Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 4 O 193/87
Tenor
Es wird festgestellt, daß die Klage zulässig ist.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien sind – die Klägerin mit einem Anteil von ca. 70 % und die Beklagte mit einem Anteil von ca. 20 % des europäischen Marktes – Wettbewerber bei der Herstellung und dem Vertrieb von Ketten und Führungselementen für Förderanlagen, wie sie in Brauereien und Flaschenabfüllstationen Verwendung finden. Als Inhaberin des britischen Patents 2 037 690 B (Klagepatent), das einen Kettenbandförderer der vorgenannten Gattung betrifft, nimmt die Klägerin die Beklagte vorliegend aus dem Gesichtspunkt der Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch. Wegen des Wortlauts der Patentansprüche wird auf die Klagepatentschrift (Anlage 1, 1 a) Bezug genommen. Weitere Verletzungsklagen sind auf der Grundlage inhaltsgleicher europäischer bzw. niederländischer und belgischer Patente beim Landgericht Düsseldorf (4 O 107/90) sowie in Den Haag und Brüssel anhängig. Die Beklagte ihrerseits hat gegen das europäische Patent bzw. dessen unter DE 35 60 281 registrierten deutschen Teil Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht (3 Ni 5/91) erhoben.
3Anläßlich der mündlichen Verhandlung im Nichtigkeitsverfahren schlossen die Parteien am 6. August 1991 zur Erledigung sämtlicher anhängiger Rechtsstreitigkeiten einen außergerichtlichen Vergleich (Anlage 3, einstweiliges Verfügungsverfahren 4 O 262/91, LG Düsseldorf), der folgenden Wortlaut hat:
4"1.
5( … ) erteilt an ( … ) eine einfache Lizenz an dem deutschen Patent ( … )
6.
72.
8( … ) verpflichtet sich, die Bogensegmente und die kurvengängigen Ketten mindestens zu den Preisen der MCC-Nettopreisliste anzubieten und zu ver- kaufen.
9Die geltende MCC-Nettopreisliste wird innerhalb einer Woche an ( … ) übermittelt. Die Parteien werden bis Mitte Oktober 1991 auf der Basis dieser MCC-Nettopreisliste eine neue Preisliste für einheitliche Nettopreise erstellen.
10Diese Liste gilt zunächst bis Ende 1992; sie verlängert sich jeweils um ein Kalenderjahr, es sei denn, die Parteien einigen sich über eine neue Preisliste.
113.
12Die Lizenzgebühr beträgt 6 % vom Umsatz mit den Bogensegmenten und 3,5 % vom Umsatz mit den kurvengängigen Ketten.
13Diese Lizenzsätze ermäßigen sich ab 1.1.1998 auf 4 % für die Bogensegmen- te und 2,5 % für die kurvengängigen Ketten.
14( … ) hat jeweils für das vorangegangene Kalendervierteljahr bis Ende des darauffolgenden Monats abzurechnen und zu zahlen.
15( … ) ist berechtigt, nach vorheriger schriftlicher Anmeldung einmal pro Kalen- derjahr durch einen Buchprüfer Einsicht in die Geschäftsunterlagen zur Überprüfung der bisherigen Abrechnungen zu nehmen.
16Die Kosten hierfür trägt ( … ) , wenn nur eine Abweichung bis 3 % festgestellt wird; anderenfalls trägt ( … ) die Kosten.
174.
18Für die gesamte Vergangenheit zahlt ( … ) 40.000,-- DM bis Mitte Oktober 1991. Damit sind alle etwaigen Schadensersatzansprüche von ( … ) gegen ( … ) und deren Abnehmer für die Benutzung von ( … ) -Patenten abgegol- ten.
195.
20( … ) verzichtet auf Rechnungslegungsansprüche und etwaige über Nr. 4 hinausgehende Schadenersatzansprüche.
216.
22Die Parteien sind sich darüber einig, daß die in Deutschland hergestellten und von der Lizenz nach Nr. 1 erfaßten Produkte weltweit, und insbesondere auch im Geltungsbereich des britischen Patents ( … ) und etwaiger weiterer paralleler Patente in anderen Ländern vertrieben und auch von den Abnehmern gehandelt und benutzt werden dürfen.
