Urteil vom Landgericht Duisburg - 10 O 297/01
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung
der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,00 DM ab-
wenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft einer Großbank mit
Sitz in der Europäischen Union oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse er-
bracht werden.
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T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin ist die gesetzliche Krankenversicherung der 89-jährigen Frau .
3Diese ist seit 1995 im Altenpflegeheim der Beklagten untergebracht und aufgrund eines Gutachtens vom 06.03.1996 der Pflegestufe 3 zuzuordnen.
4Frau leidet an Altersdemenz und ist wegen der Störung schwerstens eingeschränkt. Sie ist abwechselnd umtriebig und apathisch und schließt sich zum Teil in der Toilette ein, wenn sie sich bedroht fühlt. Sie ist zu Person, Ort und Zeit und Geschehen desorientiert und bedarf deshalb zum Ausschluß einer Selbstgefährdung ständiger Aufsicht. Ihre Unruhezustände äußern sich dadurch, dass sie zum Teil bis um 22.00 Uhr auf der Station hin und her läuft, wobei sie sich regelmäßig im Gemeinschaftsbereich aufhält. Teilweise begibt sie sich dann auch in ihr Zimmer. Die Versicherte bedarf auch Nacht der Beaufsichtigung, da sie auch dann ihr Zimmer ausräumt, sich an- oder auszieht, und ähnliche Tätigkeiten vornimmt.
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Am 13.03.1998 gegen 18.30 Uhr stürzte Frau aus ungeklärter Ursache in ihrem Zimmer. Aufgrund der erlittenen Verletzungen mußte sie bis zum 02.04.1998 im Krankenhaus stationär behandelt werden. Die Klägerin wandte hierfür als gesetzliche Krankenversicherung einen Betrag von 10.181,15 DM. Neben diesem Anspruch, den die Klägerin aus übergeleitetem Recht nach § 116 SGB X gelten macht, macht sie einen allgemeinen Pauschalbetrag nach § 116 SGB X Abs. 8 geltend, den sie mit 260,00 DM beziffert.
7Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe die aus dem Heimvertrag obliegenden Fürsorgepflichten verletzt. Dies zeige sich bereits daran, dass die Versicherte zu Fall gekommen und verletzt worden sei. Gerade der Umstand, dass die Einzelheiten des Sturzes nicht mehr aufzuklären seien zeige, dass eine ausreichende Beaufsichtigung der Versicherten nicht stattgefunden habe. Im übrigen ist sie der Auffassung, dass die Beklagte im Hinblick auf einen nach der Rechtsprechung anzuwendende Beweislastumkehr verpflichtet sei, zu beweisen, daß der Unfall nicht auf eine Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten zurückzuführen sei. Zudem ergebe sich aus dem Gutachten von 1996, dass bezüglich der Versicherten auch Hilfsbedürftigkeit bei Stehen und Gehen vorgesehen habe.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.441,15 DM nebst Zinsen
10in Höhe von 6 % seit dem 24. Juli 1998 zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Verletzung des Fürsorgepflichten nicht gegeben sei. Da sich die Verletzte bereits drei Jahre in dem Heim befunden habe und dort regelmäßig auch den ganzen Tag wegen Unruhezustände herumgelaufen sei - was insoweit zwischen den Parteien unstreitig ist-, habe die Beklagte nicht damit rechnen müssen, dass Unsicherheiten bei der Fortbewegung der Versicherten vorhanden gewesen seien. Es habe deshalb insoweit einer besonderen Aufsicht nicht bedurft. Die gesteigerte Aufsichtspflicht sei nur für den Fall einer Selbstgefährdung durch solche Handlungen anzunehmen, deren Gefährlichkeit die Versicherte wegen ihrer Demenz nicht habe erkennen können. Der Sturz von Frau stelle aber die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisiko dar.
14Eine Aufsicht, die ständig und jederzeit habe eingreifen können, sei auch weder tatsächlich möglich noch finanzielle zu leisten und deshalb von der Beklagten im Rahmen des Vertrages nicht geschuldet. Auch eine Umkehr der Beweislast zu ihren Lasten sei nicht anzunehmen, da anders als bei den von der Klägerin zitierten Entscheidungen der Sturz gerade nicht bei einer pflegerischen Maßnahme eingetreten sei bzw. auf einer besonderen, erkennbaren Behinderung der gepflegten Person beruht habe.
15Im übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sach- und streitstandes auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann gegen die Beklagte nicht aus übergeleitetem Recht nach § 116 SGB X Schadensersatzansprüche geltend machen. Solche Schadensersatzansprüche sind nicht in der Person der Frau entstanden. Ansprüche der Versicherten ergeben sich weder aus einer positiven Vertragsverletzung der Schutzpflichten aus dem Heimvertrag noch aus §§ 823, 831 BGB.
