Urteil vom Landgericht Duisburg - 1 (11) O 437/84
Tenor
für R e c h t erkannt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.911,07 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. April 1984 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 54 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 46 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.400,00 DM und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200,00 DM.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin, die sich gewerblich mit der Abfallentsorgung befasst, nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls auf Schadenersatz in Anspruch, der sich 25. Januar 1984 auf der Bundesautobahn A 2 in Duisburg in Fahrtrichtung Essen in Höhe einer Autobahneinfahrt ereignet hat.
Der Zeuge befuhr mit einem Entsorgungsfahrzeug der Klägerin den rechten Fahrstreifen der dreispurigen Autobahn. Vor ihm auf den gleichen Fahrstreifen fuhr die Zweitbeklagte mit dem PKW des Erstbeklagten, der bei der Drittbeklagten haftpflichtversichert ist.
Der LKW der Klägerin geriet ins Schleudern, drehte sich und kippte um, wobei er Totalschaden erlitt. Die Klägerin macht für diesen Schaden die Beklagten verantwortlich.
Sie behauptet zum Unfallhergang:
Die Zweitbeklagte habe den PKW bis zum Stillstand abgebremst, um einen anderen LKW die Auffahrt auf die Autobahn zu ermöglichen. eine Notwendigkeit dazu habe nicht bestanden, denn dieser LKW habe am Ende der Beschleunigungsspur angehalten, bevor die Zweitbeklagte bis zum Stillstand abgebremst habe.
Der Zeuge , der mit ca. 70 km/h in einem Abstand von 100 Metern hinter der Zweitbeklagten gefahren sei, sei von deren unvorhersehbarem Verhalten überrascht worden und habe das Fahrzeug der Klägerin voll abbremsen müssen, um nicht aufzufahren. Infolge Fahrbahnnässe sei der LKW der Klägerin dabei ins Schleudern geraten.
Die Klägerin macht folgenden Schaden geltend:
Abschleppkosten 866,25 DM
Sachverständigengebühren 912,00 DM
und 379,13 DM
Fahrzeugschaden 15.800,00 DM
Mehraufwand für Überstunden 1.239,88 DM
Nachdem die Kaskoversicherung der Klägerin auf den Fahrzeugschaden 13.800,00 DM gezahlt hat, sowie die Abschleppkosten erstattet hat, hat die Klägerin die Klage insoweit zurückgenommen, des gleichen wegen eines ursprünglich verlangten Verdienstausfalles.
Zu dem Mehraufwand für Überstunden behauptet die Klägerin:
Um nach dem Ausfall des verunfallten Fahrzeuges ihre Aufträge ausführen zu können, hätten ihre Fahrer insgesamt 35,75 Überstunden leisten müssen, wofür ihnen 1.239,88 DM vergütet worden seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilten, an sie 4.531,01 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 10. April 1984 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, die Zweitbeklagte habe ihre Geschwindigkeit lediglich verlangsamt, um einem LKW die Auffahrt zu ermöglichen. Sie habe nicht zum Stillstand abgebremst.
Der Zeuge habe den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten und das Umstürzen des LKW durch eine fehlerhafte, abrupte Lenkbewegung nach links verursacht. Dabei sei der mittlere Fahrstreifen frei gewesen, so dass er gefahrlos habe Überholen können.
Unfallbedingte Überstunden seien bei der Klägerin nicht angefallen. Die auf dem ausgefallenen Fahrzeug eingesetzten Fahrer hätten die zusätzlichen Touren auf den anderen LKW’s fahren können.
Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 20.02.1985 (Bl. 73 – 79 d. A.) und 08.08.1985 (Bl. 92 – 95 d. A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts Nürnberg (Rechtshilfegericht) vom 19.04.1985 (Bl. 85 – 87 d. A.) Bezug genommen.
Die Bußgeldakten 946/4/829/7 Stadt Duisburg waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird auf Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringen wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist teilweise begründet.
Dem Grunde nach sind die Beklagten gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 3 PflVG verpflichtet, der Klägerin die Hälfte ihres Unfallschadens zu ersetzen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Zweitbeklagte den Unfall verschuldet hat, weil sie ihr Fahrzeug ohne hinreichenden Grund bis zum Stillstand abgebremst hat. Die Zeugen und haben übereinstimmend ausgesagt, die Zweitbeklagte habe auf der Autobahn angehalten, obwohl der vom Zeugen
gesteuerte Lastzug sich auf der Beschleunigungsspur befunden habe.
Beide Zeugen sind allerdings als Unfallbeteiligte nicht unvoreingenommen, aber es gibt bezüglich des Zeugen Haas dennoch keinen Grund, seinen Angaben zu misstrauen. Die Beklagten behaupten in diesen Rechtsstreit selbst nicht, der Zeuge
habe die Zweitbeklagte gefährdet. Aus der Sicht des Zeugen ist es auch belanglos, ob die Zweitbeklagte angehalten oder lediglich ihre Fahrt stark verlangsamt hat.
Unstreitig wollte die Zweitbeklagte dem Zeugen die Auffahrt ermöglichen. Soweit der Zeuge im Bußgeldverfahren einmal angegeben hat, der Zeuge
habe die Zweitbeklagte gefährdet, hat er das bei seiner Vernehmung vor der Kammer richtig gestellt. Hier hat er ausgesagt, er habe nicht gesehen, dass der LKW des Zeugen in die Fahrbahn hineingetreten sei. Er habe das lediglich deshalb angenommen, weil er sich anders das plötzliche starke Abbremsen der Zweitbeklagten nicht habe erklären können. Mit dieser Aussage hat der Zeuge nun im Kern die Darstellung der Zeugen und bestätigt.
