Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 38 O (Kart.) 70/85
Tenor
1.)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.743.133,90 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.11.1983 von 786.474,75 DM zu zahlen, davon einen Betrag in Höhe von 500.000,-- DM nebst 15 % Zinsen seit dem 30.5.1980 an die C Bank, Niederlassung der E Bank Aktiengesellschaft, C, juristischer Sitz G, gesetzlich vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch die Direktoren C und I.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2.)
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 5/14 und die Beklagte zu 9/14.
3.)
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung, die auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Großbank oder Sparkasse erbracht werden kann, in Höhe von 4.650.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.
1
Die Beklagte unterhält einen Tiefkühl-Heimdienst und beliefert Endverbraucher in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlins mit Tiefkühlkost. Der Vertrieb erfolgt über unselbständige Niederlassungen und selbständige Gewerbetreibende, mit denen Franchise-Verträge abgeschlossen werden.
2Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht der P GmbH & Co. KG P, beide vertreten durch den Kaufmann W. Herr W hatte zunächst per 13.6.1980 zwei Franchise-Verträge, und zwar für den Bereich M und für den Bereich P persönlich unterzeichnet. Anschließend hat er mit Zustimmung der Beklagten für den Bereich M die Einzelhandelsfirma O1 für das Gebiet M gegründet, dessen alleiniger Gesellschafter er war. Für den Bereich P hat der Zeuge W eine Firma gegründet unter dem Namen U GmbH an der zunächst ein weiterer Gesellschafter - Herr C - beteiligt war, der nach einem Jahr wieder aus dem Unternehmen ausgeschieden ist.
3Im November 1983 geriet der ehemalige Franchise-Nehmer W in finanzielle Schwierigkeiten. Die Klägerin trägt vor, am 18., 19. und 21.11.1983 hätten Gespräche stattgefunden. Gegen die Zusage des Geschäftsführers der Beklagten für die Kundenliste des Herrn W 500.000,-- DM aus privaten Mitteln zur Verfügung zu stellen, habe dieser die Kundenliste und weitere Unterlagen übergeben. Die Beklagte habe zunächst die Lkw's an sich genommen, dann jedoch wieder zur Verfügung gestellt. Sie habe Mietverträge für die beiden Lager abgeschlossen, in denen sich die Tiefkühlware der Beklagten befunden habe; die Verträge jedoch kurzfristig wieder gekündigt. Sie habe schließlich Verträge mit den bisherigen Verkaufsfahrern des Herrn W abgeschlossen und die bisherigen Kunden mit den bisherigen Verkaufsfahrern mit ihren Produkten weiter beliefert. Der Betrag von 500.000,-- DM sei nicht gezahlt worden. Am 21.11.198.3 habe die Beklagte die fristlose Kündigung des Franchise-Vertrages ausgesprochen .
4Die Klägerin trägt vor, die von der Beklagten geforderten Umsätze hätten die Franchise-Partner zu erheblichen Investitionen gezwungen, ihnen aber nicht den Spielraum gelassen, diese Finanzierung durch die "Gewinnspanne" zu tragen. Infolge dessen habe sich die Verlustsituation wie folgt entwickelt:
5Für das Gebiet M
6im Jahre 1979 einen Verlust von 149.746,49 DM,
7im Jahre 1980 einen Verlust von 118.899,26 DM,
8im Jahre 1981 einen Verlust von 38.160,04 DM
9und im Jahre 1982 einen Verlust in Höhe von 30.783,51 DM.
10Für das Gebiet P
11im Jahre 1979 einen Verlust in Höhe von 139.095,57 DM
12im Jahre 1980 einen Verlust in Höhe von 38.759,74 DM
13im Jahre 1981 einen Verlust in Höhe von 16.450,74 DM
14und im Jahre 1982 einen Gewinn in Höhe von 18.797,38 DM
15Die Klägerin trägt weiter vor, obwohl die Beklagte habe wissen müssen, daß der von ihr geforderte Umsatz nur mit einer hohen Verschuldung habe erreicht werden können, habe sie nicht nur nichts getan, sondern es habe ihrer Absicht entsprochen, andere Gewerbetreibende für sich arbeiten zu lassen bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie bei einem Konkurs des Franchise-Partners das Unternehmen zu den Steuerbilanzwerten habe übernehmen können.
16Die Klägerin begehrt zunächst die Feststellung der Unwirksamkeit des Franchise-Vertrages. Sie meint, daß der Vertrag nichtig sei, weil er die Franchise-Partner in ungewöhnlicher Weise rechtlos stelle und sie zwangsläufig in eine fortschreitende wirtschaftliche Abhängigkeit führe. Die Klägerin hebt insbesondere folgende Vertragsbedingungen hervor:
17§ 4 Punkt 2:
18Nach dieser Vorschrift werde der Franchise-Nehmer gehindert, das Geschäft im Rahmen einer Kapitalgesellschaft, insbesondere mit weiteren Gesellschaftern zu führen, wodurch er bei der Kapitalaufnahme behindert werde.
19§ 4 Punkt 3
20Nach dieser Vorschrift werde eine persönliche, unmittelbare und unbeschränkte Haftung des Franchise-Nehmers gegenüber dem Franchise-Geber festgeschrieben, und zwar auch dann, wenn die Geschäfte über eine Kapitalgesellschaft abgewickelt würden.
21§ 4 Punkt 4 räume dem Franchise-Geber, wenn dieser die Zustimmung zu einer Kapitalgesellschaft erteilt habe, die Möglichkeit ein, dieses Recht zu widerrufen, wenn der Franchise-Geber "Anlaß zu der Annahme" habe, der Franchise-Nehmer erfülle seine Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß.
22§ 6 Punkt 1 sehe Umsatzsteigerungen vor, die nur unter enormen Investitionen möglich seien. Gemäß Vertrag vom 13.6.1980 waren für P folgende Mindestumsätze vorgesehen:
23- 1.800.000,-- DM,
24- 2.700.000,-- DM,
25- 4.000.000,-- DM,
26- 6.000.000,-- DM,
27- 8.000.000,-- DM
28und danach jährlich mindestens 8.000.000,-- DM.
29Für den Bereich M waren folgende Mindestumsätze vorgesehen:
301979 500.000,-- DM,
31- 1.300.000,-- DM,
32- 2.600.000,-- DM,
33- 4.800.000,-- DM,
34- 8.000.000,-- DM und danach jährlich
35mindestens 8.000.000,-- DM.
36Die Klägerin weist ferner auf § 6 Punkt 2 hin, demgemäß der Franchise-Nehmer bereits bei Vertragsbeginn erhebliche Investitionen tätigen muß. Er muß zu Vertragsbeginn und für die Dauer des Vertrages auf seine Kosten Tiefkühllagermöglichkeiten, Büroräume, Spezial-Tiefkühlfahrzeuge sowie alle mit der Lagerung von Tiefkühlspezialitäten und deren Vertrieb erforderlichen Ausstattungen und Einrichtungen sowie Betriebsmittel funktionstüchtig und in einwandfreien gepflegtem Zustand zur Verfügung stellen.
37Die Klägerin hält die in § 6 Punkt 4 vorgesehene Regelung der AIleinbezugsverpflichtung für ein wesentliches Mittel zur wirtschaftlichen Knebelung des Franchise-Nehmers. Sie weist darauf hin, daß den Franchise-Nehmern unter anderem auch in der Präambel des Vertrages einmalige Einkaufsvorteile zugesagt worden seien und zwar gegenüber dem freien Markt (§ 5 Punkt 2), so daß diese davon hätten ausgehen können, unter günstigen Umständen einen Vertrieb der Tiefkühlspezialitäten aufnehmen zu können. Tatsächlich habe sich jedoch herausgestellt, daß die von der Beklagten berechneten Bezugspreise erheblich ungünstiger seien als die freien Marktpreise, also die Preise, die der Franchise-Nehmer zu zahlen hätte wenn er auf dem freien Großmarkt einkaufen würde.
38Die Klägerin trägt vor, die Beklagte sei wiederholt aufgefordert worden, die Preise zurückzunehmen. Sie habe dies jedoch unter Hinweis auf § 5 Ziffer 2, 3 und 4 zurückgewiesen. Sie habe erklärt, daß sie die Preise berechnet habe, die sie selbst ihren eigenen Niederlassungen gewähre. Hierbei wird jedoch nach Meinung der Klägerin übersehen, daß die eigenen Niederlassungen keine Franchise-Gebühren zu zahlen haben. Die Klägerin weist ferner auf § 9 Abs. 1 und § 11 hin. Sie sieht eine besondere Arglist der Beklagten darin, daß der "Rohgewinn", nach dem sich die Franchise-Gebühr richtet, nicht der tatsächlich erzielte Rohgewinn sein soll, sondern die Differenz zwischen dem Gesamtumsatz nach Maßgabe der "empfohlenen C2 Bruttoverkaufspreise und den C2 Niederlassungspreisen andererseits". Das bedeute im Ergebnis, daß der Franchise-Nehmer seine Preise nicht frei bestimmen könne, weil er an die festgeschriebene Franchise-Gebühr auf der Grundlage eines willkürlich festgesetzten höheren Preises gebunden sei. Er sei, schon um die Franchise-Gebühr zu erwirtschaften, an den überhöhten Richtpreis gebunden.
39Die Franchise-Gebührenstaffel sieht gemäß dem Vertrag für P wie folgt aus:
40Bis 29,9 % Rohgewinn 2 % des Gesamtumsatzes,
41ab 30 % 2,50 %,
42ab 30,5 % 2,75 %,
43ab 31 % 3 %,
44ab 31,5 % 3,25 %,
45ab 32 % 3,50 % zuzüglich Mehrwertsteuer.
46Die Franchise-Gebührenstaffel für den Bereich M sieht die gleichen Gebührensätze vor.
47Die Klägerin hält die Abhängigkeit der Franchise-Gebühr von den vorgegebenen Verkaufspreisen für rechtsmißbräuchlich und sieht darin einen Verstoß gegen § 15 GWB. Sie meint, die Bindung werde auch dadurch verstärkt, daß die Franchise-Nehmer sehr weitgehend in den Werbemaßnahmen beschränkt seien (§ 5 Abs. 2 und § 6 Ziffer 6). Dies habe zur Folge, daß durch kurzfristige Neufassung und Auslieferung von Werbeunterlagen mit vorgegebenen und aufgedruckten Verkaufspreisen letztlich die Abgabe nur zu diesen Verkaufspreisen möglich sei. Hinzu komme, daß zwar nach § 9 Abs. 1 des Franchise-Vertrages die C2 Bruttoverkaufspreise für den Franchise-Partner lediglich empfohlene Verkaufspreise seien, die Programme der Beklagten für ihre Franchise-Nehmer und die Endverbraucher aus den Jahren 1979 bis 1984/85 bis einschließlich des Sommerprogramms 1982 keinen einzigen Hinweis auf irgendeine Preisempfehlung enthielten und in der Folgezeit lediglich auf der ersten Seite einen kleinen Hinweis auf empfohlene Preise. Die Beklagte habe im übrigen unmißverständlich deutlich gemacht, daß sie von allen Franchise-Nehmern die strikte Einhaltung der Preise verlange. Es liege daher ein Verstoß gegen § 15 GWB mit der Folge vor, daß das gesamte Vertragswerk nichtig sei.
48Die Klägerin meint, ein weiteres Beispiel für die Knebelung des Franchise-Nehmers sei die Gestaltung der Einkaufspreise. Die Einkaufspreise der Franchise-Nehmer sollten denen entsprechen, die den C2 Niederlassungen berechnet werden. Die Klägerin weist zunächst darauf hin, daß die Nachprüfung der richtigen Ermittlung dieser Preise von einer unzumutbar hohen Schranke abhängig gemacht werde, weil die Beklagte nur "auf begründetes Verlangen" des Franchise-Nehmers verpflichtet sei, den Nachweis dafür anzutreten, daß die C2-eigenen Niederlassungen ebenfalls auf Basis der C2 Niederlassungspreise beliefert würden. Die C2-Preise sollten selbst dann noch gerechtfertigt sein, wenn die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeitenden C2-eigenen Niederlassungen mit diesen Preisen zurechtkämen, selbst, wenn diese Preise gegenüber dem sonst allgemein üblichen Preisniveau überhöht seien. Da die C2-eigenen Niederlassungen nicht den Zwängen ausgesetzt seien, denen die Franchise-Partner durch die Beklagte ausgesetzt seien und demgemäß zum Beispiel im Falle einer ausreichenden eigenen Kapitaldecke eine ganz andere Kalkulation durchführen könnten als die Franchise-Partner, sei die Vergleichsbasis für die Ermittlung angemessener Preise willkürlich zu Gunsten der Beklagten angenommen und benachteilige in schwerstem Maße den Franchise-Partner, besonders dann, wenn man in Betracht ziehe, daß zu den C2-Preisen noch die Frachtkosten hinzu kämen (§ 5 Abs. 3 des Vertrages). Darüber hinaus sei den Franchise-Partnern durch die Alleinbezugsverpflichtung eine Ausweichmöglichkeit auf andere Bezugsquellen genommen.
49Die Klägerin trägt weiter vor, durch die Vorschrift des § 16 werde der Franchise-Nehmer nach Vertragsbeendigung faktisch rechtlos gestellt. Ein Vorerwerbsrecht des Franchise-Gebers sei zwar grundsätzlich zulässig. In hohem Maße mißbräuchlich sei aber bereits, daß der Franchise-Geber berechtigt sein solle, "nach seiner Wahl entweder den gesamten Betrieb oder einzelne Aktiva und Passiva zu übernehmen". Er könne hierdurch willkürlich einzelne, ihm wichtige Gegenstände aus dem Betrieb herauslösen und den Betrieb in einer im übrigen veräußerungsunfähigen Einheit zurücklassen. Mißbräuchlich sei auch, daß die Übernahme lediglich zu Werten zu erfolgen habe, die sich gemäß Übernahmebilanz nach ertragssteuerlichen Grundsätzen aus der Steuerbilanz ergäben. Diese Steuerbilanzwerte entsprächen nicht den tatsächlichen Wertverhältnissen, so daß hier bei entsprechenden Abschreibungen erhebliche Wertminderungen, wenn nicht gar der vollständige Wertverlust durch den Franchise-Nehmer hinzunehmen sei. Der Franchise-Nehmer müsse daher, obwohl er hohe Investitionen vorgenommen habe, mit seinem dann bei ihm verbleibenden Restgeschäftsbetrieb, den er nicht zu nutzen in der Lage sei, wirtschaftlich zusammenbrechen.
50Auch das dem Franchise-Nehmer gemäß § 16 Ziffer 1.6 auferlegte Wettbewerbsverbot sei sittenwidrig, weil es schon bei Übernahme nur geringwertiger Wirtschaftsgüter durch den Franchise-Geber in Kraft trete. Unwirksam sei auch die Entschädigungsregelung gemäß Ziffer 1.7. Die im Aufbau befindlichen Franchise-Nehmer-Betriebe seien ohne jeden Gewinn, so daß 50 % des zu versteuernden Jahresgewinnes nicht zum Tragen kämen und daher lediglich 5 % des Jahresumsatzes gezahlt würden. Bei den Gesellschaften des Herrn W würde diese Karenzentschädigung etwa 250.000,-- DM bzw. 150.000,-- DM entsprechen. Da diese - unausgesprochen - eine Abfindung für den Kundenstamm bedeute, weil letztlich die Ausübung des Wettbewerbsverbotes die Wertlosigkeit des Kundenstammes zur Folge habe, sei die Vereinbarung sittenwidrig, denn im Falle der Gesellschaften des Herrn W müsse die Abfindung insgesamt über 2,5 Millionen DM betragen. Der Übergang des Kundenstammes auf den Franchise-Geber ergebe sich aus den Vertragsklauseln über das Ankaufsrecht des Franchise-Gebers und das Wettbewerbsverbot des Franchise-Nehmers. Hieraus folge wirtschaftlich ein Übergang der Kunden auf den Franchise-Geber. Der Franchise-Geber könne das Vertragsgebiet ungehindert und kostenlos übernehmen.
51Die Klägerin meint, daß die Beklagte den Kundenstamm so zu bewerten habe, wie sie ihn selbst bei Übertragung von Kunden an ihre Franchise-Nehmer bewerte. Im Falle des Franchise-Nehmers T habe die Beklagte bei Abschluß des Franchise-Vertrages 1.700 Kundenanschriften zur Verfügung gestellt. Die Beklagte habe 249.000,-- DM verlangt; das bedeute 146,47 DM pro Kunde. Später seien Verhandlungen über den Rückkauf einiger dieser Kunden erfolgt. Die Beklagte habe pro Kunde nur 25,-- DM zahlen wollen. Da der Franchise-Nehmer T hiermit nicht einverstanden gewesen sei, habe die Beklagte pro abgegebenen Kunden einen neuen Kunden in dem Gebiet des Franchise-Nehmers T geworben und auf diesen übertragen.
52Die Klägerin trägt weiter vor, im Jahre 1984 sei die Beklagte interessiert gewesen, von dem Franchise-Nehmer M (Raum T) Kundenanschriften zu erhalten, aus einem Gebiet, das nicht zum Kerngebiet dieses Franchise-Nehmers gehört habe. Hierbei habe man sich auf eine Kundenbewertung von 75,-- DM je Kunde geeinigt.
