Urteil vom Landgericht Duisburg - 3 O 406/02
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Streichung der Klägerin von der Mitgliederliste des Beklagten rechtswidrig war. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 75% und der Beklagte zu 25%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin züchtet Windhunde. Sie ist Mitglied des beklagten Vereins, der in Deutschland eine Monopolstellung auf dem Gebiet des Windhundwesens besitzt und auch das E1 führt.
3Mit Schreiben vom 29.10.2001 verfügte der geschäftsführende Vorstand des Beklagten die Streichung der Klägerin von der Mitgliederliste nach § 5 Abs. 5 der Satzung. Er bezog sich dabei auf seine Entscheidungen vom 19.3. und 13.5.2001, in denen der Klägerin wegen rückständiger Forderungen ein Ratenzahlungsplan gesetzt worden war. Die zum 19.4.2001 fällige Rate hatte die Klägerin am 2.5.2001 gezahlt, die Rate vom 19.7.2001 am 23.7.2001 und die Rate vom 19.10.2001 am 15.11.2001. Die Klägerin widersprach der Streichung am 14.11.2001. Mit weiterem Schreiben vom 29.10.2002 verfügte der geschäftsführende Vorstand erneut die Streichung der Klägerin gemäß § 5 Abs. 5 der Satzung. Er berief sich diesmal auf eine angebliche Rechnung vom 21.9.2000 über 65,- DM, welche die Klägerin trotz einer Zahlungserinnerung vom 29.8.2002 nicht beglichen habe. Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit der Streichungen.
4Darüber hinaus begehrt die Klägerin von dem beklagten Verein Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns aus der Zucht mit dem verstorbenen Afghanen-Rüden G. Im August 1997 beantragte die Klägerin die Eintragung des 1991 in den Niederlanden geborenen Tieres in das Zuchtbuch des Beklagten. Zu diesem Zweck übersandte sie die Ahnentafel des Hundes dem Beklagten, der die Eintragung vornahm. Die Ahnentafel, die Ende März 1998 mit einfachem Brief an die Klägerin zurückgesandt wurde, ging auf dem Postweg verloren. Der Beklagte beantragte daraufhin im Juni 1998 beim niederländischen S eine Ersatzahnentafel, die nicht ausgestellt wurde, weil der S einen Identitätsnachweis des Tieres verlangte. Das Schreiben des S leitete der Beklagte der Klägerin im Juli 1998 zu. Im April 2000 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass die Ohrtätowierung des Hundes nicht lesbar sei und die Identität auf diesem Weg nicht nachgewiesen werden könne. Aus welchem Grund in der Folgezeit andere Möglichkeiten zur Identifizierung des Tieres unterblieben sind, ist streitig. Bis zum April 2000 hatte die Klägerin den Hund nicht zur Bewertung auf Zuchtausstellungen vorgestellt. Nachdem bei dem Rüden im April 2000 eine Krebserkrankung diagnostiziert worden war, die seine reguläre Vorstellung und Ankörung auf einer Zuchtschau ausschloss, beantragte die Klägerin am 7.8.2000 beim Beklagten eine Sondergenehmigung zur Ankörung. Der Beklagte lehnte diese am 19.8.2000 ab. Gegen die Entscheidung hat die Klägerin keine Rechtsbehelfe ergriffen. Im September 2001 verstarb bei der Klägerin ein Afghanen-Rüde, wobei streitig ist, ob es sich um G1 handelte. Gegen die Klägerin bestand seit dem 23.7.1998 eine bestandskräftige Zuchtbuchsperre bis zum 31.12.1999. Gegen eine Verlängerung der Sperre bis zum 31.12.2003 erhob die Klägerin Widerspruch und anschließend Klage zum Landgericht Duisburg (Az: 3 O 222/01), das die Sperre für rechtswidrig erklärte.
