Anerkenntnisurteil vom Landgericht Duisburg - 8 O 195/19
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 356.520,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 193.750,00 Euro brutto seit dem 01.06.2019 und aus einem Betrag in Höhe von 162.500,00 Euro seit dem 15.04.2020 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Verkündet am 07.10.2020 , Justizbeschäftigteals Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
Landgericht DuisburgIM NAMEN DES VOLKESUrteil
3In dem Rechtsstreit
4hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburgaufgrund mündlicher Verhandlung vom 02.09.2020durch den Richter am Landgericht C als Einzelrichter
5für Recht erkannt:
6Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 356.520,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 193.750,00 Euro brutto seit dem 01.06.2019 und aus einem Betrag in Höhe von 162.500,00 Euro seit dem 15.04.2020 zu zahlen.
7Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
8Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
9Tatbestand
10Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung einer variablen Vergütung für die Geschäftsjahre 2018 und 2019.
11Die Beklagte war ursprünglich die deutsche Tochtergesellschaft der amerikanischen H, die ein Unternehmen im Bereich der Fahrzeuglederherstellung und Veredelung betreibt. Der Kläger war als Geschäftsführer der Beklagten angestellt und als solcher für den gesamten Geschäftsbereich der Beklagten sowie der europäischen und einen Teil der südafrikanischen Aktivitäten der Unternehmensgruppe verantwortlich. In dem Geschäftsführerdienstvertrag vom 22.08.2014 heißt es auszugsweise:
12„GESCHÄFTSFÜHRERDIENSTVERTRAG
13zwischen:
14(1) H2 GmbH, (ab 01.09.2014 T) L-Straße, ##### N, […], vertreten durch H, diese vertreten durch ihren CEO […]
15– nachfolgend „H3“ oder „Gesellschaft“ genannt –
16(2) Herrn E, […]
17§ 2Vergütung
18(1) Herr E erhält jährliche Festbezüge von EUR 240.000,00 brutto […].
19(2) Zusätzlich zu den Festbezügen nimmt Herr E an dem Management J („N2“) teil. Nach diesem Plan und dessen Voraussetzungen wird eine variable Vergütung (Bonus) gewährt. Der Zielbonus beträgt 40 % der jährlichen Festbezüge und variiert zwischen 0 und 80 % der jährlichen Festbezüge. Der Bonus kalkuliert sich zu 75 % auf Basis der Ergebnisse (EBITDA) der H4 sowie zu 25 % auf Basis der Ergebnisse (EBITDA) von T2. Für November und Dezember 2014 wird der Bonus pro rata temporis gezahlt.
20Die Gesellschaft behält sich das Recht vor, die Bonuskriterien vor Beginn eines Geschäftsjahres zu ändern, wird diese Änderung dann aber auf alle Teilnehmer weltweit anwenden. Der Bonus ist fällig und auszahlbar nach Feststellung der Jahresabschlüsse der H3 und der H5, spätestens jedoch am 15.04. des Folgejahres.
21(3) Bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses im laufenden Geschäftsjahr entsteht der Anspruch auf den Bonus pro rata temporis, fällig dann, wenn der Bonus auch allen anderen Bonusberechtigten bezahlt wird. Sofern Herr E selber unter Einhaltung der vertraglichen Fristen und sonstigen Pflichten kündigt, erhält er ebenfalls einen Bonus pro rata, sofern der Bonus auch allen anderen Bonusberechtigten bezahlt wird.
22(4) Mit der Vergütung nach vorstehenden Absätzen (1) bis (3) ist die gesamte Tätigkeit von Herrn E für T und für verbundene Unternehmen sowie für sämtliche Mehr-, Sonntags- und Feiertagsarbeit abgegolten.
23(5) In Anerkennung der Tatsache, dass Herr E den Bonus bei seinem derzeitigen Dienstherrn bzw. Arbeitgeber verliert, bezahlt T ihm einen Signing Bonus von EUR 66.000,00 brutto, fällig spätestens am 31.12.2014 auf dem Konto von Herrn E eingehend.
24[…]
25§ 10Verschiedenes
26[…]
27(4) Dieser Vertrag unterliegt ausschließlich deutschem Recht und deutscher Gerichtsbarkeit. Gerichtsstand ist Sitz der Gesellschaft.“ (Bl. 8 ff. d.A.)
