Urteil vom Landgericht Duisburg - 2 O 298/15
Tenor
Der Beklagte wird in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Firma S GmbH verurteilt, an den Kläger 29.702,07 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 29.702,07 € festgesetzt.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist Rechtsanwalt und macht gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Firma S GmbH Honoraransprüche als Masseverbindlichkeit geltend.
3Die Parteien streiten hauptsächlich über die Frage der Verjährung.
4Der Beklagte wurde mit Beschluss vom 01.08.2003 zum Insolvenzverwalter der Firma S GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) bestellt. Am 24.09.2003 beauftragte er die Anwaltssozietät „T und H“, deren Rechtsnachfolger der Kläger infolge Auseinandersetzungsvertrages vom 07.03.2007 geworden ist, mit der anwaltlichen Vertretung zur Geltendmachung von Versicherungsleistungen gegenüber der S2 aufgrund eines Brandes des Betriebsgeländes der Schuldnerin. Vereinbart war die Abrechnung nach BRAGO. Auf die Bitte des Klägers um nähere Angabe der Schadenshöhe übersandte ein Mitarbeiter des Beklagten mit Email vom 02.10.2003 die detaillierte Aufstellung gemäß Anlage B10 (Bl. 85 f. d.A.), die mit einer Forderungshöhe von 6,3 Mio. € endete, bestehend aus einem Schaden an Gebäuden und Maschinen von 4,7 Mio. € sowie einem Schaden infolge Betriebsunterbrechung von 1,6 Mio. €. Die Versicherung selbst war von einem Sachschaden in Höhe von 5 Mio. € ohne den Betriebsunterbrechungsschaden ausgegangen. Im Laufe des Jahres 2003 wurde der Kläger in dieser Angelegenheit tätig durch Fertigung diverser Schriftsatzentwürfe sowie Führung von Verhandlungen mit der S2, die eine Zahlung zunächst wegen einer vermuteten Brandstiftung durch den Geschäftsführer der Schuldnerin ablehnte. Weiterhin erstellte er Entwürfe für die Anstrengung zweier selbständiger Beweisverfahren. Am 01.06.2004 zeigte der Beklagte die Masseunzulänglichkeit an.
5Ende 2004 bat der Beklagte den Kläger, für die bisherige Tätigkeit eine Rechnung zu erstellen, da er, der Beklagte, das Mandat nunmehr selbst weiter bearbeiten wolle.
6Am 08.02.2005 erstellte der Kläger seine Kostenrechnung über die streitgegenständliche Endsumme von 35.802,88 €, adressiert an die Schuldnerin. Wegen deren Inhalt wird auf die Anlage K1 (Bl. 16 f. d.A.) Bezug genommen. Der Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 21.02.2005 mit, er werde unmittelbar nach Eingang der Versicherungsleistung die Gebühren zur Anweisung bringen.
7Am 04.12.2006 informierte der Beklagte den Kläger über die Masseunzulänglichkeit und wandte gegen die Vergütungsforderung ein, der angesetzte Gegenstandswert von 6,3 Mio. € könne nicht nachvollzogen werden. Gleichzeitig teilte er mit, die Durchsetzung der Forderung müsse er mit Hinweis auf die Masseunzulänglichkeit verweigern; es verstehe sich jedoch von selbst, dass die gestellte Kostenrechnung in die sogenannte Masseschuldtabelle aufgenommen worden sei.
8Mit Schreiben vom 18.12.2007 forderte der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers den Beklagten auf, bis zum 04.01.2008 einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Auf den am 20.05.2008 erfolgten Vorschlag des Beklagten reagierte der Kläger nicht. Mit diesem Schreiben erklärte der Beklagte zugleich, er sei grundsätzlich damit einverstanden, auf mögliche Einreden der Verjährung zu verzichten für den Fall, dass er verpflichtet wäre, die von der Versicherung geleistete Abschlagszahlung zurückzuzahlen (bei der Formulierung „zurückzufordern“ handelt es sich unstreitig um einen Schreibfehler).
