Urteil vom Landgericht Duisburg - 4 S 268/86
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.06.1986 verkündete Urteil des Amtsgerichts Duisburg - 35 C 498/84 - abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.09.1984 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Beklagte.
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Kläger kann vom Beklagten in der zuerkannten Höhe die Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß §§ 823, 847 BGB verlangen, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß der Beklagte dem Kläger im Rahmen einer Auseinandersetzung das Endglied des linken Ringfingers abgebissen hat.
3Der Zeuge x hat ausgesagt, der Kläger und der Beklagte seien in der Wohnung des Klägers mit Fäusten aufeinander losgegangen. Er und andere Zeugen seien dazwischen gegangen, um die Tätlichkeiten zu beenden. Während dieser Tätlichkeiten habe der Kläger geschrien: "Mein Finger ist ab.” Diese Aussage ist glaubhaft. Von den bei der Auseinandersetzung anwesenden Personen sind die Zeugen zwei "Lagern” zuzurechnen. Die Zeugen aus der Familie des Klägers haben eine für diesen günstige Aussage gemacht, während die Zeugen aus der Familie des Beklagten mit Ausnahme des Zeugen x eine für den Beklagten günstige Aussage gemacht haben. Obwohl der Zeuge x als dessen Verwandter dem "Lager” des Beklagten zuzuordnen ist, hat er eine Aussage gemacht, die ungünstig für den Beklagten ist. Dieses Bemühen um Objektivität des Zeugen spricht für den Wahrheitsgehalt der Aussage. Bereits bei seiner Vernehmung im Strafverfahren gegen den Beklagten hat der Zeuge x eine für den Beklagten ungünstige Aussage gemacht, die im Kern mit seiner Aussage im Zivilverfahren übereinstimmt. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge x den Beklagten zu Unrecht mit seiner Aussage belasten wollte, sind nicht erkennbar. Der Zeuge hat im Gegenteil im Zivilverfahren eine Erklärung für die Verletzung des Klägers gesucht, die mit der Behauptung des Beklagten, der Kläger habe sich das Fingerendglied an einem Ofen abgeklemmt, übereinstimmt. Diese Möglichkeit ist jedoch ausgeschlossen.
4Der Zeuge hat nämlich weiter bekundet, er habe, nachdem der Kläger aufgeschrien habe, auf seine Hand geschaut und gesehen, daß tatsächlich das Fingerendglied abgetrennt gewesen sei und Blut geflossen sei. Da dieser vom Zeugen geschilderte Zeitablauf (Tätlichkeiten-Schrei-Sehen auf die Hand) unmittelbar aufeinander folgt, ist es ausgeschlossen, daß sich der Kläger unabhängig von der Auseinandersetzung mit dem Beklagten das Fingerendglied an einem Ofen abgeklemmt hat. Ebenso ausgeschlossen ist es, daß das Fingerendglied von einer Tür abgeklemmt worden ist. Denn der unmittelbar in der Nähe der Kontrahenten stehende Zeuge x hätte sehen müssen, daß eine Tür zugeschlagen wurde. Wäre der Schrei des Klägers unmittelbar nach dem Zuschlagen einer Tür erfolgt, hätte der Zeuge x diesen Schrei auch zuordnen können. Er hat dies jedoch nicht getan und stattdessen auf die Möglichkeiten des Abtrennens durch den Ofen verwiesen.
5Die Aussage des Zeugen x wird bestätigt durch die eigene Einlassung des Beklagten im Strafverfahren. Dort hat sich der Beklagte eingelassen, er habe sich mit dem Kläger geschlagen, die x hätten in vom Kläger getrennt und auf den Flur geschoben. Als er auf dem Flur gewesen sei, habe er den Kläger schreien gehört.
6Der Beklagte schildert dieses Schrei zeitlich demnach auch im Anschluß an die Auseinandersetzung. Zwar hält er es nach seiner Einlassung für möglich, daß sich der Kläger das Fingerendglied in einer Tür abgeklemmt hat, schildert jedoch keinen Vorgang, der dies möglich macht. Obwohl auch er die Version mit dem Ofen für möglich hält, schildert auch er keinen Vorgang, der diese Version möglich erscheinen läßt. Die Annahme des Beklagten, die Ehefrau des Klägers können diesem das Fingerendglied abgebissen haben, kann nicht ernst genommen werden.
7Der Schrei des Klägers und seine Verletzung sind demnach selbst nach der Einlassung des Beklagten im Strafverfahren der Auseinandersetzung zwischen den Parteien zuzuordnen.
8Den den Beklagten entlastenden Aussagen der Zeugen x, x und x ist die Kammer dagegen nicht gefolgt. Der Zeuge x hat ausgesagt, es habe keine Handgreiflichkeiten zwischen dem Kläger und dem Beklagten gegeben, die Zeugen x und x haben dagegen bekundet, der Kläger habe dem Beklagten eine Ohrfeige gegeben, danach sei der Beklagte von ihnen aus der Wohnung geschoben worden. Dies wird vom Beklagten selbst nicht behauptet. Er hat vielmehr vorgetragen, er habe sich gewehrt, als der Kläger ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe.
9Das Abbeißen des Fingers ist nicht durch Notwehr gerechtfertigt, denn es geschah zu einem Zeitpunkt, als sich die Begleiter des Beklagten bereits um eine Schlichtung der Auseinandersetzung bemühten.
10Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat die Kammer berücksichtigt, daß der Beklagte dem Kläger vorsätzlich eine Verletzung zugefügt hat, die irreparabel ist. Berücksichtigt hat die Kammer ferner, daß der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes deshalb eine besondere Bedeutung zukommt, weil das Strafverfahren gegen den Beklagten eingestellt worden ist. Zu berücksichtigen war jedoch auch, daß in der Auseinandersetzung um Liebe und Ehre auch der Kläger nicht die Besonnenheit gezeigt hat, die zur Lösung der Probleme um die Entlobung seiner Tochter angezeigt gewesen wäre. Die Kammer hält unter Berücksichtigung aller Umstände ein Schmerzensgeld von 3.000,00 DM für angemessen.
11Die Zinsentscheidung rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 288, 291 BGB.
12Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
13Streitwert für beide Instanzen: 3.000,00 DM
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