53Die Klägerin trägt weiter vor, Grundlage für die Bewertung eines Kunden sei eine Hochrechnung, die die Beklagte in ihrem eigenen Hause durchgeführt habe:
54Danach koste ein Tiefkühl-Lkw die Beklagte monatlich ca. 7.000,-- DM. Ein mit einem solchen Tiefkühl-Lkw bestückter Akquisiteur koste daher pro Tag 7.000,--DM : 20 = 350,-- DM. Im Durchschnitt erwerbe ein guter Akquisiteur täglich 4,2 Kunden. Damit koste jeder Kunde mindestens 83,33 DM. Ein schlechter Akquisiteur erreiche in einem schwierigen Vertriebsgebiet nur 1 bis 2 Kunden pro Tag, dadurch verdoppelten sich die Kosten. Eine Kundenanschrift werde daher im Hause der Beklagten mit 83,33 DM (niedrigster Wert) bis zu 186,66 DM (höchster Wert) bewertet, d.h. gehandelt.
55Die Klägerin weist ferner darauf hin, daß nach § 16 Ziffer 1.9 des Vertrages das Vorerwerbsrecht im Falle der ordentlichen Kündigung spätestens 6 Wochen vor der Vertragsbeendigung und im Falle der fristlosen Kündigung innerhalb von 2 Wochen nach Ausspruch der Kündigung auszuüben ist. Das Wettbewerbsverbot sei ein "bedingtes Wettbewerbsverbot", weil es von einer kurz vor oder sogar erst nach Vertragsbeendigung stattfindenden Entschließung der Beklagten abhänge, ob sie ein Vorerwerbsrecht ausübe und damit ein Wettbewerbsverbot in Kraft setze. Ein solches bedingtes Wettbewerbsverbot sei knebelnd und daher nichtig.
56Die Klägerin weist darüber hinaus darauf hin, daß nach der ihrer Meinung nach zutreffenden Ansicht des Landgerichts Wuppertal ein Wettbewerbsverbot für die Dauer von 2 Jahren auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beklagten als zu lang erscheine. Die Beklagte habe die Möglichkeit, durch den Wegfall des Franchise-Partners in das von diesem erschlossene Verkaufsgebiet einzudringen und im Zeitraum eines Jahres eine Stellung aufzubauen, die für den ehemaligen Franchise-Partner unangreifbar sei. Die Klägerin vertritt darüber hinaus die Meinung, das wesentliche Bestimmungen des Franchise-Vertrages gegen das gemeinschaftsrechtliche Kartellverbot des Artikels 85 Abs. 1 EWG-Vertrag verstießen und diese Bestimmungen auch nicht von diesem Verbot nach Artikel 85 Abs. 3 EWG-Vertrag freigestellt seien. Diese Auffassung werde nunmehr durch die "Pronuptia "-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bestätigt.
57Ausgehend von der Nichtigkeit des Franchise-Vertrages macht die Klägerin aus abgetretenem Recht folgende Ansprüche geltend:
581.)
59Rückzahlung sine causa geleisteter Franchise-Gebühren,
602.)
61bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen Ausnutzung des Alleinbelieferungsrechtes zu Überpreisen,
623.)
63Vergütung für den von der Beklagten übernommenen Kundenstamm.
641.
65Die Gesellschaften des Herrn W haben während der Vertragszeit Lizenzgebühren in Höhe von 1.209.963,02 DM gezahlt. Die Klägerin trägt vor, der Rückzahlungsanspruch ergebe sich bereits aus der Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Er wäre der Höhe nach gemindert, wenn der Zahlung von Lizenzgebühren echte Gegenleistungen gegenüberstünden, weil der Lizenznehmer um diese Leistungen des Lizenzgebers bereichert wäre (Stumpf: "Der know-how-Vertrag", Seite 52 ff.).
66Die Leistungen der Beklagten sind in § 5 des Vertrages niedergelegt, gemäß Ziffer 1.1 Beratung in allen mit dem optimalen Aufbau eines Tiefkühlheimdienstes nach dem C2-System und bei seiner Durchführung auftretenden Fragen, nach Ziffer 1.2 Beratung in betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Fragen sowie Versicherungsangelegenheiten; nach Ziffer 2.2 die Lieferung der notwendigen Produkte und Leistungen zu günstigeren Preisen und Konditionen entsprechend den den firmeneigenen Niederlassungen in Rechnung gestellten Preisen, gemäß Ziffer 2.1 die Möglichkeit des Einkaufs des gesamten Sortiments bei der C2-Zentrale. Gemäß Ziffer 2.2 stellt die Beklagte Werbekataloge und Prospekte, Rechnungsblocks sowie Werbe- und Druckschriften zur Verfügung; diese sind jedoch von dem Franchise-Partner zu bezahlen. Die C2-Niederlassungspreise beinhalten nicht die Frachtkosten für die Anlieferung; diese hat der Franchise-Partner zu tragen. Alle etwaigen weiteren Lieferungen und Leistungen sind nach Ziffer 6 besonders zu vereinbaren und zu vergüten.
67Die Klägerin trägt vor, eine echte Beratung vor Unterzeichnung des Vertrages oder eine Wirtschaftlichkeitsberechnung habe die Beklagte bisher bei keinem Franchise-Nehmer erbringen können. Sie sei hierzu auf Grund des ihr zur Verfügung stehenden Personals gar nicht fähig. Es sei aber ihre Pflicht gewesen, darauf hinzuweisen, daß ein Franchise-Nehmer ein Mindesteigenkapital haben müsse und nicht ohne Eigenkapital mit Hilfe von Banken ein Franchise-Unternehmen vom ersten Tag an fremdfinanzieren lassen könne. Die Beklagte habe auch die in § 5 Ziffer 2 angegebenen Leistungen nicht erbracht. Es sei zwar richtig, daß sie zentral einkaufe. Sie gebe die ihr selbst gewährten Einkaufsvorteile jedoch nicht weiter. Die Klägerin meint, sie müßte sich auch nicht etwa eine Warenzeichenlizenz in Höhe von 0,5 % vom Nettoumsatz anrechnen lassen, weil die Beklagte überregional überhaupt keine Werbung betreibe und deshalb der Bekanntheitsgrad des Warenzeichens nicht gefördert werde. In den jeweiligen Gegenden, in denen die Beklagte die Zusammenarbeit mit Franchise-Nehmern begonnen habe, sei sie völlig unbekannt gewesen. Es seien vielmehr die Franchise-Nehmer, die durch die Erschließung des Gebietes die Beklagte erst bekannt machten.
682.
69Die Klägerin trägt weiter vor, die Beklagte habe nicht etwa ihren Franchise-Nehmern marktübliche Preise in Rechnung gestellt, d.h. ihre Produkte zu denjenigen Preisen geliefert, die zumindest der Großhandel den Einzelhändlern in Rechnung stellen würde, sondern sie habe zusätzlich im Durchschnitt 16 % abgeschöpft, d.h. sich um diese 16 % ungerechtfertigt bereichert. Hierbei müsse man berücksichtigen, daß die Beklagte ebenso wie die anderen Großhändler mit einer Marge von mindestens 30 % arbeite. Hinzu kämen noch Sonderrabatte und Rückvergütungen. Es sei daher davon auszugehen, daß die Beklagte neben der Marge von 30 bis 38 % des normalen Großhändlers auf Kosten der Franchise-Nehmer mindestens weitere 16 % kassiert habe. Durch den Abnahmezwang sei den Franchise-Nehmern ein Ausweichen auf andere Lieferanten verwehrt gewesen, weil sie andernfalls eine fristlose Kündigung riskiert hätten. Die Klägerin berechnet den Bereicherungsanspruch wie folgt:
70Es seien folgende Umsätze getätigt worden
71a) in den Jahren 1979 bis zum Ende im Bereich P 12.780.478,-DM,
72b) in den Jahren 1979 bis 1982 in M 23.887.561,-DM
73Gesamtumsatz: 36.668.039,- DM
74abzüglich 14 % Mehrwertsteuer 5.133.525,40 DM
75Nettoumsatz: 31.534.514,60 DM
76Die Klägerin macht zunächst nur Überpreise in Höhe von 10 % geltend. Dies macht aus einen Betrag von
773. 153.451 ,46 DM.
78Sie bringt in Abzug die unstreitige Gegenforderung in Höhe von 312.819,12 DM,
79so daß 2.840.632,34 DM
80verbleiben.
81Die Klägerin trägt hierzu weiter vor, soweit sich die Beklagte darauf berufe, daß die von ihr angegebenen Preise mit denen anderer Großhändler nicht vergleichbar seien, sei dies unrichtig. Die Beklagte sei selbst nur ein Handelsunternehmen in Form eines Großhändlers und kein Fertigungsbetrieb.
823.
83Die Klägerin verweist hinsichtlich der Bewertung der von der Beklagten übernommenen Kunden auf ihre obigen Ausführungen und berechnet pro Kunde einen Betrag von 100,-- DM, so daß sich eine Gesamtforderung in Höhe von 2.545.900,-- DM ergibt.
84Die Klägerin begehrt darüber hinaus Feststellung der Nichtigkeit der Franchise-Verträge sowie Verurteilung der Beklagten zur Auskunft darüber, welchen Gewinn sie aus dem rechtswidrigen Besitz des Kundenstammes des ehemaligen Franchise-Nehmers W in der Zeit vom 20.11.1983 bis zur Klagezustellung gezogen habe. Zur Begründung verweist die Klägerin darauf, daß die Beklagte - wie sie oben dargelegt habe - durch Täuschung in den Besitz der Kundenadressen gekommen sei und der Besitz daher rechtswidrig sei. Sie ziehe daher auch in rechtswidriger Weise Nutzungen hieraus.
85Die Klägerin hat zunächst Klage erhoben mit dem Antrag,
861.
87die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung, mindestens 1.913.975,-- DM Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an dem Kundenstamm für die Bereiche M und P zu zahlen;
882.
89die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, welchen Gewinn sie aus dem rechtswidrigen Besitz des Kundenstammes des ehemaligen Franchise-Nehmers W gemäß Klageantrag zu 1) in der Zeit vom 20.11.1983 bis zur Klagezustellung gezogen habe;
903.
91festzustellen, daß die Franchise-Verträge zwischen der Beklagten und ihrem ehemaligen Franchise-Nehmer W für die Ortschaften M und P vom 13.6.1980 unwirksam sind;
92hilfsweise, daß die Vorschriften der beiden Franchise-Verträge, nämlich die §§ 4.2, 4.3, 4.4, 6.1, 6.2, 6.4, 9.1, 11 und 12 unwirksam seien;
934.
94die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die gesamten Franchise-Gebühren für die Bereiche P und M in Höhe von insgesamt 1.209.963,02 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.11.1983 zurückzuzahlen.
95Die Klägerin hat ihren Antrag mit Schriftsatz vom 1.4.1985 dahin geändert, daß sie nunmehr beantragt hat,
961.
97die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung, mindestens 2,4 Millionen DM Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an dem Kundenstamm für die Bereiche M und P zu zahlen;
982.
99die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, welchen Gewinn sie aus dem rechtswidrigen Besitz des Kundenstammes des ehemaligen Franchise-Nehmers W gemäß Klageantrag zu 1) in der Zeit vom 20.11.1983 bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gezogen hat;
1003.
101festzustellen, daß die Franchise-Verträge zwischen der Beklagten und ihrem ehemaligen Franchise-Nehmer W für die Ortschaften M und P vom 13.6.1980 unwirksam sind;
102hilfsweise, daß die Vorschriften der beiden Franchise-Verträge, nämlich die §§ 4.2, 4.3, 4.4, 6.1, 6.2, 6.4, 9.1., 11 und 12 unwirksam sind;
1034.
104die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die gesamten Franchise-Gebühren für die Bereiche P und M in Höhe von insgesamt 1.209.963,02 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.11.1983 zurückzuzahlen;
1055.
106die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 500.000,-- DM Schadensersatz zu zahlen, für die Belieferung von Produkten während der Dauer ihrer Geschäftsbeziehung zu Überpreisen .
107Die Klägerin beantragt nunmehr,
1081.
109die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - einen Kaufpreis in Höhe von 2.545.900,-- DM Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an dem Kundenstamm für die Bereiche M und P zu zahlen;
110hilfsweise begehrt sie eine Verurteilung ohne den Zug-um-Zug-Vorbehalt;
1112.
112die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, welchen Umsatz sie mit dem rechtswidrigen Besitz an dem Kundenstamm des ehemaligen Franchise-Nehmers W gemäß Klageantrag zu 1) in der Zeit vom 20.11.1983 bis zur Übertragung des Eigentums an dem Kundenstamm bezogen hat;
1133.
114festzustellen, daß die Franchise-Verträge zwischen der Beklagten und ihrem ehemaligen Franchise-Nehmer W für die Ortschaften M und P vom 13.6. 1980 unwirksam sind;
115hilfsweise, daß die Vorschriften der beider, Franchise-Verträge, nämlich die §§ 4.2, 4.3,4.4, 6.1, 6.2, 6.4, 9.1, 15 und 16 unwirksam sind;
1164.
117die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die gesamten Franchise-Gebühren für die Bereiche P und M in Höhe von insgesamt 1.209.963,02 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.11.1983 zurückzuzahlen;
1185.
119die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.840.632,34 DM Schadensersatz zu zahlen für die Belieferung von Produkten zu ungerechtfertigten Überpreisen während der Dauer ihrer Geschäftsbeziehungen.
120Die Beklagte beantragt,
121die Klage abzuweisen,
122hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung eventuell gegen Sicherheitsleistung (Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder Sparkasse) abzuwenden.
123Die Beklagte bestreitet zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie bestreitet insbesondere eine wirksame Abtretung der Ansprüche des Herrn W bzw. seiner Gesellschaften an die Klägerin. Sie weist darauf hin, daß nach ihrer Kenntnis das Konkursverfahren nicht abgeschlossen sei und daher die behauptete Abtretung nach § 7 KO schlechthin unwirksam sei. Im übrigen seien sämtliche Ansprüche durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts M vom 30.11.1983 - Aktenzeichen 8 M 9996/83 - von der E Bank Aktiengesellschaft/C gepfändet und dieser zur Einziehung überwiesen worden. Soweit Ansprüche bestünden, seien diese an die E Bank zu leisten.
124Die Beklagte meint, es fehle ein Feststellungsinteresse. Ein solches fehle immer dann, wenn eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar sei. Die Klägerin könne die von ihr behaupteten Schadensersatzansprüche im Wege der Leistungsklage geltend machen.
125Die Beklagte meint weiter, ein Anspruch auf Auskunftserteilung bestehe nicht. Eine Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich, weil im Einverständnis und mit Zustimmung von Herrn W die Betriebe und Kunden von der Beklagten übernommen worden seien. Ein Anspruch aus offensichtlich behauptetem unrechtmäßigem Eigentümer-Besitzerverhältnis sei mithin unbegründet. Die Beklagte sei rechtmäßige Besitzerin und Eigentümerin der Kundenkartei und Kundeninformationen. Diese seien ihr von Herrn W bei Übergabe des Betriebes zur freien Vergütung übereignet worden.
126Die Beklagte ist der Meinung, daß der C2 Franchise-Vertrag wirksam sei.
127Sie halte ihn entgegen der Auffassung der Kläger für kartellrechtlich unbedenklich. Sie trägt vor, ein Verstoß gegen das Preisbindungsverbot (§ 15 GWB) sei nicht gegeben, weil die Klägerin in der Freiheit der Gestaltung von Preisen und Geschäftsbedingungen gegenüber ihren Abnehmern völlig frei gewesen sei. In dem Franchise-Vertrag vom 13.6.1980 und in den Lieferbedingungen sei ausdrücklich festgehalten, daß es sich bei den von der Beklagten gegenüber den Franchise-Nehmern genannten Endabnehmer-Preisen um unverbindliche Preisempfehlungen handele. Rechtlicher oder wirtschaftlicher Druck gegenüber dem Franchise-Partner, diese unverbindlichen Preisempfehlungen einzuhalten, sei nie ausgeübt worden. In der Praxis sei es vielmehr wiederholt so gewesen, daß einzelne Franchise-Nehmer besondere Preislisten für ihre Bedürfnisse bei der Beklagten hätten erstellen lassen. Die Franchise-Nehmer seien in der Praxis auch wiederholt von den unverbindlichen Preisempfehlungen der Beklagten abgewichen.
128Die Beklagte ist weiterhin der Meinung, daß ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht vorliege. Diese Bestimmung erfasse nur solche Vereinbarungen, die den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften zu beeinträchtigen geeignet seien. Der C2 Franchise-Vertrag sei hierzu nicht geeignet. Die Geschäftstätigkeit sowohl der Beklagten als auch diejenige ihrer Franchise-Nehmer beschränke sich auf Teile der Bundesrepublik Deutschland. Eine grenzüberschreitende Bedeutung des C2 Franchise-Systems und mithin eine Anwendbarkeit des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sei ausgeschlossen.
129Die Beklagte trägt vor, das C2 Franchise-System sei darauf angelegt, mit wirtschaftlichem Erfolg für den Franchise-Nehmer gefahren zu werden. Es sei betriebswirtschaftlich erfolgreich praktizierbar, wie die Beispiele der Franchise-Nehmer B, L, G, L1, A und N zeigten. Die tatsächliche Handhabung des Franchise-Vertrages durch die Beklagte widerlege den Vorwurf eines permanenten Mißbrauchs. Die konkrete Handhabung des Vertrages zeige, daß die Beklagte den Vertrag außerordentlich flexibel gehandhabt habe und regelmäßig auf Wünsche der Franchise-Nehmer eingegangen sei.
