Urteil vom Landgericht Duisburg - 10 O 477/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits
zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheits-
leistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d
3Der Kläger begehrt die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten im Hinblick auf produzierte Kalksandsteine.
4Der Kläger ist Eigentümer des Hausgrundstücks C in T. Auf diesem Grundstück wurde im Jahr 1990 ein Einfamilienhaus errichtet. Dabei wurden auch Kalksandsteine verwandt. Der Kläger stellte im Jahr 2011 in allen Geschossen Quer- und Längsrisse im gesamten Mauerwerk fest.
5Der Kläger behauptet, die in seinem Haus entstandenen Quer- und Längsrisse beruhten darauf, dass die Kalksandsteine bei der Herstellung Zusätze erhalten hätten, die Schwefelverbindungen enthielten. Diese Kalksandsteine seien von der I GmbH, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, produziert und in den Verkehr gebracht worden. Tatsächlich sei der Rechtsvorgängerin der Beklagten durch ein Gutachten des C2 e.V. aus dem Jahre 1987 bekannt gewesen, dass die Verwendung dieser Zusatzstoffe Tragfähigkeits- und Stabilitätsrisiken mit sich bringe. Die Kalksandsteine würden nämlich aufgrund von Feuchtigkeit ihre Tragfähigkeit einbüßen, so dass inzwischen die Standsicherheit des gesamten Gebäudes konkret gefährdet sei.
6Der Kläger vertritt die Ansicht, die erhobene Feststellungsklage sei zulässig, da derzeit die Bezifferung des materiellen und behaupteten immateriellen Schadens noch nicht möglich sei. Die Beklagte hafte ihm gegenüber deliktisch. Auch hafte die Beklagte wegen einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung im Hinblick auf das bereits im Jahr 1987 vorliegende Gutachten. Schließlich entnimmt der Kläger einem Schreiben der Beklagten vom 17. Februar 2012 (Bl. 95) ein Haftungsanerkenntnis. Wegen Einzelheiten zu diesem Schreiben wird auf die Anlage K 11 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20. Juni 2012 verwiesen. Hinsichtlich des Kenntnisstandes der Beklagten beruft er sich weiter auf eine interne Aktennotiz eines Herrn I2 vom 26. April 2006 (Anlage K 12) sowie auf ein Schreiben eines X der Beklagten an ihre Gesellschafter vom 11. Mai 1988 (Anlage K 13). Der Kläger behauptet, gerade wegen diverser Schadensfälle ähnlich dem seinen sei der ursprüngliche Vertrag über den Bezug des schwefelhaltigen Zusatzstoffes beendet worden. Schließlich macht sich der Kläger die Rechtsansichten einer anwaltlichen Beurteilung – Entwurf vom 30. Mai 2006 – entsprechend der Anlage K 16 und die gutachtliche Stellungnahme von Herrn Q E C3 entsprechend der Anlage K 17 zu eigen.
7Der Kläger beantragt,
8festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus einer etwaigen Mangelhaftigkeit oder sonstigen Ungeeignetheit der seitens der Beklagten oder seitens eines ihrer Rechtsvorgänger unter der damaligen Firmierung „I“ produzierten und im Rahmen der Errichtung des Einfamilienhauses C, T, verbauten oder anderweitig verarbeiteten „KS“-Kalksandsteine insbesondere der Formate 3 DF, 7,5 DF und 10 DF bereits entstanden sind oder künftig entstehen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hält die Klage mangels Feststellungsinteresses für unzulässig, da hier die Leistungsklage vorrangig sei. Dem Kläger sei auch ohne Weiteres möglich und zumutbar, seinen Schaden zu beziffern. Eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eigentumsverletzung scheide aus, da der Kläger – die Mangelhaftigkeit der Steine unterstellt – von vornherein geschädigtes Eigentum erlangt habe. Schließlich habe sie auch weder Verkehrssicherungspflichten oder Produktüberwachungspflichten verletzt noch sonst schuldhaft gehandelt.
