Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 16 O 5/04
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 1.500,- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Si-cherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Der Ehemann der Klägerin buchte bei der Beklagten für sich und seine klagende Ehefrau eine Flugpauschalreise in die Türkei für die Zeit vom 01.06. bis zum 15.06.2003 zu einem Gesamtreisepreis von € 958,-. Gegenstand der vertraglich vereinbarten Reiseleistung war neben dem Hin- und Rückflug die Unterbringung in dem Hotel "Green Fugla Beach" in Incekum mit einer All-inclusive-Verpflegung.
3Am Abend des 04.06.2003 suchte die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann und anderen Gästen eine Animationsveranstaltung in der Hotelanlage auf. Während dieser Veranstaltung bat die Klägerin den Animateur, einen Reisehit vorzuspielen. Der Animateur machte das Vorspielen davon abhängig, dass die Klägerin zu diesem Hit tanze. Deshalb bewegte sich die Klägerin von der Terrasse, auf der sie sich zunächst befand, auf die Tanzfläche zu. Nach einer kurzen Strecke stieg sie zwei Stufen hinunter, die durch die Beleuchtung der nahegelegenen Bar ausgeleuchtet waren. Auf dem weiteren Weg zu der Tanzfläche waren zwei weitere Stufen zu passieren. An diesen Stufen kam die Klägerin zu Fall und zog sich Verletzungen zu. Bei dem Bereich der Tanzfläche handelte es sich um eine Diskothek bzw. einen diskotheken-ähnlichen Bereich.
4Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem sowie abgetretenem Recht ihres Ehemannes auf eine minderungsbedingte Rückzahlung von etwa 71 % des Reisepreises sowie auf Ersatz von Verdienstausfall, eines Haushaltsführungsschadens sowie Arztkosten in Anspruch. Ferner begehrt sie die Zahlung eines Schmerzensgeldes.
5Die Klägerin behauptet, ihr seien die Örtlichkeiten vor dem Unfall nicht bekannt gewesen. Das Licht der Bar habe lediglich einen Teilbereich zwischen der Bar und der Tanzfläche ausgeleuchtet, nämlich "soeben" die erste Stufe mit dem anschließenden Podest. Die beiden Stufen, auf denen sie zu Fall kam, seien nicht ausgeleuchtet gewesen, sie hätten vielmehr "vollkommen" im Dunkeln gelegen. Die Tanzfläche sei weder angestrahlt noch im üblichen Diskolicht ausgeleuchtet gewesen. Die hinter der Tanzfläche befindliche Bühne für die Animationsvorstellungen habe als Beleuchtungsquelle rote und blaue Lichter gehabt, die lediglich einen Teilbereich der Tanzfläche ausgeleuchtet hätten, nicht jedoch die weiteren Stufen.
6Die Klägerin beantragt,
71. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein im Ermessen des Gerichts festzusetzendes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2003 zu zahlen,
82. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.154,49 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2003 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen, den übrigen Akteninhalt und die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
12Entscheidungsgründe
13Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
14Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf eine minderungsbedingte teilweise Rückzahlung des Reisepreises und Schadensersatz (nachfolgend zu 1.) noch ist das klägerische Schmerzensgeldbegehren begründet (nachfolgend zu 2.).
151.
16Ein Anspruch der Klägerin auf - teilweise - Rückzahlung des Reisepreises folgt - ungeachtet der Wirksamkeit der Abtretung - weder aus dem Gesichtspunkt der Minderung gemäß § 651 d BGB noch als Schadensersatz aus § 651 f Abs. 1 BGB. Auch hat die Klägerin weder aus § 651 f Abs. 1 BGB noch aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht einen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Verdienstausfalls, des Haushaltsführungsschadens sowie der Arztkosten.
17Denn der bedauerliche, sicherlich sehr schmerzhafte und in seinen Folgen sehr unangenehme Sturz der Klägerin beruhte weder auf einem Mangel der Reise noch auf der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten.