130Der Beklagte trägt weiter vor:
131Das Landgericht Wuppertal und das Oberlandesgericht Zweibrücken hätten in ihren Entscheidungen nicht beachtet, daß maßgeblich für die Auslegung der Verträge der Grundsatz der interessengerechten Auslegung sei. Die Beklagte meint weiter, die Klägerin berücksichtige bei ihren Angriffen gegen den Franchise-Vertrag die Tatsache nicht hinreichend, daß Herr W ein im kaufmännischen Geschäftsverkehr gewandter und erfahrener Geschäftsmann gewesen sei und noch sei. Es handele sich bei den Franchise-Nehmern nicht um im Geschäftsverkehr unerfahrene Letztverbraucher oder mit den wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen von vertraglichen Bindungen nicht vertrauten Konsumenten. Eine konkrete Schutzbedürftigkeit der Vertragspartner liege daher nicht vor.
132Die Beklagte trägt weiter vor, das Landgericht Wuppertal und das Oberlandesgericht Zweibrücken berücksichtigten nicht die Tatsache, daß die Interessen des Franchise-Gebers und des Franchise-Partners in entscheidenden Punkten, insbesondere in Bezug auf den Absatz der Produkte an den Endverbraucher identisch seien. Sehe man das "weitgehend gleich gerichtete" Interesse der Beklagten und ihrer Franchise-Partner im Absatz der Produkte an den Endverbraucher, so würde die Beklagte durch eine ihr von der Klägerin unterstellte knebelnde Handhabung des Vertrages ihr Hauptinteresse gefährden.
133Die Beklagte meint, die Bestimmungen der Franchise-Verträge verstießen nicht gegen § 9 AGB-Gesetz, denn bei dem Franchise-Vertrag handele es sich nicht um einen Formularvertrag im Sinne des § 1 AGB-Gesetz. Es liege vielmehr eine Individualabrede vor. Dies sei auch dann der Fall, wenn der Verwender von Vertragsformularen zur Abänderung seiner Bedingunger. bereit sei und der Geschäftspartner dies bei der. Vertragsverhandlungen wisse, und zwar auch dann, wenn die vorformulierten Bedingungen unverändert Vertragsinhalt würden. Die Beklagte trägt vor, die Franchise-Partner hätten ausreichend Zeit und Gelegenheit zu einer Prüfung der Verträge gehabt. Die Beklagte habe hierzu eingehende Erläuterungen gegeben. Sie sei auch stets zur Änderung der wesentlichen Bestimmungen des von ihr ursprünglich vorgeschlagenen Vertragstextes bereit gewesen. Auf Wunsch der Franchise-Partner seien z.B. die §§ 4, 5 Ziff. 5 und 4, § 6 Ziff 1, § 6 Ziff. 4 und § 7 Ziff. 2 überarbeitet und abgeändert worden; ferner auch § 14 des Vertrages. Entsprechend der mit den Franchise-Partnern erzielten Einigung sei § 15 komplett überarbeitet worden. Es sei vereinbart worden, daß die Abgeltung des Firmenwertes aus Gründen einer steueroptimalen Gestaltung dem Wettbewerbsverbot zugewiesen werden sollte.
134Die Beklagte ist der Meinung, daß keine Nichtigkeit einzelner Bestimmungen des Vertrages festgestellt werden könne. Der Zustimmungsvorbehalt des Franchise-Gebers in § 1 Ziff. 2 des Vertrages gebe nur deklaratorisch den schon nach allgemeinem Vertragsrecht zu beachtenden Grundsatz wieder, daß die Identität der Vertragspartner gewahrt bleiben müsse. Darüber hinaus folge aus der Natur des Franchise-Vertrages zwangsläufig die entscheidende Bedeutung der Person des Franchise-Partners für den Franchise-Geber. § H Ziffer 3 des Vertrages, der den Fortbestand der persönlichen Haftung des Franchise-Partners festlegt, bringe nur das zum Ausdruck, was nach der gesetzlichen Normallage nach BGB und HGB ohnehin gelte. Die Beklagte trägt weiter vor, sie vermöge nicht zu erkennen, daß die in § 4 Ziffer 4 vorbehaltene Möglichkeit zum Widerruf der Zustimmung zur Änderung der Rechtsform des Franchise-Nehmers unzulässig sein solle. Sie habe, wie dargelegt, wenn sie die Zustimmung zur Änderung der Rechtsform erteile, mehr konzediert als der Franchise-Nehmer beanspruchen könne. Der Widerruf dürfe ihr deshalb nicht von vornherein verwehrt sein. Das Widerrufsrecht der Beklagten sei auf wichtige Gründe beschränkt. Die in § 4 Ziff. 4 der Beklagten eingeräumte Widerrufsmöglichkeit für den Fall, daß die Gesellschaft in kaufmännischer und finanzieller Weise der Beklagten Anlaß zu der Annahme gebe, daß Verpflichtungen aus dem Vertrag durch die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß erfüllt werden können habe schon deshalb wirksam vereinbart werden können, weil die Beklagte die ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Vertrag auch von dem ursprünglichen Franchise-Partner habe verlangen können. Die nicht ordnungsgemäße Erfüllung vertraglicher Pflichten durch den Franchise-Partner sei im übrigen im Sinne des Gebotes der interessengerechten Auslegung dahingehend zu verstehen, daß sie geeignet sein müsse, die Erfüllung des ursprünglich mit dem Franchise-Partner persönlich ausgehandelten Vertrages in Frage zu stellen. Dieser interessengerechten Auslegung entspreche auch die konkrete Handhabung der vertraglichen Bestimmungen durch die Beklagte. Sie habe trotz erheblicher Schwierigkeiten von ihrem Widerrufsrecht weder in diesem Fall noch in anderen Fällen Gebrauch gemacht.
135Die Beklagte trägt weiter vor, rechtlich wirksam vereinbart seien auch die in § 6 Ziffer 1 des Vertrages vereinbarten Mindestumsätze. Diese seien realistisch. Sie seien auf Grund ausführlicher Marktanalysen für die jeweiligen Franchise-Gebiete erstellt worden. Auf Grund dieser Marktanalysen, die an sich ein höheres Umsatzpotential ergeben hätten, hätten die Vertragspartner gemeinsam in vorsichtiger Einschätzung der Situation zurückhaltende Umsatzvorgaben formuliert. Die Mindestumsätze hätten sich in der Praxis als zutreffend erwiesen. Lediglich in drei Fällen anderer Franchise-Partner seien die Umsatz vorgaben nicht erreicht worden. Alle anderen Franchise-Partner hätten die vereinbarten Mindestumsätze erreicht und zum Teil weit überschritten.
136Die Umsatzsteigerungen der Franchise-Partner W und M hätten bei 241,8 bzw. 237 % über den vereinbarten Mindestumsätzen gelegen. Das Kündigungsrecht bestehe auch nur bei einer sehr signifikanten Unterschreitung der Mindestumsätze in Höhe von 20 %. Sie, die Beklagte, habe im übrigen in keinem Fall mit Ausnahme des Franchise-Partners Q auf die Unterschreitung der vereinbarten Mindestumsätze eine Kündigung gestützt. Bei dem Franchise-Partner N habe sie, die Beklagte, auf dessen Wunsch die Umsatzvorgaben gesenkt. Die Mindestumsatzvorgaben seien Ausdruck des berechtigten Interesses der Beklagten an der Leistungsfähigkeit des Franchise-Partners, die sie um so mehr habe erwarten dürfen, als für eine Zeit von 6 Jahren ein exklusives Franchise-Recht für das Vertragsgebiet ohne die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung eingeräumt worden sei.
137§ 15 GWB erfasse neben rechtlichen zwar auch wirtschaftliche Bindungen, dies jedoch nur dann, wenn sie sich aus dem Erstvertrag ergäben. Wirtschaftliche Beschränkungen seien nur dann anzunehmen, wenn die aus dem Erstvertrag folgenden Nachteile einer bestimmten Ausübung der Gestaltungsfreiheit objektiv geeignet seien, den Vertragspartner zum Verzicht auf diese Gestaltungsmöglichkeit zu bestimmen. Derartige Bindungen ergäben sich nicht aus dem C2 Franchise-Vertrag. Nach § 9 Ziff. 1 Satz 2 des Vertrages seien die Bruttoverkaufspreise für den Franchise-Partner lediglich unverbindlich empfohlene Verkaufspreise. Die Verpflichtung des Franchise-Partners nach § 9 Ziff. 2 Satz 1 des Vertrages, die von der Beklagten veranstalteten Werbemaßnahmen zu übernehmen, stelle lediglich eine Selbstverständlichkeit zwischen Franchise-Partnern klar, nämlich das einheitliche werbliche Auftreten der Franchise-Partner in der Öffentlichkeit. Im übrigen stelle die Beklagte ihren Franchise-Partnern auf Wunsch auch Werbematerial zur Verfügung, das keine eingedruckten unverbindlichen Preisempfehlungen enthalte oder abweichende Preise, die der Franchise-Partner wünsche. Eine abweichende Beurteilung ergebe sich auch nicht insoweit, als die Beklagte ihre Preisempfehlungen nicht gem. § 38 a GWB als unverbindliche Preisempfehlungen entsprechend den Vorstellungen des Bundeskartellamtes gekennzeichnet habe. Andernfalls würde jede fehlerhafte Kennzeichnung in den Regelungsbereich von § 15 GWB fallen. Die Konsequenz wäre, daß durch bloßes tatsächliches Verhalten eines Vertragspartners ein Vertrag nichtig werden könnte.
138Die Beklagte trägt weiter vor, das Verfahren zur Berechnung der Franchise-Gebühr nach § 11 Ziff. 1 des Franchise-Vertrages sei nicht zu beanstanden. Die Staffelung diene vor allem der Sicherheit des Franchise-Partners. Wenn der Rohgewinn unter 32 % sinke, sinke auch die Franchise-Gebühr. Diese Situation sei jedoch seit Abschluß der Verträge noch nicht annähernd eingetreten. Die Rohgewinnsituation habe sich im Gegenteil seit Abschluß der Verträge um ca. 5 % verbessert, während sich die Franchise-Gebühr überhaupt nicht erhöht habe. Die empfohlenen C2 Bruttoverkaufspreise, aus denen sich die Größe "Rohgewinn" zum Teil zusammensetze, seien keine beliebig manipulierbaren Größen. Preise würden ausschließlich durch externe Faktoren diktiert, nämlich die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Markt. Ebensowenig sei die zweite Bestimmungsgröße zur Berechnung der prozentualen Höhe der Franchise-Gebühr, die C2 Niederlassungspreise, eine beliebig manipulierbare Größe. Die Kalkulation werde so vorgenommen, daß das Unternehmensprinzip des Hauses C2 jede Niederlassung mit Gewinn zu fahren, verwirklicht werden könne.
139Die Beklagte trägt weiter vor, auch die in § 15 des Franchise-Vertrages geregelte Ausübung des Vorerwerbsrechts/Wettbewerbsverbots sei nicht zu beanstanden. Die Ausübung des Vorerwerbsrechts durch die Beklagte stelle rechtlich einen Unternehmenskauf dar. Dies sei das übereinstimmend ausdrücklich erklärte Verständnis und der gemeinsame Wille der Vertragsparteien gewesen. Die Beklagte kaufe nach Beendigung des Vertrages den Betrieb des Franchise-Partners. Beim Unternehmenskauf seien zwei Formen des Erwerbs zu unterscheiden, die Übernahme eines handelsrechtlichen Gesamthandvermögens zum einen und die Übernahme von Aktiva und Passiva zum anderen.
140Unter letzterem werde auch die Übernahme von nicht bilanzierungsfähigen Aktiva wie etwa dem Goodwill des Unternehmens verstanden. Sinn der Vorerwerbsregelung sei die Erhaltung des Betriebes als Bestandteil des gesamten Franchise-Systems. Nach dem Wortlaut und vom Zweck der Regelung bei interessengerechter Auslegung könne ein willkürliches Herauslösen einzelner isolierter Betriebsteile unter Zerreißen ihres Zusammenhangs und Hinterlassung eines wertlosen Restbestandes nicht verstanden werden. Die Tatsache, daß bei Abfassung der Verträge neben dem primär beabsichtigen Erwerb des gesamten Unternehmens sekundär auch ein Recht hinsichtlich der Übernahme einzelner Aktiva und Passiva eingeräumt worden sei, sei daraus zu erklären, daß vielfach der Betrieb des Franchise-Partners nicht nur das C2 Geschäft umfasse, sondern kombiniert sei mit anderen Geschäften des Franchise-Nehmers. Selbst wenn man dieser interessengerechten Auslegung nicht folgen wollte, stünde der Franchise-Partner einer unbilligen Ausübung des Bestimmungsrechtes der Beklagten nicht schutzlos gegenüber. Das Bestimmungsrecht sei nämlich nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 III BGB auszuüben. Der selbst geschaffene Goodwill und Kundenstamm des Unternehmens des Franchise-Partners werde nicht ohne angemessene Gegenleistung übernommen. Diese Gegenleistung sei aus Gründen einer steueroptimalen Gestaltung in das Entgelt für das Wettbewerbsverbot gem. § 15 Ziff. 1.7 des Vertrages einbezogen. Der Goodwill des Unternehmens und der Kundenstamm würden also mit einer Abfindung von 5 % des letzten Jahresumsatzes zuzüglich 50 % des letztjährigen Gewinnes abgegolten. Es handele sich mithin nicht um eine Buchwertabfindung. Diese Abfindung entspreche der Realität des Unternehmenskaufs. Der Franchise-Partner bekomme aber nicht nur eine sehr beachtliche Entschädigung, er werde auch von allen wesentlichen Verbindlichkeiten befreit, die mit seinem Franchise-Betrieb zusammenhingen. Die wesentlichen Verbindlichkeiten des Franchise-Partners ergäben sich aus den Anstellungsverträgen mit den Mitarbeitern, seinem Fahrzeugpark, seinem Warenlager und den Tiefkühleinrichtungen. § 90 a HGB lasse sich auf die vorliegende Fallgestaltung eines Unternehmenskaufes nicht anwenden. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des BGH werde eine gesonderte Vergütung für ein Wettbewerbsverbot im Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf nicht geschuldet. Die analoge Anwendung des § 90 a I HGB sei auch wegen fehlender Schutzbedürftigkeit des Franchise-Partners ausgeschlossen. Selbst wenn die Abfindungsvereinbarung unwirksam wäre, sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine angemessene Abfindung zu zahlen.
141Die Beklagte meint, auch die Länge des Wettbewerbsverbotes von zwei Jahren sei nicht zu beanstanden. Im Rahmen des Unternehmenskaufs sei sowohl nach GWB als auch nach Europäischem Kartellrecht die Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbotes von 5 Jahren Dauer allgemein anerkannt. Selbst wenn man § 90 a HGB für analog anwendbar hielte, ergebe sich daraus, daß eine Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Vertragsverhältnisses für ausdrücklich zulässig erklärt werde. Selbst wenn Bedenken bestünden, hätte eine unangemessen lange Dauer nicht etwa die Nichtigkeit der Bestimmung zur Folge, sondern deren Reduktion auf ein für zulässig gehaltenes Maß.
142Zu dem Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 14 des Franchise-Vertrages trägt die Beklagte vor:
143Auch insoweit komme es auf die konkrete Handhabung des Vertrages an. Keineswegs habe die Beklagte von dem ihr zustehenden Kündigungsrecht in der Weise Gebrauch gemacht, wie ihr der Vertrag dazu eigentlich die Möglichkeit gegeben habe. Nicht nachvollziehbar ist nach Meinung der Beklagten auch eine angebliche Nichtigkeit des § 6 Ziff. 10 des Vertrages, der Bestimmungen über die Franchise- und Organisationsrichtlinien der Beklagten enthält. Die Beklagte weist darauf hin, daß derartige Klauseln nahezu jeder Franchise-Vertrag enthalte. Sie seien für die Verwirklichung des Franchise-Systems unverzichtbar.
144Die Beklagte meint, daß wenn wesentliche Teile des Vertragswerkes nicht unwirksam seien, eine Unwirksamkeit des Vertrages auch nicht aus einem ineinandergreifenden Zusammenspiel der behandelten Klauseln folge. Die von dem Landgericht Wuppertal angenommene Knebelung des Franchise-Partners werde schon durch § 14 Ziff. 2 des Franchise-Vertrages verhindert, demgemäß jeder Vertragspartner das Vertragsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen kann, wenn eine wesentliche Änderung der Vertragsgrundlage eintritt. Da § 6 Ziff. 1 des Vertrages selbst von "erreichbaren Bruttoumsätzen" spreche, habe sich die Vertragsgrundlage geändert, wenn die Erreichbarkeit nicht mehr gegeben sei. Zusammenfassend sei festzustellen, daß wenn die Umsatzvorgaben realistisch seien, die angeblich knebelnde Abhängigkeitskette schon gar nicht in Gang komme.
145Die Beklagte meint, es bestehe auch kein auffälliges Mißverhältnis der von den Vertragsparteien geschuldeten Leistung und Gegenleistung. Bei der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts Wuppertal werde übersehen, daß dem Franchise-Partner für die von ihm zu erbringenden Leistungen sehr wohl eine angemessene Gegenleistung erbracht werde. Dem Franchise-Nehmer komme im Franchise-System der Beklagten in vollem Umfang die Leistung der Beklagten beim Aufbau des Franchise-Systems zugute. Zu den über eine bloße Warenzeichenlizenz hinausgehenden Leistungen des Franchise-Gebers gehöre zum Beispiel die Sicherung der Bezugsquellen für gleichbleibend hohe Qualität, die Zusammenstellung und ständige Kontrolle eines marktgängigen Sortiments, die Beratung bei Errichtung und Ausstattung eines Tiefkühllagers, die Erstellung geeigneter Werbeunterlagen etc.. Es bestehe schließlich auch kein Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung durch in Rechnungstellung überhöhter Preise.
