Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 20a S 106/83
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. Mai 1983 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf - 39 C 6o2/82 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7o9,33 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Oktober 1982 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen, die weitergehende Klage abgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3-
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.
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Entscheidungsgründe
2Die Berufung der Beklagten ist zulässig und zum Teil begründet.
3Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Unfallschadens gemäß § 7 Abs. 1 StVG in Höhe von 7o9,33.DM zu.
4Der Unfall war für die Beklagte nicht unabwendbar im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG. Vielmehr steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass sie mit ihrem Fahrverhalten gegen §§ 4 Abs. 1 S. 2 und 7 Abs. 4 S. 2 StVO verstoßen hatte. Nach der Bekundung des Zeugen XXX hatte die vor ihm auf der rechten Fahrspur der Rheinkniebrücke in Richtung Rheinallee-Tunnel fahrende Beklagte scharf gebremst, um in eine Lücke der sich auf der linken Fahrspur befindenden Fahrzeugschlange einzufahren. Diesen beabsichtigten Fahrstreifenwechsel hatte sie nach der weiteren Aussage nicht zuvor durch Blinkzeichen angekündigt. Diese Aussage ist glaubhaft. Sie stimmt überein mit den Angaben des Zeugen, welche er ausweislich der Bußgeldakte des Oberstadtdirektors der Stadt Düsseldorf - V 523-4-677-O-SB 1o - unmittelbar nach dem Unfall gegenüber dem unfallaufnehmenden Polizeibeamten gemacht hatte. Diesem hatte er erklärt, "Die Frau ging stark in die Bremse". Für die Richtigkeit der Zeugenaussage spricht auch die von der Beklagten selbst in erster Instanz gegebene Unfallschilderung. Danach war sie mit einer um ca. 2o km/h höheren Geschwindigkeit an dem sich auf der linken Fahrspur befindenden Fahrzeugstau vorbeigefahren und hatte, als sie eine Lücke entdeckte, ihr Fahrzeug abgebremst. Diese Unfallschilderung der Beklagten weicht damit im wesentlichen nur hinsichtlich der Intensität des Bremsvorganges von den Angaben des Zeugen ab. Bedenken, den Angaben des Zeugen den Vorzug zu geben, bestehen nicht. Die Aussage des Zeugen ist im wesentlichen Kern in sich schlüssig und nachvollziehbar. Soweit er im weiteren Verlauf seiner Vernehmung bekundet hat, die Fahrzeuge auf der linken Fahrspur seien fast mit der gleichen Geschwindigkeit wie die auf der rechten Fahrspur gefahren, kann dem keine größere Bedeutung beigelegt werden. Zuvor hatte der Zeuge unmissverständlich angegeben, hinsichtlich der Geschwindigkeit auf der linken Spur könne er keine Angaben machen. Zudem steht bereits aufgrund des übereinstimmenden Parteivortrages erster Instanz fest, dass sich auf der linken Fahrspur eine Fahrzeugschlange mit einer Geschwindigkeit von lediglich 3o km/h vorwärts bewegte. Bei diesen Gegebenheiten ist aber das von dem Zeugen bekundete starke Abbremsen der mit c. 5o-6o km/h vorausfahrenden Beklagten, um nach links herüber in eine Lücke einzuscheren, in sich schlüssig. Das danach als erwiesen anzusehende starke Abbremsen der Beklagten war nicht durch einen zwingenden Grund im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 StVO gerechtfertigt. Ein solcher liegt nur in Fällen einer plötzlichen ernsten Gefahr vor (vgl. OLG Düsseldorf VM 1975, 7). Eine solche war nicht gegeben.
5Bei der gemäß § 17 StVG erforderlichen Abwägung erscheint eine Haftungsverteilung von 2/3 zu Lasten des Klägers und 1/3 zu Lasten der Beklagten gerechtfertigt. Auch der Kläger haftet für die Unfallfolgen gemäß § 7 Abs. 1 StVG, da der Unfall für ihn kein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG darstellte. Vielmehr trifft ihn ein erhebliches unfallursächliches Verschulden. Er war auf den vorausfahrenden Zeugen XXX aufgefahren, der entweder bereits ebenfalls auf das Fahrzeug der Beklagten aufgefahren war oder aber durch den Aufprall des Klägers auf den PKW der Beklagten geschoben wurde. Fährt aber ein Verkehrsteilnehmer auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auf, so ist nach den Regeln des Beweises des ersten Anscheines ein unfallursächliches Verschulden anzunehmen, weil der Auffahrende entweder keinen genügenden Abstand eingehalten oder aber zu spät gebremst hatte (vgl. hierzu Frankfurt, VersR 1973, 719, 72o; OLG Stuttgart, VersR 45, 243).
6Diesen Anschein eines ihn treffenden Verschuldens hat der Kläger nicht ausgeräumt. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gebietet es, gemäß § 4 Abs. 1 StVO zu dem vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer einen hinreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten und den weiter vorausfahrenden Verkehr sorgfältig zu beobachten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger bei Beachtung dieser Sorgfalt nicht das Abbremsen der Beklagten hätte rechtzeitig erkennen und hierauf reagieren können. Nach der Aussage des Zeugen Becker hätte dieser ohne das Auffahren des Klägers seinen PKW noch hinter dem Wagen der Beklagten anhalten können oder wäre zumindest nur leicht auf diesen aufgefahren. Hätte der hinter dem Zeugen fahrende Kläger zu diesem einen hinreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und die vorausfahrende Beklagte sorgfältig beobachtet, so hätte für den Kläger erst recht ein Anhalten möglich sein müssen. Bei einem unverzüglich nach Aufleuchten der Bremslichter am Beklagtenfahrzeug eingeleiteten Abbremsen hätte ihm eine hinreichende Bremsstrecke zur Verfügung gestanden. Dieses nach dem Beweis des ersten Anscheins feststehende unfallursächliche Verschulden hatte die von dem PKW des Klägers ausgehende Betriebsgefahr erheblich gesteigert. Die Vorschriften über den Sicherheitsabstand dienen dazu, eine der häufigsten Ursachen von Straßenverkehrsunfällen zu vermeiden. Dabei liegt die Verantwortung in erster Linie bei dem nachfolgenden Verkehrsteilnehmer, der den Vorausfahrenden weitaus besser beobachten kann als umgekehrt der Vorausfahrende den Nachfolgenden. Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, den Haftungsanteil des Auffahrenden doppelt so hoch wie den des Vorausfahrenden zu bewerten, der ohne verkehrsgemäßen Grund plötzlich bremst (vgl. hierzu KG VM 1976, 60).
7Entsprechend dieser Haftungsverteilung kann der Kläger Ersatz seines Unfallschadens in Höhe von 7o9,33 DM verlangen. Nach dem mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils beträgt der Unfallschaden des Klägers insgesamt 2.128,— DM. Ein Drittel hiervon macht den oben ausgeworfenen Betrag aus.
8Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 291, 288 BGB begründet.
9Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
10Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.064,-- DM
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Referenzen
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