Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 O 101/15
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.810,00 € (in Worten: siebentausendachthundertzehn Euro) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2015 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des PKWs Seat Leon 2,0 TDI, Farbe Emotionrot mit der Fahrgestell-Nummer ################# zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 142,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2015 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des oben näher bezeichneten PKWs in Verzug befindet.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Pkw-Kaufs in Anspruch.
3Mit Kaufvertrag vom 14.02.2015 erwarb der Kläger bei der Beklagten einen Pkw der Marke Seat Leon, 2,0 TDI in der Farbe Emotionrot zum Preis von 7.950,00 €, wobei er für 5.000,00 € einen Audi TT in Zahlung gab und den restlichen Kaufpreis über 2.950,00 € in Bar entrichtete. Das in Zahlung gegebene Fahrzeug wurde von der Beklagten inzwischen weiterveräußert.
4Im Vertrag vom 14.02.2015 (Bl. 7 d. A.) heißt es wörtlich:
5„Für eventuelle Nachlackierungen oder Unfallschäden kann die Firma F nicht haften. Im Zuge der Aufbereitung können Nachlackierungen/Reparatur/Smartrepair stattfinden. Nachlackierungen bekannt...“
6In der Folgezeit reklamierte der Kläger bei der Beklagten, dass das Fahrzeug einen Unfallvorschaden aufweise und nicht sach- und fachgerecht in Stand gesetzt worden sei. Am 25.02.2015 erklärte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben die Anfechtung des Vertrages, hilfsweise begehrte er dessen Rückabwicklung, zu der es außergerichtlich jedoch nicht kam. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2015 hat der Kläger klargestellt, dass er sein Begehren primär auf einen Rücktritt vom Vertrag stützen wolle. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das streitgegenständliche Fahrzeug die im Gutachten der B vom 30.11.2010 aufgeführten Unfallvorschäden aufweist.
7Das Fahrzeug hatte laut Kaufvertrag bei Übergabe einen Kilometerstand von 85.867 km. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung betrug der Kilometerstand 90.061 km. Die Parteien sind sich darüber einig, dass für die vom Kläger gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung von 140,00 € anzurechnen ist.
8Der Kläger beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.950,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2015 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkws Seat Leon, 2,0 TDI, Farbe Emotionrot, mit der Fahrgestellnummer ################# zu zahlen,
102. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 142,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
113. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des im Antrag zu 1.) genannten Pkw in Verzug befindet,
124. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, als Nebenforderung, in Höhe von 729,23 € mit Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2015 zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte behauptet, sie habe vor Abschluss des Kaufvertrags gegenüber dem Kläger erklärt, dass sie das Fahrzeug nicht auf etwaige Vorschäden hin untersucht und ihm angeboten habe, dass er selbst das Fahrzeug durch die Dekra Niederlassung Hamm auf Unfallvorschäden überprüfen lasse könne. Im Übrigen habe Herr D im Rahmen der Fahrzeugbesichtigung darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug an zwei Türen im unteren Bereich nachlackiert worden sei.
16Die Klageschrift wurde der Beklagten am 15.05.2015 zugestellt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, sowie auf das Verhandlungsprotokoll vom 02.10.2015 Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die zulässige Klage ist begründet.
19Der Kläger kann von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 14.02.2015 begehren.
20Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs folgt aus §§ 437 Nr. 2, 346, 323, 434 BGB. Zwar hat der Kläger den Kaufpreis über 7.950,- € zu einem Anteil von 5.000,- € durch die Inzahlungnahme eines Audi TT beglichen. Nach Weiterverkauf dieses Fahrzeugs steht zwischen den Parteien jedoch nicht im Streit, dass der Betrag in Höhe von 5.000,- € auch den Wert des in Zahlung genommenen Fahrzeugs darstellt. Im Übrigen hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sein Begehren primär auf den Rücktritt vom Vertrag gestützt werden soll.
21Die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag lagen vor. Der Kläger hat mit anwaltlichem Schreiben vom 25.02.2015, Bl. 9 d. A., Rückabwicklung des Vertrages begehrt und somit eine Rücktritterklärung i. S. v. § 349 BGB abgegeben. Ferner war das streitbefangene Fahrzeug mangelhaft i. S. v. § 434 I BGB. Unter einem Mangel versteht man grundsätzlich die Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit. Wenn eine konkrete Beschaffenheit nicht vereinbart wurde (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) und sich auch eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Beschaffenheit nicht ergibt (§ 434 Abs. 1 S.2 Nr. 1 BGB) wird auf die gewöhnliche Beschaffenheit zurückgegriffen (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Danach darf der Käufer eines Gebrauchtwagens grundsätzlich erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat (BGH, Urteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05). Eine abweichende Beschaffenheit wurde von den Parteien nicht vereinbart. Zwar heißt es im Kaufvertrag:
22„Für eventuelle Nachlackierungen oder Unfallschäden kann die Firma F nicht haften. Im Zuge der Aufbereitung können Nachlackierungen/Reparatur/Smartrepair stattfinden. Nachlackierungen bekannt...“
23Dies stellt allerdings nicht eine Beschaffenheitsvereinbarung dergestalt dar, dass es sich bei dem streitbefangenen Fahrzeug um einen Unfallwagen handelte. Vielmehr sollte mit dem ersten oben zitierten Passus eine Haftungsfreizeichnung für etwaige Unfallschäden erreicht werden. Dass das Fahrzeug jedoch Unfallvorschäden aufwies, wurde damit gerade nicht vereinbart. Gleiches gilt für den zweiten Passus. Denn Nachlackierungen/Reparaturen/Smartrepair sind nach allgemeinem Verständnis nicht mit einem Unfallvorschaden gleichzusetzen. Vielmehr ist dafür ein nicht ganz unerheblicher Vorschaden erforderlich, der von einem Bagatellschaden abzugrenzen ist.