12Die Beklagte behauptet, aufgrund der – unstreitigen – Mitteilung des C3 e.V. vom 16. November 1987 (Anlage K 11 ist = K E 3) seien weitere Maßnahmen im Hinblick auf die weitere Produktion von Kalksandsteinen erfolgt. Insbesondere habe sie die im Schreiben vom 16. November 1987 empfohlenen weiteren Prüfungen durchführen lassen entsprechend der Anlage K E 4 und K E 5. Darüber hinaus habe sie selbst die Steine im nassen Zustand überprüft und sie entsprechend der Anlage K E 6 nach 60 stündiger Wasserlagerung auf ihre Druckfestigkeit getestet, ohne dass Abweichungen von den Vorgaben hätten festgestellt werden können. Eine weitere Eigenprüfung habe dadurch stattgefunden, dass mit den hergestellten Kalksandsteinen Mustermauern im Freien errichtet worden seien und daran die Auswirkungen der Witterung beobachtet worden seien. Auch hier hätten sich entsprechend dem Bericht der Werkseigenüberwachung vom 26. Juli 1990 (Anlage K E 7) keine Besonderheiten ergeben.
13Die Beklagte behauptet weiter, entsprechend hergestellte Kalksandsteine auch dem Q2 e.V. zur näheren Untersuchung der Bindemittelphasen zur Verfügung gestellt zu haben und legt hierzu einen Prüfbericht entsprechend der Anlage K E 8 vor. Soweit dort von „verkümmerten“ CSH-Phasen die Rede sei, habe eine Nachfrage eines Mitarbeiters zur weitergehenden Stellungnahme im Schreiben vom 22. August 1989 geführt (Anlage K E 10). Schließlich habe eine weitere Fremdüberwachung stattgefunden entsprechend dem Prüfzeugnis vom 7. Februar 1992 (Anlage K E 11). Die Beklagte behauptet schließlich, ihr hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass die von ihr produzierten Kalksandsteine hätten fehlerhaft sein können. Soweit vereinzelt Abplatzungen bemängelt worden seien, sei man von Frostschäden ausgegangen. Der Verdacht darauf, dass stattgehabte Schadensfälle im Zusammenhang mit bei der Produktion beigemischten sulfathaltigen Zusatzstoffen stehen können, habe sich erst Jahre nach dem Produktionsende ergeben.
14Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch den Sachverständigen E X2 nebst dessen mündlicher Erläuterung. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 31. Januar 2014 und die Niederschrift zur Sitzung vom 20. März 2015 (Bl. 547) verwiesen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die zulässige Klage ist nicht begründet.
17Die Klage ist zur Entscheidung reif. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist auch mit Blick auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 7. Mai 2015 nicht gemäß § 156 ZPO veranlasst.
18Die Klage ist zulässig.
19Gemäß § 256 Abs. 1 BGB ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses dann zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt wird. So liegt der Fall hier. Der Kläger beabsichtigt eine endgültige Klarstellung, ob die Beklagte ihm gegenüber im Hinblick auf an seinem Haus entstandene Schäden haftet. Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass das Feststellungsinteresse fehlen kann, wenn dem Kläger eine besondere Rechtschutzmöglichkeit zur Verfügung steht, hier etwa die Leistungsklage, die im Grundsatz vorrangig zu erheben ist. Indes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. MDR 2008, 461; Zöller, ZPO zu § 256, Rn. 7 a), dass der Vorrang der Leistungsklage nicht gilt, wenn ein Kläger seinen Anspruch auf Schadensersatz noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwendigen Begutachtung beziffern kann oder sich der Schaden noch in der Fortentwicklung befinde. So liegt der Fall hier. Ob und welche Maßnahmen vom Kläger zu einer etwaigen Schadensbeseitigung zu ergreifen wären, ist noch völlig offen und mutmaßlich ohne sachverständige Begutachtung nicht zu klären. Zudem geht der Kläger unwiderlegt davon aus, dass sich der ihm entstandene Schaden noch weiter fortentwickle mit der Folge, dass er nach der einschlägigen Rechtsprechung ohnehin nicht gehalten ist, die bislang entstandenen Schäden zu beziffern und lediglich im übrigen eine Feststellungsklage zu erheben. Auch nach den Ausführungen des Sachverständigen (siehe unten) ist eine weitere Fortentwicklung des Schadens nicht ausgeschlossen.
20Die Klage ist nicht begründet.
