Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 23 S 38/01
Tenor
In dem Rechtsstreit
hat die 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche
Verhandlung vom 8. Mai 2002
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.12.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 1,077,95 nebst 4 % Zinsen seit dem 22.09.2000 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO (a.F.) abgesehen.
1
Entscheidunqsqründe:
2Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist begründet.
3Der Beklagte ist gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB verpflichtet, an den Kläger EUR 1.077,95 (= DM 2.108,28) zu zahlen. Diesen Betrag hat der Beklagte durch Zahlung des Klägers ohne Rechtsgrund erhalten.
4Unstreitig führte der Beklagte, ärztlicher Direktor der Abteilung für Allgemein-und Unfallchirurgie der Heinrich-Heine-Universität, beim Kläger, der sich in der Zeit vom 29.1.1. bis 03.12.1999 in stationärer Behandlung in der Heinrich-Heine-Universitäts-Klinik befand,- am 30.11.1999 eine Schilddrüsenoperation durch. Die Parteien haben hierzu einen privatärztlichen Behandlungsvertrag abgeschlossen. Mit Rechnung vom 14,02.2000 liquidierte der Beklagte insgesamt DM 3.011,60 (= EUR 1.539,80), die der Kläger vollständig bezahlt hat.
5Der Beklagte war aber nach den Bestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) lediglich berechtigt, für die von ihm durchgeführte Behandlung einen Betrag in Höhe von insgesamt EUR 461,86 (= DM 903,32) zu berechnen. Der Kläger beanstandet zur Recht die Art der Abrechnung des Beklagten bezüglich der Ziffern 2755, 2583, 2756 und 2073 GOÄ. Hierzu gilt folgendes:
61. zur doppelten Berechnung der Ziffer 2755 der GOÄ
7Laut OP-Bericht vom 30.11.1999 (BI. 72 GA) wurde der linke Schilddrüsenlappen des Klägers fast vollständig entfernt (near total-Resektion) und der rechte Schilddrüsenlappen bis auf 4 ml entfernt. Daraus zieht der Beklagte dien Schluss, dass er berechtigt ist, die Gebühr Nr. 2755 zweimal zu berechnen.
8Diese Art der Abrechnung ist mit dem Wortlaut des GOÄ-Textes zur Gebühr Nr. 2755 nicht zu vereinbaren. Dieser lautet: "Entfernung der Kropfgeschwulst oder Teilresektion der Schilddrüse."
9Der Verordnungsgeber geht also gemäß dem klaren Wortlaut davon aus, dass es sich bei der Schilddrüse um ein Organ handelt und Operationen an dieser nur einmal berechnet werden dürfen.
10Der Umstand der doppelseitigen Resektion, die hier durchgeführt worden ist, ist gemäß § 5 GOÄ über den gesteigerten Gebührenrahmen zu berücksichtigen, wie dies der Beklagte durch die Berechnung des 3,5-fachen Gebührensatzes auch getan hat.
11Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass die Bundesärztekammer seine Abrechnungsweise empfohlen hat (Bl. 78 GA), mag dies zutreffen. Jedoch kann diese Empfehlung mit dem klaren Wortlaut der Gebührenziffer Nr. 2755 nicht in Einklang gebracht werden. Nach dieser Empfehlung soll Nr. 2755 zutreffend sein für die Teilresektion von Adenomen der Schilddrüse beziehungsweise die einseitige subtotale Strumaresektion. Die Gebührenziffer 2755 unterscheidet aber nicht zwischen der Entfernung von links- oder rechtsseitig gelegenen Kropfgeschwulsten oder Teilresektion des linken oder rechten Schilddrüsenlappens. Sie bezieht sich vielmehr allgemein auf die Entfernung der Kropfgeschwulst oder Teilresektion der Schilddrüse. Von daher bedarf es zur zweifachen Berechnung einer Veränderung oder Anpassung der Gebührenordnung durch den Gesetzgeber, was bisher aber nicht erfolgt ist, obwohl der Streit der einfachen oder zweifachen Berechnung der Nr. 2755 - wie es sich aus den zur Akte gereichten Anlagen ergibt - schon seit Jahren besteht.
122. zur Berechnung der Ziffer 2583 GOÄ (Neurolyse)
13Laut OP-Bericht vom 30.11.1999 hat der Operateur eine Darstellung des N. recucrrens in seinem gesamten Verlauf im Sinne einer Neurolyse vorgenommen.
14Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ wird der Grundsatz festgelegt, dass Gebühren nur für selbständige Leistungen berechnet, werden können. Gemäß § 4 a Abs. 2 Satz 1 GQÄ dürfen Leistungsbestandteile. oder besondere Ausführungen einer anderen Leistung nicht berechnet werden, soweit für die andere Leistung eine Gebühr in Rechnung gestellt wird. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte.