9Am 02.10.2008 erhob der Kläger Klage gegen den Beklagten zu 2) persönlich, die in 2. Instanz vom Berufungsgericht am 09.08.2009 abgewiesen wurde, mit der Begründung, dass eine persönliche Haftung des Beklagten als Privatperson jedenfalls nicht bestehe. In den Folgejahren bestand zunächst kein Kontakt mehr zwischen den Parteien.
10Mit Beschluss vom 19.08.2015 erteilte das Insolvenzgericht seine Zustimmung zur Schlussverteilung der Masse. Daraufhin griff der Kläger die Angelegenheit wieder auf und forderte am 14.09.2015 erneut zur Zahlung auf. Der Beklagte lehnte die Bezahlung unter Berufung auf Verjährung ab. Am 21.09.2015 fand die abschließende Gläubigerversammlung unter Beteiligung des Klägers statt.
11Die Insolvenzquote beträgt unter Einbeziehung der klägerischen Vergütungsforderung 82,96 % (bzw. ohne die Forderung 89,71 %). Ursprünglich hat der Kläger mit Klage vom 18.09.2015, eingegangen am 23.09.2015, Feststellung des Bestehens einer Masseforderung von 35.802,88 € nebst Nebenforderungen eingeklagt. Nach Stattfinden der Gläubigerversammlung hat er seine Klage auf Zahlung in Höhe der entsprechenden Quote umgestellt.
12Der Kläger ist der Ansicht, durch die Zahlungsankündigung vom 21.02.2005 habe der Beklagte die Forderung in materieller Hinsicht anerkannt. Bei dem der Honorarforderung zugrunde gelegten Streitwert handele es sich um den Wert der Gegenstände, die beim Brand zerstört worden seien, sowie den Betriebsunterbrechungsschaden. Der Kläger habe den Beklagten damals um entsprechende Angaben gebeten. Daraufhin habe dessen Mitarbeiter T2 beim Geschäftsführer der Schuldnerin Erkundigungen eingeholt, der dann die besagte Aufstellung erstellt habe. Er sei auch der einzige gewesen, der dies in der Sache habe beurteilen können. Die Versicherung habe später einen Abschlag von 5 Mio. € gezahlt, bei dem der Betriebsunterbrechungsschaden noch nicht einberechnet gewesen sei. Die Rechnungserstellung auf den Namen der Schuldnerin sei mit der Auffassung des Berufungsgerichts im zuerst angestrengten Verfahren ausreichend, da der Beklagte diese angenommen habe. Vorsorglich hat der Kläger eine Rechnung, ausgestellt auf den Beklagten, mit Schriftsatz vom 30.12.2015 überreicht.
13Der Kläger ist weiter der Ansicht, seine Forderung sei nicht verjährt. Sowohl in der Zahlungsankündigung vom 21.02.2005 sowie in der Zusicherung vom 20.05.2008, die Forderung in die Masseschuldtabelle aufzunehmen, liege ein verjährungsrechtliches Anerkenntnis. Außerdem habe der Beklagte auf die Einrede der Verjährung am 20.05.2008 wirksam verzichtet. Die Bedingung des Verjährungsverzichts, nämlich dass die Versicherungsleistung zurückgezahlt werden müsse, sei eingetreten. Mit der Versicherung sei zunächst eine Einigung über eine Teilregulierung erfolgt. Der Geschäftsführer der Schuldnerin habe später Selbstanzeige bei der Polizei erstattet und die vermutete Brandstiftung eingeräumt. Daraufhin habe die Versicherung den Vergleich angefochten und die Zahlung zurückgefordert. Jedenfalls hätten die Parteien ein Stillhalteabkommen geschlossen, da der Beklagte sich im besagten Schreiben selbst darauf berufen habe, die frühere „Zahlungszusage“ habe nur für den Fall gegolten, dass eine Versicherungsleistung endgültig der Masse verbleibe. Dies habe aber erst mit der Schlussverteilung festgestellt werden können.
14Ein Berufen auf Verjährung sei jedenfalls treuwidrig. Der Kläger habe auf die Erklärungen des Beklagten vertraut, dass seine Forderung in der Masseschuldtabelle berücksichtigt werde, und deshalb zunächst keine Feststellungsklage erhoben. Die verjährungshemmenden Verhandlungen hätten unter diesem Gesichtspunkt nie aufgehört. Völlig überraschend habe dann der Beklagte nur eine Forderung von 3.421,95 € berücksichtigt.
