Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 10/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein gewerblicher Autovermieter.
3Am Samstag, den ##.##.2014 mietete der Beklagte für einen Tag bei der Mietstation der Klägerin in I einen Transporter Typ Iveco Daily Ka GKa 35 C Express mit dem amtlichen Kennzeichen ## – ## XXXX. Abgeschlossen wurde zugleich die Haftungsbegrenzung für Schäden am Mietwagen (CDWE) und die Option „Super Cover“, sodass der Beklagte für Schäden am Mietwagen, die bei einem Unfall entstehen, nur bis zur Höhe der vereinbarten und vom Beklagten geleisteten Selbstbeteiligung von 150,00 € haften muss.
4Auf Seite 3 der mietvertraglichen Bedingungen steht unter dem Oberpunkt: „Was geschieht, wenn ich die Bedingungen des Mietvertrags verletze“, geschrieben, dass bei einer vorsätzlichen Beschädigung die Haftungsbeschränkung wegfällt, und bei fahrlässiger Beschädigung die Haftungsbeschränkung in einem der Schwere des Verschuldens des Mieters entsprechenden Verhältnisses entfällt. Wegen der Einzelheiten der Mietbedingungen wird auf die Anlage A2 der Klageschrift 26.01.2015 Bezug genommen.
5Am ##.##.2014 gegen 18:00 Uhr verursachte der Beklagte mit dem Fahrzeug auf der X-Straße in I in Fahrtrichtung Süden auf der Höhe der Hausnummer 206 einen Unfall.
6Die X-Straße ist auf der Höhe der Unfallstelle eine gerade verlaufende zweispurige Straße, an der auf beiden Fahrspuren jeweils Parkstreifen angrenzen. Es gilt die innerörtliche Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Der Beklagte kam von der Fahrspur rechts ab und fuhr in ein parkendes Auto. Es kam zu einer erheblichen Beschädigung des rechten Frontbereichs des angemieteten Fahrzeugs.
7Unfallursache war der Umstand, dass der Beklagte die Kontrolle über das Fahrzeug verlor, indem er nach einem heruntergefallenen Portemonnaie im Fußraum auf der Fahrerseite griff.
8Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 50 % der durch die Beschädigung entstandenen Kosten, abzüglich der bereits durch den Beklagten geleisteten Selbstbeteiligung i.H.v. 150,00 €, insgesamt 5.255,47 €. Die Klägerin macht als Schadenspositionen, was im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist, folgende Schäden geltend: den sachverständig geschätzten Wiederbeschaffungsaufwand des Transportes i.H.v. 9.840,34 €, einen Mietausfallschaden für zwei Wochen als entgangener Gewinn i.H.v. 880,00 €; An- und Abmeldekosten i.H.v. 60 € sowie eine Auslagenpauschale i.H.v. 30,00 €. Wegen der Einzelheiten der Schadensbezifferung wird auf Seite 14 der Klageschrift vom 26.01.2015 verwiesen.
9Die Klägerin behauptet, dass die Mietbedingungen der Klägerin Vertragsbestandteil geworden seien. Durch Unterzeichnung der Mietvertragsurkunde habe sich der Beklagte mit der „Kundenerklärung zu den Mietdaten“ einverstanden erklärt, die wiederum auf die Mietbedingungen verweist. Ferner sei ihm das „Rental Wallet“, welches die Mietbedingungen enthalte, ausgehändigt worden. Zudem beruft sich die Klägerin auf ein grob fahrlässiges Verkehrsverhalten des Beklagten, indem dieser durch das Greifen nach dem Portemonnaie seine volle Aufmerksamkeit nicht mehr dem Straßenverkehr zugewandt habe. Dem Beklagten sei möglich und zumutbar gewesen, das Fahrzeug zum Stehen zu bringen und den Motor abzustellen, um dann den Geldbeutel zu greifen. Er habe missachtet, was sich Jedermann in der gleichen Situation hätte aufdrängen müssen. Eine Haftungsbeteiligung in der Höhe von 50% sei daher gerechtfertigt.