237.
24( … ) wird die in Düsseldorf anhängigen Verletzungsverfahren 4 O 193/87 und 4 O 107/90 und die beim Gericht in Den Haag gegen ( … ) International Inc. (Niederländisches ( … ) ) und die beim Gericht in Brüssel gegen Legendre ( … ) (belgisches Patent ( … ) ) anhängigen Verletzungsverfahren zurücknehmen. Beide Parteien verpflichten sich, die etwaigen Zustimmungserklärungen hierzu unverzüglich abzugeben.
258.
26( … ) nimmt die Nichtigkeitsklage 3 Ni 5/91 zurück.
279.
28Die Kosten aller Verfahren und des vorliegenden Vergleichs werden gegenein- ander aufgehoben, das heißt jede Partei trägt ihre eigenen Kosten und die schon gezahlten Gerichtskosten.
29Gerichtsstand für etwaige Auseinandersetzungen für diesen Vergleich ist Düs seldorf. Es gilt deutsches Recht."
30Die in Ziffer 2. vorgesehene Preisbindungsklausel nahmen die Parteien in den Vergleich auf, weil die Beklagte die Preise der Klägerin um bis zu 35 % (bei Magnetkurven) bzw. 13 % (bei kurvengängigen Ketten) unterboten hatte.
31Bereits kurz nach Abschluß des Vergleichs machte die Beklagte geltend, die Preisbindungsklausel verstoße gegen das Kartellverbot des Artikel 85 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 (EWGV) und sei deshalb gemäß Artikel 85 Abs. 2 EWGV nichtig. Für einen Großauftrag der AG erstellte die Beklagte demgemäß Angebote, ohne die ( … )
32vereinbarten Mindestpreise einzuhalten.
33Die Klägerin, die bereits bei Vergleichsabschluß die Auffassung vertreten hatte, die Preisbindungsklausel sei gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zulässig, hat die Beklagte anläßlich des vorgenannten Auftrages in dem Verfahren 4 O 262/91 im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 10. September 1991 hat die Kammer den Antrag der Klägerin zurückgewiesen, weil die Mindestpreisbindungsklausel gemäß Ziffer 2. des Vergleichs wegen Verstosses gegen Artikel 85 Abs. 1, 2 EWGV nichtig sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil vom 10. September 1991 verwiesen.
34Vorliegend vertritt die Klägerin den Standpunkt, ausgehend von einer Nichtigkeit der Preisbindungsklausel sei der Vergleich vom 6. August 1991 gemäß § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) seinem gesamten Inhalt nach als unwirksam zu behandeln. Denn eine Lizenzerteilung an die Beklagte ohne die in Ziffer 2. des Vergleichs vorgesehene Mindestpreisbindung sei für sie angesichts des von der Beklagten betriebenen ruinösen Preiswettbewerbs unannehmbar gewesen. Mit der Nichtigkeit der Preisbindungsvereinbarung entfalle deshalb zugleich ihre Verpflichtung zur Klagerücknahme gemäß Ziffer 7. des Vergleichs; sie sei demzufolge nicht gehindert, ihr ursprüngliches Klagebegehren weiterzuverfolgen.
35Die Klägerin beantragt,
36I.
37die Beklagte zu verurteilen,
381.
39es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzu setzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
40Bandförderer mit einer Bahn, die eine oder mehrere Kurven aufweist, mit ei- nem über die Bahn verlaufenden Endlosband mit mittels Stiftgelenk miteinan- der verbundenen Gliederelementen, deren jedes einen magnetisierbaren last- tragenden Teil mit einer lasttragenden Oberfläche enthält, und mindestens auf dem äußeren Radiusbereich einer Kurve der Bahn Mittel aufweist zur Erzeu- gung eines magnetischen Feldes, um die Glieder des Bandes an die Bahn heranzuziehen, wobei die genannten Mittel dazu eingerichtet sind, ein im wesentlichen geschlossenes magnetisches Feld vorzusehen, das in Querrich- tung durch ein Glied des Bandes verläuft, wenn das Glied sich auf der Kur- venbahn befindet,
41in das Gebiet von Großbritannien einzuführen oder dort zum Verkauf bereitzu- halten, zum Verkauf anzubieten oder zu verkaufen,
42insbesondere wenn in den Bandförderern die ein magnetisches Feld erzeu- genden Mittel so angeordnet sind, daß sowohl im inneren als auch im äußeren Radiusbereich der oder jeder Kurve ein magnetisches Feld vorhanden ist;
432.
44ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfange die Beklagte die zu I. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 8. Januar 1983 begangen hat, und zwar unter Vorlegung eines Verzeichnisses, aus welchem Liefermengen, Lieferprei- se, Lieferdaten, Empfänger nach Namen und Anschriften, Verkaufsangebote nach Sorten, Mengen, Preisen und Daten sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, ferner betriebene Werbung nach Art und Umfang unter Angabe von Verbreitungsmengen, Verbreitungszeiten und Verbreitungsorten sowie die erzielten Gewinne unter Angabe der Gestehungskosten, aufgeteilt nach den einzelnen Kostenfaktoren, ersichtlich sind; die Namen und Anschrif- ten der Abnehmer und Angebotsempfänger mögen unter Wirtschaftsprüfer- vorbehalt erfolgen;
45II.
46festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr und ihrer Rechtsvorgängerin, der ( … ) ., durch die zu I. 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
47Die Beklagte beantragt,
48die Klage – als unzulässig – abzuweisen.
49Sie ist der Auffassung, daß die Nichtigkeit der Preisbindungsklausel den rechtlichen Bestand des übrigen Vergleichs unberührt lasse. Das gelte im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schon deshalb, weil ihr patentanwaltlicher Berater anläßlich der Vergleichsverhandlungen ausdrücklich auf seine Bedenken gegen die rechtliche Wirksamkeit der vorgesehenen Mindestpreisbindung im Hinblick auf Artikel 85 Abs. 1 EWGV hingewiesen habe und deshalb davon auszugehen sei, daß den Parteien bei Abschluß des Vergleichs die Nichtigkeit der Preisbindungsvereinbarung bekannt gewesen sei. Im übrigen bestehe der Grundsatz, daß Schutzrechtsverträge in ihrem Bestand möglichst zu erhalten seien. Schließlich handele die Klägerin mit ihrer Berufung auf die Gesamtnichtigkeit des Vergleichs auch rechtsmißbräuchlich, weil die Preisbindungsklausel allein ihrem – der Klägerin – Schutz diene.
50Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
51Die Akte 4 O 262/91 lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
52Durch Beschluß vom 13. September 1991 hat die Kammer die abgesonderte Verhandlung über die Frage angeordnet, ob die Klägerin zur Klagerücknahme verpflichtet und die Klage deshalb als unzulässig anzusehen ist.
53E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
54Die Klage ist zulässig.
55Über die Zulässigkeitsfrage war nach §§ 280, 303 ZPO durch Zwischenurteil zu entscheiden.
56Die Klägerin ist nicht gemäß Ziffer 7. des Vergleichs vom 6. August 1991 verpflichtet, ihre Klage zurückzunehmen. Denn der Vergleich enthält in Ziffer 2. eine Preisbindungsklausel, die wegen Verstosses gegen das Kartellverbot des Artikel 85 Abs. 1 EWGV nichtig ist und die gemäß § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Vergleichs führt.
57I.
581.)
59In ihrem den Parteien bekannten Urteil vom 10. September 1991 (4 O 262/91) hat die Kammer im einzelnen dargelegt, daß die in Ziffer 2. des Vergleichs vereinbarte Preisbindungsklausel wegen Verstosses gegen Artikel 85 Abs. 1, 2 EWGV unwirksam ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch im vorliegenden Rechtsstreit fest. Wegen der Einzelheiten der Begründung kann insoweit auf die Ausführungen im Urteil vom 10. September 1991 verwiesen werden.
602.)
