Urteil vom Landgericht Duisburg - 4 O 272/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu je 50 % zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
3Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des von den Klägern erklärten Widerrufs eines zwischen ihnen im Jahre 2010 geschlossenen Darlehensvertrags. Diesen unterzeichnete die Beklagte am 19.04.20010 und sandte ihn den Klägern zu, die ihn am 27.04.2010 unterzeichneten und an die Beklagte zurücksandte. Das Darlehen belief sich über 132.000,- €. Es handelte sich um ein Forward-Darlehen, das plangemäß erst im Jahre 2015 in zwei Tranchen zur Auszahlung kam. Es wurde gesichert durch Grundschulden auf dem Beleihungsobjekt der Kläger (E2, N-Straße , / G1).
4Die dem Darlehensvertrag (Anlage K1) angefügte und ebenfalls durch die Kläger unterzeichnete Widerrufsbelehrung (Seite 8, Blatt 14 GA) hatte folgenden Wortlaut:
5„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen.
6Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nach Erhalt eines Exemplars
7 dieser Widerrufsbelehrung sowie
8 einer Vertragsurkunde, Ihres schriftlichen Vertragsantrags oder
9 einer Abschrift der Vertragsurkunde oder Ihres Vertragsantrags.
10Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
11(…)“
12Ferner erhielten die Kläger von der Beklagten „Fernabsatz-Informationen zur grundpfandrechtlich gesicherten langfristigen Darlehensgewährung“ (Anlage K 2, Blatt 20 ff. GA). Auf der dortigen Seite 6 (Blatt 25 GA) findet sich unter der Überschrift „III. Informationen über die Besonderheiten des Fernabsatzvertrages“ und der Unterüberschrift „2. Widerrufsrecht für den Kunden“ folgender Text:
13„Der Kunde kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt der Widerrufsbelehrung sowie diesen Fernabsatz-Informationen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung …
14Im Falle eines Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen herauszugeben. Dies kann dazu führen, dass der Kunde die vertraglichen Zahlungspflichten bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen muss.
15Für die weiteren Einzelheiten zur Ausübung und zu den Rechtsfolgen des Widerrufs wird auf die beigefügte gesonderte Widerrufsbelehrung verwiesen.“
16Auf der folgenden Seite des Dokuments (Blatt 26 GA) bestätigten die Kläger durch ihre Unterschrift den Erhalt unter anderem des Darlehensangebots, eines Schriftexemplars „dieser Fernabsatz-Information“ und der Widerrufsbelehrung.
17Auf der darauf folgenden Seite befand sich eine weitere Widerrufsbelehrung. Diese führt zum Fristlauf aus:
18„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir
19 ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
20 eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrages und
21 die Informationen zu Verträge nach dem Fernabsatzrecht
22zur Verfügung gestellt wurden, aber nicht vor dem Tage des Vertragsschlusses. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs…“
23Unter der Überschrift „Widerruf bei bereits erhaltener Leistung“ heißt es sodann:
24„Habe ich vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits eine Leistung von der Bank erhalten, so kann ich mein Widerrufsrecht dennoch ausüben. Widerrufe ich in diesem Fall, muss ich die empfangene Leistung jedoch an die Bank zurückgewähren und der Bank die von mir aus der Leistung gezogenen Nutzungen (z.B. Zinsen) herausgeben. Dies kann dazu führen, dass ich die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen muss. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen muss ich innerhalb von 30 Tagen nach Absendung meiner Widerrufserklärung erfüllen.“
25Am 09.10.2014 wandten sich die Kläger an die Beklagte und forderten unter Verweis auf die nach ihrer Auffassung fehlerhafte Widerrufsbelehrung, den Darlehensvertrag bezüglich der Sollzinsen an das aktuelle Zinsniveau anzupassen und ansonsten unverändert fortzuführen. Dies wies die Beklagte zurück.