146Die Beklagte weist schließlich darauf hin, daß die Parteien ihren Willen, auch bei Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen des Vertrages die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im übrigen aufrechtzuerhalten, mit der Bestimmung des § 16 unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht hätten.
147Die Beklagte meint, daß selbst bei unterstellter Nichtigkeit des Vertrages keine Ansprüche der Klägerin bestünden. Ansprüche könnten allenfalls für die Zukunft geltend gemacht werden. Es sei anerkannt, daß die Parteien eines Dauerschuldverhältnisses die Unwirksamkeit des Vertrages nicht für die Vergangenheit geltend machen könnten. Diese zum Gesellschafts- und Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze müßten auch auf das hier vorliegende Franchise-Verhältnis wegen dessen Rechtsähnlichkeit angewendet werden. Durch den Franchise-Vertrag werde ein enges Netz von gegenseitigen Rechten und Pflichten begründet, in dem es den Vertragsschließenden wie in Gesellschafts- und Arbeitsverträgen insbesondere auf die Person des jeweiligen Vertragspartners ankomme. Der Franchise-Vertrag sei daher nicht lediglich als Mischform aus einem Lizenzvertrag und einem Belieferungsvertrag anzusehen. Der Franchise-Vertrag begründe vielmehr ein Dauerschuldverhältnis aus Pacht-, Dienst-, Werk-, Kauf-, Lizenz- und Gesellschaftsvertrag. Auch die personale Struktur des Franchise-Verhältnisses gebiete zwingend die Rechtsprechung des BGH und BAG zu den faktischen Vertragsverhältnissen auf den vorliegenden Franchise-Vertrag anzuwenden.
148Die Beklagte meint, daß Ansprüche der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung und auf Schadensersatz nicht bestünden. Eine Rückforderung der Franchise-Gebühr scheide schon deshalb aus, weil das Dauerschuldverhältnis allenfalls für die Zukunft vernichtbar sei. Die Lizenzgebühren könnten aber auch deshalb nicht zurückgefordert werden, weil der Franchise-Nehmer eine faktisch vorrangige Stellung in Anspruch genommen habe. Die Beklagte verfüge über eine bekannte Marke. Die Beklagte habe in jahrelanger Entwicklung ein flächendeckendes Versorgungssystem für die Bundesrepublik Deutschland geschaffen und dadurch den Namen C2 bundesweit bekannt gemacht. Sie trete unter Einschluß der Franchise-Nehmer mit einheitlichem Namen und einheitlicher Werbung in der gesamten Bundesrepublik auf. Jeder Franchise-Nehmer profitiere dabei in entscheidendem Maße von dem Bekanntheitsgrad der Beklagten auch in den angrenzenden Gebieten. Die Klägerin habe daher unter Benutzung des Firmennamens der Beklagten ihren Umsatz in weit schnellerem und größerem Maße steigern können als dies mit einer völlig unbekannten Marke möglich gewesen wäre. Hinzu kämen die ständigen Beratungsleistungen der Beklagten sowie für intensive Markt- und Absatzforschungen, die die Beklagte im Interesse der Franchise-Partner betreibe. Bezahlt werde die Franchise-Gebühr ferner für die umfangreichen laufenden Investitionen auf dem Gebiet der indirekten Kundenwerbung. Im Rahmen einer bereicherungsrechtlichen Abwicklung müßte daher die wertmäßige Leistung der Beklagten nach § 818 II BGB berücksichtigt werden.
149Die Beklagte bestreitet, weit überhöhte Abgabepreise berechnet zu haben. Die Beklagte behauptet, die von ihr vertriebene Tiefkühlkost sei nicht vergleichbar. Dies gilt für die Auswahl der Produkte, deren Zusammensetzung, der Rezeptur, der Art der Verpackung der der Größe der Verpackung. Ein Preis könne auch nur dann als marktüblich angesehen werden, wenn er für Leistungen gleicher Art und Güte sowie gleichen Umfangs allgemein am Markt gezahlt werde. Daraus folge, daß ein Vergleich überhaupt nur zulässig sei mit Preisen von anderen hochwertigen Markenartikeln. Der hohe und gleichbleibende C2 Qualitätsstandard folge aus gezielter Marktforschung, Verbraucherbefragung und Verbrauchertests, Aufbau eines spezifischen Produkt-know-hows, speziellen Rezepturen, Qualitätsgarantien, Markenimagepflege durch gleichbleibend hohen Qualitätsstandard. Bei der Ermittlung der Marktüblichkeit sei weiter zu berücksichtigen, daß die Beklagte in der Lage sei, den Franchise-Partnern ein umfassendes Warensortiment von mehr als 250 Artikeln ständig anzubieten. Aus der Möglichkeit, auch Kleinstmengen abrufen zu können, entstünden den Franchise-Partnern erhebliche Vorteile. Die aus der zentralen Lagerhaltung resultierenden Vorhaltungs- und Lagerkosten müßten bei dem Vergleich der C2 Preise mit den Preisen anderer Anbieter Berücksichtigung finden. Bei einem Vergleich mit einem Markenartikelhersteller, der ähnliche Aufwendungen für seine Produkte und ähnliche Kosten zu verkraften habe, ergebe sich, daß die Franchise-Partner bei einem Einkauf bei eines; anderen Markenartikelhersteller mindestens einen Einkaufsnachteil von 9,449 % gehabt haben würden.
150Zu den einzelnen Ansprüchen trägt die Beklagte folgendes vor:
151Sie hält die Berechnung des Wertes der einzelnen Kunden für vollkommen unzutreffend.
152Insbesondere falsch seien die der Aquisition angeblich zuzurechnenden monatlichen Kosten. Diese betrügen für ein Tiefkühlfahrzeug nicht 7.000,-- DM, sondern allenfalls 6.200,-- DM. Ein Aquisiteur fahre das Fahrzeug nicht an höchstens 20 Tagen des Monats, sondern an mindestens 21 Tagen. Schließlich werbe ein Aquisiteur durchschnittlich pro Tag nicht nur 4,2 sondern bis zu 6,5 neue Kunden. Unter Berücksichtigung dieser Zahlen ergebe sich ein Betrag von 45,42 DM pro Kunde. Nicht berücksichtigt sei bei dieser Berechnung, daß die getätigten Umsätze mit den Neukunden einen nicht unerheblichen Deckungsbeitrag erbrächten. Dieser müsse in Abzug gebracht werden, so daß sich ein Betrag pro Kunde von 25,--DM ergebe. Im übrigen würden 50 bis 60 % aller Neukunden durch die Werbung von Mund zu Mund geworben. Die Werbungskosten für einen solchen Kunden betrügen lediglich eine Dose Gratiseis im Werte von ca. 5,--DM.
153Hinsichtlich des Rückforderungsanspruches in Bezug auf die Franchise-Gebühr macht die Beklagte geltend, ein Bereicherungsanspruch der Klägerin aus § 812 I BGB bestehe nicht, weil das durch den Franchise-Vertrag begründete Dauerschuldverhältnis allenfalls für die Zukunft vernichtbar sei. Im übrigen hätten die Franchise-Partner tatsächlich sämtliche Vorteile des Franchise-Systems genutzt. Die Beklagte bestreitet, daß die Franchise-Gebühr vor allem für die Weitergabe der Vorteile aus einem zentralen Einkauf gezahlt werde. Die Franchise-Gebühr sei primär die Gegenleistung dafür, daß der Franchise-Partner die Vorteile des von der Beklagten in jahrzehntelanger Entwicklung aufgebauten Franchise-Systems zu seinen Gunsten nutzen konnte. Dazu gehöre die Berechtigung, den Namen als auch das Markenzeichen C2 zu führen, die exklusive Zusicherung eines Vertriebsgebietes und die in § 5 Ziffer 1 umfassend beschriebene Beratung durch die Beklagte.
154Zu dem geltend gemachten Anspruch wegen überhöhter Abgabepreise macht die Beklagte geltend, die Behauptung, sie habe weit überhöhte Abgabepreise berechnet, sei unzutreffend. Ein Preis könne nur dann als marktüblich angesehen werden, wenn er für Leistungen gleicher Art und Güte sowie gleichen Umfangs allgemein am Markt gezahlt werde. Daraus folge, daß ein Vergleich überhaupt nur zulässig sei mit Preisen von anderen hochwertigen Markenartikeln. Bei der Ermittlung der Marktüblichkeit sei weiter zu berücksichtigen, daß die Beklagte in der Lage sei, den Franchise-Partnern ein umfassendes Warensortiment von mehr als 250 Artikeln mit dem C2 eigenen Qualitätsstandard ständig anzubieten. Ferner müßten die aus der zentralen Lagerhaltung resultierenden Vorhaltungs- und Lagerkosten bei dem Vergleich der C2-Preise mit den Preisen anderer Anbieter Berücksichtigung finden. Dann ergebe sich aber, daß die Klägerin bei Einkauf bei einem anderen Markenartikelhersteller mindestens einen Einkaufsnachteil von 9,449 % gehabt haben würde.
155Die Beklagte macht folgende Gegenansprüche geltend:
156Aus offenstehenden Lieferungen und Leistungen 317. 115,64 DM
157verauslagte anwaltliche Beratungskosten 34.800,-- DM
158gewährte Überbrückungsdarlehen an Arbeitnehmer im
159Rahmen des Konkurses 2. 197,-- DM
160Stillstandskosten auf Grund einstweiliger Verfügungsmaßnahmen 2.917,- DM
161Zinsen auf offenstehende Lieferforderungen in Höhe von
162317.115,64 DM für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 31.8. 1984 21.141,04 DM
163Anzeigenkampagnen zur Überleitung der Franchise-Betriebe 2.039,-- DM
164besondere Personalabstellung und Aufwendungen auf
165Grund der Konkurssituation 17.042,-- DM
166Gewinnausfälle auf Grund der Zahlungseinstellung der W-Gruppe 232.243,-- DM,
167Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluß vom 14.10.1985 (Bl. 401 ff. GA). Auf die Niederschrift vom 21.2.1986 (Bl. 622 ff. GA) wird verwiesen.
168Hinsichtlich des Parteivorbringens im einzelnen und der überreichten Unterlagen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
169Entscheidungsgründe :
170Die Klage ist zum Teil begründet.
171Der Feststellungsantrag ist unzulässig. Es fehlt ein besonderes Feststellungsinteresse, weil bei Prüfung der von der Klägerin geltend gemachten Leistungsansprüche die Frage der Nichtigkeit der Franchise-Verträge als Vorfrage zu klären ist.
172Der Auskunftsanspruch ist nicht begründet. Der Auskunftsanspruch ist darauf gerichtet, bis zu einer rechtswirksamen Übertragung des Kundenstammes eine Nutzungsentschädigung von der Beklagten zu erhalten. Der Bereicherungsanspruch ist jedoch durch die für die Kunden zu zahlende Vergütung abgegolten. Ein Bestandteil für die Ermittlung des Wertes des Kundenstammes ist - wie unten noch darzulegen sein wird - der aus dem Kundenstamm während eines bestimmten Zeitraumes zu erzielende Gewinn. Der Anspruch auf Herausgabe des Gewinnes für einen bestimmten Zeitraum ist daher bereits Bestandteil der Vergütung für den Kundenstamm. Er kann nicht zusätzlich verlangt werden. Der Anspruch der Klägerin ist nämlich beschränkt auf die tatsächliche Bereicherung.
173Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Gemäß Abtretungserklärung vom 30.8.1983 haben die P und die U GmbH, beide vertreten durch den Kaufmann W, die Forderungen an die Beklagte aus den Franchise-Verträgen an die Klägerin abgetreten.
174Die Forderung der C Bank über 500.000,-- DM nebst 15 % Zinsen seit dem 30.5.1980 gemäß Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 30.11.1983 kann von der Klägerin im eigenen Namen mit der Maßgabe, daß Zahlung an die C Bank zu erfolgen hat, geltend gemacht werden. Dies ergibt sich aus der Bestätigung der C Bank, Niederlassung der E Bank, vom 13.8.1985.
175Die Klägerin ist auch nicht etwa durch Konkurs der beiden Gesellschaften des Herrn W gehindert, Ansprüche geltend zu machen. Die Konkursanträge in Bezug auf beide Gesellschaften wurden durch Beschlüsse vom 24.1.1984 bzw. 25.1.1984 abgewiesen, weil eine die Kosten des Verfahrens deckende freie Masse nicht festzustellen war.
176Die Leistungsanträge sind zum Teil begründet und ergeben sich aus ungerechtfertigter Bereicherung, weil die Franchise-Verträge unwirksam sind.
177Es steht nunmehr fest, daß der Franchise-Vertrag auch aus kartellrechtlichen Gründen unwirksam ist. Der Vertrag verstößt gegen Artikel 85 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EWG-Vertrag. Diese Bestimmung findet auf solche Vereinbarungen zwischen Unternehmen Anwendung, die den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken.
178Der Franchise-Vertrag enthält unter § 13 Ziffer 2 folgende Regelung:
179Sollte C2 auf dem Gebiet des Heimdienstes in den angrenzenden Nachbarstaaten tätig werden, so verpflichtet sich der FP, ein dieser Ausdehnung entsprechend räumlich erweitertes Wettbewerbsverbot einzugehen.
180Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 28.1.1986 - 161/84 - sind Verträge über Vertriebsfranchising, die Bestimmungen zur Aufteilung der Märkte zwischen Franchise-Gebern und Franchise-Nehmern oder unter den Franchise-Nehmern enthalten, auch dann geeignet, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen, wenn sie zwischen Unternehmen mit Sitz in demselben Mitgliedsstaat geschlossen worden sind, sofern sie die Franchise-Nehmer daran hindern, in einem anderen Mitgliedsstaat eine Niederlassung zu errichten. Es handelt sich dann um Einschränkungen des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Abs. 1 EWG-Vertrag. Wie in dem Teilurteil bereits festgestellt liegt auch die Möglichkeit einer spürbaren Beeinträchtigung vor, weil Vertragspartner mit einem Umsatzvolumen von 75 bis 100 Millionen DM an einer grenzüberschreitenden geschäftlichen Tätigkeit gehindert werden. Eine Gruppenfreistellung auf Grund der Verordnung Nr. 67/67 ist zu verneinen, weil der Europäische Gerichtshof in der zitierten Entscheidung festgestellt hat, daß diese Verordnung auf Verträge über Vertriebsfranchising nicht anwendbar ist. Der Franchising-Vertrag ist daher unwirksam.
181Es kann nicht festgestellt werden, daß ein Verstoß gegen § 15 GWB vorliegt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine etwaige Nichtigkeit nach § 15 GWB nur einzelne Bestimmungen des Vertrages ergreifen würde, weil der Vertrag in seinem wesentlichen Charakter hiervon nicht betroffen würde, oder ob ein Verstoß die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge haben würde (so das LG München, NJW 1985, 1906 f.). Nach § 15 GWB sind Verträge zwischen Unternehmen nichtig, soweit sie einen Vertragsbeteiligten in der Freiheit der Gestaltung von Preisen bei solchen Verträgen beschränken, die er mit Dritten über die gelieferten Waren schließt. Diese Voraussetzungen liegen auch dann vor, wenn sich aus dem Erstvertrag wirtschaftliche Beschränkungen ergeben, die dann anzunehmen sind, wenn die hieraus folgenden Nachteile einer bestimmten Ausübung der Gestaltungsfreiheit objektiv geeignet sind, den Vertragspartner zum Verzicht auf die Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Preise zu bestimmen.
182Derartige wirtschaftliche Nachteile könnten sich aus § 11 des Franchise-Vertrages ergeben, der die Franchise-Gebühren regelt. Der Prozentsatz des Bruttoumsatzes, von dem die Franchise-Gebühren zu zahlen sind, richtet sich nach § 11 Ziffer 1.2 des Vertrages nach dem "Rohgewinn". Dieser Rohgewinn errechnet sich jedoch nicht etwa nach der tatsächlichen Spanne zwischen Ein- und Verkaufspreisen, sondern nach den "empfohlenen C2 Bruttoverkaufspreisen" einerseits und den "C2 Niederlassungspreisen" andererseits. Das bedeutet, daß der Franchise-Nehmer, wenn er zu niedrigeren als den empfohlenen Preisen verkauft, eine relativ höhere Franchise-Gebühr zu zahlen hat. Das Bundeskartellamt meint hierzu zwar in seiner bereits zitierten Stellungnahme, es bleibe dem Vertragspartner gleichwohl überlassen, eine eigene unternehmerische Entscheidung dahin zu treffen, bei Unterschreiten der empfohlenen Preise und der damit verbundenen relativen Steigerung der Gebühren, diese Einbuße durch einen erhöhten Umsatz auszugleichen. Insofern handele es sich bei den Franchise-Gebühren nur um einen Kostenfaktor, der wie andere Gestehungskosten von jedem Vertragspartner in seine eigene und freie Kalkulation einbezogen werden müsse. Es ist richtig, daß dem Vertragspartner insoweit die unternehmerische Freiheit in der Gestaltung des Preises verbleibt. Trotzdem ist festzustellen, daß in jedem Fall ein Nachteil verbleibt. Ohne Anwendung dieser Bestimmung würde bei Umsatzsteigerungen ein größerer Gewinn verbleiben.