61Die Unwirksamkeit der Mindestpreisbindungsklausel hat die Nichtigkeit des gesamten Vergleichs vom 6. August 1991 zur Folge.
62a)
63Das ergibt sich zwar nicht aus Artikel 85 Abs. 2 EWGV, weil die nach dieser Vorschrift angeordnete Nichtigkeitsfolge nur die einzelne, das Kartellverbot verletzende Klausel betrifft und nicht die Vereinbarung in ihrer Gesamtheit, das heißt unter Einschluß der mit der wettbewerbsbeschränkenden Klausel verbundenen Haupt- oder Nebenabreden erfaßt (Grabitz/Koch, Kommentar zum EWG-Vertrag, Loseblattsammlung, Stand: Juni 1990, Artikel 85 Rdz. 142 m.w.N.).
64b)
65Die Gesamtnichtigkeit des Vergleichs folgt vorliegend jedoch aus § 139 BGB.
66aa)
67Es entspricht – soweit ersichtlich – der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß die Auswirkungen der Nichtigkeit einer mit Artikel 85 Abs. 1 EWGV unvereinbaren vertraglichen Bestimmung auf die übrigen Bestandteile des Vertrages nicht nach Gemeinschaftsrecht, sondern nach dem einschlägigen nationalen Recht zu beurteilen sind (Grabitz/Koch, a.a.O., Artikel 85 Rdz. 143 m.w.N.; von der Gröben/von Boeckh/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 3. Aufl., 1983, Band 1, Artikel 85 Rdz. 95; Pagenberg/Geissler, Lizenzverträge, 3. Aufl. 1991, Seite 38; EuGH, Slg. 1983, 4173; GRUR Int. 1987, 868, 869). Daher ist im Streitfall die Vorschrift des § 139 BGB heranzuziehen, die im Sinne einer Vermutung vorsieht, daß das gesamte Rechtsgeschäft nichtig ist, es sei denn, die Parteien hätten das Rechtsgeschäft auch ohne die unwirksame Einzelvereinbarung geschlossen.
68bb)
69Zu Unrecht zieht die Beklagte die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nach den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 29. Juni 1966 (BGHZ 45, 376 ff.) in Zweifel. In der genannten Entscheidung hat der BGH im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 122, 138, 140 ff.) und des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 1, 258, 270) zwar ausgesprochen, daß die Voraussetzungen des § 139 BGB dann nicht gegeben sind, wenn die Parteien bei Vertragsabschluß gewußt haben, daß ein Teil ihrer Abmachungen unwirksam ist, und seine Auffassung damit begründet, daß den Parteien im Hinblick auf die in Kenntnis ihrer Unwirksamkeit in ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Bestimmungen der rechtsgeschäftliche Bindungswille fehle, so daß das Rechtsgeschäft allein von den übrigen, von den Parteien rechtsverbindlich gewollten Vertragsbestimmungen gebildet werde und damit die von § 139 BGB tatbestandlich vorausgesetzte Annahme ausscheide, ein Teil des Rechtsgeschäfts sei nichtig.
