Beschluss vom Landgericht Duisburg - 5 S 105/15
Tenor
Die Kammer weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Beschlusses zu den nachstehenden Hinweisen Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung zurückgenommen wird. Auf die kostenrechtliche Privilegierung der Berufungsrücknahme wird hingewiesen. Statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an (Nr. 1222 KV zu § 3 Abs. 2 GKG).
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G r ü n d e :
2Die Kammer ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung nach dem Vorbringen in der Berufungsbegründung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
3Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
4Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung, sondern gibt lediglich Anlass zu folgenden Ausführungen:
5Das Amtsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten aus §§ 631, 633 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten nicht feststellbar ist.
6Der Kläger geht zwar zutreffend davon aus, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch eine für den an dem Fahrzeug des Klägers entstandenen Schaden ursächliche Nebenpflichtverletzung der Beklagten, nämlich die Fahrzeuge ihrer Kunden nicht zu beschädigen, voraussetzt. Allerdings verkennt der Kläger hierbei, dass der Waschanlagenbetreiber nicht automatisch für jede in einer Waschstraße eingetretene Eigentumsbeschädigung – unabhängig von der Ursache – einzustehen hat, denn die Beklagte als Betreiberin einer Waschstraße trifft keine Garantiehaftung (vgl. BGH NJW 1975, 684). Sie haftet vielmehr nur für Fahrzeugschäden während des Waschvorgangs, wenn ihr eine objektive Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, die sie zu vertreten hat.
7Grundsätzlich muss der Geschädigte beweisen, dass sein Eigentum geschädigt wurde, die Beklagte schuldhaft eine ihr obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. In Abweichung von dieser grundsätzlichen Beweislast des Geschädigten hat die Rechtsprechung jedoch in Beschädigungsfällen durch Waschstraßen anerkannt, dass ausnahmsweise von einer Schädigung auf eine Pflichtverletzung des Handelnden, also des Waschstraßenbetreibers, geschlossen werden kann, wenn der Geschädigte dartut und beweist, dass die Schadensursache allein und ausschließlich aus dem Verantwortungsbereich des Waschstraßenbetreibers herrühren kann (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage [2014], § 280 Rn. 37; OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 962; OLG Koblenz NJW-RR 1995, 1135; OLG Hamburg DAR 1984, 260; OLG Hamm NJW-RR 2002 ,1459). Insoweit wird es im Rahmen dieser Verteilung der Beweislast nach Risikosphären grundsätzlich als ausreichend angesehen, dass der Geschädigte beweist, dass der Schaden in der und durch die Waschanlage verursacht worden ist. Der Betreiber muss dann zur Entkräftung dieses Anscheinsbeweises konkrete Anhaltspunkte dafür darlegen, dass ein Fehlverhalten des Geschädigten bzw. des Benutzers der Waschstraße vorliegt und nicht auszuschließen ist, dass die Schadensursache auf dieses Fehlverhalten zurückzuführen ist bzw. im Gefahrenbereich des Benutzers liegt. Bleibt es ungeklärt, welcher Risikosphäre die Schadensursache zuzurechnen ist, kann sich der Geschädigte nicht auf die Beweiserleichterung berufen. Das Risiko der Unaufklärbarkeit der Schadensursache liegt beim Geschädigten.
8In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall kommt dem Kläger der Anscheinsbeweis für eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht zugute, denn das Fahrzeug war bei Eintritt des schädigenden Ereignisses dem Einflussbereich der Zeugin Kolodziej als Fahrerin nicht entzogen und nicht allein der Beklagten als Betreiberin der Waschanlage überantwortet. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Zeugin den Wagen vor dem Waschvorgang nicht verlassen hat, sondern im Wagen verblieben ist. Die Ursächlichkeit einer Fehlfunktion für den Schadensablauf hat damit weiterhin der Kläger zu erbringen.
9Das Amtsgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht der Nachweis gelungen ist, dass der Auffahrunfall auf einen Sachverhalt zurückzuführen ist, der in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt.
101. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war weder eine Fehlfunktion der Waschanlage noch ein Fehlverhalten der in der Waschanlage der Beklagten tätigen Mitarbeiter für den Auffahrunfall verantwortlich.
11An diese amtsgerichtliche Feststellung ist die Kammer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Das Berufungsgericht hat grundsätzlich die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen der eigenen Entscheidung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung der Tatsachen begründen. Zweifel liegen vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Dazu genügen schlüssige Gegenargumente, die die erhebliche Tatsachenfeststellung in Frage stellen (Zöller/Heßler, 30. Aufl. [2014], § 529 ZPO Rn. 3). Wendet sich die Berufung gegen die Beweiswürdigung, so muss sie also schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, die berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen begründen. Solche Zweifel liegen nicht bereits dann vor, wenn eine andere Beweiswürdigung theoretisch möglich erscheint, sondern erst, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil nicht mehr den Anforderungen genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (BGH NJW 2004, 1876). Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 1999, 3481, 3482). Es ist hingegen nicht ausreichend, eine eigene Beweiswürdigung an die des Amtsgerichts zu stellen. Nach § 286 ZPO hat der Richter nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf.
