Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 13 S 50/70
Tenor
In dem Rechtsstreit
wegen Ansprüchen aus einem Wärmelieferungsvertrag
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 1970
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. 11.1969 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf - 17 C 1217/69 - geändert und neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
1
Tatbestand:
2Die Beklagten sind Mieter in einem Haus der T . Das Haus ist im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues gefördert worden. Die Versorgung der Wohnung mit Wärme erfolgt durch das örtliche Fernheizwerk der Klägerin, einer Tochtergesellschaft der F AG, die ihrerseits mit den Beklagten unter dem 15. Feb. 1967 einen Wärmelieferungsvertrag geschlossen hatte. Die Verpflichtung zur Abnahme der Wärme von der Klägerin war den Beklagten bereits durch den Mietvertrag (§ 4) mit der T bekannt geworden. Die Beklagten hatten vor Unterzeichnung des Vertrages die Abnahmeverpflichtung und die Undurchsichtigkeit des Vertrages gegenüber der Vermieterin beanstandet. Diese hatte sich jedoch geweigert, einen anderen als den vorgedruckten Formularvertrag mit den Beklagten zu schliessen. Da die Beklagten fürchteten, die Wohnung nicht zu bekommen, unterzeichneten sie den Miet- und Wärmelieferungsvertrag.
3Die Klägerin hat Heizkosten für die Heizperiode 1966/67, 1967/68, sowie Abschlagszahlungen für 1968/69 verlangt.
4Sie hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an sie 703,83 DM nebst 2 % Zinsen über den jeweiligen Diskontsatz der Bundesbank, mindestens jedoch 6 % Zinsen von 635,70 DM seit dem 21. Mai 1969, von weiteren 68,13 DM seit dem 14. Okt. 1969 zu zahlen.
5Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
6Sie haben die Ansicht vertreten, der zwischen ihnen und der Klägerin abgeschlossene Wärmelieferungsvertrag sei sittenwidrig. Sie seien unter Zwang und Druck zum Abschluss dieses Vertrages genötigt worden, da anderenfalls die Vermieterin ihnen die Wohnung nicht gegeben hätte. Die Klägerin habe bezüglich der Bedingungen des Vertrages ihre Monopolstellung ausgenützt. Sie, die Beklagten, seien von der T über die tatsächlichen Kosten für die Wärmeversorgung getäuscht worden. Die Klägerin habe sich hinsichtlich der Preise nicht an die bestehenden Richtlinien und Verordnungen für den sozialen Wohnungsbau gehalten. Die Quadratmeterzahlen für die Wohnung seien nicht zutreffend ermittelt, da man auch den Balkon eingerechnet habe. Die Klägerin weigere sich, den Mietern Einsicht in ihre Berechnungsunterlagen zu geben und sie überprüfen zu lassen.
7Das Amtsgericht Düsseldorf hat durch Urteil vom 29. Nov. 1969 der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
8Gegen dieses Urteil haben die Beklagten frist- und formgerecht Berufung eingelegt und die Berufung auch rechtzeitig begründet.
9Sie wiederholen im wesentlichen ihre, im ersten Rechtszuge vertretene Rechtsauffassung und weisen erneut auf die Sittenwidrigkeit des Wärmelieferungsvertrages hin.
10Sie beantragen, unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
11Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
12Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und wiederholt ebenfalls im wesentlichen ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.
13Hinsichtlich des weiteren Vortrages wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien und die von ihnen überreichten Urkunden verwiesen.
14Entscheidungsgründe:
15Die zulässige Berufung ist gerechtfertigt.
16Die Gültigkeit des Wärmelieferungsvertrages vom 1. März 1967 kann dahinstehen. Auch braucht nicht erörtert zu werden, ob insoweit die Klägerin im ausreichendem Masse ihrer Behauptungspflicht nach § 138 ZPO nachgekommen ist.
17Selbst wenn der Klägerin Ansprüche aus §§ 433 ff. BGB gegen die Beklagten zustünden, so wären diese gemäss § 273 Abs. 1 BGB berechtigt, die geschuldete Leistung zu verweigern; sie haben nämlich einen durch IV. der Allgemeinen Lieferungsbedingungen der "F" gesicherten Anspruch auf Rechnungslegung. Ihm kommt die Klägerin nicht durch Übersendungen von Rechnungen nach, die sie allein für ausreichend und durchschaubar hält. Die Bestimmung des § 259 BGB verpflichtet sie vielmehr, erstens eine geordnete Zusammenstellung von Ein- und Ausgaben in einer solchen Weise vorzulegen, dass ein durchschnittlich gebildeter Schuldner sie begreifen und ohne mathematischen Hilfsmittel nachprüfen kann, und zweitens Belege dafür vorzulegen, soweit sie erteilt zu werden pflegen.