18Zwar kann ein Reisemangel auch darin liegen, dass von der Einrichtung des von dem Reiseveranstalter ausgewählten Beherbergungsbetriebes eine Gefahr für die Sicherheit des Reisenden ausgeht, mit der dieser nach dem Vertrag nicht zu rechnen braucht (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 315). Mit Blick auf derartig verkehrsgefährdende Anlagen kommt ferner zwar auch die Verletzung von Auswahl- und Kontrollpflichten (Verkehrssicherungspflichten) durch den Reiseveranstalter in Betracht (vgl. Führich, Reiserecht, 4. Aufl. 2002, Rn. 354 ff.).
19Eine derartige Gefahrenquelle, mit der die Klägerin nicht zu rechnen brauchte, lag hier jedoch nicht vor. Vielmehr realisierte sich insoweit - worauf die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 21.04.2004 (dort Seite 5) bereits hingewiesen hat - das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin. Beeinträchtigungen, die dem allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden zuzurechnen sind, begründen keine Haftung des Reiseveranstalters, da sie außerhalb der von ihm zu verantwortenden Risikosphäre liegen (vgl. Führich, a. a. O., Rn. 210 ff., m. w. Nachweisen).
20Die Klägerin konnte nicht darauf vertrauen, dass - namentlich - diskotheken-ähnliche Bereiche in einer Hotelanlage in der Türkei - wie der hier streitige - etwa deutschen Sicherheits- und Baustandards entsprechen. Als Reisende hat sie die Umwelt, die sie in ihrer Heimat hat, bewusst verlassen und kann deshalb etwa die heimischen bauordnungsrechtlichen Vorschriften nicht als Maßstab ihres Sicherungsbedürfnisses heranziehen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 315). Wer reist, setzt sich persönlich erhöhten Lebensrisiken aus (Führich, a. a. O., Rn. 211).
21Die Klägerin musste damit rechnen, dass sich die Tanzfläche, auf die sie sich zubewegte, auf einer anderen Ebene befindet und deshalb mehrere Stufen bzw. Absätze zu überwinden sind. Solches ist in Diskotheken und ähnlichen Räumlichkeiten - wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 12.05.2004 (dort Seite 4) selbst einräumt - üblich. Auf Grund der in solchen Bereichen üblicherweise erheblich reduzierten und wechselnden Lichtverhältnisse durfte sie ferner nicht davon ausgehen, dass Stufen bzw. Absätze erkennbar bzw. hinreichend beleuchtet waren. Nachdem die Klägerin auf dem Weg zur Tanzfläche bereits zwei Stufen passiert hatte, ohne zu Fall zu kommen, musste es sich ihr aufdrängen, dass möglichenfalls noch weitere Stufen folgen werden.
22Darüber hinaus realisierte sich das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin in besonderer Weise deshalb, weil sie sich - wie sie selbst vorträgt - trotz unzureichender Lichtverhältnisse in einer ihr unbekannten Umgebung - zumal auf einer "vollkommen im Dunkeln liegenden" Fläche fortbewegt hat. Dies gilt umso mehr, als die ersten beiden Stufen - dem Vortrag der Klägerin entsprechend - "soeben" ausgeleuchtet gewesen seien. Angesichts dessen hätte die Klägerin besondere Obacht walten lassen müssen, unabhängig davon, dass der Animateur sie zum Tanzen auf der Tanzfläche aufgefordert hat.
23Ein solches Verhalten der Klägerin ist im übrigen als erhebliches Mitverschulden zu werten, das ein etwaiges Verschulden der Beklagten gänzlich überwiegt. Soweit die Klägerin den Weg zur Tanzfläche - auch mit Blick auf Niveauunterschiede - wegen unzureichender Lichtverhältnisse bzw. auf Grund von Dunkelheit nicht hat überblicken können, hätte sie den Weg nicht weiter beschreiten dürfen und von ihrem Vorhaben, die Tanzfläche aufzusuchen, Abstand nehmen müssen.
242.
25Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß §§ 651 f Abs. 1, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB. Denn - wie oben unter Punkt 1. dargestellt - hat die Beklagte weder eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt noch lag ein schadensersatzbegründender Reisemangel vor; vielmehr hat sich das - eine Haftung der Beklagten ausschließende - allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.
27Streitwert: € 5.154,49
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Referenzen
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