15Der Kläger beantragt,
16den Beklagten als Insolvenzverwalter der Firma S GmbH zu verurteilen, an den Kläger 29.702,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2005 zu zahlen.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er ist der Ansicht, der Kläger müsse die objektiv richtige Höhe des Gegenstandswertes, der der Vergütungsforderung zugrunde liegt, detailliert darlegen und könne sich nicht auf die Mitteilung des Geschäftsführers der Schuldnerin berufen. Die Rechnung sei zudem nicht einforderbar, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt habe, da sie nicht an den Beklagten als richtigen Schuldner gerichtet gewesen sei.
20Der Vortrag des Klägers, es sei ein Betrag von nur 3.421,95 € in die Masseschuldtabelle aufgenommen worden, sei unverständlich. Offenbar verwechsele der Kläger Masseschuldtabelle und Insolvenztabelle.
21Im Übrigen beruft sich der Beklagte auf Verjährung. Die Verjährungsfrist habe am 01.01.2005 nach Beendigung der Tätigkeit des Klägers im Jahr 2004 unabhängig vom Zeitpunkt der Rechnungsstellung zu laufen begonnen. In dem Schreiben vom 21.02.2005 liege kein verjährungsrelevantes Anerkenntnis. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, hätte die Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen und wäre am 21.02.2008 wiederum abgelaufen gewesen.
22Auch das Schreiben vom 20.05.2008 stelle weder ein Anerkenntnis noch einen Verjährungsverzicht dar. Der Beklagte habe hierin lediglich auf die gesetzlichen Folgen der Masseunzulänglichkeit hingewiesen. Der hierin thematisierte Verjährungsverzicht sei nur angekündigt, nicht aber erklärt worden. Außerdem sei die hierfür in Aussicht gestellte aufschiebende Bedingung unstreitig nicht eingetreten.
23Auch dann wäre aber nach Neulauf der Verjährung wiederum 3 Jahre später, am 20.05.2011, Verjährung eingetreten.
24Die verjährungshemmenden Verhandlungen seien durch Untätigkeit eingeschlafen gewesen bzw. jedenfalls durch die Klageerhebung gegen den Beklagten persönlich beendet worden.
25Entscheidungsgründe
26I.
271.) Die Zulässigkeit der ursprünglich erhobenen Feststellungsklage kann dahinstehen. Der Kläger hat in zulässiger Weise eine gemäß § 263 ZPO sachdienliche Klageänderung vorgenommen.
282.) Die Leistungsklage ist zulässig. Der Geltendmachung des streitigen Honoraranspruchs durch Leistungsklage steht nicht entgegen, dass im Insolvenzverfahren die Masseunzulänglichkeit mitgeteilt worden ist. Da nach Mitteilung der Masseunzulänglichkeit gemäß § 210 für Altmasseverbindlichkeiten wie die vorliegende (die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber vor Mitteilung der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind) keine Individualvollstreckung zulässig ist, beschränken sich die Rechte auf die Teilnahme an der Verteilung gemäß § 209 InsO (MünchKomm InsO, 2013, § 208 Rn. 65 m.w.N.). Auch nach Abschluss der Verteilung können diejenigen Altmassegläubiger, die hieran nicht teilgenommen haben, ihre Forderungen jedoch weiterhin geltend machen (MünchKomm InsO, 2013, § 214 Rn.13). Vorliegend hat die Verteilung nach § 209 InsO bereits stattgefunden. Das Insolvenzverfahren ist jedoch soweit bekannt noch nicht eingestellt. Dies hat zur Folge, dass der Kläger seinen Anspruch weiterhin gegenüber dem Insolvenzverwalter nach den für die Verteilung der Masse geltenden Regeln in § 209 InsO geltend machen kann, nämlich in der dort festgelegten Rangfolge und entsprechend der Insolvenzquote. Bei der in § 209 InsO geregelten Verteilung handelt es sich nicht um ein förmliches Verteilungsverfahren wie das nach §§ 187 ff InsO für die Insolvenzgläubiger. § 209 InsO bestimmt im Unterschied dazu vielmehr nur die Rangfolge, nach der die formlos durchzuführende Verteilung der Masse stattzufinden hat. Die Art und Weise, in der dies zu geschehen hat, ist grundsätzlich dem Insolvenzverwalter freigestellt (MünchKomm InsO, 2013, § 208 Rn. 52). Demnach hat die zunächst fehlende Teilnahme an der Verteilung auch keine Präklusion der Ansprüche in irgendeiner Form zur Folge.