10Die Klägerin beantragt,
11den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.255,47 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 08.07.2014 (Zustellung des Mahnbescheids) sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 240,10 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 08.07.2014 (Zustellung des Mahnbescheids) zu zahlen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er ist der Auffassung, dass die Klausel unter dem geführten Oberpunkt überraschend sei und auch zum weiteren Gliederungspunkt in dem Abschnitt im Widerspruch stehe, daher sei die Klausel kein wirksamer Vertragsbestandteil geworden. Der Beklagte beruft sich darauf, dass das Bücken nach dem Gegenstand schon deshalb kein grob fahrlässiges Verhalten darstelle, da der Beklagte befürchten musste, dass der Gegenstand unter die Pedale rutschen könne. Zumindest sei das Verhalten subjektiv entschuldbar.
15Das Gericht hat den Beklagten persönlich angehört, insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2015 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Klage ist unbegründet.
18Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Leistung von Schadensersatz in der Höhe von 5.255,47 € aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 535 BGB, da sich der Beklagte auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss „Option Super Cover“ i.V.m. der Haftungsbegrenzung für Schäden am Mietwagen (CDWE) berufen kann und insofern für die eingetretenen Unfallschäden am Mietobjekt nur in Höhe der bereits geleisteten Selbstbeteiligung von 150,00 € einzustehen hat.
19Es kann dahinstehen, inwieweit die Haftungsbeteiligungs-Klausel der Klägerin, gegen deren inhaltliche Wirksamkeit wegen Orientierung an den Grundsätzen des Sachversicherungsrechts (§ 81 VVG), keine Bedenken bestehen (Vgl. hierzu BGH Urteil vom 11.10.2011 – Az. VI ZR 46/10) in den Vertrag einbezogen worden ist gem. § 305 Abs. 2 BGB. Auch kann dahinstehen, inwieweit die Klausel wegen ihrer lokalen Anordnung auf Seite 3 der mietvertraglichen Bedingungen unter der Rubrik „Was geschieht, wenn ich die Bedingungen des Mietvertrags verletze“ nach § 305c BGB überraschend ist, da die Voraussetzungen der Klausel bereits nicht erfüllt sind.
20Die Vertragsbedingung sieht bei grober Fahrlässigkeit ein Entfallen der Haftungsbeschränkung in einem der Schwere des Verschuldens des Mieters entsprechenden Verhältnis vor.
21Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist (Palandt-Grüneberg, BGB, 73 Aufl. 2014, § 276 Rn. 14. Bezogen auf den Straßenverkehr ist hier ein objektiv grob verkehrswidriges Verhalten und subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden erforderlich (Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage 2015, AKB 2008 A.2.16 Rn. 10). Der Verkehrsteilnehmer muss dabei schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet haben, was im konkreten Fall jedermann einleuchten musste (BGH VersR 1953, 335; OLG Hamm VersR 1982, 796; r+s 1991, 186). Danach müsste das Greifen nach dem heruntergefallenen Portemonnaie deutlich gefährlicher sein, als ein alltäglicher Fehler, der jedem Kraftfahrer unterlaufen kann, was der Beklagte hätte erkennen und sich danach einrichten können.
22Nach persönlicher Anhörung des Klägers – als auch unter Berücksichtigung der objektiven Tatumstände des Unfallgeschehens – ist dem Beklagten zwar der Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens zu machen, allerdings ist die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit jedoch nicht überschritten. Als für ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten beweisbelastete Partei trägt die Klägerin die Last des nicht geführten Beweises.
23Entscheidendes Kriterium für die Wertung der Frage, ob der Grad zu ein grob fahrlässigen Verhalten überschritten ist, ist die objektive Verkehrssituation, die Dauer der Unaufmerksamkeit als auch der aktuelle Anlass. (Vgl. Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage 2015, AKB 2008 A.2.16 Rn. 23). Die Rechtsprechung bejaht vielfach eine grob fahrlässige Herbeiführung eines Unfalls durch Greifen nach Gegenständen während der Fahrt (Vgl. OLG Köln r+s 1998, 273; OLG Zweibrücken r+s 1999, 406).