28Der N2 wurde ursprünglich bei der amerikanischen H eingeführt. Die Höhe des dort vorgesehenen Bonus richtete sich nach dem Erreichen des vorab durch die Muttergesellschaft geplanten („budgeted“) und vorgegebenen EBITDA in für den jeweiligen Teilnehmer definierten Regionen. Je nach prozentualer Unter- oder Überschreitung dieser Zielwerte war so eine variable Vergütung in bestimmter Höhe an den entsprechenden Teilnehmer zu zahlen. Der Zielbonus des Klägers beträgt 40 % des jährlichen Grundgehalts. Der tatsächlich erreichbare Bonus kann zwischen 0 % und 200 % des Zielbonus liegen. Bei einer Erreichung von unter 70 % des Soll-EBITDA wird kein Bonus gezahlt, ab einer Zielerreichung von 100 % wird auch der Bonus zu 100 % des Zielbonusbetrages ausgezahlt. Bei einer Zielerreichung von mehr als 120 % beträgt der Bonus 200 % des Zielbonusbetrages.
29Konkret heißt es in dem N2:
30„Table 1: EBITDA Incentive Payment Schedule:
31Upon achieving the following percentage of budgeted EBITDA |
Target Bonus Attainment |
Less than 70 % |
0.00 % |
> 70 % |
50 |
> 75 % |
55 |
> 80 % |
60 |
> 85 % |
70 |
> 90 % |
80 |
> 95 % |
90 |
> 100 % |
100 |
> 105 % |
125 |
> 110 % |
150 |
> 115 % |
175 |
> 120 % |
200 |
The entry level for incentive payment is 70 % of budgeted EBITDA.
33Payment of Bonus Award
34All calculated bonus payouts are to be accrued and qulified participants bonus award payments would be planned to bei paid by March 15th of the following year unless unforeseen developments arise.
35Eligibility to Receive Payment
36In order for any participant to be paid a bonus payout, the participant must be actively employed on the day of the payment unless the participant is not an active employee due to death, disability, or retirement, in which case the participant will be paid based on his/her earned income during the calendar year.“ (Bl. 19 d.A.)
37Ob noch eine weitere Regelung des N2 Grundlage des Geschäftsführerdienstvertrages zwischen den Parteien geworden ist, ist zwischen den Parteien streitig.
38Im Nachgang zu dem Geschäftsführerdienstvertrag einigten sich die Parteien auf jährliche Festbezüge des Klägers in Höhe von 250.000,00 Euro brutto. In den Jahren 2014 bis 2017 erhielt der Kläger Bonuszahlungen. Ihre Berechnung erfolgte dabei jeweils auf der Grundlage des EBITDA der H4 (zu 75 %) sowie der T2 (zu 25 %), wobei das EBITDA nach den Rechnungslegungsvorschriften der USA, den sog. US-GAAP, ermittelt wurde. Für das Geschäftsjahr 2017, also im Jahr 2018, erhielt der Kläger keinen Bonus.
39Das Zielbudget für den EBITDA 2018 („Soll-EBITDA“) wurde für Europa zunächst auf ca. 4.400.000,00 Euro und für Südafrika auf ca. 90.000.000,00 Rand festgesetzt.
40Im Laufe des Jahres 2017 verschlechterte sich die finanzielle Situation des Konzerns mit der Folge, dass die Konzernleitung der H im Oktober 2017 die Durchführung eines Insolvenzverfahrens nach US-amerikanischem Recht („Chapter 11“) beantragte. Im Januar 2018 wurde die H6 Gruppe an eine Investorengruppe unter Führung des Unternehmens C2 veräußert. Zum Zweck des Kaufs gründete die Investorengruppe zum 26.04.2018 die H7 und die H8. Zum 22.05.2018 akquirierten diese beiden Unternehmen sodann das Betriebsvermögen der H und Teile der Tochtergesellschaften im Wege eines sogenannten Asset Deals.
