Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 38 O 181/92 (Kart)
Tenor
1.
Die einstweilige Verfügung vom 05.11.1992 wird im Kostenausspruch bestätigt.
2.
Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.
1
Die Antragstellerin ist ein nach § 13 11 Nr. 2 UWG und § 35 111 GWB klageberechtigter Verband.
2Die Antragsgegnerin hat in ihrem Kassenbezirk die Ausgabe 5/92 des B-Magazins „C“ mit einer eigenen Beilage B1 verteilt. Auf Seite 111 der Beilage befindet sich eine mit "letzte Meldung: moderne Brillen für ohne einen Pfennig Zuzahlung!" überschriebene Veröffentlichung, die u.a. folgende Erklärungen der Antragsgegnerin enthält:
3" B-Versicherte können ab sofort bei der T B2 modisch ansprechende BrilIen ohne Zuzahlung erhalten. Wenn Sie also demnächst eine neue Brille benötigen und Geld sparen wollen, sollten Sie sich das zuzahlungsfreie Sortiment der B2-Optik anschauen."
4Die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin verstoße gegen §§ 1, 3 UWG. Die zitierte Mitteilung der Antragsgegnerin stelle sich als Handeln zu Zwecken des Wettbewerbes dar, weil sie objektiv geeignet sei, den Brillenabsatz des Anbieters
5B2-Optik zu fördern und die Antragsgegnerin dies auch subjektiv erreichen wolle. Sittenwidrig sei diese Wettbewerbshandlung, weil die Antragsgegnerin damit ihre hoheitliche Stellung mißbrauche. Wenn sie mit ihrer Autorität als öffentlich-rechtlicher Körperschaft in den Wettbewerb zwischen Dritten eingreife, müsse dies objektiv und neutral geschehen; sie dürfe dabei nicht bestimmten Wettbewerbern Vorteile verschaffen und andere benachteiligen. Dies geschehe aber durch die angegriffene Veröffentlichung, mit der die Antragsgegnerin den Versicherten Brillen bei einem einzigen aus einer größeren Zahl von Anbietern zu kaufen empfehle. Zugleich liege in dieser nur einen Anbieter bevorzugenden Werbung eine Irreführung, weil der Eindruck vermittelt werde, als seien zuzahlungsfreie modisch ansprechende Brillen nur bei diesem einen Anbieter, nicht aber auch bei anderen Augenoptikern erhältlich.
6Die Antragstellerin meint, daß in dem angegriffenen Verhalten der Antragsgegnerin auch ein Verstoß gegen § 26 II GWB liege. Die Antragsgegnerin habe als Nachfrager auf dem Markt für Heil-und Hilfsmittel eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 22 I Nr. 2 GWB, zumindest zähle sie zu den marktstarken Nachfragern im Sinne des § 26 II 2 GWB. Der Anteil der B-Versicherten an den Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen habe im Jahre 1990 43 % betrage. Bei diesem Prozentsatz hätten Augenoptiker, soweit es um die Belieferung der bei einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Brillenträger gehe, nicht nur keine ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeit, sondern könnten überhaupt nicht auf die Abrechnung mit einem anderen Versicherer ausweichen. Durch die von der Antragsgegnerin zugunsten der
7B2-Optik betriebene Werbung würden deren Mitbewerber behindert, weil die Werbung dazu angetan sei die Nachfrage nach zuzahlungsfreien modisch ansprechenden Brillen auf die B2-Optik zu konzentrieren und dadurch einen spürbaren Nachfragerückgang bei den anderen Augenoptikern zu bewirken. Die Unbilligkeit der Behinderung ergebe sich schon aus der Sittenwidrigkeit des HandeIns.