183Ein weiterer Gesichtspunkt könnte für die Bindung des Franchise-Partners an den vorgegebenen empfohlenen Verkaufpreis der Beklagten sprechen. Die Franchise-Partner sind sehr weitgehend in ihren Werbemaßnahmen beschränkt. Nach § 5 Ziffer 2 stellt die Beklagte Werbekataloge, Prospekte, Rechnungsblocks sowie andere Werbe- und Druckschriften zur Verfügung. Nach § 6 Ziffer 6 sind Werbemaßnahmen mit der Beklagten abzustimmen. Der Franchise-Partner ist verpflichtet, insofern den Weisungen der Beklagten im Interesse eines gemeinsamen Systemimages zu folgen. Diese vertraglichen Regelungen im Zusammenhang mit der Tatsache, daß die Programme der Beklagten für die Franchise-Nehmer und die Endverbraucher aus den Jahren 1979 bis 1984/85 bis einschließlich des Sommerprogramms 1982 keinen Hinweis auf irgendeine Preisempfehlung und in der Folgezeit lediglich auf der ersten Seite einen kleinen Hinweis auf empfohlene Preise enthalten, sprechen zumindest für eine tatsächliche Bindung. Dem Franchise-Partner würde praktisch die Möglichkeit genommen, zu höheren Preisen zu verkaufen, als zu den Preisen, die in den dem Endverbraucher zugegangenen Programmen enthalten sind. Insoweit würde § 9 Abs. 1 des Franchise-Vertrages, demgemäß die C2 Bruttoverkaufspreise für den Franchise-Partner lediglich empfohlene Verkaufspreise sein sollen, durch die tatsächliche Handhabung eingeschränkt.
184Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob - wie die Beklagte behauptet - in der Praxis einzelne Franchise-Nehmer besondere Preislisten für ihre Bedürfnisse bei der Beklagten haben erstellen lassen und Franchise-Nehmer tatsächlich wiederholt von den unverbindlichen Preisempfehlungen der Beklagten abgewichen sind oder ob vielmehr - wie die Klägerin behauptet - die Beklagte unmißverständlich deutlich gemacht habe, daß sie von allen Franchise-Nehmern die strikte Einhaltung der empfohlenen Verkaufspreise verlange. Das Werbematerial ohne Hinweis auf eine Unverbindlichkeit der Preisempfehlung als auch eine etwaige Einflußnahme auf strikte Einhaltung der empfohlenen Verkaufspreise, könnten eine Durchsetzung höherer Preise zwar praktisch vereiteln. Es würde sich hierbei jedoch um außervertragliche Momente handeln, die bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Vertrages aus dem Gesichtspunkt des § 15 GWB außer Betracht zu bleiben haben. Die Berechnung der Franchise-Gebühr, die zur Folge hat, daß bei Unterschreitung der Preise die Gewinnspanne negativ beeinflußt würde, ist für sich allein gesehen nicht so gravierend, daß hieraus eine Preisbindung hergeleitet werden könnte. Dies könnte zwar im Zusammenhang mit einer außervertraglichen Einflußnahme auf strikte Einhaltung der Preise angenommen werden, sie wäre dann jedoch nicht Ergebnis einer aus dem Franchise-Vertrag resultierenden Bindung, sondern eines tatsächlichen Verhaltens der Beklagten. Ein solches tatsächliches, außerhalb des Vertrages liegendes Verhalten ist jedoch nicht geeignet, die Nichtigkeit des Vertrages oder einzelner Vorschriften zu bewirken .
185Die fehlende Kennzeichnung der Preisempfehlung als unverbindlich in den Programmen der Beklagten stellt zwar einen Verstoß gegen § 38 a GWB dar, der jedoch bei den hier interessierenden Voraussetzungen des § 15 GWB nicht zu berücksichtigen ist.
186Der Franchise-Vertrag ist nach § 138 BGB wegen sittenwidriger Knebelung des Franchise-Partners unwirksam. Die Kammer schließt sich der Beurteilung in der bereits zitierten Entscheidung des Landgerichts Wuppertal an. Der Vertrag enthält bedenkliche Einzelbestimmungen, die im Zusammenhang mit der Vorerwerbsregelung des § 15 des Vertrages den Franchise-Partner in derart unangemessener Weise benachteiligen und seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit in einem Maße einengen, daß das gesamte Vertragswerk als gegen die guten Sitten verstoßend anzusehen ist. Die Beklagte hat bei der Vertragsgestaltung - wie das Landgericht Wuppertal zutreffend ausgeführt hat - die Interessen des Franchise-Partners völlig außer acht gelassen und unter Ausnutzung ihrer wirtschaftlich stärkeren Stellung bei der Vertragsgestaltung um jeden Preis den eigenen Vorteil gesucht.
187Im einzelnen:
188Eine erhebliche Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des Franchise-Partners enthält die unter § 4 Nr. 2 FV getroffene Regelung, die den Franchise-Nehmer verpflichtet, sein Unternehmen in der Rechtsform einer Einzelfirma zu betreiben. Die Gründung einer Personenhandels- oder einer Kapitalgesellschaft wird von der Zustimmung der Beklagten abhängig gemacht, die diese nach den Unterpunkten 2.1 bis 2.3 regelmäßig nur erteilt, wenn der Franchise-Partner nächste Familienangehörige oder den Ehegatten in die Gesellschaft aufnimmt und selbst als alleinvertretungsberechtigter gesetzlicher Vertreter die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft kontrolliert. Die Beklagte hat zwar zutreffend auf den personenbezogenen Charakter des Franchise-Systems hingewiesen. Daraus folgt ein Interesse an der Beibehaltung der personellen Verhältnisse auf Seiten der Franchise-Partner. Dies führt jedoch zu einem Interessengegensatz zu dem Franchise-Partner als selbständigem Unternehmer, dem seine personelle Entscheidungsfreiheit nicht genommen werden darf. Wie das Oberlandesgericht Zweibrücken zutreffend ausgeführt hat, darf eine Lösung dieses Interessengegensatzes nicht allein den Belangen der Beklagten Rechnung tragen. Selbst wenn man daher ein berechtigtes Interesse der Beklagten an der Beibehaltung der personellen Verhältnisse und der Beibehaltung der einmal begründeten persönlichen Haftung des Franchise-Partners bejaht, erscheint die Einschränkung (§ 4 Ziffer 2.2), daß keine Dritten, sondern lediglich Ehegatten und/oder Familienangehörige ersten Grades an der Gesellschaft beteiligt sein sollen, nicht durch irgendwelche Interessen der Beklagten gerechtfertigt. Der Franchise-Partner wird vielmehr erheblich in seiner Möglichkeit, anderweit Kapital aufzunehmen, eingeschränkt. Bedenklich erscheint auch die weitere Vorschrift des § 4 Ziff. 4. dergemäß die Beklagte die Zustimmung widerrufen kann, wenn sie "Anlaß zu der Annahme" hat, daß die Gesellschaft in persönlicher, kaufmännischer und finanzieller Weise Verpflichtungen aus diesem Vertrag "nicht ordnungsgemäß" erfüllen werde. Diese Klausel ist zu weit und unscharf gefaßt. Selbst wenn im Rahmen einer nachfolgenden gerichtlichen Entscheidung eine interessengerechte Auslegung erfolgen würde, könnten schon nicht mehr rückgängig zu machende Konsequenzen eingetreten sein. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, daß die Beklagte, falls der Franchise-Partner dem Widerruf der Zustimmung nicht schnellstens durch Auflösung der Gesellschaft Folge leistet, nach Abmahnung zur Kündigung des Vertrages berechtigt wird (§ 14 Ziffer 1.2.2 FV). Im Zusammenhang mit der unten noch zu erörternden Vorerwerbsregelung des § 15 FV verlöre damit der Franchise-Partner die wesentlichen Grundlagen seiner Existenz.
189Die Bestimmung des § 6.1 FV dergemäß der Franchise-Partner verpflichtet ist, die in Anlage D zu den Vertrag genannten Mindestumsätze zu erbringen, erhält durch die an das Nichterreichen geknüpfter. Folgerungen knebelnde Wirkung. Der Beklagten ist einzuräumen, daß in den vier der Kammer zur Entscheidung vorliegenden Fällen – S, M, W, und Q - nur im Falle Q die Umsatzvorgaben nicht erreicht wurden, während die anderen Franchise-Partner die Umsatzvorgaben zum Teil überschritten haben. Alle vier Franchise-Partner scheiterten allerdings; hohe Überschuldung bzw. Konkurs führten zur Vertragsbeendigung. Die hohen Umsatzvorgaben im Zusammenhang mit der Kündigungsmöglichkeit und der sich daran anknüpfenden Vorerwerbsregelung stellen eine Knebelung des Franchise-Partners dar. Liegt nämlich der Franchise-Partner in einem Kalenderjahr mit 20 % oder mehr unter dem Mindestumsatz, so ist die Beklagte berechtigt, mit einer Frist von vier Wochen das Vertragsverhältnis zum 30. April des nachfolgenden Kalenderjahres zu kündigen; im günstigsten Fall verbleibt daher ein Zeitraum von vier Monaten nach dem Jahresende bis zur Vertragsbeendigung. Die weiteren Konsequenzen ergeben sich aus dem § 15 FV über die Vertragsbeendigung und -abwicklung, die den Franchise-Partner in völlig unangemessener Weise benachteiligen.
190Entscheidend für die Beurteilung des Vertrages als sittenwidrig ist die in dieser Bestimmung begründete Möglichkeit der Knebelung des Vertragspartners.
191Die tatsächliche Handhabung beweist, daß den Franchise-Nehmern unrealistische - auf einer Fehleinschätzung beruhende - Umsatzvorgaben gemacht wurden.
192Die Beklagte ist zum Beispiel in der Sache N bei der Errechnung der Umsatzvorgaben von Werten ausgegangen, die im Jahre 1973 auf Landesebene (Baden-Württemberg) und bundesweit stichprobenweise ermittelt wurden, und zwar der prozentuale Anteil an Tiefkühltruhen in Haushalten von 1, 2, 3 4 sowie 5 und mehr Personen. Sie hat auf Grund dessen die Gesamtzahlen an Kundenpotential getrennt nach Land- und Stadtkreisen ermittelt. Sie ist bei Landkreisen von einer 15%igen Durchdringung und bei Stadtkreisen von einer 7,5 %igen Marktdurchdringung ausgegangen und hat auf diese Weise 23.660 Kunden ermittelt und den von M mit diesen Kunden zu verwirklichenden Umsatz mit 16.568.300,-- DM bezeichnet. Daraus folgt, daß sie von einem durchschnittlichen Jahresumsatz pro Kunde von 700,-- DM ausgegangen ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Jahresumsatz im Jahre 1973 realistisch gewesen ist. Er war es jedenfalls nicht mehr während der Laufzeit der den Gericht vorliegenden Franchise-Verträge in Sachen T, M, Q und W. Aus den von der Beklagten selbst erstellten Unterlagen geht hervor, daß ein derartiger Jahresumsatz pro Kunde nicht erzielbar war. Während der durchschnittliche Jahresumsatz 1980 noch bei 542,16 DM lag, ergab sich in den folgenden Jahren ein ständiger Rückgang; im Jahre 1984 betrug der Durchschnittsumsatz 435,48 DM. In keinem der Kammer vorliegenden Fälle wurde ein höherer Durchschnittsumsatz erzielt. Damit sind die Umsatzvorgaben schon im Ansatz falsch. Die Umsatzvorgabe von 700,-- DM pro Kunde liegt um 265,-- DM höher als der tatsächlich erzielbare Umsatz im Jahre 1984. Dies würde bei einer Rohgewinnspanne von etwa 30 % einen höheren Rohgewinn pro Kunde in Höhe von etwa 90,-- DM im Jahr ergeben. Diese Berechnung kann jedoch vernachlässigt werden, weil sie utopisch ist. Die Belastung des Franchise-Partners ergibt sich aus folgender Überlegung: Wenn ein Kunde nicht 700,-- DM Jahresdurchschnittsumsatz erbringt, sondern nur 435,-- DM, muß das Jahresumsatzsoll mit einer größeren Anzahl an Kunden erzielt werden. Dies erfordert die Anschaffung weiterer Tiefkühl-Lkw's und Einstellung weiterer Fahrer mit den entsprechenden Folgekosten. Dies sei an einem Beispiel erläutert: Nach den unrealistischen Vorgaben der Beklagten hätte ein Umsatz von 700.000,-- DM mit 1.000 Kunden erzielt werden können. Tatsächlich waren ca. 1.600 Kunden bei einem Jahresdurchschnittsumsatz von 435,-- DM erforderlich, um diesen Umsatz von 700.000,-- DM zu erzielen. Aus einer vorgelegten Unterlage der Beklagten geht hervor, daß diese es für erforderlich hält, daß für etwa 550 bis 600 Kunden ein Tiefkühl-Lkw mit Fahrer zur Verfügung steht. Legt man diese Zahl zugrunde, würden zur Erzielung eines Umsatzes von 700.000,-- DM bei einem -unrealistischen - Jahresdurchschnittsumsatz pro Kunde von 700,-- DM zwei Tiefkühl-Lkw's und zwei Fahrer notwendig sein, bei dem tatsächlich erzielbaren Jahresdurchschnittsumsatz von 435,-- DM jedoch drei Tiefkühl-Lkw's und drei Fahrer, also um 50 % erhöhte Investitionen.
193§ 15 FV, der die Vertragsbeendigung und -abwicklung regelt, stellt eine - wie schon das Oberlandesgericht Zweibrücken hervorgehoben hat -" ganz einseitig und in nahezu unerträglicher Weise belastende Regelung" für den Franchise-Partner dar. Nach § 15 Ziffer 1.1 FV ist die Beklagte bei Vertragsbeendigung berechtigt, nach ihrer Wahl entweder den gesamten Betrieb oder einzelne Aktiva und Passiva einschließlich etwaig bestehender Verträge im Zusammenhang mit dem Betrieb zu übernehmen. "Art und Umfang der zu übernehmenden Aktiva und Passiva nebst Verträgen steht im Ermessen von C2". Die Beklagte hat danach die Möglichkeit lediglich die ihr vorteilhaft erscheinenden Bestandteile des Betriebes zu übernehmen, während dem Franchise-Partner einzelne, auch im Hinblick auf das an die Übernahme durch die Beklagte geknüpfte Wettbewerbsverbot nicht mehr verwertbare Teile verbleibe. Die Beklagte hat sich auch tatsächlich in den der Kammer zur Entscheidung vorliegenden Fällen - T, N, Q und W - entsprechend den in dieser Bestimmung liegenden Möglichkeit verhalten.
194In der vorliegenden Sache hat sie sich die komplette Kundenliste aushändigen lassen und zunächst den Lkw-Bestand übernommen sowie das Tiefkühllager angemietet und die Verträge mit den Verkaufsfahrern übernommen. Sie hat nach wenigen Tagen die Mietverträge fristlos gekündigt und die Lkw's wieder zur Verfügung gestellt, wobei sie geltend macht, hierzu durch Sicherungsübereignungen bzw. Pfändungen gezwungen gewesen zu sein. Sie hat letztlich nur die für sie interessanten Teile, den Kundenstamm und die Verkaufsfahrer, übernommen. In der Sache Q hat sie darüber hinaus die Tiefkühlzelle und die Tiefkühlfahrzeuge übernommen.
195In keinem Fall wurde von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den gesamten Betrieb zu übernehmen. Der Restbestand - Grundstück, Lagerräume und Verkaufsfahrzeuge (außer im Falle Q) -verblieben bei dem Franchise-Partner. Sie sind, weil sie speziell auf den Vertrieb von Tiefkühlprodukten angelegt sind, kaum anders nutzbar und können -falls nicht wie in den Fällen- S, M, Q und W unter Berufung auf die Nichtigkeit des Franchise-Vertrages versucht wird, den gesamten Betrieb an ein Konkurrenzunternehmen zu veräußern - unter Umständen nur mit Verlust veräußert werden. In allen dem Gericht bekannten Fällen waren die Franchise-Partner bei Vertragsende mit enorm hohen Verbindlichkeiten belastet, die im wesentlichen im Laufe des Franchise-Verhältnisses entstanden sind. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß sämtliche Investitionen von dem Franchise-Partner zu erbringen waren. Der Franchise-Partner hat nach § 6 Ziffer 2 des Vertrages dafür Sorge zu tragen, daß zu Vertragsbeginn und für die Dauer des Vertrages nach Maßgabe der jeweils gültigen Franchise-Richtlinien auf seine Kosten Tiefkühllagermöglichkeiten und Büroräume, spezielle Tiefkühlfahrzeuge sowie alle mit der Lagerung von Eiskrem und Tiefkühlspezialitäten und deren Vertrieb erforderlichen Ausstattungen und Einrichtungen sowie Betriebsmittel funktionstüchtig und in einwandfrei gepflegtem Zustand zur Verfügung standen. Darüber hinaus hat der Franchise-Partner unter Einsatz seiner Arbeitskraft und Aufbringung der laufenden Aufwendungen unter anderem für Personal und Kraftfahrzeugunterhaltung den Kundenstamm aufgebaut, der das wertvollste Ergebnis seiner Tätigkeit ist, ohne daß er hierfür einen angemessenen Ausgleich erhält.
196In unerträglicher Weise benachteiligt ist auch die Entgeltsregelung für den Fall der Ausübung des Vorerwerbsrechts. Die Beklagte ist für den Fall, daß sie einzelne Teile des Unternehmens übernimmt nur verpflichtet, ein Entgelt zu zahlen, daß sich nach ertragssteuerlichen Grundsätzen richtet, das bedeutet zunächst, daß der Vertrag - jedenfalls nach seinem Wortlaut, nach dem sich die Auslegung zu richten hat - für Unternehmensbestandteile, die in einer Ertragssteuerbilanz nicht ansatzfähig sind, überhaupt keinen Wertansatz vorsieht. Dies gilt in erster Linie für den wertvollen Kundenstamm, den der Franchise-Partner aufgebaut hat und darüber hinaus in geringerem Maße auch für das übernommene Verkaufspersonal, das im Vertragsgebiet eingeführt ist und die Kontinuität der Belieferung des Kundenstammes mitgewährleistet. Die Beklagte kann im übrigen wertvolle Unternehmensteile einschließlich der stillen Reserven - wie das Landgericht Wuppertal zutreffend ausgeführt hat - zu Bedingungen übernehmen, die ihr von Dritten, mit denen sie nicht in vertraglichen Beziehungen steht, kaum eingeräumt würden.