41Im Frühjahr 2018 wurde ein neues Budget („Re-budget“) für Europa festgesetzt auf ca. minus 1.100.000,00 Euro und dem Kläger sowie dem übrigen bonusberechtigten Team der Beklagten bekannt gegeben. Für Südafrika wurde das „Re-budget“ auf 87.000.000,00 Rand festgesetzt.
42Am 21.12.2018 / 09.01.2019 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zum Geschäftsführerdienstvertrag, die auszugsweise wie folgt lautet:
43„PRÄAMBEL
44Herr E war Geschäftsführer der T, der früheren H2 GmbH. Die Rechte und Pflichten der Parteien sind in dem Geschäftsführerdienstvertrag vom 22. August 2014 geregelt. Die Gesellschaft hat Herrn E am 10. August 2018 abberufen und sein Dienstverhältnis mit ordentlicher Kündigung vom 08. August 2018 (zugestellt am 17.08.2018) zum nächst zulässigen Termin gekündigt.
45Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien was folgt:
46[…]
47§ 2Abwicklung
48(1) Das Dienstverhältnis wird bis zu seinem Ende ordnungsgemäß abgewickelt auf Basis des Geschäftsführungsdienstvertrages vom 22. August 2014, soweit sich aus dieser Vereinbarung nichts anderes ergibt. Zu der ordnungsgemäßen Abwicklung gehören insbesondere auch die Zahlungen der Boni für 2018 und 2019.“ (Bl. 15 f. d.A.)
49Mit E-Mail vom 17.05.2019 forderte der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte vergeblich zur Zahlung des Bonus für das Geschäftsjahr 2018 bis zum 31.05.2019 auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.05.2019 lehnte die Beklagte die Zahlung jeglicher Boni unter Verweis auf schlechte Umsätze im Jahr 2018 ab und übersandte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit E-Mail vom 11.07.2019 Unterlagen zu den Geschäftsergebnissen. Daraus ist ersichtlich, dass das von der Beklagten erzielte Ergebnis, also das „Ist-EBITDA“ für das Geschäftsjahr 2018 in Bezug auf Europa, ca. 4.200.000,00 Euro und für Südafrika ca. 102.000.000,00 Rand beträgt.
50Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.07.2019 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich zur Zahlung des von ihm errechneten Bonus für das Jahr 2018 in Höhe von 193.800,00 Euro bis zum 31.07.2019 auf.
51Für das Jahr 2019 wurde in Bezug auf Europa ein „Soll-EBITDA“ in Höhe von 10,68 Mio $ vorgegeben. Das „Ist-EBITDA“ beträgt 18,38 Mio. $. In Bezug auf Südafrika wurde für das Jahr 2019 ein „Soll-EBITDA“ in Höhe von 45,8 Mio. Rand vorgegeben, das „Ist-EBITDA“ beträgt 32,6 Mio. Rand.
52Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde für das Jahr 2018 ein Bonus in Höhe von insgesamt 193.750,00 Euro zu. Dabei stehe ihm aus dem Jahresergebnis für Europa ein Anspruch in Höhe von 150.000,00 Euro und aus dem Jahresergebnis für Südafrika ein Anspruch in Höhe von 43.750,00 Euro zu. Für das Jahr 2019 stehe ihm ein Bonus in Höhe von insgesamt 162.500,00 Euro zu, wobei ihm aus dem Jahresergebnis für Europa ein Anspruch in Höhe von 150.000,00 Euro und für Südafrika ein Anspruch in Höhe von 12.500,00 Euro zustehe.
53Der Kläger beantragt,
541. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 193.750,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2019 zu zahlen;
552. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 162.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2020 zu zahlen.
56Die Beklagte beantragt,
57die Klage abzuweisen.
