Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 413/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf bis zu 70.000,00 € festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Kläger begehren mit der Klage Feststellung, dass sich ein zwischen ihnen und der Beklagten bestehender Darlehensvertrag durch Widerruf in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt hat.
3Zur Ablösung ihrer Immobilienfinanzierung bei einer anderen Bank schlossen die Kläger und die Beklagte am 28.09.2009/06.10.2009 im Wege des Fernabsatzes einen Darlehensvertrag (Anl. 2/B1) über einen Nettokreditbetrag i.H.v. 80.000,00 € zu einem Nominalzinssatz von 4,29 %. Der Festzinssatz war gebunden bis zum 31.08.2019.
4Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, in der es u.a. heißt:
5An dieser Stelle befindet sich eine Widerrufsbelehrung.
6Wegen der weiteren Einzelheiten der Widerrufsbelehrung wird auf Bl. 23/74 d.A. (Anl. 2/B1) Bezug genommen. Die Widerrufsbelehrung wurde am 06.10.2009 von den Klägern gegengezeichnet.
7Ausweislich des Darlehensvertrages sollte das Darlehen durch eine Grundschuld gesichert werden. Diesbezüglich schlossen die Parteien einen Sicherungsvertrag. Diesem war eine gesonderte Widerrufsbelehrung beigefügt, die den Klägern zusammen mit den weiteren Darlehensunterlagen auf dem Postweg übermittelt und ebenfalls am 06.10.2009 von den Klägern unterzeichnet wurde. Diese von den Klägern als Anlage 5a vorgelegte Widerrufsbelehrung ist überschrieben mit „Widerrufsbelehrung – Mehrfertigung für den Sicherungsgeber/Bürgen“. In der Folge heißt es: „Ihr Sicherungsvertrag vom 28.09.2009“. Unterhalb der Unterschriftenzeile heißt es ferner: „Unterschrift(en): Sicherungsgeber/Bürge(n)“. Wegen des weiteren Inhalts der Widerrufsbelehrung, die sich inhaltlich von der erstgenannten Widerrufsbelehrung unterscheidet, wird auf Bl. 104 d.A. Bezug genommen.
8Im November 2010 vereinbarten die Parteien, die von den Klägern zu erbringenden Tilgungsleistungen von 2% p.a. auf 1% p.a. zu reduzieren.
9Mit Schreiben vom 16.07.2014 erklärte der Kläger zu 2 gegenüber der Beklagten den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Nachdem die Beklagte den Widerruf mit Schreiben vom 29.07.2014 zurückgewiesen hatte, erklärten die Kläger mit Schreiben vom 29.09.2014 gemeinsam den Widerruf. Dieses Schreiben der Kläger blieb ohne Reaktion seitens der Beklagten.
10Die Kläger sind der Ansicht, der Darlehensvertrag sei wirksam widerrufen worden, da die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei. Dies ergebe sich daraus, dass den Klägern unstreitig zwei unterschiedliche Widerrufsbelehrungen übermittelt worden seien. Es sei nicht erkennbar, welche Widerrufsbelehrung Anwendung finde.
11Im Übrigen sei die als Anl. 2/B1 vorgelegte Widerrufsbelehrung auch für sich genommen nicht geeignet, die Widerrufsfrist in Gang zu setzen. Die Widerrufsbelehrung entspreche weder den gesetzlichen Anforderungen der §§ 355 ff. BGB a.F., noch der Musterwiderrufsbelehrung gemäß Anl. 2 zu § 14 BGB-InfoV in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung. Bezüglich des Hilfsantrags vertreten die Kläger die Ansicht, dass die Beklagte zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen in Gestalt von Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz verpflichtet sei.
12Die Kläger beantragen,
13festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Darlehensvertrag Nr. ########## vom 28.09.2009/06.10.2009 aufgrund wirksamen Widerrufs der Kläger vom 29.09.2014 beendet und in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgestaltet worden ist.
14Für den Fall, dass der Hauptantrag als unzulässig angesehen wird, beantragen die Kläger hilfsweise,
15die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 24.586,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils monatlich zum 1. eines jeweiligen Monats, beginnend ab Mai 2010 gezahlter 419,33 € sowie ab Februar 2011 gezahlter 352,67 € monatlich bis einschließlich September 2014 sowie aus Sondertilgungsleistungen von 2.000,00 € zum 03.01.2013 und 4.000,00 € zum 14.01.2014 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückzahlung der Darlehensvaluta von 80.000,00 € nebst Zinsen von 4,29 % seit dem 30.04.2010 bis 30.09.2014.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Für den Fall, dass dem Hauptantrag stattgegeben wird, beantragt die Beklagte im Wege der Hilfswiderklage,
19die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte 68.725,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 23.08.2014 zu bezahlen.
