Urteil vom Landgericht Duisburg - 6 O 383/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Verkündet am 12.04.2022 , Justizhauptsekretärals Urkundsbeamter der Geschäftsstelle |
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Landgericht DuisburgIM NAMEN DES VOLKESUrteil
3In dem Rechtsstreit
4hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburgaufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.02.2022durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E I, den Richter am Landgericht W und die Richterin E E2
5für Recht erkannt:
6Die Klage wird abgewiesen.
7Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
8Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
9Tatbestand:
10Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.
11Der bei dem Beklagten krankenversicherte Kläger unterhielt in der Krankheitskostenversicherung zunächst unter anderem die Tarife 103 und 200, welche mit Ablauf des 31.12.2016 beendet und in den Tarif TP8 umgestellt wurden. Dem Vertrag liegen u. a. die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung zugrunde, darunter auch die Musterbedingungen MB/KK 2009, wegen deren Inhalts auf die Anlage B2 Bezug genommen wird. Zum 01.01.2011 und 01.01.2018 erhöhte der Beklagte die Monatsbeiträge um die im Klageantrag zu 1. aufgeführten Beträge. Die Beitragserhöhungen kündigte der Beklagte jeweils im November des Vorjahres mit einem Anschreiben, welches erläuternde Informationen enthielt und dem jeweils ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, an. Wegen des Inhalts wird auf das Anlagenkonvolut B3 Bezug genommen. Seit dem 01.01.2019 zahlte der Kläger einen monatlichen Gesamtbeitrag in Höhe von 406,87 €, wovon 79,93 € auf die Pflegepflichtversicherung (Tarif PVN) entfielen.
12Der Kläger hält die Beitragserhöhungen mangels ordnungsgemäßer Begründung für unwirksam. Mit Anwaltsschreiben vom 21.09.2020 ließ er den Beklagten unter Fristsetzung zur Rückzahlung seiner Ansicht nach überzahlter Beträge und der daraus gezogenen Nutzungen auffordern.
13Mit der am 18.11.2020 eingegangenen und am 24.12.2020 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst beantragt,
141. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen ihm und dem Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ######## unwirksam sind:
15a) im Tarif 103 die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 48,04 €,
16b) im Tarif 200 die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 41,66 €,
17c) im Tarif TP8 die Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 33,95 €
18und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 372,92 € zu reduzieren ist,
192. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.612,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
203. festzustellen, dass der Beklagte
21a) ihm zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die er aus dem Prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
22b) die nach 3. a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat,
234. den Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.074,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
24Nachdem der Beklagte in der Klageerwiderung vom 03.03.2021, die den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26.03.2021 zugestellt worden ist, mitgeteilt hat, dass auslösende Faktoren der streitgegenständlichen Beitragserhöhungen jeweils geänderte Versicherungsleistungen gewesen seien, hat der Kläger den Rechtsstreit im letzten Halbsatz des Antrags zu 1. bezüglich des Herabsetzungsantrags für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Teilerledigungserklärung widersprochen, woraufhin der Kläger die Klage hinsichtlich des hieraus resultierenden Feststellungsbegehrens auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache zurückgenommen hat.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Er verteidigt die Beitragserhöhungen und redet Verjährung ein.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe:
30I.
31Die Klage hat keinen Erfolg.
321.
33Der Feststellungsantrag zu 1. ist teils unzulässig. Im Übrigen ist er zulässig, aber unbegründet.
34a)
35Die Feststellungsbegehren zu 1. a) und b) sind unzulässig.
36Soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen in den Tarifen 103 und 200 zum 01.01.2011 festgestellt wissen möchte fehlt es an dem gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesse, weil die insoweit geltend gemachten Zahlungsansprüche verjährt sind und die betroffenen Tarife bereits in vorverjährter Zeit beendet wurden (vgl. zu der vergleichbaren Konstellation der Beendigung des Versicherungsvertrags OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2021, 5 U 93/20, juris Rn. 39 f.).
37aa)
38Der Kläger hat nach seinem Vorbringen lediglich bis zum Jahr 2016 Beitragszahlungen auf die mit Ablauf des Jahres 2016 beendeten Tarife 103 und 200 geleistet. Etwaigen Ansprüchen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge, die der Kläger bis zum 31.12.2016 auf die vorgenannten Beitragsanpassungen geleistet hat, steht jedenfalls die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 Abs. 1 BGB).
39(1)
40Die Bereicherungsansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB), welche gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Rückzahlungsansprüche entstanden jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge. Die notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und von der Person des Schuldners hatte der Kläger bereits mit dem Zugang der jeweiligen Änderungsmitteilungen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 40 ff.). Daher begann die Verjährungsfrist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen mit dem Schluss des Jahres 2016 und endete am 31.12.2019, so dass die am 18.11.2020 eingegangene Klage insoweit keine Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mehr bewirken konnte.