5Die Klägerin hält ihre Streichung von der Mitgliederliste für unwirksam. Sie behauptet, weder die Rechnung vom 21.9.2000 noch die Mahnung von 29.8.2002 erhalten zu haben. - Weiter behauptet sie, ihr sei ein Schaden in Höhe von 24.000,- DM entstanden, da der Beklagte sie an der Zucht mit dem verstorbenen Hund gehindert habe. Bei diesem habe es sich um G1 gehandelt. Der Hund sei ihr Eigentum gewesen. Für 2000 und 2001 seien mit dem Tier insgesamt 12 Deckakte bzw. Spermaabgaben geplant gewesen, für die jeweils ein Erlös von 2.000,- DM zu erzielen gewesen wäre; wegen der Einzelheiten dieses Vortrages wird auf die Seiten 7 und 8 der Klageschrift sowie auf die Seiten 1 bis 4 des klägerischen Schriftsatzes vom 10.3.2003 verwiesen. Letztlich sei eine Verwendung des Hundes zur Zucht wegen der abhanden gekommenen Ahnentafel jedoch nicht möglich gewesen. Den Verlust der Ahnentafel habe - so die Ansicht der Klägerin - der Beklagte zu vertreten, da dieser die Tafel nicht mit einfacher Post habe versenden dürfen. Außerdem habe der Beklagte es versäumt, rechtzeitig für eine Ersatztafel zu sorgen. Darüber hinaus hafte dDem Zuchtwart des Beklagten sei der Hund bekannt gewesen, so dass der Beklagte selbst gegenüber dem Raad van Beheer die Identität hätte bestätigen können (Beweisantritt Bl. 102 der Akte).
6Darüer Beklagte ihr auch deshalb, weil er die Sondergenehmigung für die Ankörung grundlos verweigert habe; ein Härtefall gemäß der Zuchtordnung habe angesichts der Erkrankung des Hundes evident vorgelegen. Auf die Zuchtbuchsperre habe der Beklagte die Ablehnung nicht stützen dürfen, da deren Wirksamkeit supendiert gewesen sei. Außerdem sei die Entscheidung auch formal nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, da - so die Behauptung der Klägerin - die Zuchtbuchführerin nicht angehört worden sei.
7Die Klägerin beantragt,
81. festzustellen, dass ihre Streichung von der Mitgliederliste des Beklagten unwirksam ist,
92. den Beklagten zu verurteilen, an sie 12.271,01 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches seit dem 21.12.2001 zu zahlen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er meint, die Streichung der Klägerin von der Mitgliederliste sei rechtmäßig, da ersichtlich von einem außerordentlichen Kündigungsrecht habe Gebrauch gemacht werden sollen. Hierzu behauptet der Beklagte, dass ihm eine Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses mit der Klägerin nicht mehr zumutbar sei, da diese ihren Zahlungspflichten seit 1998 nur noch mit erheblicher Verspätung nachgekommen sei. - Darüber hinaus bestreitet der Beklagte, für einen angeblichen Zuchtschaden der Klägerin verantwortlich zu sein. Eine Zucht hätte auch ohne die Ahnentafel erfolgen können, da der Hund im deutschen Zuchtbuch eingetragen gewesen sei. Für die zur Ankörung notwendige Vorstellung des Hundes auf Zuchtschauen wäre - vor Erkrankung des Hundes - lediglich ein Hundepaß notwendig gewesen, den die Klägerin hätte beantragen können. Darüber hinaus sei die Versendung der Ahnentafel mit normaler Post nicht fehlerhaft gewesen. Tatsächlich sei die Zucht nach der Erkrankung des Hundes daran gescheitert, weil die Klägerin es versäumt habe, zuvor die Ankörungsvoraussetzungen zu schaffen. Die Sondergenehmigung sei zu Recht verweigert worden, da hierfür wenigstens eine Zuchtschaubewertung mit „sehr gut“ hätte vorgelegt werden müssen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.
14Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin W. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17.2.2003 verwiesen (Bl. 94-95 der Akte).
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.
17I.
18Die Klägerin wendet sich mit Erfolg gegen ihre Streichung von der Mitgliederliste des Beklagten.
19Die Klägerin war berechtigt, gegen die Streichung unmittelbar den Rechtsschutz der staatlichen Gerichte in Anspruch zu nehmen. Vereinsinterne Rechtsbehelfe, die vorrangig hätten ausgeschöpft werden müssen, sind in der Satzung des Beklagten gegen die „Streichung“ eines Vereinsmitglieds nicht vorgesehen. Gemäß § 15 Nr. 2 der Satzung besteht die Möglichkeit des Widerspruchs, der zu einer Entscheidung des Ehrenrats führt, nur gegen die in Nr. 1 ausdrücklich genannten Sanktionen.