197Die Entgeltregelung in § 15 Ziffer 1.7 FV betrifft nach dem Wortlaut des Vertrages die Gegenleistung für ein zweijähriges Wettbewerbsverbot, das an das Vorerwerbsrecht geknüpft ist. Dieses soll 50 % des ertragssteuerlichen Jahresüberschusses des letzten vollen Geschäftsjahres vor Vertragsbeendigung zuzüglich 5 % des Jahresumsatzes des letzten vollen Geschäftsjahres laut ertragssteuerlicher Gewinn- und Verlustrechnung betragen. Ein Gewinn dürfte in der Aufbauphase kaum anfallen und ist auch tatsächlich in allen der Kammer zur Entscheidung vorliegenden Fällen in dem letzten Jahr vor Vertragsbeendigung nicht entstanden. Damit ist dieser Teil der Entschädigungsregelung praktisch bedeutungslos. 5 % des Jahresumsatzes würden im Fall der Klägerin einer Karenzentschädigung von ca. 460.000,-- DM entsprechen. Eine derartige Karenzentschädigung wäre unangemessen, wenn sie gleichzeitig -unausgesprochen - eine Abfindung für den Kundenstamm bedeuten würde. Der eigentliche Franchise-Vertrag (abgesehen von dem Wechselkreditvertrag) enthält keine Regelung für den Übergang des Kundenstammes. Er wird auch nicht von den etwa zu übernehmenden "Aktiva und Passiva" erfaßt, weil er -abgesehen von einem etwa gegen Entgelt bei Vertragsbeginn übernommenen Kundenstamm - nicht zu aktivieren ist. Der Franchise-Partner verliert den Kundenstamm infolge des Wettbewerbsverbotes, das bei Ausübung des Vorerwerbsrechts in Kraft tritt. Dadurch, daß der Franchise-Partner durch das Wettbewerbsverbot gehindert ist, seine bisherigen Kunden weiter zu betreuen und zu beliefern, verliert er diese, und zwar schon - insoweit sind die Parteien einig - innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen. Die Beklagte kann, da sie einen Anspruch auf Herausgabe der Informationen über den Kundenstamm hat, diesen ungehindert übernehmen und für sich nutzen.
198Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, die Ausübung des Vorerwerbsrechts stelle rechtlich einen Unternehmenskauf dar, der sowohl dann vorliege, wenn die Übernahme eines handelsrechtlichen Gesamthandvermögens gewollt sei als auch dann, wenn die Übernahme von nur einzelnen Aktiva und Passiva gewollt sei. Die Gegenleistung sei aus Gründen einer steueroptimalen Gestaltung in das Entgelt für das Wettbewerbsverbot einbezogen worden. Der Vereinbarung kann ein derartiger Sinn nicht gegeben werden, weil dieser durch den Wortlaut des Vertrages nicht gedeckt ist, sondern eine hiervon völlig abweichende Vereinbarung darstellen würde. Der Vertrag regelt weder den Übergang des Kundenstammes noch eine hierfür zu zahlende Vergütung. Der Vertrag enthält insoweit eine Lücke. Vereinbarungen der Vertragspartner zur Ergänzung hätten der Schriftform bedurft.
199Bei Übernahme hätte die Beklagte daher den vollen Wert des Kunden zu vergüten, bei dessen Ermittlung nach verschiedenen Methoden vorgegangen werden Kann. Es kann nach Erfahrungssätzen der Aufwand an Betriebsmitteln und Personalkosten ermittelt werden, die notwendig sind, um einen Kunden zu werben, der künftig regelmäßig jährlich einen bestimmten Umsatz macht. Es können die Gesamtinvestitionen herangezogen werden, die die Klägerin gehabt hat, um den Kundenstamm aufzubauen. Der Wert des Kunden kann schließlich auf der Grundlage des von ihm zu erwartenden Umsatzes und des daraus resultierenden Gewinns bewertet werden.
200Eine unangemessene Benachteiligung des Franchise-Partners ergibt sich weiterhin aus § 15 Ziffer 1.9. Das Vorwerbsrecht kann danach im Falle der ordentlichen Kündigung nach § 14 des Vertrages spätestens 6 Wochen vor Vertragsbeendigung und im Falle einer fristlosen Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Ausspruch der Kündigung ausgesprochen werden. Der Franchise-Partner weiß daher im Fall der ordentlichen Kündigung im ungünstigsten Fall erst 6 Wochen vor Vertragsbeendigung, wie sich seine künftige geschäftliche Existenz gestalten wird. Wird ein Vorerwerbsrecht ausgeübt, muß er sich innerhalb kürzester Zeit darauf einstellen, eine völlig neue geschäftliche Existenz zu gründen, im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund bleibt er noch zwei Wochen nach Vertragschluß darüber im Ungewissen. Auch diese völlig unerträgliche Regelung trägt zur Beurteilung des Vertrages als sittenwidrig bei, es kann daher die Frage dahingestellt bleiben, ob die für den Fall des Handelsvertreters in § 90 a II HGB getroffene Regelung entsprechend anzuwenden wäre. Dies würde bedeuten, daß ein bedingtes Wettbewerbsverbot, wie es der Franchise-Vertrag vorsieht unwirksam wäre (§ 90 a IV HGB). Der Unternehmer kann danach nur für die Zukunft und mit einer Frist von 6 Monaten auf ein Wettbewerbsverbot verzichten. Der Unternehmer kann sich dagegen nicht im Vertrag vorbehalten, ob er von dem Wettbewerbsverbot Gebrauch macht oder nicht.
201Ergänzend ist noch festzustellen, daß das Wettbewerbsverbot, falls es im übrigen wirksam wäre, jedenfalls eine unzulässig lange Zeitdauer vorsieht. Diese wäre allerdings im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf ein angemessenes Maß zu reduzieren. Eine unangemessen lange Dauer würde für sich allein gesehen daher die Wettbewerbsabrede nicht unwirksam machen. Ein zweijähriges Wettbewerbsverbot ist zwar nicht grundsätzlich unzulässig (§ 90 a I HGB), seine Länge ist jedoch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Vertragspartner zu bestimmen. Wie das Landgericht Wuppertal zutreffend ausgeführt hat, ist den Interessen der Beklagten hier mit einem Wettbewerbsverbot von der Dauer von höchstens einem Jahr genüge getan. Die Beklagte hat die Möglichkeit, durch den Wegfall des Franchise-Partners in das von diesem erschlossene Verkaufsgebiet einzudringen und im Zeitraum von einem Jahr eine Stellung aufzubauen, die für den ehemaligen Franchise-Partner unangreifbar ist. Dies ergibt sich schon aus der unstreitigen Tatsache, daß der Kundenstamm für den Franchise-Partner verloren ist, wenn dieser von ihm auch nur kurze Zeit nicht beliefert wird.
202Die Sittenwidrigkeit folgt auch aus einem auffälligen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.
203Der Franchise-Partner trägt das volle unternehmerische Risiko. Er hat - wie dargelegt - auf seine Kosten Tiefkühllagermöglichkeiten, Büroräume, Spezialtiefkühlfahrzeuge sowie alle erforderliche Ausstattungen und Einrichtungen sowie Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen. Er trägt das Risiko von Verlusten und haftet persönlich und unbeschränkbar. Eine unternehmerische Entscheidungsfreiheit besitzt der Franchise-Nehmer dagegen fast nicht. Zu der Gründung einer Kapital- oder Handelsgesellschaft bedarf er der Zustimmung, die regelmäßig nur erteilt wird, wenn Ehegatten oder Familienangehörige ersten Grades beteiligt werden sollen. Er ist dadurch an der Kapitalaufnahme durch Beteiligung Dritter behindert. Der zu erzielende Umsatz ist ihm vorgegeben. Er muß - wie oben dargelegt - erhebliche Umsatzsteigerungen erzielen, ohne daß er die Möglichkeit hat, die Umsatzsteigerungen der individuellen finanziellen Verhältnisse seines Unternehmens anzupassen, denn bei einem Unterschreiten der Mindestumsätze um 20 % muß er mit einer Kündigung und mit an die Vorerwerbsregelung geknüpften praktischen Verlust seines Betriebes rechnen. Er wird sich daher in jedem Fall bemühen, die Umsatzsteigerungen zu erreichen, um dieses Ergebnis zu verhindern, auch wenn durch die damit verbundenen Investitionen seine finanziellen Möglichkeiten überfordert werden.
204Er hat praktisch keine Möglichkeit, die Rohgewinnmarge selbst zu bestimmen. Die Beklagte bestimmt die Einkaufspreise und praktisch im Ergebnis weitgehend die Verkaufspreise. Die Einkaufspreise sind in § 5 Ziffer 2 geregelt. Es wird der Eindruck erweckt, daß der Einkauf bei C2 zu günstigeren Preisen erfolgen könne, denn es heißt: "Es ist das Ziel von C2, die für einen jeden C2 Franchise-Betrieb notwendigen Produkte und Leistungen zentral einzukaufen bzw. anzubieten. Hierdurch werden Einkaufsvorteile gegenüber dem freien Markt für alle Partner erreicht ...". Es heißt weiter, daß C2 den Franchise-Partner zu denselben Preisen und Bedingungen beliefern wird, wie die firmeneigenen Niederlassungen. Hinsichtlich dieser C2 Niederlassungspreise wird ausgeführt, daß C2 sich bei der Festlegung von Wirtschaftlichkeitsgesichten leiten lassen wird. Frachtkosten sind gesondert zu zahlen. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß es sich bei diesen Niederlassungspreisen um für den Franchise-Partner günstige Preise handelt. Die Niederlassungen brauchen keine Franchise-Gebühr zu zahlen und können daher anders kalkulieren; darüber hinaus würden überhöhte Niederlassungspreise für die Beklagte lediglich eine Gewinnverschiebung zur Muttergesellschaft bedeuten.
205Hinsichtlich der Verkaufspreise wird auf die Ausführungen zu § 15 GWB Bezug genommen. Ein überschreiten der empfohlenen Verkaufspreise, auch wenn diese den Zusatz "unverbindlich" tragen, dürfte praktisch kaum durchsetzbar sein, während ein Unterschreiten Nachteile zur Folge hat, weil die Franchise-Gebühr nicht von dem tatsächlich erzielten, sondern von dem empfohlenen Verkaufspreis berechnet wird.
206Die Einschätzung, daß die Beklagte faktisch die Rohgewinnmarge bestimmt, wird bestätigt durch das eigene Schreiben der Beklagten vom 1.3.1983, in dem es u.a. heißt:
207"Als Anlage erhalten Sie eine Vorabinformation über die ab 1.3.1983 gültigen Rohgewinne je Artikel, auf Grund der gefällten Marketing-Entscheidung, die Verkaufspreise gegenüber dem bestehenden Winterprogramm nicht zu verändern, haben sich die Rohgewinnsätze verschoben ...".
208Der Franchise-Partner unterliegt darüber hinaus weitgehenden Kontrollen. Er muß innerhalb von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahres die testierte Jahresbilanz einschließlich Gewinn- und Verlustrechnung seines Betriebs abschriftlich zur Verfügung stellen. Bleibt der Franchise-Partner mit einer Zahlung nach schriftlicher Mahnung durch Einschreiben gegen Rückschein und Hinweis auf die nachfolgenden Befugnisse länger als 14 Tage weiterhin in Verzug, ist C2 berechtigt, in den Geschäftsräumen des Franchise-Partners eine Kassen- und Buchprüfung vorzunehmen.
209Die Gegenleistungen der Beklagten treten demgegenüber - wie das Landgericht Wuppertal zutreffend ausgeführt hat - völlig in den Hintergrund. Die Beklagte stellt ein Vertragsgebiet zur Verfügung, in dem jedoch der Kundenstamm erst noch aufzubauen ist. Die Leistung der Beklagten bestand darin, in dem Vertragsgebiet nicht selbst tätig zu werden und nicht andere Franchise-Partner dort einzusetzen. Sie stellt den Markennamen und das know-how des Vertriebs zur Verfügung. Das Markenzeichen wird aber zugleich durch die Aufbautätigkeit des Franchise-Partners in seinem Bekanntheitsgrad gefördert. Die Beklagte stellt schließlich ihr Einkaufssystem zur Verfügung, das für den Franchise-Partner organisatorische Einkaufsvorteile bietet; er kann sämtliche Bestellungen bei einem Partner aufgeben, der jederzeit auch für kleine Bestellmengen lieferbereit ist. Die Preisgestaltung bot keinen Vorteil; es wurden im Gegenteil - wie unten noch darzulegen sein wird -überhöhte Preise verlangt. Darüber hinaus werden durchsetzbare Rechte kaum begründet. Die Beratungsleistungen betreffen alle mit dem optimalen Aufbau eines Tiefkühlheimdienstes durch das C2-System und bei seiner Durchführung auftretende Fragen, insbesondere bei
210- Errichtung und Ausstattung des Tiefkühllagers
211- Aufbau und Organisation der Verwaltung
212- Einrichtung und Ausstattung des Verkaufsbüros
213- Einstellung und Schulungen der C2-Verkäufer mit Stellenbeschreibungen nach dem C2-System
214- Ankauf und Ausstattung der Spezialtiefkühlfahrzeuge und deren Aufbau etc., ferner in der Beratung in betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Fragen sowie Versicherungsangelegenheiten.
215Es bleibt nach § 5 Ziffer 1 jedoch überlassen, wo und durch wen die Beratung erteilt wird. Alle sonstigen Beratungen und Leistungen bedürfen nach § 5 Ziffer 6 einer besonderen Vereinbarung einschließlich der jeweils festzusetzenden Vergütungen, zum Beispiel Nachweis bzw. Beschaffung von gewerblichen Räumen, Beschaffung von Urlaubsvertretungen, Beschaffung von Personal im Krankheitsfalle etc. sowie bei der Anschaffung von Tiefkühllägern und Lagereinrichtungen, von Tiefkühlfahrzeugen, deren Aufbauten und Ausstattung, wobei nicht erkennbar ist, wo die Grenze zu den nach § 5 Ziffer 1 des Vertrages zu erbringenden Beratungsleistungen liegt.
216Eine einseitige Benachteiligung des Franchise-Nehmers zeigt sich schließlich auch bei der Regelung der Kündigungsmöglichkeiten. Während die Beklagte das Vertragsverhältnis schon bei einem verhältnismäßig geringfügigen Zahlungsverzug des Franchise-Partners kündigen kann, steht diesem ein Kündigungsrecht wegen Lieferverzuges der Klägerin nur nach vorheriger Abmahnung und darüber hinaus nur dann zu, wenn die Klägerin "mit mehr als einer kompletten Warengruppe (ihrer) Lieferpflicht innerhalb von vier Wochen nicht nachkommt" (§ 14 Ziffer 2.2.2). Für den Fall der Schlechtlieferung kann der Franchise-Partner nach Ziffer 2.2.3 erst nach vorheriger Abmahnung und nur dann kündigen, wenn die Klägerin "mehrfach schuldhaft Ware erheblich geminderter Qualität liefert und die Schlechtlieferung nicht auf bloße leichte Fahrlässigkeit zurückzuführen ist". Lediglich im Falle des Franchise-Partners M ist diese Bestimmung geändert worden und zwar dahin, daß die Kündigungsmöglichkeit nicht erst dann eintritt, wenn die Beklagte mit einer "kompletten Warengruppe" ihrer Lieferpflicht nicht nachkommt, sondern schon dann, wenn diese mit mehr als 20 % ihrer Warengruppe ihrer Lieferpflicht nicht nachkommt.
217Insgesamt ist festzustellen, daß der Franchise-Partner unter Einsatz seines Kapitals und seiner Arbeitskraft das Vertriebssystem der Beklagten weiter ausbaut, einen Kundenstamm aufbaut mit der fast sicheren Gewißheit, daß ihm bei Beendigung des Vertragsverhältnisses bei Ausübung des Vorerwerbsrechts durch die Beklagte das Ergebnis dieser Aufbauarbeit verloren geht, während die Beklagte ohne eigene Investitionen und ohne eigenes Risiko - wie das Landgericht Wuppertal ausgeführt hat - die wertvollen Unternehmensteile in ihr eigenes Unternehmen eingliedern kann, um ihre eigene Marktstellung zu festigen und auszubauen.
218Die Beklagte wendet ein, bei der gebotenen interessengerechten Auslegung der Franchise-Verträge ergäbe sich keine Benachteiligung der Franchise-Partner. Diese Ansicht mag zutreffen, wenn es nur um die Auslegung von einzelnen Vorschriften geht. Der Bundesgerichtshof (WM 1984, 1537 (1538)) hatte sich auch nur mit der Regelung des außerordentlichen Kündigungsrechtes im Rahmen eines Franchise-Vertrages zu befassen. Für eine interessengerechte Auslegung ist jedoch dann kein Raum mehr, wenn - wie dargelegt - das Vertragswerk in seiner Gesamtkonzeption auf eine Benachteiligung eines Vertragspartners angelegt ist. Die Beklagte wendet ferner ein, daß die Klägerin ein erfahrener Kaufmann sei. Es fehlt daher eine konkrete Schutzbedürftigkeit, die für die Reichweite der zulässigen Vertragsgestaltung eine maßgebliche Rolle spiele. Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Vereinbarungen, seien nicht die gleichen strengen Maßstäbe anzulegen wie im nicht kaufmännischen Verkehr. Eine praktische kaufmännische Erfahrung besagt jedoch nichts darüber, ob jemand auch in der Lage wäre, ein so kompliziertes Vertragswerk, wie den Franchise-Vertrag der Beklagten, in allen seinen Konsequenzen zu übersehen. Wie schwierig die rechtliche Beurteilung mit ihren Auswirkungen ist, zeigen die Ergebnisse der verschiedenen Prozesse mit ihren unterschiedlichen juristischen Bewertungen.