58Sie ist der Ansicht, sie sei nicht die richtige Anspruchsgegnerin, dies sei vielmehr die H. Hierzu behauptet sie, der Kläger habe die Bonusansprüche in der Vergangenheit von der H erhalten. Zwar seien diese Zahlungen durch die Beklagte ausgeführt worden, Auszahlungsverpflichteter und Schuldner der jeweils entstandenen variablen Vergütung sei jedoch stets die H gewesen. Die getätigten Zahlungen habe die Beklagte im Nachhinein mit der Konzernmutter als verantwortliche Stelle abgerechnet. Die Durchführung der Zahlung durch die Beklagte sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass diese im Gegensatz zu der Muttergesellschaft über eine eingerichtete Lohnbuchhaltung verfügt habe. Im Übrigen hätten die H7 und die H8 im Rahmen des Asset Deals den N2 nicht übernommen, so dass sie der Ansicht sind, der Kläger könne aus diesem Grund auch keine Ansprüche aus dem N2 herleiten. Sie ist ferner der Ansicht, dass dem Kläger selbst für den Fall, dass die Bonusvereinbarung zwischen den Parteien Anwendung finden sollte, sich ein Anspruch des Klägers für das Jahr 2018 nicht ergeben würde, da das maßgebliche „budgeted-EBITDA“ zu Beginn des Jahres 2018 zugrunde zu legen sei und sie zudem berechtigt sei, bestimmte Sonderaufwendungen von dem „Ist-EBITDA“ abzuziehen, so dass sich für Europa nur noch ein „Ist-EBITDA“ in Höhe von 1.800.000,00 Euro und für Südafrika nur noch ein „Ist-EBITDA“ in Höhe von 3.400.000,00 Euro ergäbe. Im Übrigen gebe es in dem N2 auch eine Abänderungsmöglichkeit, die wie folgt laute:
59„Discretionary Component in Selective Situations
60In certain situations after receiving input and at the sole discretion of the President and CEO, the actual bonus payout can be adjusted, up or down, in consideration of the participant’s acutal contribution to the success of meeting the company’s financial objectives.“ (Bl. 109 d.A.)
61Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
62Entscheidungsgründe
63Die zulässige Klage ist begründet.
64Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Boni für die Jahre 2018 und 2019 in Höhe von insgesamt 356.520,00 Euro aus § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages vom 22.08.2014 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Vereinbarung zum Geschäftsführerdienstvertrag vom 21.12.2018/09.01.2019.
651.
66Dem Kläger steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung der Boni zu. Die Beklagte ist selbstverständlich die (richtige) Schuldnerin des Anspruchs. Soweit sie die Ansicht vertritt, nicht sie, sondern die H sei die richtige Schuldnerin des Bonusanspruchs, ist diese Ansicht originell, in rechtlicher Hinsicht jedoch schlicht abwegig.
67Zunächst haben allein die Beklagte und der Kläger den Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen, in dessen Rubrum sie als zukünftige „T“ genannt und als „H3“ oder „Gesellschaft“ definiert wird. Im zweiten Absatz des § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages behält sich „die Gesellschaft“, also die zuvor definierte Beklagte, das Recht vor, die Bonuskriterien vor Beginn eines Geschäftsjahres zu ändern. Wenn die Ansicht der Beklagten zutreffen würde, wäre es nicht verständlich, warum sich die Beklagte das Recht zur Änderung der Bonuskriterien vorbehalten hätte, wenn sie doch die Auszahlung eines Bonus gar nicht schulden würde, sondern dies alleine Sache der H wäre, zu deren Lasten sie soeben einen Vertrag zu Lasten Dritter geschlossen hätte.
68Soweit die Beklagte für ihre Ansicht die Formulierung aus § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages heranziehen möchte, die lediglich dahingehend lautet, dass der Kläger „zusätzlich zu den Festbezügen an dem N2 teilnimmt“ und nicht etwa, „dass die Beklagte zusätzlich zu den Festbezügen einen Bonus nach Maßgabe ihres N2 zahlt“ und der Umstand, dass eine solche Formulierung gerade nicht gewählt worden sei, dafür spreche, dass durch die Verweisung auf die Teilnahme am Bonusprogramm der Konzernmutter auch gegenüber dieser ein originärer Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung spreche, geht auch diese Ansicht fehl.
