Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 4a O 373/02
Tenor
I.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 30. Ok-tober 2002 - 4a 0 373 / 02 - wird bestätigt.
II.
Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Antragstellerin ist Inhaberin der internationalen Bildmarken R ####1 und R ####2 (Anlage Ast 3) und der am 1. April 1996 angemeldeten Gemeinschaftsbildmarke ####3 (Anlage Ast 4, nachfolgend: Streitmarke), die am 28. November 1997 im Markenregister eingetragen wurde.
3Die seit langem weltbekannte Streitmarke besteht aus einem sog. "Toile-Monogram"- Dekor. Sie ist beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt wie folgt hinterlegt:
4Das Warenverzeichnis der Streitmarke sieht u.a. folgende Artikel vor:
5Leder und Lederimitationen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, insbesondere Taschen aus Leder und Lederpappe, Reisetaschen und -koffer, Taschen, Koffer für Toilettenartikel, Rucksäcke, Handtaschen, Strandtaschen, Vorratstaschen, Schultertaschen, Köfferchen, Aktentaschen, Aktenkoffer, Schulmappen, Unterarmtaschen, Feinlederwaren insbesondere Geldscheintaschen, Portemonnaies aus Nichtedelmetallen und Schlüsseltaschen.
6Wegen Verletzung der Streitmarke nimmt die Antragstellerin die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Herausgabe der angegriffenen Ausführungsform zur Sequestration für eine spätere Vernichtung in Anspruch.
7Die Antragsgegnerin importiert und handelt mit Leder- und artverwandten Waren.
8Im Zuge ihrer Geschäftstätigkeit belieferte sie die in Stuttgart geschäftsansässige B GmbH mit Handtaschen und Reisegepäck, wie Koffern, Beauty-Cases, Taschen aller Art, Rucksäcke sowie Portemonnaies, die mit folgendem Dekor bedruckt waren:
9Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das zuvor wiedergegebene Dekor unberechtigt von der Streitmarke Gebrauch macht.
10Wegen Verletzung der Streitmarke erwirkte die Antragstellerin am 27. August 2002 gegen einen der Abnehmer der Antragsgegnerin, die BoHG, vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung (Anlage 3), in der dem Abnehmer u.a. aufgegeben wurde, der Antragstellerin unverzüglich Auskunft über Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer zu erteilen.
11Die einstweilige Verfügung wurde dem Abnehmer am 20. September 2002 zugestellt (Anlage Ast 13). Das Vollstreckungsprotokoll ging bei den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 5. November 2002 ein (Anlage Ast 14).
12In der Zwischenzeit hatte ein Mitarbeiter der Antragstellerin am 17. September 2002 bei der bereits genannten B GmbH eine Handtasche erworben, welche die Antragstellerin dem Gericht als Anlage Ast 6 vorgelegt hat, auf die Bezug genommen wird. Die Handtasche ist mit dem oben wiedergegebenen Dekor bedruckt.
13Daraufhin erwirkte die Antragstellerin am 11. Oktober 2002 vor dem Landgericht Stuttgart eine einstweilige Verfügung, in welcher der B GmbH u.a. aufgegeben wurde, über Namen und Anschriften ihrer Lieferanten und anderer Vorbesitzer Auskunft zu erteilen.
14Unter Vorlage von Lieferscheinen bzw. Rechnungen teilte die B GmbH der Antragstellerin mit Faxschreiben vom 16. Oktober 2002 mit, die gegen die Streitmarke verstoßende Ware von der Antragsgegnerin bezogen zu haben.
15Auf einen unter dem 28. Oktober 2002 formulierten und am 30. Oktober 2002 bei Gericht eingegangenen Antrag hat die Kammer es der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 30. Oktober 2002 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes untersagt, Waren aus Leder und/oder Lederimitationen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben, wenn diese mit den bereits oben wiedergegebenen Dekors versehen sind. Zugleich hat sie der Antragsgegnerin u.a. aufgegeben, die angegriffene Ausführungsform zum Zwecke der Verwahrung für eine spätere Vernichtung an einen von der Antragstellerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher her-auszugeben.
16Die ihr in der Hauptsache aufgegebenen Verpflichtungen hat die Antragsgegnerin gemäß Bestellungsschriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 11. November 2002 anerkannt. Wegen der Verpflichtung, die Kosten des Verfahrens zu tragen, hat sie hingegen Widerspruch eingelegt.
17Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
18den Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin zu-
19rückzuweisen.
20Die Antragsgegnerin beantragt,
21die einstweilige Verfügung vom 30. Oktober 2002
22hinsichtlich der Ziffer III. (Kostenanspruch)
23aufzuheben.
24Sie wendet ein, der Antragstellerin sei es mit Rücksicht auf den bereits am 27. August 2002 gegenüber der BE2 oHG erwirkten Titel möglich und zuzumuten gewesen, sie - die Antragsgegnerin - vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens abzumahnen.
25Zu keiner Zeit habe die Gefahr bestanden, dass sie die von der Streitmarke Gebrauch machende Ware beseitigen werde. Nachdem sie von der durch das Landgericht Köln erlassenen einstweiligen Verfügung erfahren gehabt habe, habe sie vielmehr unter dem 30. Oktober 2002 eine an ihre Abnehmer gerichtete Rückrufaktion gestartet (Anlagen 4 und 4a), mit der Aufforderung, die Ware zu vernichten. Jedenfalls habe keine Ware mehr verkauft werden sollen.
26Die Antragstellerin tritt den Darlegungen der Antragsgegnerin entgegen.
27Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen Bezug genommen.
28 29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30I.
31Der gemäß §§ 936, 924 ZPO statthafte Widerspruch ist unbegründet.
32Die Kammer hat der Antragsgegnerin in seiner im Kostenpunkt angefochtenen Entscheidung vom 30. Oktober 2002 zu Recht aufgegeben, die Kosten des Verfahrens entsprechend § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
33Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin hiergegen ein, die genannten Kosten seien infolge der von ihr unter dem 11. November 2002 gegenüber der Antragstellerin abgegebenen Erklärung, in der sie die einstweilige Verfügung vom 30. Oktober 2002 mit Ausnahme des Kostenausspruchs als endgültige Regelung anerkennt (Anlage 2), in analoger Anwendung von § 93 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen.
34Nach § 93 ZPO fallen die Verfahrenskosten dem Antragsteller zur Last, wenn der Antragsgegner die gegen ihn gerichteten Ansprüche sofort anerkannt und nicht durch sein Verhalten zur Stellung des Verfügungsantrages Veranlassung gegeben hat.
35Veranlassung zur Beantragung einstweiliger Verfügungen besteht in wettbewerbs- und markenrechtlichen Unterlassungsfällen regelmäßig erst dann, wenn der Inanspruchgenommene auf eine Abmahnung nicht oder negativ reagiert hat (BGH, GRUR 1990, 381, 382).
36Eine Abmahnung ist allerdings entbehrlich, wenn sie aus der Sicht des Antragstellers zu der Zeit, zu der er entscheiden muss, ob er im jeweiligen Einzelfall abmahnt oder dies unterlässt, bei Anlegung eines objektiven Maßstabes unzumutbar ist (OLG Düsseldorf, WRP 1997, 471, 472 -Ohrstecker; OLG Düsseldorf, OLG-Report 1998, 271, 271).
37Geht es nicht nur um die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungs-, sondern auch um die Durchsetzung von Sequestrationsansprüchen auf wettbewerbs-, oder - wie hier - markenrechtlicher Grundlage, so ist eine vorherige Abmahnung zur Abwendung der Kostensanktion nach § 93 ZPO nur dann erforderlich, wenn für den Antragsteller konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die die zu vermutende Gefahr des Beiseiteschaffens der Waren und/oder anderer Vernebelungsaktionen ausnahmsweise ausschließen (OLG Düsseldorf, WRP 1997, 471, 472 -Ohrstecker). Andernfalls bedarf es keiner vorhergehenden Abmahnung. Dies gilt auch für zusammen mit dem Sequestrationsanspruch geltend gemachte Unterlassungs- und Auskunftsansprüche (OLG Düsseldorf, OLG-Report 1998, 271, 271).
38Ausschlaggebend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, beispielsweise die Person des Verletzers, Art und Umsatzgeschwindigkeit der verletzenden Ware sowie Liefer- und Rücklaufweg der Ware. Hierbei kann der Verletzte bei "flüchtigen" Waren, die sich leicht entfernen und beseitigen lassen, nach der Lebenserfahrung davon ausgehen, dass der Verletzer, wenn er zunächst abgemahnt wird, sei es auch nur kurzfristig, die Ware beiseite schafft oder andere Vernebelungsaktionen trifft, um keinen wirtschaftlichen Schaden zu erleiden, jedenfalls aber den Schaden, der mit einer Sicherstellung verbunden sein kann, zu reduzieren. Liegen für den Antragsteller in einem solchen Fall keine konkreten Anhaltspunkte vor, die die nach der Lebenserfahrung zu vermutende Gefahr des Beiseiteschaffens ausnahmsweise ausschließen, ist ihm eine Abmahnung nicht zuzumuten.
39So liegt der Fall hier.
40Bei den von der Antragsgegnerin vertriebenen Lederwaren handelt es sich um Artikel, die sich ohne weiteres entfernen und beseitigen lassen. In dem Zeitpunkt, in dem sie die einstweilige Verfügung beantragte, bestand für die Antragstellerin kein Anlass, wonach sie davon ausgehen konnte, dass die Antragsgegnerin die gegen die Streitmarke verstoßende Ware im Falle einer vorhergehenden Abmahnung nicht verschwinden lassen oder sonstige Vernebelungsmaßnahmen vornehmen würde.
41Dies gilt unbeschadet der von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30. Oktober 2002 an ihre Abnehmer gestarteten Rückrufaktion.
42Denn es ist nicht zu erkennen und von der Antragsgegnerin auch nicht dargetan worden, dass die Antragstellerin zu dem Zeitpunkt, in dem sie die einstweilige Verfügung beantragte, von dieser Rückrufaktion Kenntnis hatte. Hiergegen spricht, dass die als Anlagen 4 und 4a vorgelegten Rückrufschreiben zwei Tage später datieren, als die der einstweiligen Verfügung zugrunde liegende Antragsschrift.
43Im Übrigen war es der Antragsgegnerin möglich und zuzumuten, ihre Bereitschaft, die Streitmarke unter Verzicht auf Vernebelungsmaßnahmen zu beachten, gegenüber der Antragstellerin dadurch nachzuweisen, dass sie dieser bereits unmittelbar nach Kenntniserlangung von der vom Landgericht Köln erlassenen einstweiligen Verfügung eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung zugesandt hätte. Hierzu fand sich die Antragsgegnerin nicht bereit.
44II.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
46III.
47Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
48bis zum 15. November 2002: € 250.000,00
49sodann: Kosteninteresse
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Referenzen
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