8Die Antragstellerin meint, für ihren Unterlassungsanspruch sei der ordentliche Rechtsweg gegeben. Stelle sich nämlich ein Träger hoheitlicher Gewalt, dadurch daß er Reklame für einzelne Marktteilnehmer mache auf eine Stufe mit den Wettbewerbern dieser Marktteilnehmer und greife er auf diese Weise in den Wettbewerb ein, müsse er sich nicht nur gefallen lassen, daß sein Verhalten an den Regeln des materiellen Wettbewerbsrechts gemessen werde, sondern er müsse dann auch hinnehmen, daß die zur Entscheidung wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten berufenen Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit über sein Verhalten in Wettbewerb befinden. Für den Anspruch aus § 26 11 GWB gelte die ausschließliche kartellrechtliche Zuständigkeit der Kartellgerichte auch für den Rechtsweg. Dies gelte, wie der BGH entschieden habe, auch unter Berücksichtigung der Neufassung des § 51 11 SGG.
9Die Antragstellerin meint, eine vorherige außergerichtliche Abmahnung sei nicht zumutbar gewesen. Die B3 habe mit der sofortigen Erhebung einer negativen Feststellungsklage bei dem Sozialgericht in Frankfurt reagiert und dadurch erreicht, daß das Landgericht Duisburg statt die einstweilige Verfügung zu erlassen das Verfahren an das Sozialgericht Frankfurt/Mainz verwiesen habe. Wie sich nach Erlaß der einstweiligen Verfügung in diesem Verfahren ergeben habe, habe die B4 ebenfalls negative Feststellungsklage bei dem Sozialgericht erhoben. Bei einer außergerichtlichen Abmahnung sei mit einer gleichartigen Reaktion der Antragsgegnerin zu rechnen gewesen, weil der von allen B-Landesverbänden in der Versichertenzeitschrift „C“ propagierten Bevorzugung der Firma B2 als Brillenlieferant der von dem Landesverband mit dieser Firma abgeschlossene Liefervertrag zugrunde gelegen habe. Sie, die Antragstellerin, habe im Hinblick auf die verbandsgesteuerte einheitliche Willensbildung nicht mit einer außergerichtlichen Erfüllung ihres Unterlassungsanspruchs rechnen können.
10Die Antragstellerin hat auf ihren Antrag vom 04. 11 .1992 eine einstweiIige Verfügung vom 05.11.1992 mit folgendem Inhalt erwirkt:
11I.
12Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der besonderen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, untersagt, in öffentlichen Bekanntmachungen, insbesondere durch Veröffentlichungen im B-Magazin „C“ oder einer Beilage zu diesem Magazin, a) mitzuteilen, B-Versicherte könnten bei
13der T B2 modisch ansprechende Brillen ohne Zuzahlung erhalten,
14b)
15die Versicherten aufzufordern, sich das zuzahlungsfreie Sortiment der B2
16anzuschauen.
17II.
18Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu
19500.000,00 DM, angedroht.
20Die Antragsgegnerin hat hiergegen Kostenwiderspruch eingelegt.
21Die Antragstellerin beantragt,
22die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung vom 05.11.1992 zu bestätigen und der Antragsgegnerin auch die weiteren Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
23Die Antragsgegnerin beantragt,
24die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
25Die Antragsgegnerin trägt vor, das angerufene Gericht sei für den Erlaß der einstweiligen Verfügung nicht zuständig gewesen. Für den Rechtsstreit sei das Sozialgericht zuständig, denn die von der Antragstellerin bekämpfte Zeitungsveröffentlichung betreffe im Kern die gesetzliche Informationspflicht der B gegenüber ihren Versicherten über einen mit der Fa. B2 abgeschlossenen Versorgungsvertrag gemäß § 127 I SGG V zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten der Krankenkassen mi t Sehhilfen sowie die Abrechnung und Vergütung dieser Leistungen vom 30.02.1992. Es handele sich daher um eine Streitigkeit, die nach § 51 SGG 11 den Sozialgerichten zugewiesen sei.