20Die Kläger beantragen,
21die Hilfswiderklage abzuweisen.
22Die Beklagte ist der Ansicht, die Widerrufsfrist sei wirksam in Gang gesetzt worden. Eine Mehrfachbelehrung sei nicht erfolgt, vielmehr sei hinsichtlich des Darlehensvertrages nur eine Widerrufsbelehrung (Anl. 2/B1) erfolgt. Die weitere Widerrufsbelehrung beziehe sich erkennbar auf den Sicherungsvertrag.
23Die Beklagte beruft sich hinsichtlich der als Anl. 2/B1 vorgelegten Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F., da maßgeblich sei, dass das Muster keiner inhaltlichen Bearbeitung unterzogen worden sei. Jedenfalls entspreche die Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen. Ein etwaiges Widerrufsrecht sei im Übrigen nach § 242 BGB verwirkt. Ferner sei der von den Klägern erklärte Widerruf rechtsmissbräuchlich.
24Die Beklagte ist der Ansicht, dass ihr, sollte der Widerruf wider Erwarten wirksam sein, ein Anspruch auf Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta in Höhe von 68.725,49 € zustehe. Sie erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit eigenen Wertersatz bzw. Rückzahlungsansprüchen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27Die Klage hat keinen Erfolg.
28I.
29Die mit dem Hauptantrag erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Die Kläger haben ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung, weil die Beklagte die Wirksamkeit des erklärten Widerrufs bestreitet und sich damit jedenfalls konkludent des Bestehens von Ansprüchen aus dem Darlehensverhältnis gegenüber den Klägern berühmt. Den Klägern steht auch keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit in Gestalt einer Leistungsklage auf Rückzahlung bereits gezahlter Beträge zu, weil die Frage der Wirksamkeit des Darlehensvertrages bei einer solchen Klage an der materiellen Rechtskraft des Leistungsurteils nicht teilnimmt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2008, 31 U 59/08; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.05.2015, I-22 U 17/15).
30II.
31Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Ein wirksamer Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen liegt nicht vor.
32Den Klägern stand im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrages ein Widerrufsrecht nach Maßgabe der §§ 495, 355 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, 3 BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen Fassung (im Folgenden „a.F.“) zu. Der streitgegenständliche Widerruf entfaltet allerdings keine Wirkung, da die Frist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. im Zeitpunkt der Absendung der Widerrufserklärung bereits abgelaufen war.
33Es kann dahinstehen, ob die Beklagte sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB InfoV a.F. berufen kann (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 01.03.2012, III ZR 83/11, Rn. 16; BGH, Urt. v. 19.07.2012, III ZR 252/11, Rn. 14, BGH, Urt. v. 02.02.2011, VIII ZR 103/10, Rn. 21; BGH, Urt. v. 01.02.2010, VIII ZR 82/10, Rn. 14 ff.; BGH, Urt. v. 28.06.2011, XI ZR 349/10, Rn. 36 ff.). Denn die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag erteilte Widerrufsbelehrung (Anl. 2/B1) genügt den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Anforderungen (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 14.07.2014, 3 W 34/14; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 01.08.2014, 23 U 288/13).
34Entgegen der Auffassung der Kläger liegt keine unzulässige Doppelbelehrung hinsichtlich des Darlehensvertrags vor. Zwar hat die Beklagte den Klägern unstreitig zwei inhaltlich voneinander abweichende Widerrufsbelehrungen zukommen lassen. Von diesen bezog sich aber ersichtlich nur die als Anl. 2/B1 zur Akte gereichte Belehrung auf den Darlehensvertrag. Die weitere Belehrung bezog sich dagegen eindeutig auf die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag abgeschlossene Sicherungsvereinbarung. So ist diese (zweite) Belehrung überschrieben mit „Widerrufsbelehrung – Mehrfertigung für den Sicherungsgeber/Bürgen“. In der Folge heißt es: „Ihr Sicherungsvertrag vom 28.09.2009“. Unterhalb der Unterschriftenzeile heißt es ferner: „Unterschrift(en): Sicherungsgeber/Bürge(n)“. Zweifel darüber, welche Widerrufsbelehrung für den Darlehensvertrag maßgeblich war, konnten vor diesem Hintergrund nicht aufkommen.