29II.
30Die Klage ist mit Ausnahme des Zinsanspruchs begründet.
311.)
32Die Forderung des Klägers besteht in Höhe von 29.702,07 €.
33Die Berechnungsweise der gesetzlichen Vergütung nach BRAGO a.F. hat die Beklagte nur im Hinblick auf den zugrundegelegten Gegenstandswert beanstandet.
34Insoweit durfte der Kläger jedoch den vom Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin angegebenen Forderungsbetrag gegenüber der S2 übernehmen, ohne dass es der näherer Darlegung und des Beweises bedarf, inwiefern dieser gerechtfertigt war. Zwar ist zutreffend, dass sich (nach BRAGO wie RVG) der Gegenstandswert nach objektiven Kriterien bestimmt. Objektiv festlegbarer Gegenstand ist bei der Durchsetzung von Zahlungsforderungen jedoch der nach Maßgabe des Auftrags zu bestimmende Forderungsbetrag. Lediglich unvernünftige oder überzogene Vorstellungen des Mandanten haben dabei außen vor zu bleiben (zum RVG: Mayer/Kroiß, RVG, 2013 § 2 Rn. 16). Der objektive Wert der geltend gemachten Versicherungsleistung bestimmt sich nach dem zu ersetzenden Schaden infolge des Brandes. Diesbezüglich hat unstreitig der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin einen Betrag von 6,3 Mio. € benannt anhand seiner Einschätzung der beschädigten Vermögenswerte sowie des Betriebsausfallschadens. Diese Einschätzung war für den Kläger zunächst nicht im Detail überprüfbar bei Übernahme des Mandats. Inwiefern die Ansprüche am Ende berechtigt und durchsetzbar sind, kann insofern nicht ausschlaggebend sein. Dass der Schätzung eine völlig unrealistische Einschätzung des Geschäftsführers der Schuldnerin zugrunde gelegen hätte, ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil diese hinsichtlich der Vermögensgegenstände unstreitig auf einer Ermittlung der Versicherung als Anspruchsgegnerin hinsichtlich der Höhe von 5 Mio. € beruhte noch ohne Einbeziehung des Betriebsausfallschadens. Auch wenn es sich bei dem mitgeteilten Gegenstandswert um eine Angabe der Schuldnerin und nicht des Beklagten als Insolvenzverwalter handelte, hätte dieser jedoch konkrete Einwände erheben müssen, warum die Einschätzung des Geschäftsführers, der als einziger die unmittelbaren Kenntnisse über die Verhältnisse des Betriebs der Schuldnerin zugänglich waren, unzutreffend gewesen sein sollte.
35Demnach ist die berechnete Vergütungshöhe von 35.802,88 € gerechtfertigt.
36Unter Einberechnung dieser Forderung betrug die Quote an der verteilbaren Masse unstreitig 82,96 %. Diesen Anteil kann der Kläger geltend machen, mithin eine Summe von 29.702,07 €.
372.)
38Dass die Forderung unter der aufschiebenden Bedingung gestanden hätte, dass die Versicherungsleistung bezahlt und endgültig im Vermögen der Schuldnerin verbliebt, wie es wohl im Vorprozess gegen den Beklagten persönlich thematisiert worden ist, tragen die Parteien im hiesigen Rechtsstreit nicht mehr vor.
393.)
40Dass die gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 BRAGO bzw. dem insoweit gleichlautenden § 10 Abs. 1 S. 1 RVG erforderliche Rechnung auf den Namen der Insolvenzschuldnerin selbst ausgestellt war und nicht auf den beklagten Insolvenzverwalter als Auftraggeber und Empfangszuständigem gem. § 80 InsO, hindert die Geltendmachung der Forderung ebenfalls nicht.
