Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 31 O 27/92
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Lit 18.025.898 nebst 5% Zinsen vom 5. August 1990 bis 15. Dezember 1990 und 10% Zinsen seit dem 16. Dezember 1990 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 5%, der Beklagte 95 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 29.000,-- DM. Der Klägerin wird nachgelassen, die ihr vom Beklagten wegen anteilig geschuldeter Kosten drohende Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150,-- DM abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung der Beklagte in entsprechender Höhe Sicherheit leistet. Die Sicherheiten können jeweils durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Bundesgebiet geschäftsansässigen Großbank oder Sparkasse erbracht werden.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist eine Gesellschaft italienischen Rechts, einer OHG vergleichbar und im Handelsregister eingetragen (Bl. 69 f d.A.), die Oberbekleidung herstellt.
3Der Beklagte orderte im Rahmen eines Besuchs im Betrieb der Klägerin im Juni 199o nach Maßgabe einer Mustersendung diverse Damenjacken und Röcke. Schon bei seinem Besuch wies er die Klägerin darauf hin, daß die von ihr verwendeten Größenbezeichnungen S, M und L nicht - wie in Deutschland üblich - den Konfektionsgrößen 36/38, 4o/42 und 44/46 entsprächen; vielmehr entsprach L der Größe S (36/38), S und M waren kleiner.
4Die am 25. oder 27. Juli 199o von der Klägerin versandte Ware traf am 3o. Juli bei dem Beklagten ein. Mit Fax vom 31. August 199o (Bl. 31 f und 56 f d.A.) reklamierte er, daß auch die gelieferte Ware fehlerhafte Größen aufweise.
5Ein vom Beklagten am 1. September 199o über den Gesamtkaufpreis (rund 34,8 Mio Lit) ausgestellter Scheck wurde nicht eingelöst (Bl. 58 d.A.). Anfang Oktober hat der Beklagte rund 16,8 Mio Lit gezahlt, unstreitig denjenigen Betrag, der dem Kaufpreis der mit der Größe "L" ausgezeichneten Ware entsprach.
6Mit der Klage verlangt die Klägerin, die davon ausgeht, vertragsgerecht geliefert zu haben, die Differenz. Sie hält die Mängelrüge vom 31.8. 199o für verspätet. Darüber hinaus begehrt sie den Ausgleich von Inkassokosten.
7Sie behauptet, Bankkredit in Anspruch zu nehmen.
8Sie beantragt,
9den Beklagten zu verurteilen, an sie Lit 18.o25.898,-- zuzüglich Zinsen von 15% seit dem 5. August 1990 sowie außergerichtliche Mahnkosten in Höhe von Lit 923.ooo,-- zu zahlen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er bestreitet die. Aktivlegitimation der Klägerin und behauptet, diese habe Leistungen ihres Kreditversicherers erhalten.
13Weiter behauptet sie, ein Großteil der Konfektionsteile sei - abredewidrig -zu klein geliefert worden. Die größte gelieferte Größe "L" entspreche tatsächlich "S", nämlich 36/38. Ihr Versuch, deswegen mit der Klägerin noch im August Kontakt aufzunehmen, sei fehlgeschlagen, da die Klägerin während ihrer Betriebsferien nicht erreichbar gewesen sei.
14Am 2. Oktober 1990 sei mit dem Geschäftsführer der Klägerin xx eine Vereinbarung des Inhalts getroffen worden, daß die bemängelten Teile am 8.1o. in Düsseldorf abgeholt würden und die Beklagte für den entsprechenden Wert Bestellungen der Frühjahrskollektion 1991 ordere.
15Abredewidrig habe die Klägerin die Teile weder am 8. Oktober noch - trotz unstreitiger Mahnungen - danach abgeholt. Bei einem Wasserschaden im Mai 1991 seien sie irreparabel zerstört worden.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
17Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von sieben Zeugen. Insoweit wird auf die schriftlichen Aussagen der Zeugen sowie auf die Sitzungsniederschriften (Bl. 88 f, 91, 93, 94, 175 -178, 188 -192, 2o2 - 2o5 d.A.) verwiesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsen und der Inkassokosten begründet.