20Wendet sich ein Vereinsmitglied gegen eine ihn belastende Vereinsmaßnahme ist die Feststellungsklage der richtige Klageantrag, da die rechtswidrige Maßnahme keine Rechtswirkungen entfaltet (vgl. Palandt/Heinrichs, Kommentar zum BGB, 62. Auflage, 2003, § 25 Rn. 18).
21Die „Streichung“ der Klägerin von der Mitgliederliste nach § 5 Abs. 5 der Satzung des Beklagten war rechtswidrig. Die Mitgliedschaft der Klägerin in dem beklagten Verein ist hierdurch nicht beendet worden.
22Da es sich bei dem Beklagten um einen Monopolverein mit Aufnahmezwang handelt, ist die gerichtliche Kontrolle der Vereinsmaßnahmen nicht auf die Feststellung von Verfahrensfehlern und offenbaren Unbilligkeiten beschränkt. Vielmehr unterliegt auch die Anwendung des materiellen Vereinsrechts in vollem Umfang der Überprüfung (BGH NJW 1997, 3368).
23Zum Zeitpunkt der ersten Streichung vom 29.10.2001 lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 der Satzung nicht vor. Ein sechsmonatiger Zahlungsverzug der Klägerin mit dem Jahresbeitrag oder einer sonstigen Zahlung war nicht gegeben. Zwar hatte die Klägerin mehrere Raten aus dem Ratenzahlungsplan vom 19.3./13.5.2001 nicht pünktlich gezahlt; ein sechsmonatiger Zahlungsverzug war insoweit jedoch unstreitig nicht eingetreten.
24Dahin stehen kann, ob hinsichtlich der Forderung aus der Rechnung vom 21.9.2000 ein sechsmonatiger Zahlungsverzug vorgelegen hat. Auf einen diesbezüglichen Zahlungsrückstand konnte der Beklagte die Streichung vom 29.10.2002 nicht stützen, weil dies angesichts des geringen Forderungsbetrages unverhältnismäßig war.
25§ 5 Abs. 5 der Satzung ist eine „Kann“-Vorschrift, die dem Entscheidungsträger - hier dem geschäftsführenden Vorstand - eine Ermessensausübung abverlangt. Der Vorstand hat das Vereinsinteresse an der pünktlichen Zahlung abzuwägen gegen das betroffene Mitgliedsinteresse. Dabei ist auf Seiten des Vereins zu berücksichtigen, dass dieser ein Druckmittel benötigt, um die einzelnen Mitglieder zu pünktlichen Zahlungen zu veranlassen, da nur hierdurch letztlich die Vereinstätigkeit im Interesse der Gesamtheit der Mitglieder aufrecht erhalten werden kann. Andererseits ist zu beachten, dass sich die „Streichung“ für das betroffene Mitglied zunächst wie ein Vereinsausschluss auswirkt, da sie zum Verlust der Mitgliedschaft führt, vgl. § 5 Nr. 1 c) und d) der Satzung. Die Streichung stellt sich damit rechtlich als ein „vereinfachtes Ausschließungsverfahren“ dar (OLG Bamberg NVwZ 1983, 572); vereinfacht deshalb, weil sie an einen einfachen, leicht feststellbaren Sachverhalt (den Zahlungsrückstand) anknüpft, und im Gegensatz zum „Ausschluss“ die Mitgliedschaft nicht endgültig beendet. Kommt das Vereinsmitglied seinen Zahlungspflichten nach, besteht in der Regel ein Anspruch auf Wiederaufnahme. Gleichwohl ist der Verlust der Mitgliedschaft für das Vereinsmitglied mit Nachteilen verbunden, die es erfordern, dass der Vorstand seine Entscheidung auf ihre Angemessenheit hin überprüft. Die Aufnahmegebühr wird erneut fällig. Eine Zucht ist während der Nichtmitgliedschaft nur unter erschwerten Bedingungen möglich.
26Die gebotene Überprüfung hätte hier zugunsten der Klägerin ausfallen müssen. Ein Zahlungsrückstand von 65,- DM / 33,23 EUR - dies entspricht etwa der Hälfte des derzeitigen Jahresbeitrages - ist gemessen an den der Klägerin drohenden Nachteilen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Vereinsinteressen als geringfügig anzusehen. Damit überwog das Interesse der Klägerin am unveränderten Fortbestand ihrer Mitgliedschaft das Vereinsinteresse an der Eintreibung der offenen Forderungen.
27Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Aufrechterhaltung der „Streichung“ als außerordentliche Kündigung im Wege der Auslegung nicht in Betracht. Aus Wortlaut und Inhalt der Schreiben vom 29.10.2001 und 29.10.2002 geht eindeutig hervor, dass der Beklagte eine Beendigung der Vereinsmitgliedschaft der Klägerin im Wege der Streichung nach § 5 Abs. 5 der Satzung herbeiführen wollte. Angesichts dessen ist für eine erläuternde Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB kein Raum.
28Die unwirksame „Streichung“ kann auch nicht nach § 140 BGB in eine außerordentliche Kündigung des Mitgliedschaftsverhältnisses umgedeutet werden.
29Zwar gilt auch im Vereinsrecht der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass eine Kündigung des Dauerrechtsverhältnisses zulässig ist, wenn in der Person des Mitglieds ein wichtiger Grund gegeben ist, der die weitere Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses nach Treu und Glauben unzumutbar macht (BGH NJW 1990, 40, 41; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1991, 1276).
30Eine Umdeutung ist hier jedoch bereits deshalb nicht möglich, weil die Rechtswirkungen des Vereinsausschlusses - wie darlegt - über diejenigen der „Streichung“ hinausgehen. Umgedeutet werden kann nur in ein rechtliches „Weniger“, nicht in ein rechtliches „Mehr“ (BGHZ 19, 275).
31Darüber hinaus sind die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung in formeller Hinsicht nicht erfüllt. Der Ausschließungsbeschluss muss die Umstände, aus denen sich die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses aus Sicht des Vereins ergibt, ausdrücklich bezeichnen, damit das Mitglied die Möglichkeit zu einer sachgerechten Verteidigung erhält (BGH NJW 1990, 40, 41). Daran fehlt es hier. Dem Beklagten ist es verwehrt, die „Streichung“ nachträglich mit einer - angeblich - unzuverlässigen Zahlungsmoral der Klägerin zu rechtfertigen.
32Außerdem entscheidet über einen Vereinsausschluss nach § 5 Nr. 6, 15 Nr. 1 der Satzung des Beklagten der Vorstand, und nicht lediglich das geschäftsführende Vorstandsmitglied. Dahin stehen kann, ob dieser Zuständigkeitsmangel dadurch geheilt werden könnte, dass der Vorstand die Maßnahme nachträglich billigt. Der Beklagte hat eine solche Genehmigung nicht vorgetragen.
33Aus den vorgenannten Gründen war die zwischen den Parteien in materiellrechtlicher Hinsicht streitige Frage, ob in der Person der Klägerin ein wichtiger Grund zur Kündigung bestanden hat, nicht zu entscheiden. Der Aufklärung, ob die Klägerin in der Vergangenheit tatsächlich Zahlungen in erheblichem Umfang verspätet geleistet hat, bedurfte es nicht.
34Da die angefochtenen Maßnahmen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Bestand haben, war deren Unwirksamkeit festzustellen.
35II.
36Dagegen ist der Zahlungsantrag unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen ausgebliebener Zuchtgewinne gegen den Beklagten aus p.V.V. des vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsverhältnisses bzw. § 826 BGB nicht zu.
37Die Klägerin macht entgangene Gebrauchsvorteile und damit einen Nutzungsschaden geltend. Für diesen Schaden ist sie aktivlegitmiert unabhängig davon, ob sie die (alleinige) Eigentümerin des Hundes war. Unstreitig war sie die berechtigte Besitzerin; damit standen ihr die Nutzungen im Sinne von § 100 BGB zu.
38Ein kausaler Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Nutzung des Tieres und einem möglichen pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten ist jedoch nicht schlüssig dargetan.
391.
40Dies gilt zunächst für den Vortrag der Klägerin, der Verlust der Ahnentafel habe eine erfolgreiche Zucht mit dem Tier unmöglich gemacht.
41Der Besitz der Ahnentafel ist - entgegen der anfänglichen Darstellung der Klägerin - nach den einschlägigen Regelwerken des Beklagten keine unmittelbare Zuchtvoraussetzung. Gemäß 3.1 der Zuchtordnung des Beklagten (ZuchtO) ist die Zulassung eines Hundes zur Zucht lediglich von zwei Voraussetzungen abhängig; das Tier muss erstens im E1(E2) eingetragen und zweitens angekört sein.
