Urteil vom Landgericht Dortmund - 19 O 38/15
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 316.800,00 € (i. W.: dreihundertundsechzehntausendachthundert Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 12.04.2014 zu zahlen und die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten der T PartGmbB in Höhe von 3.260,90 € freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1Die Klägerin fordert geleistete Auszahlungen von dem Beklagten zurück.
2Der Beklagte beteiligte sich mit einer Beitrittserklärung als Kommanditist an der Klägerin, einer Fonds-Gesellschaft, deren Gegenstand der Erwerb und Betrieb des Tankschiffes E1 ist.
3Grundlage der Beteiligung des Beklagten an der Klägerin ist ein Gesellschaftsvertrag, der u.a. folgende Regelungen enthält:
4§ 4 Ziffer 9:
5„…Zusätzlich wird für jeden Kommanditisten bei Eintritt der in § 11 Ziffer 5 genannten Bedingungen ein gesondertes Darlehenskonto geführt.“
6§ 8 Ziffer 4:
7„Kein Kommanditist kann durch Gesellschafterbeschlüsse gegen seinen Willen verpflichtet werden, der Gesellschaft weitere Mittel nachzuschießen, unbeschadet der nicht abdingbaren gesetzlichen Haftungsregelung und der Darlehensregelung in § 11 Ziff. 5. Die im Gesellschaftsvertrag aufgeführten und sich aus dem Gesetz ergebenden Rechte der persönlich haftenden Gesellschafterin können nicht durch Gesellschafterbeschluss aufgehoben oder beschränkt werden, wenn hierfür nicht ein wichtiger Grund besteht. Ob und inwieweit ein wichtiger Grund vorliegt, kann nicht durch Gesellschafterbeschluss festgelegt werden.“
8§ 11 Ziffer 3 bis 5:
9„3.Sämtliche Auszahlungen gemäß den folgenden Ziffern gelten als Vorabgewinn und erfolgen unabhängig von einem im Jahresabschluss der Gesellschaft ausgewiesenen Gewinn oder Verlust der Gesellschaft.
104.Die Gesellschaft zahlt als Vorabgewinn für den Fall, dass die Liquiditätslage es zulässt, im jeweiligen Geschäftsjahr unterjährig zunächst und vorab für die Garant-Kommanditisten:
11- 12
bis zu 6,5 % für die Jahre 2006 bis 2025 (für das Jahr 2006 anteilig)
und danach aus der verbleibenden Restliquidität als Vorabgewinn für die Dynamik-Kommanditisten:
14- 15
bis zu 8 % für die Jahre 2007 bis 2014
- 16
bis zu 9 % für die Jahre 2015 und 2016
- 17
bis zu 10 % für das Jahr 2017
- 18
bis zu 11 % für die Jahre 2018 und 2019
- 19
bis zu 18 % für das Jahr 2020
- 20
bis zu 23 % für das Jahr 2021
- 21
bis zu 24 % für die Jahre 2022 bis 2025
jeweils bezogen auf ihr planmäßig eingezahltes Kommanditkapital p.a..
23Soweit darüber hinaus Liquidität für weitere Auszahlungen vorhanden ist, wird diese als Vorabgewinn unter Beachtung von Ziffer 6 im Verhältnis der eingezahlten Kommanditeinlagen der Kommanditisten zueinander ausgezahlt.“
245.Soweit Entnahmen/Auszahlungen an die Gesellschafter zu einem Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB führen, werden diese in einem gesonderten Verzeichnis geführt. Unter der aufschiebenden Bedingung, dass Entnahmen/Auszahlungen der Gesellschafter zu einem Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB führen und die Liquiditätslage der Gesellschaft eine Rückforderung nach Feststellung der Geschäftsführung notwendig macht, werden diese Entnahmen/Auszahlungen als Darlehen der Gesellschaft an die Gesellschafter angesehen und auf einem dann gesondert eingerichteten Darlehenskonto als Darlehensforderung der Gesellschaft verbucht.Sofern ein Gesellschafter im Hinblick auf das Wiederaufleben der Haftung auf diese Entnahmen verzichtet, entfällt für ihn insoweit die Bildung der Darlehensverbindlichkeit. Die Auszahlung erfolgt dann spätestens bei Liquidation der Gesellschaft vorab.“
25Der Beklagte erhielt Auszahlungen gemäß § 11 Ziffer 3ff. des Gesellschaftsvertrages in Höhe der Klageforderung.