18Die von der Klägerin (ohne "Allgemeine Hinweise") vorgelegten Rechnungsablichtungen (Bl. 13, 14, 19) reichen weder nach ihrem Inhalt selbst noch nach dem Zusammenhange mit den Schriftsätzen der Parteien aus, um sie auf ihre sachliche Richtigkeit sowie auf ihre Übereinstimmung mit § 2 des Wärmelieferungsvertrages und die Kosten der Wärmeherstellung zu überprüfen, welche die Klägerin selbst in V. AGB zur Grundlage ihrer variablen Preisberechnung gemacht hat. Ob Dritte ("Neue Heimat", Gemeinden, Kartellamt) die Berechnungsmethode und die von der Kägerin ermittelten Rechnungswerte billigen, ist unerheblich. Jeder Staatsbürger hat ein Recht darauf, dass wenigstens das ordentliche Gericht -notfalls- mit Hilfe gerichtlich
19vereidigter Sachverständiger in den Stand gesetzt wird, eine Rechnung auf ihren wirklichen Gehalt nachzuprüfen. Das setzt aber nach dem Willen des Gesetzgebers (§ 138 ZPO) die Kundgabe von ins Einzelne gehenden Angaben voraus u. a. über die Bemessung der Geal-Werte sowie der Arbeits- und Grundpreise. Grundlagen der Rechtsfindung können -nicht privatgutachtliche Meinungsäusserungen sondern- nur exakte Tatsachen sein, die bei Bestreiten einer Beweiserhebung durch das Gericht standhalten müssen.
20Aber selbst wenn man annehmen wollte, die Kägerin hätte das Erfordernis einer nachprüfbaren Rechnung erfüllt, so würde das ohne Vorlage von Rechnungsbelegen zur Stützung ihrer Angaben nicht ausreichen. Ob die Erteilung von Belegen bei Wärmelieferungsverträgen üblich ist, mag zweifelhaft sein. Im vorliegenden Falle entspricht es aber einer vertraglichen Treuepflicht aus § 242 BGB, dass die Klägerin die Unterlagen über ihre Wirtschaftslichkeitsberechnungen gegenüber solchen Mietern nicht zurückhält, sie sich durch Sonderregelungen des "sozialen" Wohnungsbaues und durch eine Vermieterin geschützt fühlen dürfen, die ihr Unternehmen als "gemeinnützig" bezeichnet. Freilich hat eine solche, auf "gute Sitten" gegründete Anstandspflicht auch ihre Grenze; diese mag z. B. dann erreicht sein, wenn eine zu ihrer Überprüfung befugte staatliche Dienststelle (etwa das Arbeits- und Sozialministerium oder das Wohnungsbauministerium NW) im Interesse der Wahrung des Rechtsfriedens und der Gleichbehandlung die Berechnungsunterlagen objektiv auf ihre Übereinstimmung mit der derzeit gültigen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen geprüft und gebilligt hat. Ein Anlass aber, fliessenden Leistungsberechnungen eines Wärmelieferwerkes blindlings zu vertrauen, findet weder im Gesetz noch in dem zwischen Parteien abgeschlossenen Vertrage eine Stütze.
21Die im schuldrechtlichen Verhältnis der Parteien zueinander sicherlich wichtige Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Nov. 1968 (JZ. Nr. 10/69, Seite 334) hat unter den vorstehenden Umständen auf die getroffene Entscheidung keinen Einfluss. Wohl aber schliesst sich das erkennende Gericht im übrigen vollinhaltlich den Entscheidungen des Landgerichts Mannheim vom 29. Juli 1969 (6 T 8/69) und des
22Landgerichts Hamburg vom 14. April 1959 (16 T 88/59) an; sie stehen nicht im Gegensatz zu den Vorentscheidungen des Landgerichts Düsseldorf in 13 S 388/68 und 14 S 65/69, deren Sachverhalt sich mit dem der vorliegenden Sache nicht deckt.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 27 ZPO.
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