21Denn die Beklagte schuldet dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatz im Hinblick auf die an seinem Haus entstandenen Risse im Mauerwerk. Die Beklagte haftet weder deliktisch noch nach den Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes. Insbesondere ist auch eine Haftung der Beklagten gemäß § 826 Abs. 1 BGB nicht gegeben. In diesem Zusammenhang bedarf es keines näheren Eingehens auf die im Laufe des Rechtsstreits von der Beklagten bestrittenen Frage, ob bei der Errichtung des Hauses des Klägers überhaupt Steine, die von ihrer Rechtsvorgängerin hergestellt worden waren verwandt worden sind. Im Einzelnen gilt folgendes:
22Zu Recht und mit zutreffender Begründung geht die Beklagte davon aus, dass sie dem Kläger gegenüber nicht aus § 823 Abs. 1 BGB im Hinblick auf eine Eigentumsverletzung haftet.
23Denn es kann nicht zu einer Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB kommen. Als solche kämen nur Schäden am Haus des Klägers in Betracht, welche aufgrund der Verwendung von Kalksandsteinen ausgegangen wären. In solchen Fällen ist indes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Eigentumsverletzung insgesamt nicht anzunehmen, wenn der Mangel der Sache dieser von vornherein insgesamt anhaftet und sich mit dem geltend gemachten Schaden deckt (vgl. BGH, NJW 2001, 1346). Für die Beurteilung dieser Frage ist auf das Kriterium der Stoffgleichheit abzustellen. Von Stoffgleichheit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls dann auszugehen, wenn die ursprünglich fehlerhaften und später beschädigten Teile zu einer untrennbaren Einheit verbunden worden sind oder der Mangel in wirtschaftlich nicht vertretbarer Weise behoben werden könnte. So liegt der Fall hier auch nach dem Vortrag des Klägers.
24Die Beklagte haftet auch nicht wegen fahrlässiger Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder Produktüberwachungspflicht.
25Die Darlegungs- und Beweislast für ein schuldhaftes Verhalten seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten liegt beim Kläger. Die Beklagte hat mit dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2012 im Einzelnen dargestellt und durch Einreichung von Kopien belegt, wie sie und durch welche Prüfungen im Einzelnen sie die Produktion von Kalksandsteinen begleitet hat. Aus den insoweit eingereichten Unterlagen lässt sich der vom Kläger behauptete Verdacht nicht belegen. Der Kläger bestreitet zwar den entsprechenden Vortrag der Beklagten, legt aber selbst nicht näher dar, dass die belegten Prüfungen nicht stattgefunden haben sollen und tritt hierfür auch keinen Beweis an. Nach dem derzeitigen Sachstand kann der Kläger jedenfalls nicht widerlegen, dass die Beklagte den Bedenken im Schreiben des C3 e.V. vom 16. November 1987 (Anlage K 11 ist = K E 3) oder den Bedenken im Schreiben der L KG (Anlage K 13) nachgegangen ist. Insbesondere kann auf der Grundlage des Vortrags des Klägers nicht festgestellt werden, dass die mit der Anlage K E 4 und K E 5 vorgelegten Berichte nicht zutreffen. Dies gilt entsprechend seitens der von der Beklagten behaupteten Eigenprüfung.
26Auf der Grundlage des Vortrags des Klägers kann auch nicht eine etwa fahrlässige Verletzung einer Produktbeobachtungspflicht der Rechtsvorgängerin der Beklagten angenommen werden. Auch insoweit müsste der Kläger die seitens der Beklagten vorgetragenen Untersuchungen widerlegen und im Übrigen einen Sachverhalt darstellen, welche ihr gemeldeten Schadensfälle sie nicht ausreichend nachgegangen ist.
27Eine Haftung der Beklagten nach dem Produkthaftungsgesetz kann nicht festgestellt werden. Dabei kann offen bleiben, wann die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegebenenfalls am Haus des Klägers verbaute Steine in den Verkehr gebracht hat, da etwaige Ansprüche des Klägers gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 PHG nach § 13 PHG erloschen wäre, weil seit dem Inverkehrbringen der Steine durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahr 1990 zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2011 bereits mehr als zehn Jahre vergangen waren.
28Eine Haftung der Beklagten gemäß § 826 Abs. 1 BGB scheidet aus, weil der Kläger die Voraussetzungen hierzu nicht hat beweisen können.