42Für die Eintragung im Zuchtbuch muss nach 5.3 der ZuchtO die Ahnentafel vorgelegt werden (Abstammungsnachweis). Insoweit fällt jedoch der Verlust der Tafel nicht mehr ins Gewicht, da die Eintragung unstreitig bereits erfolgt war, bevor die Ahnentafel auf dem Postweg verloren gegangen ist. Damit erfüllte der streitgegenständlche Rüde die erste Zuchtvoraussetzung nach 3.1 ZuchtO.
43Weiter ist nicht schlüssig dargetan, dass die Ahnentafel Voraussetzung für die Ankörung gewesen wäre. Bei der Ankörung handelt es sich gemäß Ziffer 1. der Körordnung des Beklagten um das Zuchtzulassungsverfahren, mit dem zuchtunerwünschte Tiere von der Zucht ausgeschlossen werden. Um zur Zucht zugelassen zu werden, muss der Hund die in Ziffer 1. der Durchführungsvorschriften zur Körordnung aufgeführten Voraussetzungen erfüllen. Dies war bei dem streitgegenständlichen Hund unstreitig nicht der Fall. Die Klägerin ist insbesondere der Behauptung des Beklagten nicht entgegen getreten, dass der Hund bis zu dessen Erkrankung im April 2000 noch nie auf einer Zuchtschau zur Bewertung vorgestellt worden war. Gemäß 1.2 der Durchführungsvorschriften muss ein Windhund jedoch auf zwei E3 von verschiedenen Richtern mindestens mit „sehr gut“ bewertet worden sein, um angekört werden zu können. Zwischen den Parteien ist in diesem Zusammenhang weiter unstreitig, dass ab Erkrankung des Tieres die Ankörvoraussetzung „Zuchtschaubewertung“ regulär nicht mehr zu erlangen war, da das Tier an Zuchtschauen nicht mehr teilnehmen durfte, da es nicht mehr geimpft werden konnte. Damit spielte ab diesem Zeitpunkt die fehlende Ahnentafel keine Rolle mehr, da die Ankörung jetzt aus anderen Gründen, nämlich aufgrund der Erkrankung nicht mehr möglich war. Die Erkrankung wurde jedoch erst im April 2000 festgestellt. Zwischen dem Verlust der Ahnentafel im März 1998 und der Diagnose lagen somit zwei Jahre, in denen der Hund auf Zuchtschauen hätte vorgestellt werden können. Insoweit hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt, dass sie hieran durch den Verlust der Ahnentafel gehindert gewesen wäre.
44Für einen schlüssigen Parteivortrag genügte es nicht zu behaupten, dass eine Vorstellung des Hundes auf Zuchtschauen ohne die Ahnentafel nicht mehr möglich gewesen wäre. Vielmehr hätte die Klägerin konkret darlegen und ggf. unter Beweis stellen müssen, dass sie in der Zeit zwischen März 1998 und April 2000 versucht hat, den Hund bei einer Zuchtschau vorzustellen und der Beklagte sie unter Berufung auf die fehlende Ahnentafel von der Bewertung ausgeschlossen hat.
45Gegen die Richtigkeit der klägerischen Behauptung sprechen im übrigen die Bestimmungen 1.3 und 1.4 der Durchführungsvorschriften zur Körordnung. Danach werden die Ergebnisse der Zuchtschauprüfung - Zahnbefund und Größe des Hundes - in den Hundepaß, und nicht in die Ahnentafel eingetragen. Gemäß 2.2 der Durchführungsvorschriften wird für Vereinsmitglieder die Ankörung nach dem Hundepaßverfahren durchgeführt, d.h. die Ankörangaben werden ausschließlich im Hundepaß vermerkt. Es besteht lediglich die Möglichkeit, die Daten zusätzlich in die Ahnentafel eintragen zu lassen. Ein Hundepass hätte der Klägerin laut Angabe des geschäftsführenden Vorsitzenden des Beklagten im Termin vom 17.2.2003 (Blatt 93 der Akte) allein aufgrund der vorhandenen Zuchtbucheintragung ausgestellt werden können; einen entsprechenden Antrag habe die Klägerin jedoch nicht gestellt. Auch dieser Darstellung hat die Klägerin im weiteren Verlauf des Rechtsstreits nicht widersprochen, so dass sie gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen war.