12An diese Regeln hat sich das Amtsgericht gehalten. Konkrete Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen zeigt die Berufung nicht auf. Auch ergeben sich solche Zweifel nicht aus den Akten. Das Amtsgericht ist unter Würdigung der Aussagen der Zeugen Kolodziej und Ippolito sowie der Gutachten des Sachverständigen Werner zu dem vorstehend genannten Ergebnis gelangt und hat dies in den Urteilsgründen ausführlich und nachvollziehbar begründet. Konkrete Fehler oder Widersprüche der Beweiswürdigung führt der Kläger nicht an, sondern beruft sich allein auf ein unzutreffende Einordnung und rechtliche Bewertung der festgestellten Tatsachen.
132. Ebenso zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Beklagten auch nicht vorzuwerfen ist, dass sie eine Waschanlage betreibt, die für den Fall, dass der Vordermann den Abstand zum Hintermann verkürzt, nicht automatisch stoppt. Ergänzend zu den Ausführungen des Amtsgerichts ist anzumerken, dass die Verkehrssicherungspflicht eines Waschanlagenbetreiber nicht so weit geht, dass er entsprechende Sicherheitsvorkehrungen, wie eine fortlaufende Überwachung durch Videoaufzeichnung oder Einsatz von eigens hierfür eingesetzten Mitarbeitern, dafür trifft, dass sämtliche, auch betriebsfremde Schadensereignisse verhindert werden. Ein Ausschluss sämtlicher in Betracht kommender, außerhalb des Verantwortungsbereichs des Waschanlagenbetreibers liegender Schadensursächlichkeiten ist weder zumutbar noch tatsächlich umsetzbar.
14Im Regelfall genügt der Waschanlagenbetreiber seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn die von ihm betriebene Anlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht (OLG Hamm NJW-RR 2002, 1459). Die ist hier der Fall, wie der Sachverständige Werner in seinen schriftlichen Gutachten umfassend und für die Kammer nachvollziehbar ausgeführt hat. Insbesondere hat der Sachverständige festgestellt, dass es nach dem derzeitigen Stand der Technik nicht möglich ist, eine Waschstraße so auszustatten, dass für den Fall einer Abstandsverkürzung zweier hintereinander transportierter Fahrzeuge durch ein Fehlverhalten der Fahrzeugführer, etwa durch Bremsen oder Gang einlegen, die Anlage automatisch stoppt oder jedenfalls verhindert wird, dass der nachfolgende PKW auf den vorausfahrenden Pkw aufgeschoben wird.
15Dem Waschanlagenbetreiber darüber hinaus eine grundsätzliche Pflicht zum Einsatz von technisch aufwändigen oder personalintensiven Überwachungsmaßnahmen aufzubürden, würde das Maß der Verkehrssicherungspflicht, das anhand der konkreten Umstände, insbesondere der Gefahrgeneigtheit der betriebenen Anlage, zu bemessen ist, deutlich überspannen. Hierbei ist einerseits zwischen typischen und der Waschanlage innewohnenden Gefahren, insbesondere technischen Defekten, und andererseits betriebsfremden Gefahren, insbesondere Fehlverhalten von Kunden der Waschanlage, zu unterscheiden. Ebenso ist zu berücksichtigen, ob es sich um häufig auftretende Gefahren und Schadensereignisse handelt oder lediglich um Einzelfälle.
16In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall handelte es sich nach den auf die erstinstanzliche Beweisaufnahme gestützten Feststellungen des Amtsgerichts um ein einmaliges betriebsfremdes Ereignis. Insbesondere war nicht ein typisches und wiederkehrendes Problem schadensursächlich, so dass für die Beklagte keine Veranlassung bestand, besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des unbestrittenen Vortrags der Beklagten, dass es im Zeitraum vom 01.01.2000 bis 14.08.2015 insgesamt lediglich 5 Schadensfälle gegeben hat, bei denen es zu einem Auffahrunfall in der Waschanlage gekommen ist. Dies berücksichtigend erscheint es unverhältnismäßig, der Beklagten im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflichten eine fortlaufende Überwachung der gesamten Waschanlage durch technisch aufwändige Videoaufzeichnungen oder den Einsatz von eigens hierfür eingesetzten Mitarbeitern aufzuerlegen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2002, 1459).
173. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung umfangreiche Ausführungen zum Vertretenmüssen der Beklagten macht und die Ansicht vertritt, dass es der Beklagten nicht gelungen sei, den Entlastungsbeweis zu führen, vermag dies der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Zum einen erübrigt sich die Frage des Vertretenmüssens, da es bereits an einer Pflichtverletzung fehlt. Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte die Anlage so organisiert, betrieben, gewartet und beaufsichtigt hat, wie dies nach dem Stand der Technik möglich und zumutbar war (vgl. zu den Anforderungen an den Entlastungsbeweis: OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 962). Zum anderen führen die Ausführungen, sofern man sie bei der Prüfung einer objektiven Pflichtverletzung der Beklagten berücksichtigt, auch nicht zur Annahme einer solchen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. und 2. Bezug genommen.
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Referenzen
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 2x
- ZPO § 286 Freie Beweiswürdigung 2x
- § 3 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)