41Bereits das Berufungsgericht hat im Verfahren gegenüber dem Beklagten persönlich darauf hingewiesen, dass ein Verzicht auf die ordnungsgemäße Berechnung gegenüber dem richtigen Adressaten vorliegen kann, wenn der Beklagte, etwa mit seinem Schreiben vom 21.02.2005 die an die Schuldnerin gerichtete Rechnung als ordnungsgemäße Berechnung gegenüber der Masse hingenommen hätte (vgl. S. 8, Ziffer b.bb des Urteils, Bl. 70 dieser Akte). Dem ist zuzustimmen. Der Beklagte hat die Rechnung erhalten und über deren Erfüllung in der Folge mit dem Kläger inhaltlich verhandelt. Hierin ist die Hinnahme als Berechnung gegenüber der Masse zu sehen.
424.)
43Die Forderung ist nicht verjährt.
44a) Es gilt die Regelverjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB, also drei Jahre ab Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und fällig geworden ist.
45Die Vergütungsforderung wurde gemäß § 16 S. 1 BRAGO a.F. fällig mit Beendigung des Mandats im Jahre 2004, unabhängig vom Zeitpunkt der Rechnungserstellung. Ohne Berücksichtigung von Hemmungs- oder Unterbrechungstatbeständen wäre Verjährung danach mit Ablauf des 31.12. 2007 eingetreten.
46b) Die Schreiben des Beklagten bzw. seiner Vertreter vom 21.02.2005, 04.12.2006 sowie 20.05.2008 stellen nach Auffassung des Gerichts jeweils Anerkenntnisse in verjährungsrechtlicher Hinsicht gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB dar, die zum Neubeginn der Verjährungsfrist führen. Das Bestreiten des Gegenstandswertes, also der Forderung der Höhe nach, ist hierfür unerheblich (MünchKomm BGB, 2015, § 212 Rn. 6). Entscheidend und ausreichend ist jedes tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich sein Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs wenigstens dem Grunde nach klar und unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht auf Verjährung berufen wird (BGH NJW 2008, 2843 Rz. 12 m.w.N.).
47Auch bei Neubeginn der Verjährung zuletzt am 20.05.2008 wäre jedoch Verjährung wiederum spätestens mit Ablauf des 20.06.2011 eingetreten. Die Verhandlungen in den Jahren 2006, 2007 und 2008 dauerten jeweils nur kurz an und führten allenfalls zu einer vernachlässigenswerten Hemmungsdauer gemäß § 203 S. 1 BGB innerhalb des Jahres 2011. Die Verhandlungen dauerten jeweils nicht an. Insbesondere in den Jahren 2007 und 2008 beschränkten sie sich auf einseitige, unerwiderte Angebote, so dass es an sich schon an einem beidseitigen Verhandeln fehlt.
48Entscheidend ist daher, ob für den Zeitraum zwischen 2011 und Klageerhebung am 18.09.2015 ein anderweitiger Hemmungstatbestand eingreift. Dieser liegt vorliegend aufgrund der Anzeige der Masseunzulänglichkeit vom 01.06.2004 analog § 205 BGB vor.