26Die Antragsgegnerin meint im übrigen, daß die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, weil sie den Unterlassungsanspruch durch Beschränkung des Widerspruchs auf die Kosten anerkannt habe. Daraus folge, daß sie bei außerge
27richtlicher Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgegeben haben würde. Das Verhalten der B3 könne der Antragsgegnerin des vorliegenden Verfahrens nicht ernstlich entgegen gehalten werden. Die Antragsgegnerin sei als selbständige juristische Person für ihr Handeln allein verantwortlich.
28Hinsichtlich des Parteivorbringens im einzelnen und der überreichten Unterlagen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe:
30Der Kostenwiderspruch ist nicht begründet.
31Für den von der Antragstellerin auf §§ 1, 3 UWG, § 26 11 GWB gestützten Unterlassungsanspruch ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Soweit die Antragstellerin ihren Anspruch auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb stützt, hat sie zutreffend darauf hingewiesen, daß sich ein Träger hoheitlicher Gewalt dadurch, daß er Reklame für einzelne Marktteilnehmer macht, auf eine Stufe mit den Wettbewerbern dieser Marktteilnehmer stellt und dadurch in den Wettbewerb eingreift; er muß daher auch hinnehmen, daß die zur Entscheidung wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten berufenen Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit über sein Verhalten befinden. Darüber hinaus ist festzustellen, daß die Antragsgegnerin nicht in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit tätig geworden ist. Der Abschluß des Versorgungsvertrages zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten der Krankenkassen mit Sehhilfen, den die Antragsgegnerin bzw. der Landesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen mit der Fa. B2 abgeschlossen hat, ist ein Rechtsverhältnis bürgerlich rechtlicher Natur. Er ist in gleicher Weise zu beurteilen, wie der Abschluß von Verträgen über die Gewährung häuslicher Krankenpflege, die der BGH in seiner Entscheidung vom 25.06.1991 (WuW 1/1992) als bürgerlich-rechtliches Rechtsverhältnis eingeordnet hat.
32Soweit die Antragstellerin ihren Anspruch auf § 26 11 GWB stützt, ist für diesen Anspruch unabhängig von der Natur des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses immer das Kartellgericht des ordentlichen Rechtszuges zuständig. Dies hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 12.03.1991 (GRUR 1991, 868 ff.) entschieden. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, die kartellrechtliche Zuständigkeit sei von dem Gesetzgeber so ausgestaltet worden, daß sie jeder anderen Zuständigkeit vorgehe; das gelte nicht nur für die sachliche Zuständigkeit innerhalb des ordentlichen Rechtsweges, sondern auch für den Rechtsweg selbst. Es bestehe kein Grund für die Annahme, daß der Gesetzgeber die sorgfältig bedachte ausschließliche Zuständigkeit der Kartellspruchkörper des GWB mit dem eingefügten § 51 11 SGG für bestimmte bürgerliche Rechtsstreitigkeiten habe aufheben und die mit der früheren Rechtszersplitterung verbundenen Unzuträglichkeiten auf dem Gebiet des Kartellrechts in diesem Bereich habe wieder aufleben lassen wollen.
33Die Antragsgegnerin hat den Unterlassngsanspruch durch die Beschränkung des Widerspruchs auf die Kosten anerkannt. Der Unterlassungsanspruch war aus §§ 1, 3 UWG begründet, weil die Antragsgegnerin im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt hat, indem sie eine Empfehlung ausgesprochen hat, die objektiv geeignet war, den Brillenabsatz eines bestimmten Anbieters zu fördern. Diese Empfehlung war sittenwidrig, weil die Antragsgegnerin als öffentlich-rechtliche Körperschaft bei Eingriffen in den Wettbewerb zwischen Dritten sich objektiv und neutral zu verhalten hat; sie darf insbesondere nicht bestimmten Wettbewerbern Vorteile verschaffen und andere benachteiligen. Ihre Information gegenüber den Mitgliedern war auch irreführend, weil der Eindruck entstehen konnte, daß zuteilungsfreie modisch ansprechende Brillen nur bei diesem einen Anbieter erhältlich seien, nicht aber auch bei anderen Augenoptikern.