70Vorliegend ergibt der Sachvortrag der Beklagten indes nicht, daß die Parteien die Mindestpreisbindungsklausel gemäß Ziffer 2. des Vergleichs im Sinne dieser Rechtsprechung in Kenntnis ihrer Nichtigkeit vereinbart haben. Der von der Beklagten als Anlage R überreichten anwaltlichen Versicherung ihres patentanwaltlichen Beraters Dr. König vom 25. September 1991 ist – insoweit in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Klägerin – vielmehr zu entnehmen, daß der anwaltliche Vertreter der Klägerin bei Abschluß des Vergleichs die Auffassung vertreten hat, die Preisbindungsklausel unterfalle nicht dem Regelungsbereich des Kartellverbots gemäß Artikel 85 Abs. 1 EWGV und Sei deshalb nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 20 Abs. 2 Nr. 2 GWB zulässig. Selbst wenn die Beklagte diese Ansicht nicht geteilt und ihre Bedenken gegen die rechtliche Wirksamkeit der vereinbarten Mindestpreisbindung im Zuge der Vergleichsverhandlungen zum Ausdruck gebracht haben sollte, ergibt sich hieraus lediglich, daß die Parteien die Unwirksamkeit der Preisbindung bei Abschluß des Vergleichs als möglich in Betracht gezogen haben. Das aber könnte einen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen der Parteien im Hinblik auf die Preisbindungsregelung nicht in Frage stellen (vgl. Soergel/Hefermehl, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., 1987, Band 1, § 139 Rdz. 39). Im Gegenteil belegt die Aufnahme der nach der damaligen Einschätzung der Parteien möglicherweise rechtswirksamen, möglicherweise aber auch nichtigen Preisbindungsklausel in den Vergleichstext, daß die Parteien das Risiko einer Unwirksamkeit der Preisbindung in Kauf nehmen wollten. Im Gegensatz zu der von beiden Parteien erkannten Nichtigkeit einzelner Vertragsbestimmungen, die ihren Rechtsbindungswillen ausschließt, setzt die Übernahme des Risikos in der rechtlichen Beurteilung einer einzelnen Vertragsklausel einen solchen Rechtsbindungswillen gerade voraus. Denn für den von den Parteien nicht sicher vorausgesehenen, aber für möglich gehaltenen Fall einer rechtlichen Wirksamkeit der als bedenklich angesehenen Einzelvereinbarung sollte diese als Bestandteil des Gesamtvertrages rechtsverbindlich gelten.
71Die Beklagte beruft sich aber auch aus einem anderen Gesichtspunkt zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. In der zitierten Entscheidung hat der BGH in Ergänzung zur Rechtsprechung des Reichsgerichts hervorgehoben, daß der nach Ausscheiden der bei Vertragsabschluß von beiden Parteien als nichtig erkannten Vertragsbestimmung verbleibende Vertragsrest nur dann rechtswirksam ist, wenn er mit diesem Inhalt von den Parteien für sich allein gewollt ist. Im Streitfall bedürfte es deshalb der Feststellung, daß der Vergleich auch ohne die in Ziffer 2. vorgesehene Mindestpreisbindungsklausel dem (wirklichen) Willen der Parteien entsprochen hat. Hiervon kann indes – wie die Klägerin zu Recht geltend macht – nicht ausgegangen werden. Vor dem Hintergrund des von der Beklagten betriebenen Preiswettbewerbs, in dem die Beklagte die Preise der Klägerin um bis zu 35 % (bei Magnetkurven) bzw. 13 % (bei kurvengängigen Ketten) unterboten hat, konnte für die Klägerin eine Lizenzerteilung an die Beklagte vernünftigerweise nur im Zusammenhang mit einer Mindestpreisbindung in Frage kommen. Ohne eine solche Preisbindung wäre die Beklagte nämlich in der Lage gewesen, auf Grund der ihr erteilten Lizenz ihren für die Klägerin ruinösen Preiswettbewerb fortzusetzen, ohne daß die Klägerin dem wirksam hätte begegnen können. Eine Lizenzerteilung ohne Mindestpreisbindung widersprach angesichts dessen eklatant den geschäftlichen Interessen der Klägerin; es entsprach deshalb auch nicht dem Willen der Klägerin, mit der Beklagten einen Vergleich ohne die in Ziffer 2. vorgesehene Preisbindungsregelung abzuschließen.
72cc)
73Diese Überlegungen führen zugleich zur Gesamtnichtigkeit des Vergleichs gemäß § 139 BGB.