20Der nach den Bestimmungen des UN-Kaufrechts vom 11. April 1980 (CISG) zu bewertende Anspruch der Klägerin ist zwar nicht schon aufgrund verspäteter Mängelrüge des Beklagten begründet, jedoch deswegen, weil der Beklagte weder die von ihm behauptete Vereinbarung einer Rücknahmeverpflichtung der Klägerin noch das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung im Sinn des § 25 CISG (unzutreffende Konfektionsgröße), die zur Vertragsaufhebung nach Art 49 CISG berechtigt hätte, zu beweisen vermocht hat. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß der Klägerin aufgrund einer Leistung ihres Kreditversicherers ein Ausgleich zugeflossen wäre.
211. Auf die Vereinbarung der Parteien finden die Bestimmungen des CISG Anwendung.
22Zwar haben die Parteien den Kaufvertrag über die streitgegenständliche Konfektionsware schon im Sommer 199o abgeschlossen, zu einem Zeit¬punkt, als das Übereinkommen in der Bundesrepublik noch nicht in Kraft getreten war. Nach dem sich an Art 28 EGBGB orientierenden Anknüpfungstatbestand findet das CISG gleichwohl deswegen Anwendung, weil das Recht des Staates, mit dem der Vertrag die engste Verbindung auf¬weist (Italien), bereits seit 1. Januar 1988 die Anwendbarkeit des Übereinkommens vorsah (Art 1 Abs. 1 lit b CISG; Piltz, NJW 1989, 615 <619>; Schwenzer NJW 199o, 6o2 <6o3>).
232. Der Kaufpreisanspruch der Klägerin ist aufgrund der am 2o. Juni 199o mündlich - zulässig nach Art 11 CISG - getroffenen Vereinbarung gemäß Art 53 CISG begründet. Gewährleistungsansprüche, insbesondere die von ihm geltend gemachte (teilweise) Vertragsaufhebung, stehen dem Beklagten nicht zu.
24a) Gewährleistungsansprüche entfallen nicht schon deswegen, weil der Beklagte den behaupteten Mangel - fehlerhafte Konfektionsgrößen -verspätet im Sinn der Artt 39 Abs. 1, 38 Abs. 1, 43 Abs. 1 CISG gerügt hätte. Aufgrund der von ihm vorgelegten Fax-Mitteilungen vom 16. August 199o (Bl. 76 d.A.) und 29. August 1990 Bl. 78 d.A.) ist davon auszugehen, daß die Rüge die Klägerin wegen deren Betriebsferien und daher aus Gründen, die in ihrer Sphäre liegen, nicht erreicht hat.
25a) aa) Der Beklagte hat seine Behauptung, sich mit der Klägerin auf die Rücknahme der Konfektionsartikel, die mit den Größen M und S ausgezeichnet waren, geeinigt zu haben, nicht bewiesen. Zwar haben die Zeugen R, B und P die Behauptung des Beklagten bestätigt. Die Zeugen L, S und T haben indessen das Gegenteil ausgesagt. Unstreitige Umstände sprechen eher gegen eine Rücknahmevereinbarung als für sie.
26Der Zeuge B hat durchgängig erklärt, er habe auf Wunsch des Beklagten am 2. Oktober 199o (die Angabe 2o.1o. in seiner schriftlichen Darstellung Bl. 94 d.A. beruht ersichtlich auf einem Schreibversehen) mit dem Geschäftsführer der Klägerin "Gg" gesprochen. Nachdem er erklärt habe, die Größen der übersandten Artikel stimmten nicht, habe dieser sich bereit erklärt, die Ware, die der Beklagte nicht (gleichwohl) verkaufen könne, zurückzunehmen. Er habe lediglich gebeten, sie nicht nach Italien zu versenden, er lasse sie "prossimamente" (bald) abholen.
