Urteil vom Landgericht Duisburg - 1 O 179/08
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Schäden zu ersetzen, die der Klägerin dadurch entstehen, dass die Beklagte der Klägerin den unter dem 20.02.2006 beantragten Bauvorbescheid zur Errichtung eines SB - Lebensmittelmarkts mit ca. 799 qm Verkaufsfläche (incl. Eingang/Ausgang plus Windfang, Pfandraum) und 113 Außenstellplätzen auf dem Grundstück L- Straße 0 in P nicht bis zum 22.05.2006 erteilt hat.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin beantragte bei der beklagten Stadt unter dem 20.02.2006 die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Bebauung eines Grundstücks mit einem SB – Lebensmittelmarkt. Die Beklagte beschied diesen Antrag bis zum 21.06.2006 nicht. Dann stellte sie ihn zurück. Darauf erhob die Klägerin Verpflichtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (AZ.: 25 K 6386/06) auf Erteilung des Bescheides. Danach beschloss die Beklagte eine Veränderungssperre.
3Das Verwaltungsgericht wies die Klage auf Erteilung des Bauvorbescheides mit Urteil vom 03.09.2007 ab, weil das Bauvorhaben nach Erlass der Veränderungssperre nicht mehr zulässig sei. Insoweit ist der Rechtsstreit jetzt vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster anhängig.
4Zugleich enthält das Urteil vom 03.09.2007 die rechtskräftig gewordene Feststellung, dass der Beklagte (Oberbürgermeister der Stadt P) bis zur Zustellung des Zurückstellungsbescheides vom 12. Juni 2006 verpflichtet war, die Bauvoranfrage der Klägerin vom 20.02.2006 positiv zu bescheiden.
5Mit der vorliegenden Feststellungsklage möchte die Klägerin erreichen, dass die zivilrechtliche Haftung der beklagten Stadt für sämtliche Vermögensschäden festgestellt wird, die ihr dadurch entstehen, dass ihre Bauvoranfrage vom 20.02.2006 nicht bis zum 22.05.2006 positiv beschieden worden ist.
6Die Klägerin trägt dazu vor, die Beklagte sei ihr unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung durch das mit der Prüfung der Voranfrage befasste Personal zum Schadenersatz verpflichtet. Art und Höhe des entstehenden Schadens könne sie gegenwärtig nicht benennen, weil beides davon abhängig sei, ob sie in dem anhängigen Verwaltungsgerichtsverfahren den Erlass eines positiven Vorbescheides erreiche oder ob das Bauvorhaben endgültig scheitere.
7Die Klägerin beantragt,
8festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Schäden zu ersetzen, die der Klägerin dadurch entstehen, dass die Beklagte der Klägerin den unter dem 20.02.2006 beantragten Bauvorbescheid zur Errichtung eines SB - Lebensmittelmarkts mit ca. 799 qm Verkaufsfläche (incl. Eingang/Ausgang plus Windfang, Pfandraum) und 113 Außenstellplätzen auf dem Grundstück L- Straße 149 in P nicht bis zum 22.05.2006 erteilt hat.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte trägt vor, dem Feststellungsbegehren lägen zwei unterschiedliche Sachverhalte und damit zwei unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde. Der eine Sachverhalt sei ein reiner Verzögerungsschaden, der andere Sachverhalt die durch das endgültige Scheitern des Projekts entstehenden Vermögensschäden.
12Das Feststellungsinteresse sei auch deshalb zu verneinen, weil das Urteil des Verwaltungsgericht Düsseldorf noch nicht rechtskräftig sei. Deshalb drohe keine Verjährung. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sei auch vorgreiflich, sodass der vorliegende Rechtsstreit bei Bejahung eines Feststellungsinteresses sogleich nach § 148 ZPO ausgesetzt werden müsse.
13Die Klage sei aber auch unbegründet. Schadenersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung scheiterten jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm. Es sei nicht nur zu prüfen, ob der Anspruchsteller von seiner Person her unter den Schutzzweck der verletzten Amtspflicht falle, sondern auch ob die Amtspflicht bestehe, um gerade gegen einen Schaden zu schützen, wie ihn der Geschädigte erlitten haben will. Vermögensnachteile, die auch bei rechtmäßigem Verhalten genauso eingetreten wären, seien deshalb nicht zu ersetzen. So sei es im Streitfall.
