Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 220/19
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine substitutive Krankenversicherung mit den Tarifen BT I/30 (30 % Kostenerstattung für ambulante Leistungen bis zu den Höchstsätzen der GOÄ), BT II/30 (30 % Kostenerstattung für Krankenhausleistungen im Mehrbettzimmer) und Z 3/30 (30 % Kostenerstattung für zahnärztliche Leistungen bis zu den Höchstsätzen der GOZ und GOÄ). Versicherte Personen waren der Kläger und die Ehefrau des Klägers. Grundlage waren die MB/KK 2009 nebst Tarifbedingungen (Anlagen B 1 bis B 3, Blatt 1 bis 21 Anlagenband II) mit Regelungen zur Beitragsanpassung in § 8 b MB/KK und E in den Tarifbedingungen letztere mit folgendem Wortlaut:
3„Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z. B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jede Beobachtungseinheit (Kinder und Jugendliche bis 20 Jahre, Männer und Frauen jeweils ab 21 Jahre) dieses Tarifs die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eine Abweichung von mehr als 10 % bei den Versicherungsleistungen oder von mehr als 5 % bei den Sterbewahrscheinlichkeiten, werden die Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer geprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. Bei einer Abweichung von mehr als 5 % bei den Versicherungsleistungen können die Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden. Im Übrigen findet § 8 b MB/KK 2009 Anwendung.“
4Die Beklagte teilte dem Kläger folgende Änderungen der Krankenversicherungsbeiträge mit:
5Im November 2011 (Anlage B 7, Blatt 51 bis 62, Anlagenband II, Anlage K 1, Blatt 1 bis 6, Anlagenband I),
6im März 2013 (Anlage B 8, Blatt 63 bis 73, Anlagenband II),
7im November 2015 (Anlage B 9, Blatt 74 bis 83, Anlagenband II, Anlage K2, Blatt 7-12 Anlagenband I)
8im November 2016 (Anlage B 10, Blatt 84 bis 95, Anlagenband II , Anlage K3, Blatt 13-19 Anlagenband I)
9im November 2017 (Anlage B 11, Blatt 96 bis 107, Anlagenband II, Anlage K4, Blatt 20-26 Anlagenband I) und
10im November 2018 (Anlage B 12, Blatt 108 bis 119, Anlagenband II , Anlage K5, Blatt 27-35 Anlagenband I).
11Beigefügt war jeweils ein Formular mit Hinweisen.
12Der Kläger meint, die vorgenannten Beitragsänderungsmitteilungen seien mangels hinreichender konkreter Begründung der Beitragserhöhung in formeller Hinsicht unwirksam.
13Den Klageantrag zu 1., die Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen festzustellen, haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte mit der Klageerwiderung die Anlage B 4 (Blatt 22 und 23, Anlagenband II) mit der Darstellung der auslösenden Faktoren nach § 155 Abs. 3 und 4 VAG und Anlagen B 5 und B 6 (Blatt 24 bis 50, Anlagenband II) mit der Darstellung der Berechnung der tariflichen monatlichen Bruttobeiträge zu den Akten gereicht hat.
14Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger nach teilweise Klagerücknahme zu viel gezahlte Beiträge.
15Er behauptet unter Bezugnahme auf die Anlage K 7 (Blatt 41 bis 47, Anlagenband I) und K 8 (Blatt 49 bis 55 d. A.) eine Zuvielzahlung in Höhe von 3.620,21 €.
16Der Kläger beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 3.630,21 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 26.06.2019 zu zahlen und die Beklagte weiter zu verurteilen, ihn, den Kläger, von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 837,76 € freizustellen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie beruft sich auf die Einrede der Verjährung.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die Klage ist nicht begründet.
23Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Bereicherungsanspruch auf Zahlung in Höhe von 3.620,21 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative BGB. Die streitgegenständlichen Beitragszahlungen erfolgten mit Rechtsgrund.
