlich, dass die Auszahlungen zurückgefordert werden könnten. So sei in dem streitgegenständlichen Gesellschaftsvertrag klargestellt, dass es um eine Darlehensforderung der Gesellschaft gehe. Zudem werde hier der Begriff der Auszahlung verwandt und darauf hingewiesen, dass die Auszahlungen als Vorabgewinn behandelt würden. Sinn und Zweck der Rückforderbarkeit von Auszahlungen sei es, im Falle einer wirtschaftlich existenzbedrohenden Situation für die Gesellschaft, die Liquidität durch Rückforderung der ausgezahlten Eigenkapitalanteile wieder herstellen zu können.
28Die Klägerin beantragt,
29den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 8.640,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.04.2014 zu zahlen sowie die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 679,10 € gegenüber der Rechtsanwaltssozietät T freizustellen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie meint, eine hinreichend klare Regelung läge nicht vor. Die Klausel regele nicht, wann und unter welchen Voraussetzungen die Ausschüttungen zurückgefordert werden könnten. Die Klausel eröffne die Möglichkeit, jederzeit (mit dreimonatigem Vorlauf) auf die Gelder der Gesellschafter zurückzugreifen, um Hochzinsphasen auf dem Darlehensmarkt zu umgehen.
33Mit der Darlehensklausel sei von vornherein nicht beabsichtigt worden, auf die Ausschüttung der Anleger durch Darlehenskündigung zurückzugreifen. Hintergrund der gesellschaftsvertraglichen Regelung sei § 15 a Ziffer 3 EStG gewesen. Entnahmen sollten nicht zu Lasten des Eigenkapitalkontos gehen, sondern zu Lasten eines separaten Kontos, das in der Regel als Darlehenskonto bezeichnet wurde.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
35Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
36Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der Auszahlungen zu.
37I.
38§ 169 Abs. 1 HGB sieht einen Anspruch des Kommanditisten auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns vor, wenn sein Kapitalanteil nicht durch Verlust oder Auszahlung unter die bedungene Einlage herabgemindert ist. Allerdings können sich Ansprüche auf Zahlung einer nicht durch Gewinne gedeckten Ausschüttung durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag ergeben, so wie hier aus § 11 Ziffer 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages.
39Solche Zahlungen können zu einem Wiederaufleben der Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft führen, § 172 Abs. 4 HGB. Die in § 172 Abs. 4 HGB beschriebene Wirkung tritt jedoch nur gegenüber den Gläubigern ein, d. h. das Innenverhältnis zur Gesellschaft ist davon nicht berührt. Ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft entsteht bei einer Rückzahlung der Einlage somit nicht automatisch, sondern kann sich nur aus anderen Rechtsgründen ergeben, insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede (BGH, Urteil vom 12.03.2013, Aktenzeichen II ZR 73/11, TZ 9 ff.).
40II.
41Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unterliegen einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie allgemeine Geschäftsbedingungen. Daraus folgt in Anlehnung an § 305 c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. Für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter müssen sich daher die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechten und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben (BGH aaO, TZ 14).
42Eine solche klare Regelung liegt hier vor. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist mit § 11 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages eine solche gegeben (so auch LG Dortmund, Urteil vom 06.11.2014, AZ: 18 0 74/12 zu einer nahezu wortgleichen Regelung zum E2-Rendite-Fonds Nr. ###). Die Rückforderbarkeit folgt hier bereits aus § 11 Nr. 5, 1. Absatz, ohne dass es vorliegend eines Rückgriffes auf die weiteren Regelungen in § 4 des Gesellschaftsvertrages bedarf. In § 11 Ziffer 5 wird hinreichend deutlich festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Auszahlungen als Darlehensforderung der Gesellschaft verbucht werden. Dies erfolgt, wenn die Auszahlungen zu einem Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB führen und des weiteren die Liquiditätslage der Gesellschaft eine Rückforderung nach Feststellung der Geschäftsführung notwendig macht. Damit ist hinreichend klar, wann eine Darlehensforderung der Gesellschaft entsteht. Da es einem Darlehen eigen ist, dass es gekündigt und zur Rückzahlung fällig gestellt werden kann, reicht dies für die vertragliche Abrede aus, zumal die Notwendigkeit der Rückforderung Voraussetzung für die Buchung als Darlehen der Gesellschaft ist.
43Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 12.03.2013 stehen dem nicht entgegen. Denn vorliegend ist hinreichend klargestellt, dass es um eine Darlehensforderung der Gesellschaft geht. Weitere Auslegungsmöglichkeiten bestehen daher hier nicht.
44Vorliegend sind auch die Voraussetzungen für eine Rückforderbarkeit der Auszahlungen (noch) hinreichend konkretisiert. Zwar wird die Liquiditätslage, die eine Rückforderung notwendig machen soll, nicht näher umschrieben. Jedoch folgt aus der weiteren Formulierung, dass die Notwendigkeit der Rückforderung durch die Geschäftsführung festgestellt werden muss, ein hinreichender Anhaltspunkt für eine Auslegung des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Ausgestaltung der die Rückforderbarkeit auslösenden Liquiditätslage. Da die Geschäftsführung an den Gesell-schaftszweck gebunden ist, erscheint es hier angängig, die Regelung dahin zu verstehen, dass es sich um eine im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Schiffsbetriebes kritische Liquiditätslage handeln muss. Der Beklagte hat insoweit auch nicht bestritten, dass es aufgrund der Liquiditätsschwierigkeiten erforderlich war, die Auszahlungen zurückzufordern.
45Soweit die Beklagte noch geltend macht, die Darlehensklausel habe (nur) steuerrechtliche Hintergründe gehabt, so findet diese Auffassung in Wortlaut des § 11 Ziffer 5 keine Stütze.
46Die Klage ist auch begründet, soweit die Klägerin die Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Der Anspruch rechtfertigt sich aus Verzug, weil die Beklagte auf die berechtigten Mahnungen der Klägerin nicht geleistet hat. Der Anspruch ist der Höhe nach außer Streit.
47Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
48Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
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Referenzen
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