14Der Rat der Beklagten habe – unstrittig - in seiner Sitzung am 03.04.2006 für das Plangebiet, auf das sich auch die Voranfrage der Klägerin bezieht, die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 0– L- Straße / BAB A 2 beschlossen. Dieser Aufstellungsbeschluss sei am 18.04.2006 im Amtsblatt der Stadt P bekannt gemacht worden. Bereits zuvor mit Schreiben vom 28.03.2006 habe das Planungsamt der Stadt P bei dem Bauaufsichtsamt die Zurückstellung des Bauvorhabens der Klägerin beantragt. Der Erlass des Zurückstellungsbescheides zu einem früheren Zeitpunkt sei nur deshalb unterblieben, weil der Aktenvorgang im Bauaufsichtsamt außer Kontrolle geraten sei, nachdem am 06.04.2006 ein Schreiben an die Klägerin herausgegangen sei, mit dem dieser Gelegenheit gegeben wurde, zu der beabsichtigten Zurückstellung der Entscheidung gemäß § 15 BauGB Stellung zu nehmen.
15Die Klägerin habe schließlich weder dargetan, dass sie über das Baugrundstück verfügen könne, noch habe sie die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens dargelegt.
16Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze, der vorgelegten Dokumente und den Auszug aus der Akte des Verwaltungsgerichts Düsseldorf Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Ihr Streitgegenstand ist allein die Frage, ob die Beklagte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung der Klägerin dem Grunde nach zum Schadenersatz verpflichtet ist, weil sie die Bauvoranfrage nicht bis zum 22.05.2006 positiv beschieden hat. Welcher Art von Vermögensschaden daraus entsteht ist eine Frage des Höheverfahrens. Deshalb gibt es auch keinen Grund, die Aussetzung des Rechtsstreits zu beschließen.
19Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist auch zu bejahen. Zwischen den Parteien herrscht Streit über die Haftung der Beklagten auf Schadenersatz dem Grunde nach. Der Rechtsstreit dient der Klärung dieser Ungewissheit. Hinter diesem Streit liegt auch Substanz. Es ist unstrittig, dass nach aller Voraussicht zumindest ein Verzögerungsschaden entstehen wird.
20Die Klage ist begründet.
21Die Beklagte haftet der Klägerin gemäß § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG wegen einer Amtspflichtverletzung auf Schadenersatz. Die Beklagte war gerade gegenüber der Klägerin als Antragstellerin verpflichtet, deren Bauvoranfrage vom 20.02.2006 in angemessener Frist zu bescheiden. Als angemessen gilt insoweit eine Frist von 3 Monaten ab Antragseingang. Dieser lag hier am 22.02.2006, so dass der Antrag spätestens am 22.05.2006 hätte beschieden werden müssen, und zwar durch die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides. Hinsichtlich dieses Inhalts des Verwaltungsaktes ist die Kammer an die feststellende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf gebunden.
22Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Prüfung des rechtmäßigen Alternativverhaltens bei pünktlicher Entscheidung über den Antrag. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Entscheidung über den Antrag der Klägerin durch förmlichen Bescheid zurückzustellen.
23Nachdem der Rat die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen hatte und davon abgesehen hat, eine Veränderungssperre zu beschließen, konnte die Beklagte gemäß § 15 Abs. 1 BauGB die Zurückstellung des klägerischen Antrags vom 20.02.2006 beschließen. Diese Entscheidung stand jedoch in ihrem Ermessen. Die Beklagte ist als kreisfreie Stadt sowohl Planungsbehörde wie Baugenehmigungsbehörde. Der Zurückstellungsantrag des Planungsamtes vom 28.03.2006 an das Bauaufsichtsamt steht deshalb nicht dem Antrag einer Gemeinde an das Bauaufsichtsamt einer anderen Gebietskörperschaft gleich. Nur im Fall des Antrages an das Bauaufsichtsamt einer anderen Gebietskörperschaft, ist die Behörde nach § 15 Abs. 1 BauGB zur Zurückstellung verpflichtet, wenn das beantragte Bauvorhaben die Durchführung der beschlossenen Planung unmöglich macht oder wesentlich erschwert. Wenn beide beteiligten Behörden Einrichtungen der gleichen Stadtgemeinde sind, ist eine Bindungswirkung eines Antrages der einen Behörde an die andere nicht erforderlich, weil die beiden Behörden übergeordnete Verwaltungsspitze die Entscheidung treffen kann.
24Die Frage wie das Bauaufsichtsamt entschieden hätte, wenn die Akte nicht außer Kontrolle geraten wäre, ist für den Rechtsstreit nicht von Bedeutung. Aufgrund des nicht gebundenen Ermessens der Behörde im Streitfall ist der Verzicht auf die Zurückstellung genau so rechtmäßig wie es die Zurückstellung gewesen wäre.
25Die Klägerin hat urkundlich belegt, dass sie einen durch die Erteilung der Baugenehmigung aufschiebend bedingten Anspruch auf Übertragung des Baugrundstücks hat, der durch eine Auflassungsvormerkung gesichert ist.
26Ein Vortrag zur bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens ist nicht erforderlich. Es handelt sich um einen SB –Markt in Standardbauweise. Unüberwindbare Probleme sind bei der bauordnungsrechtlichen Prüfung daher nicht zu erwarten.
27Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
28Streitwert: 225.000,00 EUR.
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Referenzen
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