27Auch der Zeuge P hat ausgesagt, der Geschäftsführer der Klägerin habe zugesagt, innerhalb kurzer Zeit - an ein Datum vermochte es sich bei der letzten Vernehmung nicht mehr zu erinnern - die Bekleidungsstücke abzuholen.
28Demgegenüber haben die Zeugen L, S und T ausdrücklich erklärt, im Rahmen des Gesprächs, das sie aufgrund lautgestellter Telefonanlage mitgehört hätten, hätte sich der Geschäftsführer der Klägerin gegenüber dem italienisch sprechenden Vertreter des Beklagten geweigert, die Ware zurückzunehmen. Unter den gegebenen Umständen kann nicht festgestellt werden, daß der Geschäftsführer der Klägerin mit der Rücknahme der Ware einverstanden gewesen ist. Es ist nicht gerechtfertigt, den Aussagen der Zeugen B und P gegenüber den Aussagen der von der Klägerin benannten Zeugen größeres Gewicht beizumessen. Objektive Umstände begründen Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen B und P.
29Zum einen ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte einen zweiten italienischen Staatsbürger um Hilfe bei der Übermittlung seiner Beanstandung gebeten hat, wenn ein erster (die Reihenfolge der Anrufe B und P hat in der Beweisaufnahme nicht aufgeklärt werden können) schon die Zusage erhalten hatte, die Klägerin akzeptiere die teilweise Vertragsaufhebung. Zum anderen spricht gegen die von den genannten Zeugen bestätigte Darstellung des Beklagten der Umstand, daß er ursprünglich bereit gewesen ist, die Ware abzunehmen, obwohl ihm die angeblich fehlerhaften Größen bekannt gewesen sind. Er hat nämlich -unstreitig - nach seinem Fax vom 31. August 199o (Anl. K 1, Bl. 31 d.A.) und seinem Schreiben vom 31. August 199o (Anl. K 7, Bl. 56 f d.A.) am 1. September 1990 einen Scheck über den Gesamtkaufpreis ausgestellt (Anl. K 8, Bl.,58 d.A.), der mangels Deckung oder weil er widerrufen worden ist (der Grund ist nicht vorgetragen) nicht eingelöst worden ist.
30Die bestehenden Zweifel am Inhalt des Anfang Oktober 199o geführten Telefonates gehen zu Lasten des beweispflichtigen Beklagten. Soweit dieser beantragt hat, den Zeugen B erneut unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zu hören, ist dem Beweisangebot nicht nachzugehen. Der Zeuge B war ersichtlich in der Lage, sich nahezu fehlerfrei deutsch zu artikulieren. Wie seine letzte Vernehmung (am 5. Mai 1994) ergeben hat, hatte er lediglich Verständnisschwierigkeiten bezüglich der Größenbezeichnungen S, M und L.
31bb) Von der Wirksamkeit einer Rücknahmevereinbarung ist auch nicht deswegen auszugehen, weil die Klägerin dem Schreiben des Beklagten vom 26. November 199o (Anl. K 5, Bl. 39 f d.A.), in welchem der angebliche Inhalt des Telefonats vom 2.1o. 199o schriftlich niedergelegt wird, nicht entgegengetreten ist.
32Zu Unrecht mißt der Beklagte diesem Fax die Wirkung eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens bei. Es fehlt schon an dem Merkmal der Unmittelbarkeit. Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist nur dann erkennbar bestimmt, den erfolgten Abschluß einer Vereinbarung und deren Inhalt verbindlich festzulegen, wenn es der Verhandlung zeitlich unmittelbar folgt. Das ist bei einem Zeitabstand von ca. 7 Wochen nicht der Fall. Hinzu kommt, daß das Institut des kaufmännischen Bestätigungsschreibens dem UN-Kaufrecht fremd ist (vgl. Piltz in: von Westphalen, Handbuch des Kaufvertragsrechts, UN-Kauf recht Rdn 37 und 38).
33c) Der Beklagte hat auch keinen Anspruch auf (teilweise) Vertragsaufhebung nach Art 49 CISG.