24Die Kammer kann es auch offenlassen, ob im Rahmen der Verkaufsverhandlungen tatsächlich der Verkäufer D darauf hingewiesen hat, dass das Fahrzeug an zwei Türen im unteren Bereich nachlackiert worden sei. Denn auch mit diesem Hinweis wäre nicht vereinbart gewesen, dass ein Unfallfahrzeug verkauft wird. Vielmehr darf der Käufer bei einem solchen Hinweis – mangels gegenteiliger Anhaltspunkte – davon ausgehen, dass nur unerhebliche Lackspuren nachlackiert wurden. Darüber hinaus deckt sich dieser Hinweis auch nicht ansatzweise mit den tatsächlich – unstreitigen – Vorschäden gemäß B Gutachten vom 30.11.2010. Danach waren Reparaturkosten inkl. Mwst. von fast 12.000,- € zur Beseitigung dieser Vorschäden erforderlich, so dass eine ganz erhebliche Vorbeschädigung gegeben war.
25Ferner kann es die Kammer sogar als wahr unterstellen, dass die Beklagte vor Abschluss des Kaufvertrags gegenüber dem Kläger erklärt haben will, dass sie das Fahrzeug nicht auf etwaige Vorschäden hin untersucht und ihm angeboten habe, dass er selbst das Fahrzeug durch die Dekra Niederlassung Hamm auf Unfallvorschäden überprüfen lasse könne. Denn hieraus folgt weder eine abweiche Beschaffenheitsvereinbarung noch führt dies zu einem Anspruchsausschluss gem. § 442 BGB. Mit dem behaupteten Hinweis hätte die Beklagte lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Frage der Unfalleigenschaft des Fahrzeugs nicht beurteilen kann. Es ist damit jedoch nicht positiv vereinbart worden, dass das Fahrzeug daher als Unfallfahrzeug veräußert wird. Es kommt im Übrigen im Rahmen des Rücktritts gerade nicht darauf an, ob der gewerbliche Verkäufer Kenntnis einem Unfallvorschaden hat, da es insoweit eines Verschuldens nicht bedarf. Daher kann sich der gewerbliche Verkäufer mit einem solchem schlichten Hinweis von einer Haftung auch nicht freizeichnen. Dies widerspräche der Systematik des Gewährleistungsrechts. Es bleibt daher dabei, dass der Kläger als gewöhnliche Beschaffenheit von einem unfallfreien Fahrzeug ausgehen durfte. Das behauptete Angebot der Beklagten an den Kläger, er könne das Fahrzeug selbst bei einem Dekra-Gutachter untersuchen lassen ist als bloßes Verkaufsargument sicherlich auch keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 BGB.
26Die Rechte des Klägers waren auch nicht nach § 442 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss grob fahrlässige Unkenntnis von Mängeln hat, es sei denn der Verkäufer hat den Mangel arglistig verschwiegen. Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde, also dann, wenn schon ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden und das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Der bloße Hinweis, dass der Verkäufer eines Gebrauchtwagens diesen nicht auf Vorbeschädigungen hin untersucht habe und der Käufer ihn bei der Dekra selbst untersuchen lassen könne, begründet jedoch offensichtlich keine grobe Fahrlässigkeit von einer Unfalleigenschaft des erworbenen Fahrzeugs. Sofern die Vorbeschädigungen für die Beklagte trotz besonderer Expertise als Fachhändler nicht erkennbar gewesen sein sollen, bestand für den Kläger als Verbraucher und Laien erstrecht kein Grund für besondere Nachforschungen.
27Die Gewährleistungsrechte waren auch nicht wirksam durch Vertrag ausgeschlossen worden. Der Zusatz: „für eventuelle Nachlackierungen oder Unfallschäden kann die Firma F nicht haften“ ist als abweichende Vereinbarung von den Mängelgewährleistungsvorschriften nach § 475 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 S. 1 BGB handelt.
28Der Kläger hatte daher einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreis in Höhe von 7.950,- € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Sein Antrag zu 1. war allerdings insoweit dahingehend auszulegen, dass neben der Rückgabe auch eine Rückübereignung des Pkws zu erfolgen hat. Nachdem die Parteien unstreitig gestellt haben, dass für die gefahrene Kilometerleistung ein Betrag in Höhe von 140,- € anzurechnen ist, war der Anspruch des Klägers auf 7.810,- € zu reduzieren.
29Ferner kann der Kläger Erstattung der Kosten für die Fahrzeugüberprüfung in Höhe von 142,80 € gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB begehren. Gleiches gilt für vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 €.
30Nachdem der Kläger die Rückgabe des Fahrzeugs bereits außergerichtlich angeboten hatte, befand sich die Beklagte mit der Annahme in Verzug. Insofern war auch der Antrag zu 3. begründet.
31Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 288, 291 ZPO. Der Kläger hatte der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 25.02.2015 eine Frist bis zum 04.03.2015 gesetzt.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1, ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.
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