41(2)
42Entgegen der Ansicht des Klägers fehlte es bis dahin nicht an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn.
43In eng begrenzten, besonders begründeten Ausnahmefällen (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 10) kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 35) oder eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH, Urteil vom 21.02.2018, IV ZR 304/16, Rn. 15 m. w. N.). Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage liegt nicht schon dann vor, wenn eine Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, sondern setzt zumindest voraus, dass im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung ein ernsthafter Meinungsstreit in Literatur und Rechtsprechung bestand (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 13). Wird die Rechtslage erst unsicher, nachdem die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, schiebt dies den Beginn der einmal in Lauf gesetzten Frist nicht nachträglich hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/13, Rn. 45; Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 15). Auch mit Blick auf rechtliche Unsicherheiten ist eine Klageerhebung dann zumutbar, wenn die Klage bei verständiger Würdigung hinreichende Erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsverfolgung risikolos möglich ist (BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, Rn. 11 m. w. N.).
44Nach diesen Maßstäben war die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, jedenfalls bis zum 31.12.2016 zumutbar und der Verjährungsbeginn nicht bis zu der durch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19) herbeigeführten höchstrichterlichen Klärung hinausgeschoben. Denn es gab weder eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung noch – jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt – einen ernsthaften Meinungsstreit. Der Umstand, dass die Frage, welche Anforderungen an eine Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zu stellen sind, in der Literatur zunächst nur vereinzelt aufgegriffen wurde (vgl. Klimke, VersR 2016, 22 ff.) und erste gerichtliche Entscheidungen hierzu erst im Jahr 2018 veröffentlicht wurden (vgl. LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, 1 O 338/16, VersR 2018, 469; LG Potsdam, Urteil vom 27.09.2017, 6 S 80/16, VersR 2018, 471), mag die rechtliche Einordnung und die rechtliche Beratung nicht erleichtert haben, ließ eine Klageerhebung indes unzumutbar erscheinen. Vielmehr musste eine rechtliche Würdigung gerade ergeben, dass die Erfolgschancen eines Rückzahlungsanspruchs als offen einzuschätzen waren (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.11.2021, 7 U 204/21, juris Rn. 38; vgl. OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021, 6 U 751/21, juris Rn. 81 f.; Urteil vom 14.12.2021, 4 U 1693/21, juris Rn. 38; OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2021, 5 U 93/20, juris Rn. 35; OLG Hamm, Urteil vom 30.06.2021, 20 U 152/20, juris Rn. 79).
45Hinzu kommt, dass bereits seit dem Jahr 2018, insbesondere aber im Laufe des Jahres 2020 bei zahlreichen Landgerichten – darunter auch dem hiesigen – eine Vielzahl entsprechender Klagen eingegangen sind, mit denen die jeweiligen – im Jahr 2020 zumeist von den Prozessbevollmächtigten des Klägers vertretenen – Versicherungsnehmer zu erkennen gegeben haben, dass sie ungeachtet des zu dieser Zeit ungeklärten Meinungsstreits von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen ausgingen. Auch der Kläger hat bereits vor Veröffentlichung der Urteile des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020 seine Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht und Klage eingereicht. Umstrittener als in den Jahren 2018 bis 2020 war der Inhalt des § 203 Abs. 5 VVG jedoch in den Jahren bis einschließlich 2016 nicht, so dass dem Kläger die Klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, Rn. 45).
46bb)
47Damit fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Ein solches kann zwar auch an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses bestehen, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben können, weshalb ein Tarifwechsel für sich genommen das Feststellungsinteresse nicht zwingend entfallen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 19). Anders als in dem der vorzitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegenden Fall ist im Streitfall jedoch ausgeschlossen, dass sich noch weitere Ansprüche aus den vorgenannten Prämienerhöhungen ergeben könnten, da der Kläger aufgrund der Beendigung der Tarife mit Ablauf des 31.12.2016 in unverjährter Zeit keine Zahlungen mehr auf diese geleistet hat. Insoweit ist der Feststellungsantrag auch nicht als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen nicht über das mit dem – sämtliche unverjährten Rückzahlungsansprüche aus diesen Beitragserhöhungen umfassenden – Leistungsantrag zu 2. erfasste Rechtsschutzziel hinausgeht (vgl. OLG Saarbrücken, a. a. O., Rn. 41).
48b)
49Das Feststellungsbegehren zu 1. c) ist zulässig, jedoch unbegründet.