24Die streitgegenständlichen Beitragserhöhungen der Beklagten sind sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht berechtigt. Die vom Versicherer darzulegenden und zu beweisenden Voraussetzungen sind vom Gericht umfassend und rechtlich zu prüfen (BGH IV ZR 272/15, Urteil vom 09.12.2015, VersR 2016, 177, Rn. 21, BGH IV ZR 255/17, VersR 2019, 283, Rn. 57, OLG Celle 8 U 57/18, Urteil vom 20.08.2018, VersR 2018, 1179, jeweils m.w.N.).
25Die streitgegenständlichen Änderungsmitteilungen der Beklagten (Anlagen B 7 bis B 12) erfüllen die formellen Voraussetzungen von § 203 Abs. 5 VVG. Die „maßgeblichen“ Gründe umfassen, entgegen der Ansicht des Klägers, keine detaillierten Informationen über die der Anpassung zugrundeliegende Kalkulation, weil vom Gesetz nicht die Mitteilung „sämtlicher“, sondern nur der „maßgeblichen“ Gründe gefordert wird. Als maßgebliche Gründe für die Neufestsetzung von Beiträgen kommen gemäß § 203 Abs. 2 Satz 3 VVG einzig gestiegene Versicherungsleistungen und/oder geänderte Sterbewahrscheinlichkeiten in Betracht. Nicht erforderlich ist die Mitteilung des der Prämienerhöhung zugrundeliegenden Rechenwerkes nebst Überschreitung des Schwellenwertes, weil sich dies nicht mit dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Versicherers in Einklang bringen lässt. Dies muss der Versicherer (erst) im Rechtsstreit vorlegen (Bundesverfassungsgericht 1 BvR 2203/98, Beschluss vom 28.12.1999, VersR 2000, 114, OLG Celle 8 U 57/18, Urteil vom 20.08.2018, VersR 2018, 1179, OLG Stuttgart 7 U 237/18, Beschluss vom 06.06.2019 (Anlage B 14, Blatt 130 bis 138 Anlagenband II), OLG Köln 9 U 138/19, Anlage K 9, Blatt 83 ff. d. A., Münchener Kommentar zum VVG, 2. Aufl., § 203 Rn. 1155 b, 1155 c, Langheid Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 203 Rn. 69 und 70, Prölss Martin, VVG, 30. Auflage, § 203 Rn. 49, anderer Ansicht, OLG München 25 U 1969/18, Beschluss vom 06.03.2019, Anlage K 10, Blatt 79 ff. d. A.).
26Die danach allein notwendigen Gründe für die Neufestsetzung der Beiträge, nämlich gestiegene Ausgaben und damit einhergehende Versicherungsleistungen und die steigende Lebenserwartung werden in den im Tatbestand aufgeführten Änderungsmitteilungen der Beklagten nebst formularmäßigen Hinweisen (Anlagen B 7 bis B 12 genannt).
27Darin heißt es u. a. wie folgt:
28Anlage B 7, Blatt 51, Anlagenband II
29„Tarife mit Kennzeichen B, Beitragsänderung aufgrund einer notwendigen Neukalkulation:
30In verschiedenen Tarifen ist zum 01.01.2012 eine Neukalkulation der Beiträge notwendig geworden.
31Die Beiträge müssen aufgrund der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen bzw. der Berücksichtigung der aktuellen Rechnungsgrundlagen neu kalkuliert werden.“
32„Neue Tarifbeiträge ab 1. Januar 2012“ (Blatt 57, Anlagenband II)
33„Prüfung der Beiträge
34Grundlage für die Kalkulation von Krankenversicherungstarifen sind grundsätzlich Beobachtungen in der Vergangenheit und die voraussichtlichen Krankheitskosten. Diese steigen trotz aller Bemühungen um die Kostendämpfung im Gesundheitswesen stärker als die Lebenshaltungskosten.
35Zu dieser Entwicklung trägt auch der medizinisch-technische Fortschritt wesentlich bei, der z. B. durch teure Gerätemedizin, neue Operationstechniken und Arzneimittel sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich erhebliche Mehrausgaben nach sich zieht. Dies hat zur Folge, dass auch die Beiträge für Krankenversicherungstarife dieser Entwicklung angepasst werden müssen.
