Urteil vom Landgericht Duisburg - 1 (11) O 280/93
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 6.825,35 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.05.1993 zu zahlen.
Auf die Widerklage des Beklagten zu 1) werden der Kläger und die Widerbeklagten zu 2) und 3) verurteilt, als Gesamtschuldner an den Beklagten zu 1) 47,15 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 24.11.1993 zu zahlen.
Die Widerbeklagten zu 2) und 3) werden darüberhinaus verurteilt, als Gesamtschuldner an den Beklagten zu 1) weitere 500 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.07.1993 zu zahlen.
Im übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Widerbeklagten zu 2) und 3) zu 2 % als Gesamtschuldner. Darüberhinaus tragen der Kläger weitere 45 % und als Gesamtschuldner die Widerbeklagten zu 2) und 3) weitere 3 % der Kosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu 45 % als Gesamtschuldner und der Beklagte zu 1) darüberhinaus zu weiteren 5 % allein.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 9.500 DM vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten zu 1) gegen Sicherheitsleistung von 3.000 DM, für die Beklagte zu 2) gegen Sicherheitsleistung von 2.500 DM und die Widerbeklagten zu 2) und 3) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 3.000 DM. Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bank- oder Sparkassenbürgschaft erbracht werden.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 13.02.1993 morgens um 01.45 Uhr an der Kreuzung B 58 /L 460 in Wesel-Büderich zwischen dem vom Widerbeklagten zu 2) gesteuerten PKW des Klägers Daimler-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen, das bei der Widerbeklagten zu 3) haftpflichtversichert war und dem vom Beklagten zu 1) gefahrenen PKW Ford Escort mit dem amtlichen Kennzeichen, das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war. Der Beklagte zu 1) begehrt im Wege der Widerklage von dem Kläger und den Widerbeklagten zu 2) und 3) Schadensersatz für Abschleppkosten in Höhe von 94,30 DM sowie von den Widerbeklagten zu 2) und 3) ein angemessenes Schmerzensgeld, das er mit 1.200 DM beziffert.
3Zum Unfallzeitpunkt herrschte Nebel. Die Sicht lag unter 50 Metern. Der Beklagte zu 1) stand mit seinem Fahrzeug vor der Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage. Als die Lichtzeichenanlage Grün zeigte, näherte sich von hinten der Widerbeklagte zu 2) mit dem PKW des Klägers und fuhr trotz Vollbremsung auf das Fahrzeug des Beklagten zu 1) auf. Bei dem Zusammenstoß erlitt der Beklagte zu 1) eine HWS-Distorsion, eine beidseitige Knieprellung, eine Oberschenkelprellung links und eine oberflächliche Hautläsion. Wegen der weiteren Einzelheiten zu den Verletzungen wird auf den mit der Widerklage vom 01.07.1993 beigebrachten Arztbericht vom 12.05.1993 verwiesen.
4Der Kläger beziffert seinen Schaden mit insgesamt 13.844 DM. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
5Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) habe die Beleuchtung an seinem Fahrzeug nicht eingeschaltet gehabt und sei deshalb vom Widerbeklagten zu 2) vor dem Unfall nicht mehr rechtzeitig wahrnehmbar gewesen.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 13.844 DM nebst
84 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.
9Die Beklagten beantragen,
10die Klage abzuweisen.
11Widerklagend beantragt der Beklagte zu 1),
12den Kläger und die Widerbeklagten zu 2) und 3) zu verurteilen, an ihn 94,30 DM
13nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
14Darüberhinaus beantragt der Beklagte zu 1) im Wege der Widerklage,
15die Widerbeklagten zu 2) und 3) zu verurteilen, als Gesamtschuldner
16an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen ab
17Rechtshängigkeit zu zahlen.
18Den zunächst auch gegen den Kläger gerichteten Antrag auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes hat der Beklagte zu 1) durch Schriftsatz vom 17.08.1993 zurückgenommen.
19Die Beklagten behaupten, der Widerbeklagte zu 2) habe sich der Unfallstelle nicht mit der vom Kläger angegebenen Geschwindigkeit von etwa 70 km/h genähert, sondern mit einer Geschwindigkeit von über 70 km/h. Die Beleuchtung am Fahrzeug des Beklagten zu 1) sei erst infolge des Zusammenstoßes ausgefallen.
20Der Kläger und die Widerbeklagten zu 2) und 3) beantragen,
21die Widerklage abzuweisen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
23Das Gericht hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Übertragungs-, Hinweis- und Beweisbeschlusses vom 04.10.1993 (Bl. Bl. 43 f.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.12.1993 (Bl. 77 ff.) und das schriftliche Kurzgutachten des Sachverständigen vom 22.02.1994 (Bl. 88 ff.) Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Klage und Widerklage sind in dem zuerkannten Umfang begründet, im übrigen dagegen unbegründet.
26Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 1) ein Anspruch auf Zahlung von 6.825,35 DM gemäß § 18 I 1 StVG i.V.m. § 7 I StVG zu (= 50 % von 10.841,38 DM + 761,55 DM und 268,07 DM + 1.933 DM – 193,30 DM + 40 DM). Denn der Beklagte zu 1) hat als Führer eines Kraftfahrzeuges bei dessen Betrieb die Beschädigung des Klägerfahrzeugs verursacht.
27Der Unfall war für den Beklagten zu 1) auch nicht unabwendbar gemäß § 7 II StVG oder unverschuldet im Sinne des § 18 I 2 StVG. Denn die Behauptung der Beklagten, das Fahrzeug des Beklagten zu 1) sei vor dem Unfall ordnungsgemäß beleuchtet gewesen, ist nicht bewiesen. Da die Glühbirnen aus dem Fahrzeug des Erstbeklagten nicht mehr auffindbar gewesen sind, hat der Sachverständige zu dem Beleuchtungszustand dieses Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt keine Feststellungen treffen können.
28Der Zeuge hat dagegen bekundet, er habe nach dem Unfall festgestellt, daß der Lichtschalter am Fahrzeug des Beklagten zu 1) sich in der "Aus"-Stellung befunden und der Beklagte zu 1) ihm gegenüber erklärt habe, vor dem Unfall habe sein Fahrzeug einen Totalausfall gehabt. Dabei ist jedenfalls die Aussage des Zeugen zur Stellung des Lichtschalters in jeder Hinsicht glaubhaft. Denn die diesbezügliche Bekundung stimmt auch mit der entsprechenden Feststellung in der Verkehrsunfallanzeige (Bl. 4) überein. Die vom Zeugen nach dem Unfall vorgefundene Stellung des Lichtschalters läßt aber nur den Schluß zu, daß die Beleuchtung am Fahrzeug des Erstbeklagten zum Unfallzeitpunkt nicht eingeschaltet gewesen ist. Daß der Erstbeklagte den Lichtschalter etwa erst nach dem Unfall in die "Aus"-Stellung versetzt hat, ist von den Beklagten nicht vorgetragen worden, würde aber dessen ungeachtet auch jeder Lebenserfahrung widersprechen. Ob und inwieweit der Behauptung des Zeugen Glauben zu schenken ist, der Erstbeklagte habe am Unfallort einen Totalausfall an seinem Fahrzeug vor dem Unfall
29eingeräumt, kann unter diesen Umständen dahinstehen. Jedenfalls hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, daß den Erstbeklagten am Unfall kein Verschulden trifft, weil sein Fahrzeug beleuchtet gewesen ist. Hierfür tragen aber im Rahmen des § 18 I 2 StVG die Beklagten die Beweislast.
30Bei der gemäß § 18 III StVG i.V.m. § 17 I StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist zu Lasten des Beklagten zu 1) von einem Verkehrsverstoß gegen § 17 I 1 StVO oder zumindest § 15 I StVO auszugehen. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedenfalls fest, daß der Erstbeklagte trotz Dunkelheit und Nebel die Beleuchtungseinrichtungen nicht eingeschaltet hatte. Hierzu ist er jedoch gemäß § 17 I 1 StVO verpflichtet gewesen.
31Das Gericht hält es aber zugunsten des Erstbeklagten im Rahmen der Abwägung gemäß § 17 I StVG auch für möglich, daß er aufgrund eines Totalausfalls seines Fahrzeugs überhaupt nicht in der Lage gewesen ist, eine ordnungsgemäße Beleuchtung durch Betätigung des Lichtschalters herbeizuführen. In diesem Fall hat sich der Erstbeklagte jedoch
32eines Verstoßes gegen § 15 I StVO schuldig gemacht. Denn gemäß § 15 I 1 StVO ist in einem solchen Fall sofort die Warnblinkanlage einzuschalten und gemäß § 15 I 2 StVO das Warndreieck aufzustellen. Nach dem Vorbringen der Parteien und der Aussage des Zeugen I, der Warnblinklichtschalter habe sich nach dem Unfall ebenfalls in der "Aus"-Stellung befunden, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß der Erstbeklagte den vorbezeichneten Anforderungen des § 15 StVO gerecht geworden ist.
33Der Kläger muß sich bei der gemäß § 17 StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge eigene Verkehrsverstöße entgegenhalten lassen. Der Widerbeklagte zu 2) als Führer des Fahrzeugs hat jedenfalls gegen § 3 I 3 StVO verstoßen, was sich der Kläger zurechnen lassen muß. Der Kläger hat vorgetragen, der Widerbeklagte zu 2) sei vor dem Unfall etwa 70 km/h gefahren. Da die Sichtweite jedoch infolge Dunkelheit und Nebels weniger als 50 Meter betragen hat, ist es dem Widerbeklagten zu 2) gemäß § 3 I 3 StVO nicht erlaubt gewesen, schneller als 50 km/h zu fahren. Darüberhinaus ist dem Kläger als Verschulden anzulasten, daß der Widerbeklagte zu 2) vor dem Unfall entweder
34unaufmerksam oder zu schnell gefahren ist, um innerhalb der übersehbaren Strecke halten zu können und damit ein Verstoß gegen § 3 I 4 StVO vorliegt. Ein Auffahren auf ein die Fahrbahn versperrendes Hindernis wie hier erlaubt nämlich grundsätzlich eine alternative Schuldfeststellung dahin, daß entweder der Bremsweg des Auffahrenden länger als die Sichtweite oder seine Reaktion auf die Gefahr unzureichend gewesen sein muß.