26Die Gesellschaft befindet sich aufgrund einer seit Jahren andauernden Schiffsmarktkrise in Liquiditätsschwierigkeiten. Nach Feststellung der Geschäftsführung der Klägerin machte es die Liquiditätslage im Jahr 2013 erforderlich, die erfolgten Auszahlungen an die Gesellschafter gemäß § 11 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages wieder zurückzufordern.
27Dies teilte die Geschäftsführung den Anlegern unter dem 13.09.2013 mit und bat um Mitwirkung an einer Kapitalerhöhung. Zugleich wurden gegenüber dem Beklagten die Auszahlungen der Vergangenheit in Höhe des mit der Klage geltend gemachten Betrages gekündigt.
28Eine Vielzahl von Anlegern beteiligte sich an der Kapitalerhöhung, der Beklagte jedoch nicht.
29Mit Schreiben vom 10.02.2014 stellte die Klägerin den mit der Klage geltend gemachten Betrag fällig und forderte den Beklagten auf, diesen wegen der eingetretenen Liquiditätsschwierigkeiten zurückzuzahlen. Nach einer weiteren Fristsetzung mit Schreiben vom 25.03.2014, das ohne Reaktion des Beklagten blieb, beauftragte die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten, welche den Beklagten mit Schreiben aus Juli 2014 nochmals zur Zahlung aufforderten.
30Die Klägerin macht geltend, die Regelungen im Gesellschaftsvertrag machten auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteile vom 12.03.2013, AZ: II ZR 73/11 und II ZR 74/11) hinreichend deutlich, dass die Auszahlungen zurückgefordert werden könnten. So sei in dem streitgegenständlichen Gesellschaftsvertrag klargestellt, dass es um eine Darlehensforderung der Gesellschaft gehe. Zudem werde hier der Begriff der Auszahlung verwandt und darauf hingewiesen, dass die Auszahlungen als Vorabgewinn behandelt würden. Sinn und Zweck der Rückforderbarkeit von Auszahlungen sei es, im Falle einer wirtschaftlich existenzbedrohenden Situation für die Gesellschaft, die Liquidität durch Rückforderung der ausgezahlten Eigenkapitalanteile wieder herstellen zu können.
31Die Klägerin beantragt,
32den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 316.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 12.04.2014 zu zahlen sowie die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten der T PartGmbB in Höhe von 3.260,90 € freizustellen.
33Der Beklagte beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Er meint, eine hinreichend klare Regelung läge nicht vor. Die Klausel regele nicht, wann und unter welchen Voraussetzungen die Ausschüttungen zurückgefordert werden könnten. Die Klausel eröffne die Möglichkeit, jederzeit (mit dreimonatigem Vorlauf) auf die Gelder der Gesellschafter zurückzugreifen, um Hochzinsphasen auf dem Darlehensmarkt zu umgehen.
36Mit der Darlehensklausel sei von vornherein nicht beabsichtigt worden, auf die Ausschüttung der Anleger durch Darlehenskündigung zurückzugreifen. Hintergrund der gesellschaftsvertraglichen Regelung sei § 15 a Ziffer 3 EStG gewesen. Entnahmen sollten nicht zu Lasten des Eigenkapitalkontos gehen, sondern zu Lasten eines separaten Kontos, das in der Regel als Darlehenskonto bezeichnet wurde.
37E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38Die zulässige Klage ist im vollem Umfang begründet.
39Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der Auszahlungen zu.