15Insoweit liegt der Berechnungsfähigkeit von Gebühren das Zielleistungsprinzip zugrunde. Für operative Leistungen und deren methodisch notwendigen Einzelschritte hebt Absatz 2a Satz 2 des § 4 GOÄ die grundsätzliche Geltung des Zielleistungsprinzips ausdrücklich hervor. Als allgemeiner gebührenrechtlicher Grundsatz ist dieses Prinzip auch unabhängig von diesbezüglichen ausdrücklichen Abrechnungshinweisen im Gebührenverzeichnis generell zu beachten. Auch bei Fehlen solcher Abrechnungshinweise ist stets zu prüfen, ob eine Leistung nach ihrem konkreten Erbringungszusammenhang selbständig oder als notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung erbracht wird, für die eine Gebühr berechnet wird (Lang/ Schäfer/Stiel/Vogt, Der GOÄ-Kommentar, 1996, § 4 Rdn33,36;
16Es kommt also darauf an, ob nach dem (technischen Ablauf) der ärztlichen Verrichtung eine Leistung nicht erbracht werden kann, ohne dass auch der Leistungsinhalt einer anderen Position des Gebührenverzeichnisses erbracht wird. Entscheidend ist also der sachlogische Ablauf der ärztlichen Maßnahme, wie er sich bei objektiver Betrachtungsweise darstellt. Ausgangspunkt der Beurteilung ist das Leistungsziel, das mit der Maßnahme erreicht werden soll. Von dieser Zielleistung sind Vorbereitungs-, Hilfs- und Begleitleistungen zu unterscheiden, die keinen selbständigen Leistungscharakter haben und daher nicht gesondert neben der Gebühr für die Zielleistung abgerechnet werden können (Uleer/Miebach/Patt: Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 1996, § 4, Seite 29).
17Sollte in diesem Rahmen der Schwierigkeitsgrad einer Leistung oder der Zeitaufwand zur Erreichung der Zielleistung erhöht werden, kann der Arzt deshalb von den Möglichkeiten des § 5 GOÄ Gebrauch machen (Prof. Dr. med. Hoffmann, Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), 3. Aufl. 2000, § 4, Seite 24/1)
18Vorliegend bedarf es nicht der Klärung der medizinisch streitigen Frage, ob die Darstellung des N. recurrens nach medizinischer Ansicht bei einer Teilresektion der Schilddrüse generell notwendig ist oder nicht. Denn der Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die Darstellung des N. recurrens im Sinne einer Neurolyse aufgrund des individuellen Krankheitsbildes des Klägers medizinisch notwendig war (Bl. 66, 67 GÄ). Es handelte sich somit um einen notwendigen Einzelschritt zur Erreichung der Zielleistung -Resektion der Schilddrüse - und darf gemäß § 4 GOÄ nicht gesondert berechnet werden. Die hierin besondere Schwierigkeit der Operation der Schilddrüse kann der Beklagte durch Steigerung des Gebührenrahmens (§ 5 GOÄ) ausreichend berücksichtigen, wie auch geschehen.
193. zur Berechnung der Ziffer 2756 GOÄ (Ausschälung der Nebenschilddrüse)
20Nichts anderes gilt für die Geltendmachung dieser Ziffer. Auch hier handelt es sich um einen notwendigen Einzelschritt im Rahmen der Schilddrüsenresektion, der gemäß §,4 GOÄ nicht einzeln berechnet werden darf. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die beim Kläger gegebene Mehrknotigkeit der Schilddrüsenlappen eine Radikalresektion erforderte und daher der Schonung der Nebenschilddrüse besondere Bedeutung zukam (B. 69).
214. zur Berechnung der Ziffer 2073 GOÄ (Sehnennaht)
22Gemäß dem Operationsbericht vom 30.11.1999 war der linke Schilddrüsenlappen bei kurzer Halsanatomie des Patienten nur schwierig zu exponieren. "Daher Durchtrennung der geraden Halsmuskulatur quer". Daraus folgt, dass die Durchtrennung und die anschließende Adaptation der geraden Halsmuskulatur links (Sehnennaht) ein notwendiger Einzelschritt der Schilddrüsenoperation als Zielleistung war und von daher gemäß §§ 4, 4 a GOÄ nicht einzeln berechnet werden durfte. Auch hier ist darin die besondere Schwierigkeit der Operation durch Steigerung des Gebührenrahmens zu berücksichtigen, wie Inder Abrechnung geschehen.
23II.
24Die Zinsentscheidung beruht auf § 291 BGB.
25III.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
27Berufungsstreitwert : Euro 2.583,43 (= DM 5.052,75).
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Referenzen
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