49§ 205 BGB erfasst unmittelbar den Fall, dass dem Schuldner aufgrund Vereinbarung mit dem Gläubiger ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Nach im Einzelnen umstrittener Auffassung ist die Vorschrift analog anzuwenden für andere vorübergehende Leistungshindernisse auf Seiten des Schuldners (Staudinger, BGB, 2014, § 212 Rn. 19; vgl. weiter zum Streitstand MünchKomm InsO, 2015, § 208 Fn. 197). Unerheblich für die Entscheidung ist, ob der Kläger sich anderweitig hätte behelfen und die Verjährung auch durch Erhebung einer Feststellungsklage hätte hemmen können. Dies wäre insbesondere auch im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 205 BGB ebenfalls möglich, weshalb dies nach gesetzlicher Wertung der anderweitigen Hemmung nicht entgegensteht (BGH NJW 1969, 1661 Rz. 21 zu § 202 a.F., der ausdrücklich die Hemmung für den Fall der Stundung oder des Bestehens eines anderweitigen Leistungsverweigerungsrechts des Schuldners vorsah; für die heutige Rechtslage: Staudinger, BGB, 2014, § 205 Rn. 19). Die Möglichkeit einer Leistungsklage bestand neben dem Verteilungsverfahren des § 209 InsO unzweifelhaft nicht (s.o.). Ohne die Mitwirkung des Insolvenzverwalters bestand die einzige Möglichkeit zur Verjährungshemmung somit in der Erhebung einer Feststellungsklage. Warum der Gläubiger hierzu genötigt werden sollte, ist nicht nachvollziehbar und auch nicht ökonomisch (im Ergebnis ebenso: Uhlenbruck, InsO, 2010, § 210 Rn. 20; Staudinger, aaO; a.A.: ArbG Oberhausen, Urteil vom 19.04.2012 - 4 Ca 2167/11 = NJW Spezial 2013, 87, allerdings ohne Erwägung einer analogen Anwendung der Hemmungstatbestände; auch das LAG Düsseldorf beschäftigt sich in seiner Entscheidung vom 10.10.2013 – 5 Sa 823/13, zitiert nach juris, mit dieser Frage nicht, da es bereits die Fälligkeit der Forderung ablehnt hat und im Übrigen die Berufung auf Verjährung nach § 242 BGB im dortigen Fall für unzulässig gehalten hat; ferner: LAG Hamburg 15.6.1988 – 8 Sa 22/88, ZIP 1988, 1270).
50c) Hinzu kommt vorliegend, dass der Beklagte beim Kläger schützenswertes Vertrauen geweckt hat, er werde die Forderung unabhängig vom Ablauf der Verjährungsfrist erfüllen, so dass er sich gemäß § 242 BGB bzw. analog § 212 BGB nicht auf Verjährung berufen kann.
51Mit Schreiben vom 04.12.2006 hat der Beklagte erklärt, es verstehe sich von selbst dass die Kostenrechnung des Klägers in die so genannte Masseschuldtabelle aufgenommen werde. Qualitativ handelt es sich dabei wie ausgeführt um ein Anerkenntnis im Sinne des Hemmungstatbestandes des § 212 BGB. Nach dessen Rechtsgedanken ist Grund für die Hemmung, dass der Gläubiger darauf vertraut, dass sich der Schuldner nicht alsbald auf Verjährung berufen wird. Dieses Vertrauen rechtfertigt sich schon allein daraus, dass der Schuldner zum Ausdruck bringt, dass ihm das Bestehen des Anspruchs bewusst ist. Zwar reicht das Vertrauen grundsätzlich nur so lange, bis nach der Anerkenntnishandlung erneut die volle Verjährungszeit abgelaufen ist, weshalb § 212 BGB als Rechtsfolge nur den Neubeginn der Verjährung, nicht aber eine völlige Außerkraftsetzung jeglicher Verjährungsfristen vorsieht. Vorliegend besteht die Besonderheit des Falls jedoch darin, dass der Beklagte durch Verweis auf die Aufnahme in die Masseschuldtabelle in zeitlicher Hinsicht in Aussicht gestellt hat, dass eine Begleichung der Forderung erst bei Durchführung der Verteilung nach § 209 InsO über die Masseschuldtabelle erfolgen wird. Dadurch wurde dem Kläger suggeriert, bis dahin sei ein Tätigwerden zur Einziehung der Forderung nicht notwendig, und er müsse nur die Verteilung anhand der Masseschuldtabelle abwarten. Diese lag allein im Verantwortungsbereich und hinsichtlich des Verfahrens im Ermessen des Beklagten. Der Kläger hat diesbezüglich erst wieder durch die Mitteilung über die Gläubigerversammlung am 21.09.2015 vom Fortgang bei der Verteilung der Masse erfahren. Dass die Verteilung gegenüber den Massegläubigern (im Unterschied zu den Insolvenzgläubigern) deutlich früher stattgefunden hätte und der Kläger hiervon Kenntnis hatte, ist nicht ersichtlich. Mindestens bis zu diesem Termin war die Verjährung daher gehemmt.