29Der Tatbestand dieser Vorschrift ist erfüllt, wenn eine Handlung objektiv gegen die guten Sitten verstößt, der Handelnde die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände kennt, Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und gewollt oder jedenfalls billigend in Kauf genommen hat und durch diese Handlung ein Vermögensschaden bei dem Anspruchsteller eingetreten ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann ein solcher Sachverhalt nicht festgestellt werden. Vorliegend lässt sich schon nicht feststellen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine objektiv gegen die guten Sitten verstoßende Handlung begangen hat.
30So hat der Kläger schon nicht beweisen können, dass die Beklagte im Hinblick auf das Schreiben des C3 e. V. Vom 11. November 1987 inadäquat reagiert hätte.
31Mit diesem Schreiben wurde der Beklagten insbesondere mitgeteilt, dass die Anwesenheit von Calciumsulfit und insbesondere Calciumsulfat unter anderem als Effekt haben könne, dass die CSH-Phasenbildung beschleunigt werde, dabei aber eine schlecht kristallisierte Ausbildung mit geringerer Eigenfestigkeit entstehen könne.
32Der Sachverständige hat überzeugend erklärt, dass das vom C3 verfasste Schreiben insoweit irreführend ist. Darin wird als Gefahr nicht beschrieben, dass die Steine nach Ablauf von etwa 20 Jahren Risse bilden. Vielmehr beziehen sich diese Bedenken allein darauf, dass es zu einer Treibmineralbildung kommen kann, wenn solche Kalksandsteine mit feuchtem Mörtel in Verbindung gebracht werden, einem Phänomen, was nach Trocknung des Mörtels nach wenigen Tagen beendet ist und nicht zu weiteren Schäden führen kann.
33Einem haftungsbegründenden Verhalten der Beklagten steht insoweit einerseits entgegen, dass die vom Sachverständigen weiter ausgewerteten Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür bieten, dass die Überprüfungen zur CSH-Phasenbildung unzureichende Ergebnisse geliefert haben. Vielmehr hat der Sachverständige nach entsprechender Durchsicht dieser Unterlagen (insbesondere Anlagen KE4 - KE7) deren Ergebnisse für ordnungsgemäß befunden. So kann nicht festgestellt werden, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten besserer Einsicht zuwider diesen Bedenken nicht ausreichend Rechnung getragen hat.
34Andererseits fehlt es auch an der notwendigen Kausalität. Selbst wenn die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf diese Bedenken nicht reagiert hätte, käme eine sittenwidrige Schädigung des Klägers nicht in Betracht, weil die Beanstandungen nicht zu den jetzt geschilderten Rissen in den Kalksandsteinen führen können. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist auszuschließen, dass die vom Kläger geschilderten Phänomene in den verbauten Kalksandsteine auf “verkümmerte“ CSH-Phasen zurückführen sind. Bei der Herstellung von Kalksandsteinen wird Sand mit Kalk vermengt und erdfeucht in einem Autoklav bei etwa 200° und einem Druck von 16 bar gehärtet. So entsteht ein fester Kalksandstein. Selbst wenn bei der Verarbeitung dieser Kalksandsteine und bei Kontakt mit feuchtem Mörtel an diesen Stellen eine Reaktion wie etwa eine Treibmineralbildung erfolgt, wird diese von dem plastischen Mörtel aufgefangen. Eine Rissbildung ist daher gerade nicht zu erwarten, schon gar nicht nach 20 Jahren.
35Nach den weiteren überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen sind die erwähnten Risse auf ein anderes Phänomen zurückzuführen. Ausgehend von den Ausführungen des Klägers betreffend die bei ihm verbauten Kalksandsteine wurden bei der Produktion Sprühbsorptionsrückstände verwandt. Diese enthalten einen bestimmten Anteil an Calciumsulfit-Halbhydrat. Der darin enthaltene Schwefel ist noch nicht vollständig oxidiert, was indes im Laufe der Zeit noch weiter erfolgen kann. In Abhängigkeit von vorhandener Feuchtigkeit, wozu schon normale Luftfeuchte ausreichen kann, entsteht bei dieser Reaktion Gips. Diese Umwandlung führt zu einer Volumenzunahme von etwa 45 % des ursprünglich vorhandenen Calciumsulfits, was die Rissbildung erklärt. Denn bei einem solchen kontinuierlichen Umwandlungsvorgang entstehen die Risse dann, wenn die durch die Volumenvergrößerung entstehenden Spannungen zu groß werden.