46Nach alledem ist nicht erkennbar, dass der Verlust der Ahnentafel auch nur mittelbar ursächlich dafür gewesen ist, dass die Ankörung bis zum April 2000 nicht erworben und damit die Zuchtbedingungen nicht erfüllt wurden. Selbst unterstellt, der Beklagte hätte pflichtwidrig gehandelt, indem er die Tafel mit einfacher Post versandte, ergäbe sich hieraus jedenfalls keine Haftung für den geltend gemachten Schaden.
472.
48Auch aus der Ablehnung der beantragten Sondergenehmigung für die Zucht kann die Klägerin einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten im Ergebnis nicht herleiten.
49Der Klägerin ist darin zu folgen, dass es einer Sondergenehmigung bedurft hätte, um mit dem Tier nach dessen Erkrankung im April 2000 ordnungsgemäß züchten zu können. Nach § 10 ZuchtO kann die Körkommission in Härtefällen Ausnahmen von den Bestimmungen der Zuchtordnung und den Durchführungsbestimmungen bewilligen. Da wegen der Erkrankung eine Ankörung nach der Körordnung - wie dargestellt - nicht mehr möglich war, hätte die Klägerin für die Zucht von der Voraussetzung 3.1 ZuchtO befreit werden müssen, dass nur angekörte Hunde zur Zucht verwendet werden dürfen. Alternativ hätte - wie von der Klägerin in ihrem Schreiben vom 7.8.2000 vorgeschlagen - ein Weg gefunden werden müssen, das Tier außerhalb der Körordnung anzukören, um auf diese Weise 3.1 ZuchtO zu erfüllen. Grundlage hierfür wäre eine Ausnahmebewilligung nach 4.2 der Körordnung gewesen.
50Die Kammer ist jedoch gehindert zu prüfen, ob der Beklagte bei seiner ablehnenden Entscheidung die Voraussetzungen der genannten Ausnahmebestimmungen verkannt hat, da die ablehnende Entscheidung der Körkommission unanfechtbar geworden und damit jeglicher Überprüfung durch die staatlichen Gerichte auf ihre Rechtmäßigkeit hin entzogen ist. Gemäß Ziffer 5. der Körordnung steht dem Mitglied gegen die Versagung der Ankörung der Einspruch beim Ehrenrat zu. Bestätigt dieser die die Entscheidung der Körkomission, können die staatlichen Gerichte - ggf. im Verfahren der einstweiligen Verfügung - angerufen werden. Unstreitig hat die Klägerin jedoch weder vereinsinterne noch gerichtliche Rechtsbehelfe ergriffen. In diesem Fall ist es ihr verwehrt, im nachhinein nach dem Prinzip „dulde und liquidiere“ vorzugehen.
51Gleichwohl weist die Kammer darauf hin, dass eine Fehlentscheidung des Beklagten in der Sache nicht vorliegen dürfte. Ob ein Tier zuchterwünscht ist, ist eine für einen Zuchtverein grundlegende Frage, welche die Vereinsautonomie in besonderer Weise berührt. Aus diesem Grund dürfen die staatlichen Gerichte die Entscheidung nur auf offensichtliche Willkür überprüfen. Im Fall der Klägerin bestanden sachliche Gründe für die Ablehnung. Zwar konnte der Beklagte die Ablehnung nicht auf die Zuchtbuchsperre stützen, da die erste Sperre bereits abgelaufen und die Verlängerung aufgrund der Rechtsbehelfe suspendiert war, § 15 Nr. 2 der Satzung. Aus Sicht der Kammer bestehen jedoch erhebliche Bedenken, ob die Zucht mit einem schwerst erkrankten Tier mit dem Zuchtziel des 1. ZuchtO, die Windhundrassen in ihrer Art zu erhalten und zu fördern, vereinbar gewesen wäre.
523.
53Schließlich war auch die verhängte Zuchtsperre - selbst wenn sie rechtswidrig war -nicht ursächlich für die unterbliebene Zucht, da diese in ihrer Wirksamkeit, wie dargelegt, durch den Widerspruch und die anschließende Klage gehemmt war, § 15 Nr. 2 Satzung.
54Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 29.10.2003 gab keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.
55Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2, 711 S. 1 und 2 ZPO.
56Streitwert: 16.271,01 EUR (Antrag zu 1.: 4.000,- EUR, Antrag zu 2.: 12.271,01 EUR).
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