24Überzeugend ist jedoch, nach der Verkehrssituation im Einzelfall zu entscheiden, insbesondere als entscheidend anzusehen, ob der Fahrer seinen Blick von der Fahrbahn abgewandt hat und ob die Greifbewegung zwangsläufig zu einem Verreißen des Lenkrads führen musste (Vgl. OLG Hamm, r+ s 1991, 186; VersR 1982, 796).
25Bei einer Bückbewegung – vor allem auch nach einem heruntergefallenen Gegenstand im Fußraum auf Fahrerseite – ist anzuerkennen, dass dieses Verhalten zwar unvorsichtig und sorglos ist, nicht jedoch aus Gleichgültigkeit gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern oder gegenüber dem – vor allem hier beeinträchtigten – Interesse des Eigentümers des Mietobjekts geschieht. Diese Bewegungshandlung erfolgt vielmehr nahezu reflexartig und ist Ausdruck typisch menschlicher Schwäche, von der auch ein ansonsten sorgsamer Mensch nicht gewappnet ist (Vgl. hierzu OLG Dresden, r + s 2003, 7). Es handelt sich um ein Augenblicksversagen, welches zwar aus sich heraus nicht generell geeignet ist, den Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu entkräften, (Vgl BGH NJW 1992, 2418), allerdings hat der Beklagte hier glaubhaft geschildert, dass wegen des Hinfallen des Portemonnaies unter die Pedale die begründete Sorge bestanden habe, dass sich dieses unter das Bremspedal bewegt und damit die Bremse blockiert.
26Der Beklagte hat glaubhaft geschildert, dass sich der Unfall innerhalb von Sekunden ereignet hat und damit das Suchen und Greifen, welches hier die Gefahr ausgelöst hat, nicht von erheblicher Dauer war. Ferner habe er beim Greifen in den Fußraum die linke Hand am Lenkrad gelassen und dabei weiter den Verkehr beobachtet. Wegen der großen Statur des Beklagten und dem Umstand, dass das Portemonnaie auf Fahrerseite hingefallen ist, musste ein Greifen nach dem Gegenstand nicht zwangsläufig zu einem Verreißen des Lenkrads führen. Zwar hat der Beklagte dargelegt, dass das Verkehrsaufkommen dichter war, es auch bereits abendlich dunkel war, allerdings spricht gegen eine objektiv gefahrenträchtige Verkehrslage, dass es sich um eine zweispurige geradlinige Bundesstraße gehandelt hat, deren Geschwindigkeitsvorgaben der Beklagte unter der Darlegung, dass er ca. 50-60 km/h gefahren ist, maßgeblich eingehalten hat. Ferner befanden sich an der rechten Seite Parkstreifen, die zumindest eine Kollision mit etwaigen auf dem Fußgängerbereich befindlichen Fußgängern und damit Personenschäden aus der Sicht des Beklagten nicht erwarten ließ. Dass der Beklagte auf Nachfrage des Klägervertreters nicht genau gesehen hat, dass er mit dem Fahrzeug kollidierte, verhält sich nicht widersprüchlich zu seiner Aussage, dass er den Verkehrsfluss beim Bücken weiter beobachtet hat, da es sich hier um ein Sekunden-Geschehen handelt. Insbesondere kann hier auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Abkommen von der Fahrbahn in den seitlichen Parkstreifen maßgeblich auf der Unerfahrenheit des Beklagten mit dem angemieteten Fahrzeug beruhte. Dies ist jedoch ein Umstand, vor dem die vertraglich abgeschlossene Haftungsbegrenzung gerade auch zweckentsprechend sichern soll. Auch die glaubhafte Aussage des sichtlich um Ehrlichkeit bemühten Beklagten, dass das Portemonnaie unter die Pedale gelangt war und er aus seiner Sicht eine aufdrängende größere Gefahr, nämlich die Blockade der Bremse verhindern wollte, führt zur Überzeugung des Gerichts dazu, dass der Vorwurf eines grob fahrlässigen Verkehrsverhaltens nicht gemacht werden kann.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert wird auf 5.255,47 EUR festgesetzt.
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