52Das Schreiben des Beklagten vom 04.12.2006 ist auch nicht deshalb für eine Hemmung unerheblich, weil der Beklagte hierin lediglich auf die gesetzliche Folge der §§ 209, 210 InsO hingewiesen hätte. Der Beklagte hat vielmehr darüber hinaus bezogen auf die konkrete Forderung des Klägers und die Verhandlungen hierüber erklärt, diese werde in eine Masseschuldtabelle aufgenommen. Dass es eine Tabelle für Massegläubiger bei der Verteilung nach § 209 InsO vergleichbar mit der zur Tabelle förmlich anzumeldenden Forderungen der Insolvenzgläubiger nicht gibt, wie der Beklagte zutreffend ausführt, spricht nur um so mehr dafür, dass der Beklagte nicht nur über die Gesetzeslage informierte sondern den Kläger über sein konkret geplantes Vorgehen bei der Verteilung in Kenntnis setzte. Denn dem Kläger wurde hierdurch nach dem objektiven Empfängerhorizont der Eindruck vermittelt, dass der Beklagte konkret ankündigte, er werde bei der Verteilung eine Masseschuldtabelle erstellen und die Forderung des Klägers dabei berücksichtigen.
53Dass der Kläger dies anders empfunden hätte und tatsächlich kein Vertrauen seinerseits in eine Verjährungshemmung bestand, folgt auch nicht aus der Klageerhebung gegen den Beklagten persönlich im Jahr 2008. Die Inanspruchnahme des Beklagten als Privatperson und nicht in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter unterliegt völlig anderen tatbestandlichen Voraussetzungen. Der Anspruch tritt neben den vertraglichen Erfüllungsanspruch gegen die Insolvenzschuldnerin. Bei der Durchsetzung der Forderung wäre der Kläger nicht auf die (nicht ausreichende) Insolvenzmasse und eine diesbezügliche Quote beschränkt gewesen und konnte insbesondere unabhängig vom Verteilungsverfahren jederzeit gegen den Beklagten persönlich mit der Leistungsklage vorgehen.
54Auch das Schreiben vom 20.05.2008 beendete das geweckte Vertrauen in die nicht drohende Verjährung nicht. Soweit der Beklagte hierin in Aussicht gestellt hat, er sei für den Fall eines Vergleichsschlusses bereit, auf mögliche Einreden der Verjährung zu verzichten, ließ dies nicht den Umkehrschluss zu, dass er sich ohne Vergleichsschluss auf Verjährung berufen werde. Der in Aussicht genommene Vergleich sah offenbar vor, dass eine Zahlung an den Kläger unter der Bedingung stand, dass die Versicherungsleistung der Schuldnerin verblieb und nicht von der Versicherung wieder zurückgefordert würde. Dann hätten sich bis zum Zeitpunkt der potentiellen Rückforderung im Hinblick auf eine Vergleichsforderung jedoch ganz andere Verjährungsfragen gestellt. Insbesondere hätte dann (zumindest bei Eintritt der Bedingung) gar nicht mehr zur Debatte gestanden, dass der Kläger auf eine Verteilung hätte warten müssen. Daher hatte diese Aussage für den Fall, dass ein Vergleich nicht zustande kam, keine Relevanz.
55Zinsen können unabhängig von der Frage, welche Auswirkung die zwischenzeitlich fehlende Durchsetzbarkeit der Forderung gemäß § 210 InsO auf die Verzinsung hat, nicht in der beantragten Höhe zugesprochen werden, da es sich auch insoweit um eine Masseverbindlichkeit handelt, die in die Quote einzuberechnen wäre und sodann auch nur quotal beansprucht werden könnte. Da der Kläger diese Berechnung nicht vorgenommen hat, ist der Anspruch unschlüssig.
56Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO. Eine streitwert- und kostenrelevante Teil-Klagerücknahme durch Umstellung vom Feststellungs- auf den Leistungsantrag liegt nicht vor. Zwar hatte der Kläger zunächst Feststellung einer Forderung in Höhe des Nennwerts der Forderung und nicht nach der Quote beantragt, wohingegen nun eine Leistungsklage nach entsprechend geringerer Quote Streitgegenstand ist. Da aber auch zuvor schon die Feststellung „einer Masseforderung“ formuliert war, bemaß sich deren wirtschaftlicher Wert von vornherein nur nach der aus der Masse zahlbaren Quote.
57Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.
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