219Die Beklagte macht schließlich geltend, es sei zu berücksichtigen, daß die Interessen des Franchise-Gebers und des Franchise-Partners in entscheidenden Punkten, insbesondere in Bezug auf den Absatz der Produkte an den Endverbraucher, identisch seien. Diese gleich gerichteten Interessen sprächen für die Zulässigkeit der zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsgestaltung. Diese in Bezug auf den Absatz an Endverbraucher gleich gerichteten Interessen schließen jedoch nicht aus, daß im Innenverhältnis zwischen den Vertragsparteien ein Ungleichgewicht besteht, wie es oben im einzelnen dargestellt wurde.
220Soweit sich die Beklagte im Hinblick auf das Vorerwerbsrecht darauf beruft, daß das Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 III BGB auszuüben sei, mit der Folge, daß die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht, ist die Kammer mit dem Landgericht Wuppertal der Auffassung, daß für die Anwendung dieser Vorschrift kein Raum ist, weil schon die Tatsache, daß überhaupt einzelne Vermögensteile übernommen werden können und der Vorerwerb nicht auf die Übernahme des gesamten Betriebes beschränkt ist, regelmäßig eine Betriebsstillegung zur Folge haben wird. In dem zu entscheidenden Fall hat die Beklagte darüber hinaus zum Ausdruck gebracht, daß sie ihr Vorerwerbsrecht nicht in billiger Weise auszuüben beabsichtige.
221Sie hat letztlich nur den Kundenstamm und die Verkaufsfahrer übernommen. Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat darüber hinaus zutreffend darauf hingewiesen, daß die Einbeziehung des Rechtsgedankens aus § 315 BGB zur Auslegung zu weit gefaßter vertraglicher Befugnisse schon vom Grundsatz her an der Unwirksamkeit etwa zu weit gefaßter Klauseln nichts zu ändern vermöge (BGH WM 1984, 314; 1985, 127, 128). Denn die Einräumung zu weitgehender und deswegen sittenwidriger vertraglicher Befugnisse verliere nicht deshalb ihre Unangemessenheit, weil ihre Ausübung an die Einhaltung billigen Ermessens gebunden sei.
222§ 16 des Vertrages sieht für den Fall der Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen folgendes vor:
223"Sollten einzelne Bestimmungen des Vertrages oder Teile von Bestimmungen, aus welchem Grunde auch immer, nichtig oder rechtsunwirksam sein, so bleiben alle übrigen getroffenen Vereinbarungen davon unberührt. Im Zweifelsfalle sind Formulierungen so auszulegen, daß sie rechtswirksam bleiben und dem angestrebten Ziel des Systems als Gemeinschaft zwischen C2 und allen anderen Franchise-Partnern Rechnung tragen.
224Gegebenenfalls werden die Parteien unwirksame Bestimmungen durch eine andere Regelung ersetzen, durch die der angestrebte Zweck in rechtlich einwandfreier Weise erreicht werden kann."
225Durch diese Klausel soll die gesetzliche Regel des § 139 BGB, demgemäß das ganze Rechtsgeschäft im Zweifel nichtig ist, wenn ein Teil des Rechtsgeschäfts nichtig ist, abbedungen werden. Wie sowohl das Landgericht Wuppertal als auch das Oberlandesgericht Zweibrücken zutreffend dargelegt haben, ist eine derartige salvatorische Klausel einschränkend auszulegen und nicht anzuwenden, wenn Vertragsbestimmungen von grundlegender Bedeutung nichtig sind. Wie oben dargelegt, knebelt der Franchise-Vertrag den Franchise-Nehmer nicht nur in einzelnen Bestimmungen, sondern in seiner Gesamtkonzeption. Zur Aufrechterhaltung des Vertrages mit einem noch zulässigen Inhalt bedürfte es nicht lediglich der Korrektur einzelner Bestimmungen. Einen billigenswerten Inhalt könnte das Vertragswerk - wie das Oberlandesgericht Zweibrücken zutreffend dargelegt hat - vielmehr nur bei weitgehender Umgestaltung erlangen, wobei zweifelhaft wäre, ob diese Umgestaltung vom Parteiwillen, insbesondere der Beklagten noch getragen würde. Die Beklagte hat die Franchise-Vertrage hinsichtlich ihrer juristischen Auswirkungen - wie die Verträge von 1977, 1980 und 1981 zeigen - im Laufe der Jahre zum Nachteil der Franchise-Partner verändert. In dem Vertrag von 1977 (M) ist die Zustimmung zu der Gründung einer neuen Firma mit eigener Rechtspersönlichkeit nicht beschränkt auf die Beteiligung von Eheleuten und Verwandten ersten Grades; eine Widerrufsmöglichkeit ist nicht vorgesehen (§ 13-3 FV). An. die Nichterreichung des Mindestumsatzes ist keine Kündigungsmöglichkeit geknüpft (§ 2.2 FV). Die Beklagte lieferte die Produkte zu Selbstkostenpreisen zuzüglich Fracht (§ 1.3 FV). Die Franchise-Gebühr wurde nach dem tatsächlichen Umsatz berechnet (§ 8.1 FV). Eine Vorerwerbsregelung war nicht vorgesehen. § 11.3 FV sah ein wechselseitiges Wettbewerbsverbot bei gleichen Bedingungen vor. Eine Rückgängigmachung der von der Beklagten bewußt vorgenommenen Benachteiligungen der Franchise-Partner würde daher kaum ihrem Willen entsprechen. Es ist daher davon auszugehen, daß das gesamte Vertragswerk trotz einer Teilwirksamkeitsklausel nichtig ist.
226Es bedarf - im Gegensatz zu der Auffassung der Beklagten - zur Feststellung der Unwirksamkeit auch nicht etwa weiterer Klärung des Sachverhalts. Die vertraglichen Bestimmungen beinhalten - wie dargelegt - ein derartiges Ungleichgewicht der gegenseitigen Rechte und Pflichten, daß dem Franchise-Partner eine eigene Entscheidungsfreiheit nicht verblieb. Schon die Möglichkeit, daß die Beklagte von ihren weitgehenden Rechten Gebrauch machen könnte, brachte den Franchise-Partner in einen unzumutbaren Zustand der Ungewißheit. Er mußte mit der Möglichkeit einer Kündigung und damit dem Verlust seiner Existenz rechnen, wenn er den Weisungen der Beklagten nicht nachkam. Selbst wenn die Beklagte in einzelnen Fällen Franchise-Gebühren reduzierte oder dem Franchise-Partner durch Gebietaufteilungen entgegenkam oder bei Zahlungsrückständen nicht schon dann die Kündigung erklärte, wenn es nach dem Vertrag möglich gewesen wäre, ist festzustellen, daß es jedenfalls nach der Vertragsgestaltung im Belieben der Beklagten stand, ob sie von ihren Rechten Gebrauch machte oder nicht. Die rechtliche Wirksamkeit kann daher nicht von der tatsächlichen Handhabung durch die Beklagte abhängen, dies insbesondere nicht im Hinblick auf § 15 FV. Die Wirksamkeit des Vertrages würde dann von einem Verhalten der Beklagten bei Vertragsende abhängen. Welche Folgen damit verbunden sind, zeigen die Rechtsstreite in den Fällen der Franchise-Nehmers T und M die wegen der Berechtigung hinsichtlich des Kundenstamnes geführt werden bzw. wurden. Die Wirksamkeit des Vertrages kann auch nicht etwa dadurch bewiesen werden, daß geprüft würde, ob Franchise-Nehmer in anderen Fällen mit diesen vertraglichen Voraussetzungen erfolgreich gewesen seien, was zwischen den Parteien streitig ist.
227Es ist daher festzustellen, daß die mit den Gesellschaften des Herrn W abgeschlossenen Franchise-Verträge unwirksam sind.
228Die Folgen der Nichtigkeit treten ex tunc ein. Eine Nichtigkeit nach § 138 BGB ergreift grundsätzlich rückwirkend das gesamte Vertragsverhältnis,. In Rechtsprechung und Lehre sind zwar zu Dauerschuldverhältnissen in Gesellschafts- und Arbeitsrecht Grundsätze entwickelt worden, nach denen die Unwirksamkeit des Vertrages nicht für die Vergangenheit geltend gemacht werden könne. Diese Grundsätze können auf das hier vorliegende Franchise-Verhältnis nicht angewendet werden. Abgesehen davon, daß sie entgegen der gesetzlichen Regelung entwickelt wurden und schon deshalb Bedenken gegen eine weitere Abweichung von der gesetzlichen Regelung bestehen, liegt eine Rechtsähnlichkeit, die eine gleichartige Behandlung erfordern würde, nicht vor. Die Notwendigkeit der rechtlichen Anerkennung eines tatsächlich geschaffenen Gemeinschaftsverhältnisses lag darin begründet, daß bei einem später zu Tage tretenden Nichtigkeitsgrund nicht ohne weiteres der bis dahin bestehende tatsächliche Zustand als nicht geschehen betrachtet werden konnte, weil dies zu unbefriedigenden und unvertretbaren Folgerungen geführt haben würde.
229Für Gesellschaftsverhältnisse wurde angenommen, daß die Nichtigkeitsfolgen des Bürgerlichen Rechts wegen ihrer Rückwirkung auf den Abschluß des Rechtsgeschäfts im allgemeinen nicht passen, weil es sich um eine auf Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Leistungsgemeinschaft handele, für die die Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinnchancen genutzt und vor allem gemeinschaftlich das Risiko getragen haben. Diese tatsächlichen Verhältnisse können nicht mit rückwirkender Kraft aus dem Rechtsleben gestrichen und so behandelt werden, als ob sie niemals bestanden hätten (BGHZ 3» 285 ff.; 55, 5 ff.).
230Bei einem Arbeitsverhältnis wäre es zwar denkbar die Rechtsfolgen so zu gestalten, als ob das Rechtsverhältnis von Anfang an nicht bestanden hätte. Es wird jedoch hier ebenso wie beim Gesellschaftsverhältnis angenommen, daß die besondere Natur des Arbeitsverhältnisses als eines personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses die Nichtigkeit ex tunc im allgemeinen ausschließt, weil eine Rückwirkung zu sozial unbilligen Folgen führen könnte.
231Das Franchise-Verhältnis ist hinsichtlich der Gesichtspunkte, die im Gesellschafts- und Arbeitsrecht für eine Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses, das faktisch bestanden hat, sprechen, mit diesen Vertragsverhältnissen nicht vergleichbar. Wie die Klägerin zutreffend hervorgehoben hat, war die Beklagte an dem Unternehmen der Franchise-Nehmer weder mit Kapital beteiligt noch nahm sie an dem wirtschaftlichen Risiko teil. Während eine Rückabwicklung nach § 812 BGB bei dem Gesellschaftsverhältnis deshalb Schwierigkeiten bereitet, weil die Gesellschafter ihre Einlagen nicht einander, sondern in das Gesellschaftsvermögen geleistet haben, sie für das Vermögen Schulden eingegangen sind, aus diesem Zahlungen geleistet und empfangen haben, sie mittels des von ihnen gebildeten Gesellschaftsvermögens und durch ihre gemeinsame Tätigkeit Gewinn erzielt haben, der wiederum dem gemeinsamen Vermögen zufloß, ist der Franchise-Vertrag - worauf die Klägerin ebenfalls zutreffend hingewiesen hat - eine Mischform von zwei Vertragstypen, nämlich dem Lizenzvertrag und dem Belieferungsvertrag. Der Franchise-Vertrag verneint im übrigen ausdrücklich das Bestehen eines Gesellschafts- oder gesellschaftsähnlichen Verhältnisses. Es heißt in § 1 Ziffer 1 wie folgt:
232"Auf Grund dieses Vertrages wird ein Gesellschafts- oder gesellschaftsähnliches Verhältnis zwischen FP und C2 sowie den übrigen FP nicht begründet."
233Die Franchise-Nehmer haben auch keine einem Arbeitnehmer vergleichbare rechtliche Stellung. Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, daß durch den Franchise-Vertrag ein enges Netz von gegenseitigen Rechten und Pflichten begründet werde, in dem es den Vertragsschließenden insbesondere auf die Person des jeweiligen Vertragspartners ankomme. Sie haben Gross/Skaupy, Franchising in der Praxis, Seite 283 zitiert, in dem ausgeführt wird:
234"Die Verknüpfung der Vertragspartner, die sich über gewisse Zeiträume erstreckt und häufig sogar langfristige Bindungen beinhaltet, führt zu erhöhten gegenseitigen Verpflichtungen, die über das rein schuldrechtliche Verhältnis in ein personenrechtliches Verhältnis hinreichen . "
235Die Personenbezogenheit des Vertrages hinsichtlich der Stellung des Franchise-Nehmers bedeutet im Idealfall ein Vertrauensverhältnis, das bei der Auslegung der gegenseitigen Rechte und Pflichten zu berücksichtigen ist, begründet jedoch keine einem Arbeits- (Dienst-) Verhältnis entsprechende rechtliche Stellung. Der Franchise-Nehmer nimmt den Vertrieb der Tiefkühlkost durch ein eigenes Unternehmen vor und trägt das unternehmerische Risiko selbst; er ist im Einsatz seiner Arbeitskraft frei. Umstände, die ähnlich wie bei einem Arbeitsverhältnis eine Rückabwicklung als sozial unbillig erscheinen lassen würden, liegen nicht vor. Bei einem Arbeitsverhältnis würde die rückwirkende Nichtigkeit zum Beispiel zur Folge haben, daß Beiträge zur Rentenversicherung entfielen, eine Rückabwicklung der Beiträge zur Krankenversicherung und deren Leistungen nicht nur schwierig wäre, sondern auch den Arbeitnehmer in hohem Maße belasten könnten und sich ferner die Nichtigkeitsgründe auch auf den Inhalt eines Zeugnisses auswirken würden. Vergleichbare Umstände bei einem Franchise-Nehmer liegen nicht vor.
236Es kann dahingestellt bleiben, welchen Inhalt die Vereinbarung vom 19.11.1983 hatte, die zur Übergabe der Kundenkarteikarten und Informationen führte. Im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Franchise-Verträge wären die darauf beruhende Vereinbarung vom 19.11.1983 und die in Ausführung dieser Vereinbarung übergebenen Vermögenswerte ohnehin kondizierbar (§ 812 BGB).
237Zu den Leistungsansprüchen im einzelnen ist folgendes festzustellen:
2381.) Rückzahlung der Franchise-Gebühren.
239Die gezahlten Franchise-Gebühren sind rückforderbar, soweit ihnen eine Gegenleistung nicht gegenübergestanden hat. Nur insoweit Gegenleistungen erbracht worden wären, wäre der Lizenznehmer (Franchise-Nehmer) um die Leistungen des Lizenzgebers bereichert. Als verbleibender Vorteil sind zu werten, die Zurverfügungstellung eines Verkaufsgebietes, die Benutzung des Namens C2 und damit verbunden die Möglichkeit des Vertriebs von Waren gleichbleibender Qualität. Der Name des Marktführers auf dem Gebiet der Tiefkühlkost C2 ist in der Bundesrepublik Deutschland bekannt. Selbst wenn die Waren der Beklagten in dem Vertriebsgebiet der Gesellschaften des Herrn W erst eingeführt wurden, wurde die Einführung erleichtert durch die Bezugnahme auf die Waren des Marktführers und die Gewißheit für die Endverbraucher, Waren von gleichbleibender Qualität zu erhalten. Als verbleibender Vorteil kann auch bewertet werden, die Beratung in allen mit dem optimalen Aufbau eines Tiefkühlheimdienstes nach dem C2-System und bei seiner Durchführung auftretenden Fragen. Nicht erbracht wurde eine in § 5 des Vertrages vorgesehene wesentliche Leistung -wie im folgenden noch darzulegen sein wird -, nämlich Lieferung der notwendigen Produkte und Leistungen zu günstigeren Preisen und Konditionen, entsprechend den den firmeneigenen Niederlassungen in Rechnung gestellten Preisen. Die Beklagte hat vielmehr den Franchise-Nehmern überhöhte Preise in Rechnung gestellt und damit nicht die zugesagten "günstigeren Preise". Sie hat nämlich - wie unter Ziffer 2) noch auszuführen sein wird - Überpreise in Höhe von mindestens 10 % berechnet. Eine Beratung in betriebswirtschaftlichen Fragen ist nicht effektiv erfolgt, wie die Entwicklung der Gesellschaften des Herrn W zeigt. Das System war vielmehr - wie oben dargelegt - darauf angelegt, zum Nachteil des Franchise-Nehmers zu wirken. Eine Beratungsleistung kann daher als Begründung für die Zahlung einer Franchise-Gebühr nicht herangezogen werden. Die gewährten Leistungen rechtfertigen nach Meinung der Kammer einen Anteil von 35 % der tatsächlich gezahlten Franchise-Gebühren. Diese sind im übrigen zurückzuzahlen. Gezahlt wurden insgesamt 1.209.963,02 DM. Zurückzuzahlen sind daher 786.475,95 DM.
2402.) Rückforderung von 10 % des Warenumsatzes wegen Zahlung von Überpreisen.