18Ansprüche der Versicherten sind bereits deshalb nicht ersichtlich, weil eine Verletzung der Fürsorgepflichten der Beklagten nicht festgestellt werden kann. Im Hinblick auf den altersverwirrten Zustand der Versicherten war nach dem Heimvertrag eine Beaufsichtigung durch die Beklagte in der Weise geschuldet, dass diese vor solchen Selbstgefährdungen geschützt werden musste, die darauf beruhten, dass sie aufgrund ihrer Altersdemenz Gefahren nicht richtig erkennen konnte. Dass eine Verletzung derartiger Aufsichtspflichten vorgelegen hat, ist von der Klägerin weder behauptet noch hinreichend dargetan.
1920
Eine darüber hinausgehende Aufsichts- und Fürsorgepflicht der Beklagten ,die ein ständiges Eingreifen zum Schutz vor Stürzen der Versicherung möglich gemacht hätten, ist nicht anzunehmen. Ein solche gesteigerte Aufsichtspflicht wäre nur dann anzunehmen, wenn die Versicherte erkennbar besonders sturzanfällig gewesen wäre, was jedoch vorliegend nicht anzunehmen ist. Zwar wird in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten im Jahr 1996 festgestellt, dass eine Hilfsbedürftigkeit von Frau beim Gehen und Stehen vorgelegen hat. Unstreitig habe sich die Versicherte jedoch bereits seit drei Jahren in der Einrichtung der Beklagten und bewegte sich im Rahmen ihrer Unruhezustände stets selbständig durch Auf- und ablaufen im Gemeinschaftsraum oder in ihrem Zimmer Die Beklagte durfte daher berechtigt davon ausgehen, dass die in dem Gutachten 1996 festgestellte Hilfsbedürftigkeit nicht mehr vorlag. Sie war daher auch nicht verpflichtet, ständig für eine Beaufsichtigung und Hilfestellung bezüglich der Mobilität der Versicherten Sorge zu tragen.
21Die Beklagte schuldete auch nicht im Rahmen des Heimvertrages eine durchgängige Beaufsichtigung in der Gestalt, dass jede Art von Stürzen der Versicherten durch ständige Zugriffs- und Stützmöglichkeit zu verhindern waren. Eine solche ständige Beaufsichtigung mit Hilfestellung ist im Rahmen des Heimvertrages auch bei einer Vereinbarung der Pflegestufe 3 nicht leistbar und von der Beklagten mit vertretbaren finanziellen Aufwand nicht zu gewährleisten. Dass die Versicherte zu Fall gekommen ist, stellt daher eine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisiko dar, dass von der Beklagten weder verursacht noch von ihr zu vertreten ist.
22Die Klägerin hat auch darüber hinaus nicht dargetan oder unter Beweis gestellt, dass eine weitergehende Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten anzunehmen wäre.
23Die Klägerin trägt auch die Darlegungs- und Beweislast für eine behauptete Schutzpflichtverletzung durch die Beklagte. Eine Umkehr der Beweislast ist auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin dargelegten Rechtsprechung nicht anzunehmen. Bei der von der Klägerin zitierten Entscheidung des BGH war der Patient beim Transport innerhalb des Krankenhauses aus ungeklärter Ursache zum Fall gekommen. Die Verletzung stand daher in unmittelbarem Zusammenhang mit einer pflegerischen Tätigkeit des fürsorgepflichtigen Trägers. Dieses Vorliegen ist jedoch nicht der Fall, da wie ausgeführt, der Sturz auch ein allgemeines Lebensrisiko und nicht auf eine pflegerische Tätigkeit der Beklagten zurückzuführen war.
24Entsprechendes gilt für die zitierte Entscheidung des Landgerichts Hagen. Dort war der Sturz des körperbehinderten Mannes auf ein Risiko zurückzuführen, das in seiner Erkrankung begründet lag. Wie ausgeführt, war jedoch von einer Hilfebedürftigkeit der Versicherten im Rahmen des Gehens und Stehens nicht auszugehen, so dass sich insofern gerade kein typisches Gesundheitsrisiko verwirklicht hat. Vielmehr hat sich gerade nicht das Risiko der Altersdemenz der Geschädigten verwirklicht, weil diese eine Handlung vorgenommen hat, deren Gefährlichkeit sie nicht einschätzen konnte, sondern dass allgemeine Lebensrisiko, beim Laufen zu stürzen. Eine Umkehr der Beweislast kann daher nicht angenommen werden. Da die Klägerin für eine Fürsorgepflichtverletzung der Beklagten beweisfällig geblieben ist, sind Ansprüche der Versicherten gegen die Beklagte nicht anzunehmen. Die Klage ist daher abzuweisen.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
26Der Streitwert beträgt 10.441,15 DM.
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