74Wie bereits die Zusammenfassung in einer einzigen Vertragsurkunde belegt, bilden die Vergleichsregelungen ein einheitliches Rechtsgeschäft, wobei die in Ziffer 2. vorgesehene Preisbindungsklausel – objektiv – vom übrigen Regelungsinhalt teilbar ist. Mit diesem Ergebnis ist im Sinne des § 139 BGB ein Teil des Vergleichs nichtig, was – im Zweifel – die Gesamtnichtigkeit des Vergleichs zur Folge hat. Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, daß die Auslegungsregel des § 139 BGB bei Schutzrechtsverträgen nur zurückhaltend anzuwenden ist, weil Lizenzverträge in ihrem Bestand möglichst zu erhalten sind (BGH, GRUR 1955, 468; Stumpf, Der Lizenzvertrag, 5. Aufl., 1984, Seite 361 ff.; Soergel/Hefermehl, a.a.O., Rdz. 57; von Staudinger/Gilcher, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., 1980, § 139 Rdz. 32). Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß die Vorschriften des GWB der Aufrechterhaltung und Förderung des Wettbewerbs dienen und dieser Zweck in sein Gegenteil verkehrt würde, wenn die Nichtigkeit einzelner wettbewerbsbeschränkender Vertragsbestimmungen nach § 139 BGB ohne weiteres zur Nichtigkeit des gesamten Lizenzvertrages führen und damit die Monopolstellung des Schutzrechtsinhabers verstärken und die Wettbewerbsstellung des Lizenznehmers beseitigen würde. Die Rechtsprechung und ihr folgend die herrschende Meinung in der Literatur nehmen deshalb zu Recht eine Nichtigkeit des Lizenzvertrages nur dann an, wenn die unwirksame Klausel Auswirkungen auf den Gesamtvertrag hat, weil bei Wegfall des nichtigen Teils ein wirtschaftlich völlig anderer Vertrag entstehen würde. Ein solcher Ausnahmefall liegt im Streitfall vor. Aus der bereits dargelegten Interessenlage ergibt sich unmittelbar, daß die Preisbindungsklausel das "Herzstück" der im Vergleich geregelten Lizenzerteilung darstellt, der gegenüber die restlichen Vereinbarungen, die im wesentlichen notwendige Folgeregelungen zur Lizenzerteilung beinhalten, in den Hintergrund treten. Ohne die vereinbarte Mindestpreisbindung war eine Lizenzerteilung an die Beklagte für die Klägerin nicht akzeptabel. Denn auf diese Weise hätte die Klägerin sich dem von der Beklagten betriebenen ruinösen Preiswettbewerb wehrlos ausgesetzt. Die Unwirksamkeit der Preisbindungsklausel erschüttert deshalb die Grundlagen der Lizenzerteilung, weil die Aufrechterhaltung des Vergleichs ohne die in Ziffer 2. vorgesehene Preisbindungsklausel nicht nur ein Weniger, sondern – wirtschaftlich gesehen – ein völliges Aliud zu dem von den Parteien Gewollten schaffen würde. Diese Feststellung rechtfertigt es, die Nichtigkeit der Preisbindungsvereinbarung den gesamten Vergleich erfassen zu lassen.
75dd)
76Der Klägerin ist es nicht gemäß § 242 BGB versagt, sich auf die Gesamtnichtigkeit des Vergleichs zu berufen. Der Hinweis der Beklagten, die Preisbindungsklausel diene allein dem Schutz der Klägerin, trägt den Vorwurf rechtsmißbräuchlichen Verhaltens nicht. Aus den von der Beklagten zitierten Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen läßt sich Gegenteiliges nicht entnehmen. In den herangezogenen Fundstellen ist vielmehr klargestellt, daß die Berufung auf die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages wegen Nichtigkeit einzelner kartellrechtswidriger Bestimmungen nur dann gegen Treu und Glauben verstößt, wenn der nichtige Vertragsteil ausschließlich Vorteile für die Partei mit sich gebracht hat, die sich nunmehr auf die Nichtigkeit berufen will, um sich ihren eigenen vertraglichen Pflichten zu entziehen. Ein solcher Sachverhalt liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die nichtige Mindestpreisbindungsklausel mit Rücksicht auf die bei Vergleichsabschluß bestehende beiderseitige Interessenlage eng und untrennbar mit der Lizenzerteilung zugunsten der Beklagten zusammenhängt und deshalb nicht losgelöst von dieser beurteilt werden kann. Es kann angesichts dessen bereits nicht gesagt werden, die Preisbindungsklausel biete einseitig der Klägerin Vorteile.
77Steinacker Kühnen Dr. Bogler
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