Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 9 O 605/78
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt .
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 950,— DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Tatbestand
2Der Beklagte ist seit 27. Juni 1975 Steuerbevollmächtigter und betreibt seit 30. Juni 1975 die von seinem Vater X übernommene Praxis im eigenen Namen, nachdem er bis zu diesem Zeitpunkt dessen Angestellter war. Der Vater des Beklagten stand zum Kläger bereits seit den Jahren 1965/66 in einem Mandatsverhältnis, wobei sich der ihm erteilte Auftrag mindestens auf die Erstellung der jeweiligen jährlichen Umsatz-, Gewerbe- und Einkommenssteuererklärungen erstreckte und im übrigen zwischen den Parteien weitgehend streitig ist. Die übernommenen Aufgaben wurden im Laufe der Zeit weitgehend dem Steuergehilfen X übertragen, der auch die den Kläger betreffenden Jahressteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 am 12. November 1975 erstellte.
3Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Gewerbebetriebs des Klägers im Jahre 1977, die die Jahre 1972 - 1975 erfasste, wurde festgestellt, dass für die Jahre 1972 und 1973 keine ordnungsgemäße Buchführung vorhanden war. Im Prüfungsbericht vom 14. Juni 1977 wird unter der Rubrik "Aufzeichnungen, Buchführung" ausgeführt, dass der Gewinn bis 1973 durch Einnahme - Überschuss-Rechnung ermittelt worden sei, entsprechende Aufzeichnungen jedoch lediglich über die Betriebsausgaben vorhanden seien, während die Einnahmen auf Schätzungen beruhten. Der Prüfungsbericht enthält im übrigen die Feststellung, dass an der am 4. April 1977 stattgefundenen Schlussbesprechung der Beklagte sowie sein jetziger Steuerberater X teilgenommen haben, sowie als Ergebnis den Vermerk: "Es wurde Übereinstimmung erzielt".
4Mit der bei Gericht am 31. Oktober 1978 eingereichten und dem Beklagten am 15. November 1978 zugestellten Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verletzung des Steuerberatervertrages in Anspruch, wobei er folgendes vorträgt:
5Die lediglich kalkulatorische Berechnung der Betriebseinnahmen der Jahre 1972 und 1973 durch den Gehilfen des Beklagten stelle eine gravierende Verletzung der steuerlichen Aufzeichnungspflicht dar. Aufgrund des bestehenden Vertragsverhältnisses sei der Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger auf die ihm bis dahin nicht bekannte Notwendigkeit der gesetzlich verlangten Grundaufzeichnungen hinzuweisen, bzw. ihm bei deren Erstellung Hilfe zu leisten. Mangels eines entsprechenden Nachweises durch ordnungsgemäße tägliche Aufzeichnungen seien die in den von dem Steuergehilfen X erstellten Steuererklärungen der Jahre 1972 und 1973 niedergelegte Angaben über die Betriebseinnahmen vom Finanzamt angezweifelt worden. Im Rahmen der Betriebsprüfung seien die Betriebseinnahmen durch eine sich im Rahmen der untersten Grenzen der amtlichen Richtsätze für die Gewerbeart des Klägers bewegende Richtschätzung für das Kalenderjahr 1972 um 17.000,- DM und für 1973 um 16.500,- DM erhöht worden. Aus diesen Zuschätzungen resultierten erhebliche Steuernachforderungen. Außerdem habe das Finanzamt Verspätungszuschläge erhoben, weil die Steuererklärungen für 1972 und 1973 erst im Jahre 1975 beim Finanzamt eingereicht worden seien. Die mit der Klage zunächst nur geltend gemachte Steuernachzahlung für das Jahr 1973 setze sich wie folgt zusammen:
6Umsatzsteuererhöhung DM 907,-
7Gewerbesteuererhöhung DM 1.980,-
8Einkommenssteuererhöhung DM 5.353,-
9DM 8.239,-
10Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer DM 570,-
11Verspätungszuschläge für Einkommens-
12Steuer DM 13,-
13vermeidbare Mehrbelastung DM 8.822,-
14Bei einer ordnungsgemäßen Beratung durch den Beklagten und fristgerechter Einreichung der Steuererklärungen wäre diese Mehrbelastung nicht entstanden.