34Voraussetzung wäre, daß er eine wesentliche Vertragsverletzung (Art 25 CISG) der Klägerin nachweisen würde. Insoweit beruft er sich darauf, die übersandten Artikel entsprächen in der Größenrelation nicht den vorgeleg¬ten Mustern (Art 35 Abs. 2 lit c CISG). Dies hat die Zeugin R in ihrer schriftlichen Aussage vom 16. November 1992 (Bl. 88 f d.A.) auch bestätigt.
35Demgegenüber hat die Zeugin T erklärt, dem Beklagten seien bei seinem Besuch Modeartikel der Größe "S" vorgeführt worden. Auf der Basis der vorgeführten Modelle seien die übrigen Größen abgestimmt und für den Beklagten produziert worden.
36Ob die Modelle mit den Größenbezeichnungen S und M tatsächlich kleiner als Größe 36/38 der bundesdeutschen Größenpalette sind, läßt sich mit dem von dem Beklagten angebotenen Sachverständigenbeweis nicht mehr feststellen, da nach eigener Einlassung des Beklagten die Bekleidungsstücke nicht mehr vorhanden sind.
373. Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises auch nicht deswegen verloren (ob dies ein Fall fehlender Aktivlegitimation wäre, ist zweifelhaft), weil sie insoweit von ihrem Kreditversicherer befriedigt worden ist. Die hierauf gerichtete Behauptung des Beklagten ist ersichtlich spekulativ. In dem Fax (Anl. K 4, Bl. 37 d.A.), ist lediglich die Rede davon, daß Deckung aus einer Kreditversicherung besteht, nicht aber, daß der Versicherer den Schaden ausgeglichen hat. Die von den Parteien geführte Auseinandersetzung fällt typischerweise auch nicht in das Risiko einer Kreditversicherung. Jedenfalls hat aber der Beklagte für seine Behauptung keinen Beweis angeboten.
383. a) Der Zinsanspruch, soweit ihm stattgegeben wurde, ist gemäß Art 78 CISG, Art 1284 Abs. 1 Cc (Codice Civile - d.i. das italienische Zivilgesetzbuch) begründet.
39Die Höhe des Zinsanspruchs ist in Art 78 CISG ausdrücklich offengelassen. Sie richtet sich (über Art 28 Abs. 2 EGBGB) nach italienischem Recht.
40Die Höhe des Zinssatzes in Italien bestimmte Art 1284 Abs. 1 Cc a.F. mit 5% und bestimmt ihn in der seit dem 16. Dezember 1990 geltenden Fassung (vgl. Kindler, RIW 1991, 3o4) mit 1o%. Die Neufassung des Gesetzes gilt auch für Verbindlichkeiten, bei denen der Zinslauf vor dem 16. Dezember 1990 begonnen hat.
41Den weitergehend geltend gemachten Zinsschaden hat die Klägerin nicht unter Beweis gestellt.
42b) Unbegründet ist der geltend gemachte Anspruch auf Inkassokosten. Mit der Einschaltung eines Inkassobüros hat die Klägerin ihre Schadensminderungspflicht aus Art 77 CISG verletzt.
43Zwar zählen zu den nach Art 74 CISG zu erstattenden Verlusten grundsätzlich auch die Kosten einer angemessenen Rechtsverfolgung. Die Einschaltung eines Inkassobüros ist indessen nur dann als eine angemessene Maßnahme der Rechtsverfolgung anzusehen, wenn das Inkassounternehmen über Möglichkeiten der Rechtverfolgung verfügt, die denjenigen des Gläubigers überlegen sind. Gerade im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr fehlt es hieran grundsätzlich und auch im vorliegenden Fall.
44Zudem war der Klägerin bekannt, daß der Beklagte Einwendungen materiell-rechtlicher Art geltend gemacht hatte, schon deswegen war zu erwarten, daß er auf eine (einfache) Mahnung der Inkassostelle nicht zahlen würde.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind gemäß den §§ 7o9 Satz 1, 7o8 Nr. 11,711 Satz 1, 1o8 ZPO begründet.
46Streitwert: 25.5oo,-- DM
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