40Nach § 169 Abs. 1 Satz 2 AGB hat der Kommanditist grundsätzlich nur einen Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns. Billigt der Gesellschaftsvertrag indes wie hier in § 11 Ziffer 4 dem Kommanditisten Ausschüttungen über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus zu, so können diese Ausschüttungen nur dann zurückverlangt werden, wenn der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Regelung enthält. Sofern die Ausschüttung zu einem Wiederaufleben der Außenhaftung nach §§ 172 Abs. 4, 171 HGB führen, gilt dies zunächst nur im Verhältnis zu den Gläubigern. Im Innenverhältnis der Gesellschaft besteht ein Rückzahlungsanspruch nur bei einer entsprechend vertraglichen Abrede (BGH Urteil vom 12.03.2013, II ZR 73/11).
41Eine solche Anspruchsgrundlage ist hier mit § 11 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages gegeben.
42In § 11 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrages heißt es nämlich ausdrücklich, dass unter der aufschiebenden Bedingung, dass Entnahmen/Auszahlungen der Gesellschafter zu einem Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB führen und eine Rückforderung nach Feststellung der Geschäftsführung notwendig ist, diese Entnahmen/Auszahlungen als Darlehn der Gesellschaft an die Gesellschafter behandelt und auf einem dann gesondert eingerichteten Darlehnskonto als Darlehnsforderung der Gesellschaft verbucht werden.
43Aus dieser Regelung ergibt sich eindeutig, dass solche Ausschüttungen als rückforderbares Darlehn behandelt werden können.
44Die Entscheidung des BGH vom 12.03.2013 (II ZR 73/11) und 01.07.2014 (II ZR 73/12) stehen der Annahme, dass es sich bei § 11 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages um eine taugliche Anspruchsgrundlage handelt, nicht entgegen.
45In der vom BGH beanstandeten Klausel heißt es, dass Ausschüttungen auf Darlehnskonto gebucht werden, und dass, soweit ein Gesellschafter im Hinblick auf das Wiederaufleben der Haftung auf diese Entnahmen verzichtet, für ihn insoweit die Bildung einer Darlehnsverbindlichkeit unterbleibt. Bei einer solchen Regelung hat der BGH die Ansicht vertreten, dass aus der Verwendung der Begriffe „Darlehnskonto“ und „Darlehnsverbindlichkeit“ nicht unbedingt geschlossen werden könne, dass es sich um Forderungen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter handeln sollte. Es seien weitere Auslegungsmöglichkeiten denkbar.
46Im Gegensatz zur vorgenannter Klausel ist in § 11 Nr. 5 des hiesigen Gesellschaftsvertrages ausdrücklich festgehalten, dass die Entnahmen als Darlehn an die Gesellschafter behandelt werden und auf einem Darlehnskonto als Darlehnsforderung der Gesellschaft verbucht werden. Insoweit ist eindeutig, dass es sich um eine Darlehnsforderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter handeln soll.
47Auch die weiteren Voraussetzungen für das Bestehen des Rückzahlungsanspruchs nach § 11 Nr. 5 des Gesellschaftervertrages liegen vor. Diese sind vorliegend hinreichend konkretisiert. Zwar wird die Liquiditätslage, die eine Rückforderung notwendig machen soll, nicht näher umschrieben, jedoch folgt aus der weiteren Formulierung, dass die Notwendigkeit der Rückforderung durch die Geschäftsführung festgestellt werden muss, ein hinreichender Anhaltspunkt für eine Auslegung des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Ausgestaltung der die Rückforderbarkeit auslösenden Liquiditätslage. Aus dem Gesellschaftszweck folgt hier, dass die Regelung dahin zu verstehen ist, dass es sich um eine im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Schiffsbetriebes kritische Liquiditätslage handeln muss. Darüber, ob eine solche Liquiditätslage vorliegt, hat die Geschäftsführung nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Dass die Geschäftsführung hier ein eingeräumtes Ermessen überschritten hat, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
48Soweit der Beklagte noch geltend macht, die Darlehnsklausel habe nur steuerrechtliche Hintergründe gehabt, so findet diese Auffassung im Wortlaut des §§ 11 Ziffer 5 keine Stütze.
49Die Klage ist auch begründet, soweit die Klägerin die Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Der Anspruch rechtfertigt sich aus Verzug, weil der Beklagte auf die berechtigten Mahnungen der Klägerin nicht geleistet hat. Der Anspruch ist der Höhe nach außer Streit.
50Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.