15Der Kläger beantragt,
16den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.822,— DM nebst 4 % Zinsen seit dem Tage der Klagezustellung zu zahlen.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er beruft sich auf die Verjährung der Klageforderung und macht im übrigen geltend, dass der vom Kläger erhobene Anspruch diesem allenfalls gegenüber seinem Vater zustehe, er als Praxisnachfolger für dessen Verbindlichkeiten indessen nicht einzustehen habe. Dazu trägt er vor: Sein Vater habe das vom Kläger erteilte Mandat, das keinesfalls eine steuerliche Betreuung des Klägers insgesamt, sondern lediglich die Erstellung der Jahressteuererklärungen betroffen habe, bereits im Jahre 1973 nach Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 1971 niedergelegt. Der Grund dafür sei darin zu sehen, dass es der Kläger trotz zahlreicher Hinweise immer wieder unterlassen habe, die erforderlichen Belege hereinzugeben. Erst im Jahre 1975 sei der Kläger erneut im Büro seines Vaters erschienen und habe darum gebeten gegen die Steuerschätzungen für die Jahre 1972/73 etwas zu unternehmen. Er sei von Herrn X darauf hingewiesen worden, dass ein erfolgversprechender Einspruch nur mit Belegen möglich sei. Entsprechend seinen alten Gewohnheiten habe der Kläger das Versprechen, solche nachzureichen jedoch nicht erfüllt, so dass die Jahressteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 - und zwar in der Form des Einspruchs - zur Fristwahrung wie in den früheren Jahren zum großen Teil ohne Belege hätten erstellt werden müssen. Diese Steuererklärungen seien zwar zu einer Zeit erstellt worden, zu der er - der Beklagte - die Praxis seines Vaters bereits in eigener Verantwortung übernommen habe. Gleichwohl treffe ihn keine Pflichtverletzung, die für den vom Kläger geltend gemachten Schaden habe ursächlich werden können. Denn falls tatsächlich aus dem Mandatsverhältnis mit dem Kläger eine Pflicht zur Aufklärung über die erforderlichen Mindestaufzeichnungen bestanden habe, dann sei diese bereit: verletzt worden, als die Praxis noch alleinverantwortlich von seinem Vater geführt worden sei. Eine Haftung für die geltend gemachten Verspätungszuschläge sei überdies deshalb nicht gegeben, weil der Kläger sich um die Erstellung der Jahressteuererklärungen erst bemüht habe, nachdem seine Steuerschuld zuvor vom Finanzamt geschätzt worden sei. Die Steuernachzahlungen als solche aber könne der Kläger bereits deshalb nicht ersetzt verlangen, weil er sich ausweislich des Prüfungsberichts, ebenso wie sein jetziger Steuerberater, mit der Zuschätzung einverstanden erklärt habe, was nichts anderes bedeute , als das die Erhöhung der Betriebseinnahmen zu Recht erfolgt sei.
20Wegen des Parteivorbringens im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, den dem Beklagten nachgelassenen Schriftsatz vom 4. Januar 1979 sowie den Inhalt der überreichten Urkunden Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22Die Klage ist unbegründet.
23Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Schadenser-satzanspruch aus der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten (Aufklärungs- bzw. Beratungspflichten) eines zwischen den Parteien bestehenden Steuerberatervertrages bereits nach seinem eigenen Vorbringen nicht zu. Dabei mag es dahingestellt bleiben, ob ein derartiger Anspruch nicht ohnehin gemäß § 68 Steuerberatungsgesetz bzw. § 638 Abs. 1 BGB verjährt wäre. Die Begründetheit des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs scheitert u.a. nämlich bereits an der fehlenden Ursächlichkeit der dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzung für den dem Kläger angeblich erwachsenen Schaden, während eine möglicherweise tatsächliche ursächliche Pflichtverletzung seines Vaters dem Beklagten nicht zuzurechnen ist.