35Die Widerrufsbelehrung (Anl. 2/B1) ist nicht aufgrund einer unzutreffenden oder irreführenden Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist fehlerhaft.
36Gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 und 3 BGB a.F. beginnt die Widerrufsfrist grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem dem Verbraucher eine Widerrufsbelehrung sowie eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist. Entgegen der Ansicht der Kläger legt die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung nicht das unrichtige Verständnis nahe, dass die Widerrufsfrist bereits mit der Übersendung des Vertragsantrages des Kreditunternehmens beginne (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 10.03.2009, XI ZR 33/08). Das vorgenannte Urteil des BGH bezieht sich auf eine in wesentlichen Punkten abweichende Widerrufsbelehrung und kann auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Bereits aus der ausdrücklichen Verwendung der Worte „Ihr schriftlicher Darlehensantrag“ bzw. „Ihres Darlehensantrags“ geht sprachlich eindeutig hervor, dass es um das Angebot des Verbrauchers als Darlehensnehmer und nicht um dasjenige der Bank geht. Damit ist ausgeschlossen, dass der durchschnittliche Verbraucher irrig annehmen könnte, der Fristbeginn werde bereits durch die Übersendung der Vertragserklärung des Unternehmers ausgelöst. Vielmehr ergibt sich aus der Belehrung eindeutig, dass die Widerrufsfrist gerade nicht ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Vertragserklärung des Verbrauchers beginnt (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 03.07.2015, 12 O 141/15; OLG Hamm, Urt. v. 16.03.2015, 31 U 118/14; OLG Celle, a.a.O.; letztere jeweils betreffend die Formulierung „mein Darlehensantrag“; vgl. auch LG Stuttgart, Urt. v. 23.06.2015, 25 O 56/15).
37Die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist ist auch nicht aufgrund der verwendeten Formulierung „Die Frist beginnt einen Tag, nachdem“ fehlerhaft. Vielmehr entspricht diese Formulierung der gesetzlichen Regelung des § 187 BGB (OLG Dresden, 5 U 1058/10; OLG Celle, a.a.O.).
38Entgegen der Ansicht der Kläger genügt die Belehrung auch den fernabsatzrechtlichen Anforderungen nach § 312d Abs. 2, 5 S. 2 BGB a.F. Aus der Widerrufsbelehrung geht eindeutig hervor, dass die Widerrufsfrist nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 BGB a.F. beginnt. Die von den Klägern gerügte Formulierung „nicht jedoch vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrags“ findet ihre Grundlage in § 312d Abs. 2 BGB a.F. und ist – auch in Zusammenschau mit der auf § 187 BGB beruhenden Formulierung „Die Frist beginnt einen Tag, nachdem“ – nicht zu beanstanden (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 03.07.2015, 12 O 141/15; LG Stuttgart, Urt. v. 23.06.2015, 25 O 56/15).
39Ebenso wenig kann beanstandet werden, dass die Belehrung vorsorglich Angaben für finanzierte Geschäfte beinhaltet. Aufgrund der ausführlichen Erläuterungen dazu, wann eine wirtschaftliche Einheit und ein finanziertes Geschäft vorliegen, war die Belehrung hinreichend transparent und nicht geeignet, bei einem Verbraucher einen Irrtum über den Umfang und die Folgen seines Widerrufsrechts hervorzurufen. Dass der Verbraucher selbst prüfen muss, ob diese Ausführungen für ihn gelten, ist unschädlich, solange sie - wie vorliegend - so transparent sind, dass die Gefahr eines Irrtums über den Umfang und die Folgen des Widerrufsrechts nicht besteht (OLG Köln, Beschl. v. 23.03.2015, 13 U 168/14; LG Bonn, Urt. v. 05.11.2014, 3 O 278/14; LG Stuttgart, Urt. v. 23.06.2015, 25 O 56/15; LG Stuttgart, Urt. v. 03.07.2015, 12 O 141/15).
40III.
41Über den klägerischen Hilfsantrag sowie die Hilfswiderklage der Beklagten war mangels Bedingungseintritt nicht zu entscheiden.
42IV.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
44V.
45Die Festsetzung des Streitwerts fußt auf § 3 ZPO.
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Referenzen
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