26Mit Schreiben vom 09.04.2015 widerriefen die Kläger ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung. Sie sind der Auffassung, die Widerrufsfrist sei nicht abgelaufen, da die Belehrung über das Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag entspreche weder den Vorgaben des § 355 BGB a.F. noch dem Muster der Widerrufsbelehrung in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung. Die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist suggeriere, dass die Frist bereits laufe, wenn der Verbraucher das Vertragsangebot der Bank erhalte, welches mit der Überschrift „Darlehensvertrag“ versehen war. Weiterhin seien die Widerrufsfolgen nicht vollständig benannt. Insofern fehle der Hinweis darauf, dass die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen unter Umständen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllt werden müssten und die Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden müssten. Schließlich seien die insgesamt drei in dem Konvolut befindlichen und teilweise divergierenden Belehrungen nicht unmissverständlich, sondern verwirrend.
27Die Kläger beantragen,
28festzustellen, dass das von ihnen mit der Beklagten am 19./27.04.2010 geschlossene Darlehensvertragsverhältnis Nr. ########## durch wirksamen Widerruf der Kläger vom 09.04.2015 in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt wurde.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Duisburg. Die Feststellungsklage sei zudem wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig.
32Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Für die Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag gelte die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 BGB-InfoV. Im Übrigen entsprächen die Belehrungen auch den gesetzlichen Erfordernissen. Es lägen auch nicht drei, sondern lediglich zwei Widerrufsbelehrungen vor, und zwar – wie vom Gesetz gefordert – eine in Bezug auf das Verbraucherdarlehen und eine in Bezug auf die Eigenschaft dieses Vertrages als Fernabsatzgeschäft. Bei dem Text auf Seite 6 der Fernabsatzinformation handele es sich lediglich um einen Hinweis auf das Bestehen eines Widerufsrechts nach § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV. Schließlich stehe dem Widerruf der Kläger der Einwand der Verwirkung und der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
33Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze in der Akte verwiesen.
34Entscheidungsgründe:
35Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
36I.
37Die Klage ist insgesamt zulässig.
381.
39Insbesondere ist der Feststellungsantrag nicht mit Blick auf den Vorrang der Leistungsklage unzulässig. Ein Feststellungsinteresse ist den Klägern nicht abzusprechen. Zwar kann von einem Kläger in der Regel erwartet werden, dass er einen bereits fälligen Anspruch mit einer Leistungsklage verfolgt, da dies einer endgültigen Erledigung des Rechtsstreits dient (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 ZPO Rn. 7a). Dieser Vorrang der Leistungsklage gilt jedoch dann nicht, wenn ein Zahlungsanspruch mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur unter Hinzuziehung von Sachverständigen berechnet werden kann (BGH, Urt. v. 21.1.2000 - V ZR 387/98, NJW 2000, 1256; OLG Bremen, Urt. v. 11.11.1998 – 5 U 48/97, OLGR Bremen 1999, 101). Dies trifft für die wechselseitigen Ansprüche nach Widerruf des Darlehens zu, weil die zutreffende Berechnung der geschuldeten Zinsen und Nutzungsentschädigungen für den Kläger als Bankkunden kaum möglich ist (LG Hamburg, Urteil vom 26.01.2015, Az. 325 O 299/15).
402.
41Das Landgericht Duisburg ist auch örtlich zuständig. Es besteht der Gerichtsstand des Erfüllungsortes, § 29 ZPO. Der Wohnsitz der Kläger in diesem Bezirk stellt den Erfüllungsort für die Rückzahlungsverpflichtungen der Kläger dar, die sich bei einem wirksamen Widerruf im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses ergäben. Dass insofern ein gemeinsamer Erfüllungsort nicht besteht, ist unschädlich; der Kläger hat bei einem Streit über das Bestehen eines Vertrages ein Wahlrecht unter den in Rede stehenden Erfüllungsorten (Zöller-Vollkommer § 29 Rn. 17, 24 a.E.).
42II.
43Die Klage ist indes nicht begründet. Der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag ist durch die Kläger nicht wirksam widerrufen worden, da der Widerruf erst nach Ablauf der hierfür bestimmten Frist erfolgte. Die Kläger sind von der Beklagten nicht unzureichend über ihr Widerrufsrecht informiert worden.
441.
45Die Widerrufsbelehrung ist zunächst nicht deshalb unwirksam, weil über den Beginn des Laufes der Widerrufsfrist Zweifel bestehen könnten. Die Widerrufsfrist beginnt nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der Fassung vom 08.12.2004 mit dem Zeitpunkt, zu welchem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist.
46Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Widerrufsbelehrung umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu belehren. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf die Widerrufsbelehrung zudem grundsätzlich keine anderen Erklärungen erhalten, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Belehrung von Bedeutung sind und deshalb von ihr ablenken oder den Verbraucher verwirren können (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2011, XI ZR 148/10).
47Nach den vorstehenden Maßstäben ist die von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Vertragstext verwendete Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden. Insbesondere können die Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, die Widerrufsbelehrung lasse die Auslegung zu, die Frist beginne schon mit der Zurverfügungstellung des schriftlichen Vertragsantrags der Darlehensgeberin zu laufen, und sei deshalb nicht eindeutig. Ein solcher Eindruck wird gerade nicht erweckt. Denn durch die Verwendung des Possessivpronomens („meines“) wird klargestellt, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst beginnt, wenn der Darlehensnehmer seine auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung entweder im Original oder in einer Abschrift erhält. In dem Gebrauch des Possessivpronomens liegt auch der Unterschied zu der Fallgestaltung, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2009 (NJW 2009, 3572) zugrundelag. Durch die Verwendung des Possessivpronomens wird ausgeschlossen, dass beim unbefangenen Leser der Eindruck entsteht, die Widerrufsfrist beginne unabhängig vom Vertragsschluss selbst zu laufen. Vielmehr ergibt sich dadurch, dass auf die Willenserklärung des Darlehensnehmers abgestellt wird, dass die Frist nicht etwa schon mit der Übersendung der Vertragsunterlagen beginnt, sondern tatsächlich erst, wenn auch der Darlehensnehmer seine Erklärung abgegeben hat. Daran ändert auch nichts, dass auch im vorliegenden Fall genau wie im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Formulierung „eine Vertragsurkunde“ gebraucht wird. Denn die Aufzählung der verschiedenen Möglichkeiten kann nur so verstanden werden, dass alle vier Möglichkeiten äquivalent sein sollen, nur die Erscheinungsform anders ist. Angesichts dessen, dass zwei der Varianten nur denkbar sind, nachdem der Darlehensnehmer seine Erklärung abgegeben hat, erstreckt sich dies auch auf die anderen Varianten, sodass dadurch der Eindruck ausgeschlossen wird, die Widerrufsfrist könne zu einem anderen Zeitpunkt zu laufen beginnen, als es tatsächlich nach einer korrekten Belehrung der Fall ist.
482.
49Ferner sind auch die Widerrufsfolgen nicht unvollständig benannt, sondern in der Widerrufsbelehrung innerhalb der Fernabsatz-Information ausweislich der Akte (Blatt 27) enthalten.
503.
51Schließlich liegt kein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot darin, dass den Klägern insgesamt zwei Widerrufsbelehrungen und zusätzlich ein Hinweis auf das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht zur Verfügung gestellt wurden. Der genannte „Hinweis“ verweist deutlich auf die Widerrufsbelehrung in der Fernabsatz-Information. Unklarheiten über das Verhältnis dieser beiden Texte zueinander können daher von vornherein nicht bestehen. Was das Verhältnis der beiden eigentlichen Belehrungen zueinander anbetrifft, ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers davon auszugehen, dass beide Belehrungen gelten (vgl. OLG München, Beschluss vom 09.11.2015, Az. 19 U 1610/15). So kann kein Zweifel darüber bestehen, dass der Fristlauf erst nach Überlassung der Fernabsatz-Information beginnen kann und dass die in der dortigen Belehrung genannten Rechtsfolgen eintreten. Im Übrigen besteht die einzige Divergenz zwischen den beiden Belehrungen darin, dass diejenige zum Fernabsatzvertrag den Fristbeginn von dem bereits erfolgten Vertragsschluss abhängig macht, was dem entsprechenden Muster für Fernabsatzverträge und § 312d Abs. 2 BGB a.F. entspricht. Auch insofern bestand kein Anlass zu Zweifeln, dass der Fristablauf nicht vor Vertragsschluss beginnen konnte.
524.
53Da die Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden ist, kommt es auf die Frage der Verwirkung bzw. des Rechtsmissbrauchs nicht an.
54III.
55Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 709 ZPO.
56Der Streitwert wird auf 140.000,00 EUR festgesetzt.
57E M |
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als Einzelrichter |
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Referenzen
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