241Soweit die Beklagte Warenlieferungen erbracht hat und dafür Vergütung gezahlt wurde, sind die beiderseitigen Leistungen nach § 812 BGB rückabzuwickeln. Die Beklagte ist darlegungs- und beweispflichtig für den Wert der von ihr gelieferten Waren. An dieser Darlegungs- und Beweislastregelung ändert sich nichts dadurch, daß die ursprünglich ungleichartigen wechselseitigen Leistungen dadurch, das an Stelle der Waren nunmehr deren Wert getreten ist, sich als gleichartige Ansprüche gegenüberstehen. Darüber hinaus ergibt sich die Darlegungs- und Beweislastpflicht der Beklagten auch aus einem anderen Gesichtspunkt. Die Beklagte behauptet nämlich, daß die von ihr vertriebene Tiefkühlkost einzigartig sei, und zwar sowohl hinsichtlich der Auswahl der Produkte, deren Zusammensetzung, der Rezeptur, der Art der Verpackung und der Größe der Verpackung. Es gäbe daher keinen marktüblichen Preis für ihre Produkte.
242Eine derartige Behauptung aber bedarf der Substantiierung hinsichtlich jedes einzelnen Produktes. Dies ist nicht geschehen. Die Beklagte hat lediglich in Erwiderung auf die von der Klägerin vorgelegten Listen A, B, C, D und E die Zusammensetzung folgender Produkte dargelegt:
243Rinderschmorbraten, Bihun-Suppe, Truthahnleber, Poulardenschnitzel "Cordon bleu", Hähnchenschenkel, Kohlrouladen, Rindsrouladen, Apfelrotkohl, Pariser Karotten, feine Gemüsebeilage, Porree geschnitten, Hirschgulasch und Schweinerouladen.
244Die Klägerin hat ihrerseits durch die Listen A, B, C und D, die von den Zeugen M, E und W bestätigt wurden, die Angemessenheit der Preise der Beklagten hinreichend substantiiert bestritten und entsprechend ihrem Vortrag eine tatsächliche Vermutung dafür begründet, daß die Beklagte zusätzlich zu den Preisen die der Großhandel den Einzelhändlern in Rechnung stelle, im Durchschnitt mindestens um 16 % erhöhte Preise in Rechnung gestellt habe, wovon die Klägerin einen Teilbetrag von 10 % geltend macht.
245Bei der Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung, die zum Teil nicht zu Ende geführt wurde, hat sich herausgestellt, daß eine Klärung nur durch ein Sachverständigengutachten möglich sein würde. Die Kammer hielt es jedoch nicht für durchführbar und zulässig, es einem Sachverständigen zu überlassen, zu ermitteln, welche Produkte vergleichbar sein könnten und eigene Ermittlungen durch Einholung von Auskünften bei Herstellern einzuholen. Es wurde daher in der Sitzung vom 21.2.1986 in einer sehr eingehenden Erörterung die weitere Verfahrensweise zur Ermittlung der angemessenen Preise festgelegt. Das Ergebnis hat in der Verfügung vom 12.3.1986 seinen Niederschlag gefunden. Diese Verfügung hat folgenden Wortlaut:
246"1.
247Die Beklagte möge möglichst in Form einer Liste, die dem Sachverständigen übergeben werden soll, folgende Angaben machen:
248a)
249Die von ihr vertriebenen ca. 250 Produkte,
250b)
251Hersteller der Produkte,
252c)
253die wesentlichen Qualitätsmerkmale,
254d)
255prozentualer Anteil der einzelnen Produkte am Gesamtumsatz,
256e)
257die Produkte, die mit anderen am Markt befindlichen identisch sind (M2-J)
2582.
259Die Klägerin möge ebenfalls in Form einer
260Liste darlegen,
261a)
262welche Konkurrenzprodukte mit den ca. 250
263Produkten der Beklagten vergleichbar sind,
264bzw. welche Produkte identisch sind,
265b)
266der prozentuale Anteil der einzelnen Produkte
267der Beklagten am Gesamtumsatz.
2683-
269Die Parteien mögen dazu Stellung nehmen, ob der Sachverständige eventuell nur solche Produkte untersuchen soll, die den wesentlichen Umsatzanteil ausmachen, damit der Prozeßstoff begrenzt gehalten werden kann.
270Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß beabsichtigt ist, durch den Sachverständigen zunächst nur die Vergleichbarkeit bzw. Identität begutachten zu lassen. Es wird dann Sache der Parteien sein, die Preise während der jeweiligen Dauer der Franchise-Verhältnisse darzulegen, worüber dann eventuell weitere Beweiserhebungen notwendig sein werden."
271Die Beklagte ist dieser Auflage nicht nachgekommen. Die Ausführungen zur Begründung ihrer Weigerung überzeugen nicht. Es sollten nur die wesentlichen Qualitätsmerkmale dargelegt werden, d.h. solche Merkmale, die in der Weise objektivierbar sind, daß sie den Endverbraucher bei seiner Kaufentscheidung beeinflussen. Es war nicht darzulegen, z.B. der Ursprung der Produkte oder die Herstellungsart, die das Ergebnis bewirkt hat. Die Weigerung der Beklagten könnte auch in einem Umstand begründet sein, der von der Klägerin behauptet wird, nämlich das lediglich wenige Artikel exklusiv für die Beklagte hergestellt würden, während alle übrigen Artikel -abgesehen von Art und Größe der Verpackung - identisch seien mit anderen am Markt befindlichen Artikeln, daß die Beklagte also lediglich von anderen großen Herstellern beziehe.
272Die Beklagte ist durch die Weigerung der Auflage nachzukommen, ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, daß zu vergleichen sein soll lediglich das Gesamtsortiment unter Berücksichtigung des gewichteten Umsatzes anderer Hersteller bzw. Vertreiber. Sie hat sich insoweit unter anderem auf M2- J und F berufen. Die Franchise-Nehmer, die auf Grund eines nichtigen Franchise-Vertrages Waren bezogen haben, sind nämlich nicht zu vergleichen mit Franchise-Nehmern in einem anderen Franchise-System, sondern mit selbständigen Gewerbetreibenden, die nicht an bestimmte Lieferanten gebunden sind, sondern von den jeweils günstigen Angeboten Gebrauch machen können. Im übrigen würde auch zum Beispiel ein Vergleich der Rohgewinnspannen der Franchise-Nehmer der Beklagten und der Franchise-Nehmer der Firma F zu einem unzutreffenden Ergebnis führen, weil diese Franchise-Nehmer eine unterschiedliche wirtschaftliche Stellung haben, die das Ergebnis unabhängig von der Rohgewinnspanne beeinflußt. Während nämlich die Franchise-Nehmer der Beklagten selbst investieren müssen und das volle wirtschaftliche Risiko tragen, müssen die Franchise-Nehmer der Firma F selbst nicht investieren, sondern bekommen die notwendigen Einrichtungen zur Verfügung gestellt, wenn auch gegen laufende Entgelt Zahlungen. Bei der Ermittlung der Angemessenheit der Preise der Beklagten ist nicht zu berücksichtigen die "Lagerhaltung" für die Franchise-Partner. Diese zusätzliche Leistung der Beklagten für die Franchise-Partner wird durch die Franchise-Gebühr abgegolten. Ebensowenig ist die Frage der Weitergabe von Einkaufsvorteilen in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Auch dies ist eine Leistung, die durch die Franchise-Gebühr abgegolten wird. Die Frachtkosten zahlen die Franchise-Nehmer der Beklagten selbst, während sie diese bei anderen Lieferanten zum Teil nicht gesondert in Rechnung gestellt erhalten.
273Da demnach die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, muß sie 10 % des Warenumsatzes mit den Gesellschaften des Herrn W zurückzahlen. Der von der Klägerin genannte Betrag von 31.534.514,60 DM betrifft die Gesamterlöse. Zutreffend ist jedoch der Gesamt Warenumsatz zugrunde zulegen; das sind 19.993.081,13 DM. 10 % hiervon betragen 1.999.308,11 DM. Hiervon hat die Klägerin die Gegenforderung in Höhe von 312.819.12 DM in Abzug gebracht, so daß verbleiben 1.686.488,99 DM.
2743.) Vergütung für die Übernahme des Kundenstammes.
275Es gibt keine allgemeinen Erfahrungssätze für die Bewertung eines Kunden im Tiefkühlheimdienstsystem. Erfahrungen von Konkurrenzunternehmen der Beklagten können wegen der unterschiedlichen Organisations- und Kostenstruktur nicht herangezogen werden. Der Wert eines Kunden ist daher nach § 287 ZPO zu schätzen. Bei der Ermittlung des Schätzwertes kann nach verschiedenen Methoden vorgegangen werden.
276Es können die Gesamtinvestitionen herangezogen werden, die der Franchise-Nehmer gehabt hat, um den Kundenstamm aufzubauen. Man könnte also in Relation setzen den jährlichen Mehraufwand mit der Steigerung des Kundenstammes. Bedenken gegen diese Methode bestehen zunächst schon deshalb, weil der Aufwand sich nicht nur auf die Erweiterung des Kundenstammes, sondern auch auf die Bearbeitung des bisherigen Kundenstammes bezieht und sich der Aufwand hierfür nicht trennen läßt. Darüber hinaus sind auch die hierbei ermittelten Ergebnisse so unterschiedlich, daß sie nicht geeignet erscheinen, hieraus allgemeine Erfahrungssätze abzuleiten. Die Gesellschaften des Herrn W haben zum Beispiel ausgehend von einem Umsatz von 4.176.350,-- DM 1980 in M einen Gesamtaufwand von 2.592.034,-- DM gehabt und 1981 ausgehend von einem Gesamtumsatz von 5.484.481,-- DM und einem Rohgewinn von 1.974.148,--DM einen Gesamtaufwand von 3.510.333,-- DM. Dies ergibt einen Mehraufwand in M zwischen 1980 und 1981 in Höhe von 918.299,-- DM. Im gleichen Zeitraum wurde der Kundenstamm um 2.165 Kunden erweitert. Hieraus würde sich ein Aufwand pro Kunde von 424,--DM ergeben. Demgegenüber ergab sich in P 1980 bei einem Umsatz von 1.950.030,-- DM und einem Rohgewinn von 665.985,-- DM ein Gesamtaufwand von 1.284.045,-- DM und im Jahre 1981 bei einem Umsatz von 2.797.047,-- DM und einem Rohgewinn von 1.045.769,-- DM ein Gesamtaufwand von 1 .751 .278,--DM. Der Mehraufwand in 1981 gegenüber 1980 betrug 467.233,-- DM. In dem gleichen Zeitraum wurde der Kundenstamm um 715 Kunden erweitert. Dies würde einem Aufwand pro Kunde von 653,-- DM entsprechen .
277Sofern man nur die Kosten eines Tiefkühl-Lkw' s und die eines Aquisiteurs berücksichtigt, haben die Parteien unterschiedliche Berechnungsarten aufgestellt. Die Klägerin geht aus von einem monatlichen Aufwand von 7.000,-- DM und 20 Arbeitstagen des Aquisiteurs. Danach ergibt sich ein Betrag von 350,-- DM pro Tag. Sie meint, im Durchschnitt erwerbe ein guter Aquisiteur täglich 4,2 Kunden. Damit koste jeder Kunde mindestens 83,33 DM. Die Beklagte stellt dem gegenüber, daß die Kosten lediglich 6.200,-- DM betrügen und der Aquisiteur mindestens 21 Tage im Monat fahre. Er erwerbe auch nicht durchschnittlich pro Tag 4,2 Kunden, sondern bis zu 6,5 neue Kunden. Unter Berücksichtigung dieser Zahlen ergebe sich ein Betrag von 45,42 DM pro Kunde. Auch diese Berechnungen können allenfalls als Indiz herangezogen werden. Die Kunden werden nämlich nicht ausschließlich durch Aquisiteure geworben, sondern auch von den Verkaufsfahrern. Schließlich läßt sich nicht eindeutig ermitteln, wieviel bleibende Kunden ein Aquisiteur tatsächlich wirbt.
278Die Parteien selbst gehen von sehr unterschiedlichen Bewertungen aus. Im Falle T übernahm dieser im Raum B 1.700 Kunden von der Beklagten. Er mußte den der Beklagten bis dahin entstandenen Verlust von ca. 250.000,-- DM erstatten. Er hat damit pro Kunde einen Betrag von etwa 146,-- DM gezahlt.
279Der Franchise-Nehmer E hat nach seinem Kostenaufwand den Wert seiner Kunden mit 128,-- DM berechnet. Bei Übernahmeverhandlungen hinsichtlich der Kunden zwischen dem Franchise-Nehmern M und der Beklagten war ein Betrag von 75,-- DM im Gespräch. Die Beklagte hat in anderen Fällen nur 25,-- DM pro Kunde angeboten.
280Es erscheint als die angemessene Methode, den Wert des Kunden auf der Grundlage des von ihm zu erwartenden Umsatzes und des daraus resultierenden Gewinnes vorzunehmen. Die Problematik besteht darin, daß der Kunde losgelöst von einem Unternehmen übertragen wird, der von ihm zu erwartende Umsatz jedoch abgesehen von dem bisherigen Umsatz entscheidend von der Unternehmensführung abhängt und zu prüfen ist, welche Unkosten abzusetzen sind, um den Ertrag zu ermitteln. Da es sich um die künftigen Gewinnerwartungen handelt, kommt es entscheidend für den Wert des Kunden auf das übernehmende Unternehmen an. Würden zum Beispiel die Kunden von einem Konkurrenzunternehmen erworben, ist ihr Wert für dieses Unternehmen geringer, weil damit gerechnet werden muß, daß bei der Umstellung der Kunden auf andere Produkte Kunden verloren gehen. Bei der Übernahme durch die Beklagte selbst haben die Kunden den optimalen Wert. Sie werden mit den gleichen Produkten beliefert wie bisher und jedenfalls in den Fällen W und Q von den bisherigen Verkaufsfahrern. Der Kunde wird den Unternehmenswechsel kaum bemerken. Darüber hinaus ist für den Ertragswert auf die Kostensituation bei der Beklagten abzustellen. Selbst wenn man für die Beklagte von dem nach ihrer Darstellung im Normalfall für einen Franchise-Nehmer zu erwartenden Gewinn von 2 bis 3 %, also durchschnittlich 2,5 %, ausgeht, muß jedenfalls zusätzlich berücksichtigt werden, daß die Beklagte keine Franchise-Gebühr zu zahlen hat. Bei ihren Niederlassungen ist die Franchise-Gebühr nur ein Rechnungsposten, der jedoch jedenfalls als Gewinn bei der Beklagten verbleibt. Der Gewinn der Beklagten erhöht sich also um diesen Betrag. Wenn man von einer durchschnittlichen Franchise-Gebühr in Höhe von 3,5 % ausgeht, ergibt sich ein weiterer Prozentsatz von 3.5 %, insgesamt also 6 % Gewinnerwartung. In dem Gutachten der Wirtschaftsprüfer Dr. X , Dr. F (Ergänzungsgutachten , Seite 32 ff.), das als Parteivortrag der Beklagten gewertet wird, wird für den Firmenwert von dem Vierfachen des Jahresgewinnes ausgegangen. Dieser für den Wert des Franchise-Unternehmens als angemessen bezeichnete Zuschlag ist auch für den Kundenstamm als Teil des Unternehmens heranzuziehen. Diese Überlegungen führen dazu, daß ein Kunde mit 24 % des von ihm im letzten Jahr vor der Übertragung erzielten Umsatzes zu bewerten ist. Der Umsatz pro Kunde betrug im jeweils letzten Jahr des Franchise-Verhältnisses in Sachen M 399,-- DM, in Sachen T für 10 Monate 295,-- DM und damit für ein Jahr etwa 355,--DM, in Sachen Q. 365,-- DM und in der vorliegenden Sache W für 10 Monate für die Bereiche M und P gemeinsam 318,-- DM, für ein Jahr dementsprechend 382,-- DM. 24 % hiervon betragen in Sachen M ca. 100,-- DM und Q 91,25 DM, in Sachen T 88,75 DM und in Sachen W 95,50 DM. Da die Zahlen schwanken und die Kammer von der Mindestgewinnerwartung ausgeht, erscheint es angemessen, den Wert eines Kunden generell auf 90,--DM festzusetzen. Für 25.459 Kunden ergibt sich daher ein Gesamtanspruch von 2.291-310,-- DM.
281Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
282Von den Gegenansprüchen hat die Klägerin einen Anspruch für Warenlieferungen in Höhe von 317.115,64 DM bereits berücksichtigt. Darüber hinaus sind in Abzug zu bringen die Zinsen für diesen Anspruch in Höhe von 21.141,04 DM. Damit ergibt sich ein Gesamtanspruch in Höhe von 4.743.133,90 DM. Weitere Gegenansprüche, mit denen sie die Aufrechnung erklären könnte, stehen der Beklagten nicht zu. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit dem Konkurs der Gesellschaften W und der Übernahme des Betriebes. Entsprechend der Rechtsprechung zu sittenwidrigen Ratenkreditverträgen (OLG Hamburg vom 12.7.1985, Aktenzeichen 14 U 114/84 und OLG Hamm vom 11.9.1985, Aktenzeichen 11 U 298/84) ist bei sittenwidrigen Verträgen lediglich der Leistungsaustausch rückgängig zu machen, ohne daß der Vertragspartner, der den Vorteil aus dem sittenwidrigen Vertrag gezogen hat, eigene Kosten in Abzug bringen kann.
283Nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsätze wurden nicht berücksichtigt, weil Schriftsatzfristen nicht nachgelassen waren.
284Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
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