36Die seit Jahren steigende durchschnittliche Lebenserwartung wirkt sich ebenfalls ausgabensteigernd aus und erhöht den Beitrag. Daher enthalten die Tarifbedingungen in Abschnitt E) eine Anpassungsklausel, die vorsieht, dass bei einer Abweichung der kalkulierten von den tatsächlichen Leistungen von mehr als 5 % eine Beitragsüberprüfung stattfindet. Diese Prüfung wird für jede Beobachtungseinheit (Kinder und Jugendliche bis 20 Jahre, Männer und Frauen jeweils ab 21 Jahre) getrennt durchgeführt.“
37Anlage B 8, Blatt 63, Anlagenband II
38„Eine notwendige Neukalkulation der Beiträge
39In verschiedenen Tarifen müssen die Beiträge zum 01.05.2013 aufgrund der Kostensteigerung im Gesundheitswesen bzw. der Änderung von Rechnungsgrundlagen (z. B. höhere Lebenserwartung) neu kalkuliert werden.
40Am Ende des Briefes finden Sie eine Übersicht über ihren Vertrag mit dem Stand ab 01.05.2013. Die neu kalkulierten Tarife sind darin mit (B) gekennzeichnet.
41Alle Einzelheiten sowie nähere Erläuterung hierzu finden sie in unserer Kundeninformation …“
42„Neue Tarifbeiträge ab 1. Mai 2013“ (Blatt 68, Anlagenband II)
43„Prüfung der Beiträge
44Grundlage für die Kalkulation von Krankenversicherungstarifen sind grundsätzlich Beobachtungen in der Vergangenheit und die voraussichtlichen Krankheitskosten. Diese steigen trotz aller Bemühungen um die Kostendämpfung im Gesundheitswesen stärker als die Lebenshaltungskosten. Zu dieser Entwicklung trägt auch der medizinisch-technische Fortschritt wesentlich bei, der z. B. durch teure Gerätemedizin, neue Operationstechniken und Arzneimittel sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich zum Teil hohe Mehrausgaben mit sich bringt. Dies hat zur Folge, dass auch die Beiträge für Krankenversicherungstarife dieser Entwicklung angepasst werden müssen. Die seit Jahren steigende durchschnittliche Lebenserwartung wirkt sich ebenfalls ausgabesteigernd aus und erhöht und den Beitrag.
45Daher enthalten die Tarifbedingungen in Abschnitt E eine Anpassungsklausel, die vorsieht, dass bei einer Abweichung der kalkulierten von den tatsächlichen Leistungen von mehr als 5 % eine Beitragsüberprüfung stattfindet. Diese Prüfung wird für jede Beobachtungseinheit (Kinder und Jugendliche bis 20 Jahre, Männer und Frauen jeweils ab 21 Jahre) getrennt durchgeführt.“
46Anlagen B 9 (Blatt 75, Anlagenband II)
47„Tarife mit Kennzeichen B, Neukalkulation der Beiträge/Änderung der Höchstbeiträge
48In verschiedenen Tarifen ist zum 01.01.2016 eine Neukalkulation der Beiträge notwendig geworden.