36Bei dieser Sachlage ist nicht davon auszugehen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Kalksandsteine produziert und in den Verkehr gebracht hätte, wobei sie entweder keine ausreichenden Untersuchungen angestellt oder sich leichtfertig über bekannte Bedenken hinweggesetzt hätte. Die vom Sachverständigen gefundene Erklärung für die Schadhaftigkeit (Rissbildung wie vom Kläger geschildert) von unter Einsatz von Sprühabsorptionsrückständen produzierten Kalksandsteinen ist nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen im Jahr 1990 nicht allgemein bekannt gewesen. Insbsondere kann nicht festgestellt werden, dass sie der Rechtsvorgängerin der Beklagten bekannt gewesen ist.
37Zwar hat der Sachverständige schon zu dieser Zeit über eine Dissertation verfügt, die sich diesem Thema im weiteren Sinne widmet und entsprechende Bedenken aufweist. Nach dessen Bewertung ist er jedoch einer derjenigen Exoten gewesen, die für die Problematik, die sich am Haus des Klägers ausgewikt haben könnte, sensibilisiert waren.
38Die Kammer folgt nicht der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht des Sachverständigen, die Promotionsarbeit von E S bzw. die Veröffentlichung von E S2 repräsentiere den Stand von Wissenschaft und Technik Ende der 1980er Jahre. Denn auch nach den Ausführungen des Sachverständigen handelt es sich dabei um die einzigen beiden Fundstellen, die er zu diesem Fragenkomplex hat finden können. Schon den zitierten Stellen lässt sich keine Begründung entnehmen, warum. Calciumssulfit-bzw. Calciumsulfatschlämme deponiert werden müssen bzw. ein Deponieprodukt darstellen.
39Letztlich bedarf dies jedoch auch keiner abschließenden Entscheidung. Denn es wäre nicht der zutreffende Maßstab, möglicherweise sittenwidriges Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten danach zu beurteilen. Auch der Kläger behauptet nicht, dass der Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Stellungnahmen bekannt gewesen sind.
40Ebenso wenig kommt es darauf an, dass auch schon Ende der 1980er Jahre allgemein bekannt war, wie der Kläger jetzt im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 7. Mai 2015 durch die auszugsweise Beifügung eines Gutachtens belegt, dass chemische Reaktionen entstehen können, wenn sulfathaltige Stoffe bei der Kalksandsteinherstellung verwendet werden. Die allgemeine Kenntnis hiervon wird schon im Schreiben des C3 die Anlage K 11 angesprochen und auch in dem seitens der Beklagten vorgelegten Gutachten von Q E C4 erwähnt. Auch der gerichtliche Sachverständige hat schon in seinen schriftlichen Gutachten und auch in seiner mündlichen Anhörung hierzu Stellung genommen.
41Der Kläger behauptet ebenfalls nicht, der Rechtsvorgängerin der Beklagten wären die weiteren drei im erwähnten Schriftsatz bezeichneten Forschungsberichte bekannt gewesen. So lässt sich ein sittenwidriges Verhalten nicht feststellen.
42Entscheidend ist indes, dass der Kläger nicht hat widerlegen können, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten diesen bekannten Bedenken entsprechend entgegengetreten ist, wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat. Die vom C3 besorgte nicht ausreichende Festigkeit der Kalksandsteine aufgrund von verkümmerten CSH-Phasen können nach den weiteren überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen gerade nicht mit der jetzt bekannt gewordenen verminderten Festigkeit der Kalksandstein in Verbindung gebracht werden (siehe oben).
43In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die damalige DIN zu diesem Problem keine Aussage getroffen hat und auch heute noch jedenfalls Calciumsulfit als Bestandteil für Kalksandsteine nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sind vielmehr die damals zur Anwendung gekommenen DIN-Normen und Qualitätsprüfungen selbst nicht geeignet gewesen, ein mögliches (langfristiges) Schädigungspotenzial von Calciumsulfit in Baustoffen zu erkennen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat sich an den entsprechenden Bundesverband gewandt, bei dem nach Ansicht auch des Sachverständigen Experten zu erwarten gewesen wären. Schließlich hat der Kläger nicht widerlegen können, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten geäußerten Bedenken ausreichend begegnet ist.
44Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
45Streitwert: 50.000 EUR
46G
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 256 Verzinsung von Aufwendungen 1x
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- BGB § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung 2x
- § 1 Abs. 1 S. 2 PHG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung 1x
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