35Dabei ist davon auszugehen, daß der Kraftfahrer gemäß § 3 I 4 StVO seine Fahrweise so einzurichten hat, daß er auch in der Dunkelheit vor auf der Straße liegengebliebenen unbeleuchteten Kraftfahrzeugen rechtzeitig anhalten kann (BGH NJW RR 1987, S. 1235, S. 1236, Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 32. Auflage, § 3 StVO Rn. 25). Verhält sich der Kraftfahrer entsprechend dieser ihn treffenden Pflicht und kommt es dennoch zu einer Kollision, so entspricht es der Lebenserfahrung, daß dann nicht ein Verstoß gegen § 3 I 4 StVO, sondern Unaufmerksamkeit die Ursache des Unfalls gewesen ist (BGH NJW RR 1987 a.a.O.).
36Ein Verstoß gegen die am Unfallort durch Verkehrszeichen 274 zu § 41 StVO zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h kann dem Kläger dagegen nicht vorgeworfen werden, da der Sachverständige hierzu keine eindeutigen Feststellungen treffen konnte.
37Das Gericht hält vorliegend im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 StVG eine Haftungsquote von jeweils 50 % für angemessen, da die Verstöße gegen § 3 StVO auf der einen und § 17 StVO oder § 15 StVO auf der anderen Seite angesichts der äußeren Gegebenheiten (Dunkelheit, Nebel) gleichermaßen schwer wiegen.
38Hinsichtlich der geltend gemachten Schadensposten ist bezüglich der Leihwagenkosten von 1.933 DM ein Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen in Höhe von 10 % (= 193,30 DM) vorzunehmen (vgl. Palandt, BGB, 52. Auflage, § 249 Rn. 14). Die Hälfte aus dem verbleibenden Schadensbetrag von 13.650,70 DM ergibt den in der Hauptsache zuerkannten Betrag von 6.825,35 DM.
39Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB.
40Die Haftung der Beklagten zu 2) gegenüber dem Kläger ergibt sich aus § 3 Nr. 1 PflVG.
41Dem Beklagten zu 1) steht gegen den Kläger gemäß § 7 StVG, gegen den Widerbeklagten zu 2) gemäß § 18 StVG sowie gegen die Widerbeklagte zu 3) gemäß § 3 Nr. 1 PflVG ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der hälftigen Abschleppkosten (= 47,15 DM) zu. Die Zulässigkeit der Drittwiderklage gegen die Widerbeklagten zu 2) und 3) ergibt sich daraus, daß auch der Kläger widerverklagt ist. Bezüglich der gemäß § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung im Rahmen der Begründetheit kann auf die Ausführungen zum Anspruch des Klägers verwiesen werden. Die zuerkannten Zinsen beruhen auf § 291 BGB.
42Dem Beklagten zu 1) steht gegen den Widerbeklagten zu 2) schließlich gemäß §§ 823 I, 847 BGB ein Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld zu. Durch den Unfall hat der Widerbeklagte zu 2) den Beklagten zu 1) an der Gesundheit beschädigt. Dies geschah schuldhaft, nämlich fahrlässig i.S. des § 276 I 2 BGB. Denn der Widerbeklagte zu 2) hat sich nicht an die bei Nebel mit Sichtweiten von unter 50 Metern gemäß § 3 I 3 StVO vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gehalten und ist darüberhinaus entweder unaufmerksam oder zu schnell gefahren, weil er nicht in der Lage gewesen ist, vor dem unbeleuchtet auf der Straße stehenden Fahrzeug des Erstbeklagten anzuhalten.
43Unter Berücksichtigung der eingetretenen Verletzungen des Beklagten zu 1) (HWS-Distorsion, beidseitige Knieprellung, Oberschenkelprellung und oberflächliche Hautläsion), der nachfolgend vorgenommenen ambulanten Behandlung und der im Arztbericht vom 12.05.1993 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit von 100 % für die Zeit bis zum 26.02.1993 hält das Gericht ein Schmerzensgeld von 1.000 DM für angemessen und ausreichend. Hiervon steht dem Erstbeklagten wegen seines gemäß § 254 BGB zu berücksichtigenden Mitverschuldens am Unfall durch Verstoß gegen § 17 StVO oder § 15 StVO die Hälfte zu.
44Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auch insoweit auf § 291 BGB.
45Die Haftung der Widerbeklagten zu 3) ergibt sich aus § 3 Nr. 1 PflVG.
46Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92, 269, 709 ZPO.
47Der Streitwert wird auf 15.138,30 DM festgesetzt (13.844 DM + 1.200 DM + 94,30 DM).
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