49Die Beiträge müssen aufgrund der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen beziehungsweise der Berücksichtigung der aktuellen Rechnungsgrundlagen neu kalkuliert werden. …
50Weitere Einzelheiten und nähere Erläuterungen entnehmen Sie bitte auch der beigefügten Kundeninformation.“
51„Neue Tarifbeiträge ab 1. Januar 2016“ (Blatt 80, Anlagenband II)
52„Beitragsveränderungen
53Grundlage für die Kalkulation von Krankenversicherungstarifen sind grundsätzlich Beobachtungen in der Vergangenheit und die voraussichtlichen Krankheitskosten. Daher ist in den Tarifbedingungen eine Anpassungsklausel enthalten, die bei einer Abweichung der kalkulierten von den tatsächlichen Leistungen von mehr als 5 % eine Beitragsüberprüfung vorsieht. Die Neukalkulation der Beiträge kann zu Beitragsermäßigungen oder –erhöhungen führen. Ein unabhängiger Treuhänder vertritt die Interessen der Versicherten und prüft, ob die Beitragsänderungen notwendig sind. Als Ergebnis seiner Prüfungen hat er den geänderten Beiträgen zum 01.01.2016 zugestimmt und damit bestätigt, dass die Anpassung des gesetzlichen Anforderungen entspricht.“
54Anlage B 10 (Blatt 84, Anlagenband II)
55„Tarife mit Kennzeichen B), Neukalkulation der Beiträge:
56In verschiedenen Tarifen müssen die Beiträge aufgrund der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen beziehungsweise der Berücksichtigung der aktuellen Rechnungsgrundlagen zum 01.01.2017 neu kalkuliert werden.“
57„Neue Tarifbeiträge ab 1. Januar 2017“ (Blatt 91, Anlagenband II)
58„Beitragsveränderungen
59Grundlage für die Kalkulation von Krankenversicherungstarifen sind grundsätzlich Beobachtungen in der Vergangenheit und die daraus abgeleiteten, voraussichtlichen Krankheitskosten. Daher ist in den Versicherungsbedingungen fast aller Tarife eine Anpassungsklausel enthalten, die bei einer Abweichung der kalkulierten von den erforderlichen Leistungen von mehr als 5 % eine Beitragsüberprüfung unter Einbeziehung sämtlicher Rechnungsgrundlagen vorsieht. Liegt die Abweichung unter dieser Grenze ist eine Betragsüberprüfung und damit einer Beitragsanpassung nicht möglich:
60In den vergangen Jahren sind die Behandlungskosten, nicht zuletzt aufgrund des medizinischen Fortschritts, stetig gestiegen. Eine Anpassung der Kalkulation war dennoch in vielen Fällen nicht möglich, da die festgestellte Abweichung des vorgeschriebenen Grenzwertes nicht überschritten hat. So ist in einigen Tarifen erstmals nach 7 bzw. 9 Jahren wieder eine Neukalkulation möglich, weil vorher die Voraussetzungen nicht gegeben waren. Bei der Neukalkulation wurde nicht nur die Entwicklung der Leistungen in den letzten Jahren berücksichtigt, sondern auch die übrigen Rechnungsgrundlagen überprüft und gegebenenfalls angepasst. Dies kann nach einer oftmals mehrere Jahre andauernden Phase der Beitragsstabilität zu „Beitragssprüngen“ führen.“
61Anlage B 11 (Blatt 96, Anlagenband II)
62„Tarife mit Kennzeichen B), Neukalkulation der Beiträge:
63In diesem Tarif sind die Beiträge überprüft worden, da die erforderlichen Versicherungsleistungen um mehr als 5 % von den kalkulierten Versicherungsleistungen abgewichen sind. Im Ergebnis dieser Prüfung werden die Beiträge mit Zustimmung des unabhängigen Treuhänders zum 01.01.2018 angepasst.“
64„Neue Tarifbeiträge ab 1. Januar 2018“ (Blatt 103, Anlagenband II)
65„Beitragsveränderungen
66Grundlage für die Kalkulation von Krankenversicherungstarifen sind grundsätzlich Beobachtungen in der Vergangenheit und die daraus abgeleiteten, voraussichtlichen Krankheitskosten. Daher ist in den Bedingungen eine Anpassungsklausel enthalten. Bei einer Abweichung der kalkulierten von den erforderlichen Leistungen von mehr als 5 %* ist eine Beitragsüberprüfung unter Einbeziehung sämtlicher Rechnungsgrundalgen vorgesehen. Liegt die Abweichung unter dieser Grenze, ist eine Beitragsüberprüfung und somit eine Beitragsanpassung nicht möglich.
67In den vergangenen Jahren sind die Behandlungskosten, nicht zuletzt aufgrund des medizinischen Fortschritts, stetig gestiegen. Eine Anpassung der Kalkulation war dennoch in vielen Fällen nicht möglich, da die festgestellte Abweichung den vorgeschriebenen Grenzwert nicht überschritten hat. Im Falle einer Neukalkulation wurden dann nicht nur die Leistungsentwicklungen in den letzten Jahren berücksichtigt, sondern auch die übrigen Rechnungsgrundlagen überprüft und gegebenenfalls angepasst.