34Der Anspruch ist auch aus § 26 11 GWB begründet. Die allgemeinen Ortskrankenkassen sind mit einem Anteil von 43 %der gesetzlich Krankenversicherten marktbeherrschend. Als markbeherrschendes Unternehmen dürfen sie nicht einzelne Unternehmen gegenüber ihren Mitbewerbern behindern. Dies geschieht jedoch durch die beanstandete Werbung, weil diese geeignet ist, die Nachfrage nach zuzahlungsfreien modisch ansprechenden Brillen auf die B2 zu konzentrieren und einen spürbaren Nachfragerückgang bei den anderen Augenoptikern zu bewirken. Diese Behinderung ist schon deshalb unbillig, weil das Verhalten der Antragsgegnerin, wie oben dargestellt wurde, sittenwidrig ist.
35Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens nach § 91 ZPO zu tragen. Voraussetzungen für eine Anwendung des § 93 ZPO, die es rechtfertigen würden, die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen, liegen nicht vor. Zwar ist in Wettbewerbssachen grundsätzlich eine vorprozessuale Abmahnung des Verletzers durch den Antragsteller zu verlangen, wenn dieser der Gefahr einer Kostenentscheidung nach § 93 ZPO im Falle einer sofortigen Anerkennung des Unterlassungsanspruchs im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung entgehen will, weil eine Abmahnung regelmäßig geeignet ist, das berechtigte Unterlassensbegehren eines Antragstellers vorprozessual zu erledigen. Bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen kann nämlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Schuldner allein durch das Unterlassen der Leistung, also durch sein wettbewerbswidriges Verhalten Anlaß zu einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruches gebe. Eine Abmahnung 1st nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände entbehrlich. Solche besonderen Umstände liegen hier vor. Die Antragstellerin konnte davon ausgehen, daß eine außergerichtliche Abmahnung erfolglos sein würde. Diese Schlußfolgerung war deshalb gerechtfertigt, weil das wettbewerbswidrige Verhalten der Antragsgegnerin in einem Gesamtzusammenhang mit sämtlichen Bezirkskrankenkassen des Landesverbandes der Allgemeinen Ortskrankenkassen anzusehen ist. Dieser Landesverband hat mit der B2 einen Versorgungsvertrag geschlossen, der für alle Bezirkskrankenkassen gilt. Dementsprechend haben alle Bezirkskrankenkassen in der B-Zeitschrift „C“ ihre Mitglieder darüber informiert, daß Versicherte ab sofort bei der B2 modisch ansprechende Brillen ohne Zuzahlung erhalten könnten. Vertragsabschluß und Information darüber beruhen daher auf einer verbandsgesteuerten einheitlichen Willensbildung der angeschlossenen Allgemeinen Ortskrankenkassen. Es mußte daher auch mit einer einheitlichen Reaktion in Bezug auf etwaige Unterlassungsansprüche gerechnet werden, insbesondere mit einem entsprechenden prozessualen Verhalten wie des der B3, die die Zulässigkeit des Rechtsweges vor den ordentlichen Gerichten beanstandet hat mit der Folge, daß über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung bis heute nicht entschieden ist. Die Antragstellerin muß daher davon ausgehen, daß auch die Antragsgegnerin vorrangig die Frage der Rechtwegzuständigkeit prüfen lassen wollte und einen Anspruch nicht anerkennen würde. Dieser Erwartung steht nicht entgegen, daß die Antragsgegnerin nunmehr ihren Widerspruch auf die Kosten beschränkt hat, nachdem die einstweilige Verfügung einmal ergangen war. Es liegt vielmehr nahe, daß sie sich bei einer vorherigen Abmahnung in gleicher Weise wie die B3 verhalten haben würde. Eine vorherige Abmahnung war daher für die Antragstellerin nicht zumutbar. Der Antragsgegnerin waren daher die Kosten aufzuerlegen.
36Streitwert: 40.000,--DM.
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