24Wenn der Kläger dem Beklagten vorwirft, dieser bzw. sein Steuergehilfe X habe ihn bei der Erstellung der Jahressteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 darüber Unklaren gelassen, dass für eine ordnungsgemäße Feststellung der Steuerpflicht die Vorlage gewisser Grundaufzeichnungen erforderlich sei, so muss er sich entgegenhalten lassen, dass ihn eine solche Aufklärung im Jahre 1975 ohnehin nicht mehr vor der Schätzung durch die Finanzbehörde hätte bewahren können. Denn die nach dem Vorbringen des Klägers fehlenden täglichen Aufzeichnungen über Warenein- und -abgänge bzw. Betriebseinnahmen ließen sich im Jahre 1975 für den hier alleine interessierenden Besteuerungszeitraum 1973 nicht mehr nachholen. Eine haftungsbegründete Pflichtverletzung könnte insoweit allenfalls den Vater des Beklagten getroffen haben, falls dieser - entgegen der Behauptung des Beklagten – es in den Jahren vor 1972 bzw. 197 3 unterlassen haben sollte, den Kläger im Rahmen des damals unstreitig bereits bestehenden Mandatsverhältnisses in entsprechender Weise aufzuklären. Für eine solchermaßen begründete Verbindlichkeit hätte der Beklagte allerdings nicht einzustehen. Denn eine Haftung des Beklagten nach § 25 HGB für die in der Praxis seines Vaters entstandenen Verbindlichkeiten scheitert bereits daran, dass es sich bei der Tätigkeit eines Steuerberaters nicht um ein Handelsgewerbe im Sinne dieser Vorschrift handelt.
25Liegen somit nicht einmal die eine Haftung des Beklagten überhaupt begründenden Merkmale vor, so fehlt es im übrigen auch an einem ersatzfähigen Schaden des Klägers, Ein solcher Schaden wäre nur dann entstanden, wenn der Kläger die bei der Betriebsprüfung zu seinen Lasten geschätzten Betriebseinnahmen in Wirklichkeit nicht erzielt hätte und somit eine Steuerpflicht in dem durch die Zuschätzungen bedingten Umfange nicht bestanden hätte. Anhaltspunkte, die einen solchen Schluss nahe legen könnten, sind jedoch in keiner Weise ersichtlich. Der Kläger hat schließlich selbst vorgetragen, dass die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung sich an der untersten Grenze der amtlichen Richtsätze für die Gewerbeart "Obst- und Gemüsehandel" orientiert habe. Damit ist aber gerade keine Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass die vorgenommene Schätzung zu hoch ausgefallen sein könnte.
26Gegen eine solche Annahme spricht im übrigen auch eindeutig die Tatsache, dass der Kläger - worauf der Beklagte mit Recht hinweist - sich ausweislich des Prüfberichts vom 14. Juni 1977 im Beisein seines jetzigen Steuerbevollmächtigten X selbst mit der Zuschätzung einverstanden erklärt hat. Anders kann nämlich der in Ziffer 5 dieses Berichts niedergelegte Prüfervermerk, wonach bei der Schlussbesprechung vom 4. April 1977 Übereinstimmung erzielt worden sei, nicht gedeutet werden Diese Einverständniserklärung hätte der Kläger wohl kaum abgegeben, wenn er der Ansicht gewesen wäre, die vorgenommenen Schätzungen liefen seinen Interessen zuwider. Auch hätte erwartet werden können, dass in diesem Fall der Steuerberater X Einwände erhoben hätte. Schließlich hat der Kläger die aufgrund der Schätzungen ergangenen Steuerbescheide auch rechtskräftig werden lassen, was ein weiteres Indiz für deren inhaltliche Richtigkeit darstellt. Angesichts dieses Sachverhalts hätte es am Kläger gelegen, in substantiierter Weise vorzutragen, warum die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung gleichwohl zu einer überhöhten Besteuerung geführt habe.
27Der Kläger kann auch keinen Erfolg haben, soweit er den Beklagten auf Erstattung der angeblich gegen ihn festgesetzten Verspätungszuschläge in Anspruch nimmt. Denn da er, wie mittlerweile zwischen den Parteien unstreitig ist, den Beklagten erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1975 mit der Abgabe der Steuererklärung für die Jahre 1972 und 1973 beauftragt hat kann er eventuelle Verspätungszuschläge nicht dem Beklagten anlasten. Dass der Beklagte bzw. seine Mitarbeiter die Bearbeitung der Jahressteuererklärungen als solche verzögerlich behandelt hätten, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen.
28Die Klage war somit in vollem Umfange abzuweisen.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Ziffer 11, 711 Satz 1 ZPO.
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