68Ein unabhängiger Treuhänder vertritt die Interessen die Versicherten und überprüft, ob die Beitragsveränderungen notwendig und zumutbar sind. Als Ergebnis seiner Prüfungen hat er den geänderten Beiträgen zum 01.01.2018 zugestimmt und damit bestätigt, dass die Anpassungen den gesetzlichen Vorgaben entspricht.“
69Anlage B 12 (Blatt 108, Anlagenband II)
70„Tarif mit Kennzeichen B, Neukalkulation der Beiträge:
71In diesem Tarif hat der Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als 5 % ergeben. Daraufhin mussten alle Beiträge des Tarifs unter Berücksichtigung sämtlicher Rechnungsgrundlagen (kalkulierte Versicherungsleistungen, Storno- und Sterbewahrscheinlichkeiten, Rechnungszins und weitere) überprüft werden. Da die Abweichung nicht nur als vorübergehend anzusehen ist, wurden die Rechnungsgrundlagen aktualisiert und die Beiträge zum 01.01.2019 mit Zustimmung des unabhängigen Treuhänders angepasst.“
72„Neue Tarifbeiträge ab 1. Januar 2019“ (Blatt 115, Anlagenband II)
73„Beitragsveränderungen
74Grundlage für die Kalkulation von Krankenversicherungstarifen sind grundsätzlich Beobachtungen über die Leistungsentwicklung in der Vergangenheit und die daraus abgeleiteten, zukünftigen Krankheitskosten. Da sich die Leistungshöhe und –inanspruchnahme anders als erwartet entwickeln können, ist in den Tarifbedingungen eine Anpassungsklausel enthalten. Bei einer nicht nur vorübergehenden Abweichung der kalkulierten von den erforderlichen Leistungen von mehr als 5 %* ist eine Überprüfung aller Beiträge unter Einbeziehung sämtlicher Rechnungsgrundlagen vorgesehen. Liegt die Abweichung unter dieser Grenze, ist eine Beitragsüberprüfung und somit auch eine Beitragsanpassung nicht möglich.
75In den vergangen Jahren sind die Behandlungskosten, nicht zuletzt aufgrund des medizinischen Fortschritts, stetig gestiegen. Eine Anpassung der Kalkulation war dennoch in vielen Fällen nicht möglich, da die festgestellte Abweichung des Grenzwertes nicht überschritten hat.
76Im Falle einer Neukalkulation werden die kalkulierten Leistungen angepasst und auch die übrigen Rechnungsgrundlagen wie z. B. Storno- und Sterbewahrscheinlichkeit und der Rechnungszins aktualisiert.
77Die sich durch die Neukalkulation ergebenden Beiträge werden von einem unabhängigen Treuhänder auf Notwendigkeit und Zumutbarkeit geprüft. Der Treuhänder vertritt per Gesetz die Interessen der Versicherten. Er hat im Ergebnis den geänderten Beiträgen zum 01.01.2019 zugestimmt und damit bestätigt, dass die Anpassung des gesetzlichen Vorgaben entspricht.“
78Die Anlagen B 7 bis B 9 erfüllen damit nach dem oben Gesagten die formellen Anforderungen von § 203 Abs. 5 VVG. Ob die von der Beklagten angegebene Begründung richtig und vollständig ist, ist für das Wirksamwerden der Vertragsänderung rechtlich ohne Bedeutung, denn bei dem Begründungszwang handelt es sich um eine formale Voraussetzung für das Wirksamwerden der Vertragsänderung. Dies gebietet der Grundsatz der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Ob eine Begründung formal gegeben worden ist, kann einfach und objektiv festgestellt werden. Ob die Begründung materiell zutrifft, kann möglicherweise erst in einem Rechtsstreit geklärt werden (Münchener Kommentar, VVG, § 203 Rn. 1156).
79Materielle Einwendungen gegen die Beitragserhöhungen hat der Kläger nicht vorgetragen.
80Festzuhalten bleibt damit, dass die streitgegenständlichen Beitragserhöhungen in formeller und auch in materieller Hinsicht wirksam sind und die Klage nicht begründet ist und von Anfang an auch nicht war.
81Die Klage war daher abzuweisen.
82Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 a ZPO, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO und 91 ZPO.
83Es entsprach der Billigkeit, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, weil die Klage nach dem oben Gesagten von Anfang an nicht begründet war.
84Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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