69Hätten die Parteien unter Einschluss der Konzernmutter eine solche Abrede treffen wollen, hätte es wohl nahe gelegen, dass § 2 Abs. 2 S. 2 des Geschäftsführerdienstvertrage wie folgt formuliert worden wäre: „Nach diesem Plan und dessen Voraussetzungen wird eine variable Vergütung (Bonus) durch die H gewährt.“ Eine solche Formulierung ist jedoch offensichtlich nicht gewählt worden. Dass der Bonus gemäß § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages Teil der von der Beklagten zu zahlenden Vergütung ist, ergibt sich ausdrücklich auch aus § 2 Abs. 4 des Geschäftsführerdienstvertrages. Danach ist mit der Vergütung nach vorstehenden Absätzen (1) bis (3) die gesamte Tätigkeit des Klägers für T und für verbundene Unternehmen sowie für sämtliche Mehr-, Sonntags- und Feiertagsarbeit abgegolten. Auch hieraus wird der sich ohnehin aufdrängende Umstand deutlich, dass die Beklagte die Zahlung eines Bonus als Teil der von ihr zu zahlenden Vergütung angesehen hat.
70Soweit die Beklagte weiter anführt, sie habe die Bonuszahlungen in den früheren Jahren zwar an den Kläger ausgezahlt, wobei sie jedoch lediglich als Zahlstelle fungiert und die Beträge von der H zurückerhalten habe, wäre dies für den Umstand, dass sie die richtige Anspruchsgegnerin ist, völlig irrelevant.
71Nach dem Vorstehenden ist es auch irrelevant, ob die neue Investorengruppe den N2 durch den Asset Deal erworben hat oder nicht. Die Beklagte hat mit dem Kläger eine Bonusvereinbarung getroffen, die sich nach den Kriterien des N2 richten sollte. Diese Kriterien hat die Beklagte vor Beginn der jeweiligen Geschäftsjahre nicht geändert, so dass diese Kriterien weiterhin maßgebend sind, unabhängig davon, ob die Muttergesellschaft den N2 übernommen hat. Folglich ist auch die E-Mail des Vizepräsidenten der H7, Herrn F, vom 11.03.2019 für diesen Rechtsstreit nicht von Bedeutung.
72Soweit die Beklagte weiter anführt, durch den Übergang auf die H7 und die H8 sei die Geschäftsgrundlage für den N2 entfallen, ist auch dies fernliegend. Die Beklagte hat doch in der Vereinbarung zum Geschäftsführerdienstvertrag vom 21.12.2018 / 09.01.2019 in § 2 Abs. 1 ausdrücklich erklärt, dass „zu der ordnungsgemäßen Abwicklung insbesondere auch die Zahlungen der Boni für 2018 und 2019 gehören“. Welche andere Bedeutung diese Erklärung der Beklagten, die sie über ein halbes Jahr nach der Übernahme durch die neue Investorengruppe abgegeben hat, gehabt haben könnte, als dass die Boni für 2018 und 2019 von ihr (!) gezahlt werden, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Richtig ist allein, dass die Regelung nichts über den Bestand der Bonusansprüche selbst und insbesondere deren Höhe besagt. Dies richtet sich jedoch schlicht nach den bisherigen Kriterien, da die Parteien nichts anderes vereinbart haben.
73Soweit die Beklagte hilfsweise vorträgt, dass dem Anspruch des Klägers die Bestimmungen des N2 selbst entgegenstünden, wonach die Muttergesellschaft das Recht habe, die Kriterien für den Zielbonus jederzeit ändern zu dürfen, greift auch diese Ansicht nicht durch und zwar unabhängig davon, ob die streitige Regelung Grundlage des Geschäftsführerdienstvertrages geworden ist oder nicht. Denn der hierfür von ihr angeführte § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages erlaubt lediglich eine Änderung der Bonuskriterien vor Beginn eines Geschäftsjahres durch die Beklagte. Dass sie die Kriterien vor Beginn des jeweiligen Geschäftsjahres geändert hätte, trägt sie dagegen nicht einmal selbst vor. Ob und gegebenenfalls was die H7 oder die H8 in Bezug auf den N2, der nach ihrem Vortrag nicht übernommen worden sei, geändert haben oder nicht, ist daher ein weiteres Mal irrelevant. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob sich die Wirksamkeit der streitigen Bestimmung aus dem N2 nach deutschem oder amerikanischen Recht richten würde, wobei diese Frage durch die eindeutige Regelung des § 10 Abs. 4 des Geschäftsführerdienstvertrages bzw. § 9 Abs. 1 der Vereinbarung zum Geschäftsführerdienstvertrag zugunsten des deutschen Rechts beantwortet werden würde. Die Frage, ob die Bestimmung nach deutschem Recht wirksam wäre und insbesondere einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhalten würde, bedarf keiner Entscheidung, da die Beklagte, wie bereits erwähnt, selbst nicht einmal vorträgt, die Bonuskriterien vor Beginn des Geschäftsjahres geändert zu haben.