50aa)
51Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt vor, soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung im Tarif TP8 zum 01.01.2018 festgestellt wissen möchte, da allein mit dem daneben erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge nicht rechtskräftig festgestellt wäre, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus der Beitragsanpassung ergebenden Erhöhungsbetrags verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, IV ZR 255/17, Rn. 17; Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 19 f.).
52bb)
53Dieses Feststellungsbegehren ist jedoch unbegründet, weil die vorgenannte Beitragserhöhung, deren materielle Berechtigung der Kläger nicht bestreitet, unmittelbar wirksam geworden ist.
54(1)
55Gemäß § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.
56Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht mehr und nicht weniger als die – auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung bezogene – Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Es müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht. Dagegen muss der Versicherer weder die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts noch die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitteilen. Ebenso wenig hat er die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z. B. des Rechnungszinses, anzugeben (BGH, Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19, Rn. 26 ff.). Die Mitteilungspflicht erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (BGH, a. a. O., Rn. 35). Da die Überprüfung der Prämie unabhängig von dem Umstand ausgelöst wird, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist, und die Mitteilungspflicht nicht den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (BGH, a. a. O., Rn. 36), ist ein Hinweis des Versicherers darauf, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat, nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 20.10.2021, IV ZR 148/20, Rn. 29 f.).
57(2)
58Den vorstehenden Anforderungen genügten die dem Kläger im November 2017 mitgeteilten Gründe für die Beitragserhöhung zum 01.01.2018, da der Kläger dem Mitteilungsschreiben vom 11.11.2017 die erforderlichen Informationen mit der gebotenen Klarheit entnehmen konnte. So enthält das Mitteilungsschreiben im Anschluss an die allgemeinen Erläuterungen auf der dritten Seite unter der Überschrift „Was sind die Rechtsgrundlagen für Beitragsanpassungen?“ insbesondere folgende Angaben:
59„Die Beiträge der zu Ihrer Krankenversicherung gehörenden und von einer Beitragsänderung betroffenen Tarife wurden angepasst, weil der gemäß § 155 Abs. 3 VAG durchzuführende Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung ergeben hat, die über den für den Tarif maßgeblichen Prozentsatz (§ 8b der jeweiligen AVB) hinausgeht. Eine Überprüfung dieser Abweichung hat ergeben, dass diese nicht als vorübergehend anzusehen ist. […]“
60Hieraus ist ohne weiteres ersichtlich, dass der auslösende Faktor „Versicherungsleistungen“ einen vorher festgelegten Schwellenwert überschritten hat (so auch LG Frankfurt, Urteil vom 30.09.2021, 2-23 O 395/20, juris Rn. 192).
612.
62Der zulässige Leistungsantrag zu 2. ist unbegründet.
63Die Beitragsanpassung im Tarif TP8 zum 01.01.2018 ist aus den vorgenannten Gründen unmittelbar wirksam geworden, so dass der Kläger auf diese keine rechtsgrundlosen Zahlungen geleistet hat. Die Wirksamkeit der darüber hinaus angegriffenen Beitragserhöhungen in den Tarifen 103 und 200 zum 01.01.2011 bedarf keiner Entscheidung, da etwaigen Ansprüchen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge, die der Kläger bis zur Beendigung der Tarife zum 31.12.2016 auf die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen geleistet hat, jedenfalls die von dem Beklagten erhobene und aus den vorgenannten Gründen durchgreifende Einrede der Verjährung entgegensteht (§ 214 Abs. 1 BGB).
643.
65Die auf die Herausgabe von Nutzungen und die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Anträge zu 3. und 4. teilen das Schicksal des unbegründeten Leistungsantrags.
66II.
67Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
68III.
69Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird auf 9.038,60 € festgesetzt (§ 63 Abs. 1 GKG).
70Rechtsbehelfsbelehrung:
71Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
72Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
73Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
74Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
75E I |
W |
E E2 |
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Referenzen
- ZPO § 130a Elektronisches Dokument 1x
- § 8b der jeweiligen AVB 1x (nicht zugeordnet)
- 6 O 383/20 1x (nicht zugeordnet)
- 5 U 93/20 2x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 113/20 2x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 739/20 4x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 348/13 3x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 304/16 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 294/19 4x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 314/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 O 338/16 1x (nicht zugeordnet)
- 6 S 80/16 1x (nicht zugeordnet)
- 7 U 204/21 1x (nicht zugeordnet)
- 6 U 751/21 1x (nicht zugeordnet)
- 4 U 1693/21 1x (nicht zugeordnet)
- 20 U 152/20 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 255/17 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 148/20 1x (nicht zugeordnet)
- 23 O 395/20 1x (nicht zugeordnet)
