Beschluss vom Landgericht Dortmund - 32 Qs 130/19
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss aufgehoben.
Die Fahrerlaubnis des Beschuldigten wird vorläufig entzogen und sein Führerschein beschlagnahmt.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen die Zurückweisung des Antrags auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 22.10.2019 ist zulässig und begründet.
3Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a Abs. 1 StPO war anzuordnen, da dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 StGB).
4Der Beschuldigte hat im Zustand relativer Fahruntüchtigkeit (BAK-Wert um 1:29 Uhr von 1,01 Promille und eingeräumter Konsum von Marihuana am Nachmittag) ein Kraftfahrzeug, nämlich einen so genannten E-Scooter geführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet (§ 315c StGB).Es ist daher dringend anzunehmen, dass eine spätere Hauptverhandlung ergeben wird, dass er sich hierdurch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat.
5Soweit das Amtsgericht Dortmund in seiner Zurückweisung des Antrags auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis darauf abgestellt hatte, dass es sich bei der Nutzung von E-Scootern um ein relativ neues Phänomen handele, so ist dem Amtsgericht in soweit zuzustimmen, dass es aufzuklären gilt, ob aus dem Fahrverhalten des Angeklagten, das die ihn anhaltenden Polizeibeamten festgestellt hatten (unsichere Fahrweise über eine Strecke von ca. 100 m und Sturz beim Anhalteversuch) ein Rückschluss auf eine alkohol- bzw. betäubungsmittelbedingte Fahruntüchtigkeit gezogen werden kann. Insoweit steht im Raum, dass, insbesondere dadurch, dass der E-Scooter konkret mit zwei Personen besetzt war und auch das Fahren mit einem solchen E-Scooter ein gewisses Gleichgewichtsgeschick erfordert, auch in Betracht kommt, dass die Fahrunsicherheit nicht alkohol- oder drogenbedingt, sondern den Besonderheiten des Fahrzeugtyps geschuldet war.
6Die Kammer geht aber davon aus, dass angesichts der Alkoholisierung von 1,01 Promille, die nur um 0,09 Promille unter der absoluten Fahruntüchtigkeit liegt sowie dem zusätzlichen Konsum von berauschenden Mitteln die bestehende Fahrunsicherheit im konkreten Fall hierauf zurückzuführen ist und nicht etwa auf das ungewohnte Fahren zu Zweit auf einem E-Scooter. Dies wird auch gestützt durch den ärztlichen Bericht anlässlich der Entnahme der Blutprobe vom 20.09.2019. Hierhin hat der Arzt zum Untersuchungsbefund vermerkt:
7"Plötzliche Kehrtwendung (nach vorherigem Gehen) unsicher, Finger-Finger-Prüfung unsicher, Finger-Nasen-Prüfung unsicher, Pupillen stark verengt, Pupillenlichtreaktion verzögert, Denkablauf verlangsamt, Verhalten verlangsamt, äußerlicher Anschein des Einflusses von Alkohol und Drogen deutlich bemerkbar“ und weiter: "Gang: schwankende Körperhaltung, Verhalten auf der Dienststelle unangemessen heiter, Sprache verlangsamt“.
8Hieraus ergibt sich zur Überzeugung der Kammer, dass die erkennbar gewordenen Unsicherheiten beim Führen des E-Scooter nicht allein auf das Phänomen des ungewohnten Fahrens zu Zweit, sondern kausal auf den Zustand der relativen Fahruntüchtigkeit zurückzuführen sind.
9Liegen sodann die Voraussetzungen des § 111a StPO vor, so steht eine solche Anordnung zwar im pflichtgemäßen Ermessen des Richters. Aufgrund des Regelungsgrundes der Norm wird der Ermessensspielraum jedoch oftmals vollständig reduziert; insbesondere darf bei der Regelvermutung des §§ 69 Abs. 2 StGB (-wie hier des § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB -) von der Anordnung nur aufgrund besonderer Umstände abgesehen werden (vgl. Münchener Kommentar zur StPO, § 111a Rz. 15 m. w. N.).
10Solche besonderen Umstände vermag die Kammer hier nicht zu erkennen. Zwar hat sich der Beschuldigte geständig und reuig zu dem Tatvorwurf eingelassen. Dies gilt allerdings für eine Vielzahl von Kraftfahrzeugführern, die im Nachgang Einsicht in ihr Fehlverhalten des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss haben. Auch die Tatsache, dass es sich bei E-Scootern um ein „relativ neues Phänomen“ handelt, ist nicht geeignet, besondere Umstände zu stützen. Soweit der Beschuldigte insoweit angibt, er habe nicht gewusst, dass für E-Scooter die gleiche Promillegrenze gelte wie für Autofahrer, kann dies keine besonderen Umstände begründen. Denn es muss von einem Kraftfahrzeugführer erwartet werden, dass er sich vor Inbetriebnahme eines Fahrzeuges darüber informiert, unter welchen Voraussetzungen ein solches Fahrzeug im Straßenverkehr geführt werden darf. Dies gilt umso mehr, als E-Scooter und ihre Besonderheiten in den letzten Monaten im besonderen Fokus der Medien und der Öffentlichkeit gestanden haben und Details zur Nutzung der E-Scooter auch als allgemein bekannt vorausgesetzt werden müssen.
11Auch im Weiteren erscheint die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht unverhältnismäßig.
12Insoweit ist zu beachten, dass E-Scooter durch die mit ihnen fahrbare Geschwindigkeit per se schon eine erhebliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, wie Fußgänger darstellen. Im alkoholisierten Zustand kommt dann sogar noch hinzu, dass durch Gleichgewichtsbeeinträchtigungen und dadurch veranlasste plötzliche, unkontrollierte Lenkbewegungen auch andere, erheblich schneller fahrende Verkehrsteilnehmer zu Ausweichmanövern veranlasst werden können, die nicht nur für den ausweichenden, sondern auch vor allem für entgegenkommende Verkehrsteilnehmer in hohem Maße gefährlich sind.
13Nach alledem ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis sachgerecht und verhältnismäßig.
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