74Abwegig ist ferner die Ansicht der Beklagten, der Kläger habe auch deshalb keinen Bonusanspruch, weil er zum Zeitpunkt der Auszahlung noch aktiv beschäftigt sein müsse, da dieser Ansicht eindeutig die Regelung in § 2 Abs. 1 S. 2 der Vereinbarung zum Geschäftsführerdienstvertrag entgegensteht.
752.
76Dem Kläger steht für das Jahr 2018 ein Anspruch auf Zahlung eines Bonus in Höhe von insgesamt 193.750,00 Euro zu.
77a)
78Für das Geschäftsjahr 2018 für Europa steht dem Kläger ein Bonus in Höhe von 150.000,00 Euro zu.
79Die Beklagte hatte zunächst als zu erreichendes Ziel ein „Soll-EBITDA“ in Höhe von ca. 4.4.000.000,00 Euro vorgegeben, dieses sodann im Frühjahr 2018, also im Lauf des Geschäftsjahres 2018 auf ca. minus 1.100.000,00 Euro herabgesetzt. Das Gericht sieht das zuletzt genannte „Soll-EBITDA“ als das maßgebliche an.
80Beide Parteien beanspruchen für ihre jeweilige Rechtsansicht die Gebote der Logik, wobei die Beklagte dies damit begründet, dass, soweit eine Abänderung der Zielbonuskriterien für das Jahr 2018 nicht mehr möglich gewesen sei, dies auch für den zugrundeliegenden „Soll-EBITDA“ gelten müsse. Diese Schlussfolgerung ist jedoch mit Sinn und Zweck der vereinbarten Bonusregelung nicht vereinbar. Durch die Vereinbarung einer variablen Vergütung soll ein Anreiz (engl. incentive) für den Begünstigten geschaffen werden, ein von der Gesellschaft vorgegebenes wirtschaftliches Ziel zu erreichen, um so am Erfolg des Unternehmens teilzunehmen. Unmittelbar Begünstigter der Bonusvereinbarung ist daher derjenige, an den der Bonus ausgezahlt werden soll. Dementsprechend bedarf es im Vorfeld eindeutige Regelungen, welches Ziel in welchem Zeitraum erreicht werden soll. Die Parteien haben in § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages vereinbart, dass diese Ziel ein von der Gesellschaft im Vorfeld des jeweiligen Geschäftsjahres vorgegebenes „Soll-EBITDA“ sein soll und dass die Gesellschaft nur berechtigt sein soll, die Bonuskriterien vor Beginn eines Geschäftsjahres zu ändern. Sinn und Zweck dieser Regelung kann jedoch nur sein, dass es der Gesellschaft nicht zustehen soll, die Bonuskriterien nach Beginn des jeweiligen Geschäftsjahres zum Nachteil des Bonusberechtigten zu ändern. Diese Regelung soll die Beklagte jedoch nicht daran hindern, die Bonuskriterien zugunsten des Bonusberechtigten zu ändern. Hierfür gäbe es bereits deshalb keinen Grund, da die Beklagte diejenige ist, die die Bonuskriterien vorgibt. Möchte sie die Bonuskriterien nicht zugunsten der Bonusberechtigten ändern, wird sie dies unterlassen. Nimmt sie hingegen (freiwillig) eine Änderung zugunsten der jeweils Bonusberechtigten vor, um für diese während eines Geschäftsjahres einen neuen Anreiz zur Erreichung eines von ihr nunmehr vorgegebenen Ziels aufzustellen, gebietet es schon Sinn und Zweck einer Bonusregelung, dass die Kriterien zugunsten der Berechtigten angepasst werden können.
81Maßgeblich ist daher das vorgegebene „Soll-EBITDA“ in Höhe von ca. minus 1.200.000,00 Euro. Woraus sich ergeben soll, dass eine fehlende gezielte und beabsichtigte Profitabilität Voraussetzung für die Zahlung eines Bonus sein soll, erschließt sich nicht.