Das beschriebene Verhalten der Zweitbeklagten stellt sich rechtlich als schwerer Verstoß gegen die §§ 4 Abs. 1 Satz 2 und 18 Abs. 7 StVO dar.
Die verbreitete Übung, auffahrenden Fahrzeugen das Auffahren zu erleichtern, ist nicht zu beanstanden. Dabei darf auch die Fahrtgeschwindigkeit verringert werden. Das geht aber nur unter der Voraussetzung, dass der nachfolgende Verkehr nicht gefährdet wird. Ein plötzliches Bremsen bis zum Stillstand ist – außer im Fall der hier nicht gegebenen Notlage – auf der Autobahn schlechthin verboten.
Die Beweisaufnahme hat aber auch ergeben, dass der Zeuge den Unfall mitverschuldet hat. Bereits der erste Anschein spricht dafür, dass der von ihm gesteuerte LKW infolge eines Fahrfehlers außer Kontrolle geraten ist.
Nach den eigenen Angaben des Zeugen betrug der Abstand zum Fahrzeug der Beklagten immerhin noch 20 bis 30 Meter, als er nach links ausweichen konnte. Bei einem sachgerecht ausgeführten Lenkmanöver nach links hätte dabei nichts passieren können, weil ein abruptes Herumreißen des Lenkrades nicht erforderlich war. Das Gericht glaubt dem Zeugen nicht, dass die Fahrbahn eisglatt war. Keiner der anderen Zeugen hat das bestätigt. Auch die polizeiliche Unfallaufnahme enthält keine derartige Feststellung. Wenn auch auffällt, dass die unfallaufnehmenden Polizeibeamten die vorgesehenen Angaben über den Straßenzustand im Fallaufnahmeprotokoll überhaupt unterlassen haben, so ist doch davon auszugehen, dass sie eine bei diesem Unfallgeschehen geradezu ins Auge springende Besonderheit wie Eisglätte auf der Fahrbahn bei der Unfallaufnahme berücksichtigt hätten.
Hinzu kommt noch, dass der Zeuge schon früher auf den mittleren Fahrstreifen hätte ausweichen können, wie das der unbeteiligte Zeuge , dem das Gericht folgt, bekundet hat.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Unfallverursachung gemäß § 17 StVG fällt vor allem ins Gewicht, dass die vom LKW der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr beträchtlich höher war, als die vom PKW der Beklagten ausgehende. Die mit der Größe und dem Gewicht des klägerischen LKW verbundenen Gefahren haben sich hier besonders ausgewirkt, weil das Fahrzeug wegen dieser Merkmale bei dem Schleudervorgang umgekippt ist, was allein den Schaden herbeigeführt hat.
Deshalb hält das Gericht eine gleichmäßige Schadensverteilung für angemessen, obwohl ein plötzlich auf der Autobahn anhaltendes Fahrzeug zu den schwerwiegendensten Gefahrenquellen zu rechnen ist.
Der Höhe nach ist das Klagebegehren nicht zu beanstanden. Der Fahrzeugschaden, die Abschleppkosten und die Sachverständigengebühren sind nicht in Streit.
Es ist bewiesen, dass die Klägerin unfallbedingte Mehraufwendungen für Überstundenvergütung in Höhe von 1.239,88 DM hatte. Der Zeuge hat einleuchtend und glaubhaft erklärt, dass die Klägerin den Ausfall des Unfallfahrzeuges nur durch den Einsatz der Überstunden ausgleichen konnte. Es ist nachvollziehbar, dass die Klägerin den Ausfall des Fahrzeuges des Zeugen nicht dadurch ausgleichen konnte, dass sie diesen Zeugen auf anderen Wagen einsetzte. Die anderen Wagen standen während der regelmäßigen Arbeitszeit nicht frei zur Verfügung.
Bei der Abrechnung des Schadens ist zu beachten, dass der Klägerin gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 VVG gegenüber ihrer Kaskoversicherung ein Quotenvorrecht zusteht. Zu dem von der Kaskoversicherung erfassten Schadensbereich gehören der Fahrzeugschaden, die Abschleppkosten und die Sachverständigengebühren. In diesem Umfang beträgt der Gesamtschaden:
Fahrzeugschaden: 15.800,00 DM
Abschleppkosten 866,25 DM
Sachverständigengebühren: 912,00 DM
„ 379,13 DM
17.957,38 DM
Darauf hat der Kaskoversicherer
gezahlt: 13.800,00 DM
866,25 DM
14.666,25 DM
Restschaden: 3.291,13 DM
Die Beklagten haben 50 % von 17.957,38 = 8.978,69 DM zu regulieren. Der Klägerin stehen wegen ihres Quotenvorrechts 3.291,13 DM zu und nur wegen des verbleibenden Restes von 8.978,69 – 3.291,13 = 5.687,56 DM ist die Forderung auf den Kaskoversicherer übergegangen.
Von den Mehraufwendungen für Überstunden kann die Klägerin die Hälfte von 1.239,88 DM, also 619,94 DM ersetzt verlangen.
Ihr stehen insgesamt zu 3.291,13 DM
+ 619,94 DM
3.911,07 DM.
Die geforderten Verzugszinsen kann die Klägerin nur in der gesetzlichen Höhe beanspruchen. Die bestrittene Inanspruchnahme von Bankkredit hat sie nicht belegt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 267 Abs. 3, 709 ZPO.
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(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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