82Auf die Frage, ob bestimmte Sonderaufwendungen bei der Ermittlung des „Ist-EBITDA“ abzuziehen sind, so dass sich lediglich ein „Ist-EBITDA“ in Höhe von 1.200.000,00 Euro ergeben würde, kommt es nicht an, da selbst in diesem Fall der Kläger den maximal erzielbaren Bonus erreicht hätte. Denn auch in diesem Fall beträgt das „Ist-EBITDA“ mehr als 120 % des maßgeblichen „Soll-EBITDA“.
83Der Zielbonus des Klägers beträgt gem. § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages 40 % der jährlichen Bezüge, mithin 100.000,00 Euro. Da das Ist-EBITDA mehr als 120 % des maßgeblichen Soll-EBITDA beträgt, steht dem Kläger nach dem N2 ein Bonus in Höhe von 200 % zu, mithin 200.000,00 Euro. Da nach § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages der Bonus des Klägers sich zu 75 % auf Basis der Ergebnisse für Europa und zu 25 % auf Basis der Ergebnisse für Südafrika bemisst, ergibt sich für Europa ein Bonusanspruch des Klägers in Höhe von 150.000,00 Euro.
84b)
85Für den Bonusanspruch des Klägers in Bezug auf das Ergebnis für Südafrika im Jahr 2018 kommt es nach den vorstehenden Ausführungen auf das korrigierte „Soll-EBITDA“ in Höhe von 87.000.000,00 Rand an. Das „Ist-EBITDA“ in Höhe von 102.000.000,00 Rand ist auch nicht durch Sonderaufwendungen zu reduzieren. Der Vortrag der Beklagten hierzu ist bereits gänzlich unsubstantiiert und daher unbeachtlich, worauf der Kläger im Schriftsatz vom 02.12.2019 (Bl. 128 d.A.) bereits ausdrücklich hingewiesen hat.
86Das „Ist-EBITDA“ in Höhe von 102.000.000,00 Rand entspricht einem Zielerreichungsgrad von 117 %, was ausweislich der Bonustabelle einem Betrag in Höhe von 175.000,00 Euro entspricht. Da von diesem Betrag gem. § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages 25 % in den Bonusanspruch des Klägers einfließen, beträgt der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Bonus für das Jahr 2018 für Südafrika 43.750,00 Euro.
873.
88Dem Kläger steht für das Jahr 2019 ein Anspruch auf Zahlung eines Bonus in Höhe von insgesamt 162.500,00 Euro zu.
89a)
90In Bezug auf Europa hat die Beklagte für das Jahr 2019 ein „Soll-EBITDA“ in Höhe von 10,68 Mio $ vorgegeben. Das „Ist-EBITDA“ beträgt 18,38 Mio. $ und erreicht damit einen Zielerreichungsgrad von über 120 % der Bonustabelle. Entsprechend den Ausführungen unter 2.a) steht dem Kläger daher auch für das Jahr 2019 für Europa ein Bonusanspruch in Höhe von 150.000,00 Euro zu.
91b)
92In Bezug auf Südafrika hat die Beklagte für das Jahr 2019 ein „Soll-EBITDA“ in Höhe von 45,8 Mio. Rand vorgegeben. Das „Ist-EBITDA“ beträgt 32,6 Mio. Rand, was einem Zielerreichungsgrad von 71,17 % entspricht, so dass sich ausweislich der Bonustabelle ein Anspruch in Höhe von 50 % des Zielbonus, mithin 50.000,00 Euro ergibt, der zu 25 % in den Bonusanspruch des Klägers einfließt. Für das Jahr 2019 für Südafrika steht dem Kläger daher ein Anspruch auf Zahlung eines Bonus in Höhe von 12.500,00 Euro zu.
934.
94Der jeweilige Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 2 Abs. 2 des Geschäftsführerdienstvertrages, wonach der Bonus spätestens am 15.04. des Folgejahres fällig ist.
955.
96Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
97Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
98Bis zum 03.06.2020:193.750,00 Euro
99Danach: 356.250,00 Euro.
100C |
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