Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 4 b O 78/05
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
medizinische Zangen mit einem Handstück, das einen feststehenden und einen beweglichen Handgriff auf-weist, einem Außenrohr, das mit dem feststehenden Handgriff verbunden ist, und einer in dem Außenrohr verschiebbar geführten Zugstange, die wenigstens ei-nes der beiden Zangenelemente des Zangenmauls betätigt und die mit dem beweglichen Handgriff verbunden ist,
im deutschen territorialen Geltungsbereich des europäischen Patents 0 688 187 herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken ein-zuführen oder zu besitzen,
bei denen auf dem distalen Ende der Zugstange relativ zur Zugstange verschiebbar ein Bajonettelement gelagert ist, das in einen Bajonetteinsatz in dem Außenrohr einsetzbar ist, und an dem wenigstens eines der Zangenelemente angelenkt ist, und bei denen im Außenrohr ein federbelastetes Klemmelement vorgesehen ist, das bei aufgesetztem Handstück formschlüssig in die Zugstange eingreift,
2. der Klägerin
a) Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der un-ter 1. bezeichneten Gegenstände zu erteilen, und zwar durch schriftliche Angaben über
aa) Namen und Anschriften sämtlicher Liefe-ranten sowie die Stückzahl der bei jedem Lieferanten bestellten Erzeugnisse,
bb) die Stückzahl der von jedem Lieferanten erhaltenen Erzeugnisse,
cc) Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer und die Stückzahl der an jeden dieser Abnehmer ausgelieferten Erzeugnisse,
dd) Namen und Anschriften sämtlicher Auftraggeber, Hersteller und Vorbesitzer (insbesondere Transport- und Lagerunternehmen) sowie die Stückzahlen der von diesen hergestellten und/oder bestellten und/oder ausgelieferten Erzeugnisse,
und zwar unter Vorlage der entsprechenden Belege, nämlich Lieferscheine und Rechnungen in Kopie;
b) Rechnung zu legen über
aa) die mit den unter 1. bezeichneten Gegen-ständen erzielten Umsätze, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Lieferungen und jeweils unter Angabe des Zeitpunkts der Lieferung, der Namen und Anschriften der Abnehmer, der gelieferten Stückzahlen sowie des Stück¬preises,
wobei
- sich die Pflicht zur Rechnungslegung auch auf solche Lieferungen erstreckt, deren Gegen¬stand die unter 1. bezeich-neten Erzeugnisse mit einem Sortiment unterschiedlicher Zugstangen und/oder Zangenelemente war, und der mit dieser größeren Einheit erzielte Umsatz mitzuteilen ist,
- anzugeben ist, ob die unter 1. bezeich-neten Erzeugnisse in unterschiedlichen Größen und/oder mit unterschiedlichen Zangenelementen geliefert wurden,
- die unterschiedlichen Größen und/oder Zangenelemente unter Angabe etwaiger Typenbezeichnungen derart zu beschrei¬ben sind, dass ihre Identifizierung möglich ist;
bb) die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten der unter 1. bezeichneten Erzeugnisse, wobei im Hinblick auf Fixkosten und variable Gemeinkosten Angaben dazu zu machen sind, weshalb diese ausschließlich durch die Gestehung und/oder den Vertrieb der unter 1. genannten Erzeugnisse verursacht worden sind;
cc) den mit den unter 1. bezeichneten Gegen-ständen erzielten Gewinn,
dd) die hergestellten Mengen mit jeweiligem Herstellungszeitpunkt und gegebenenfalls Chargenbezeichnung,
wobei
- die Angaben zu a) nur für Handlungen seit dem 3.6.1998 zu machen sind,
- die Angaben zu b), aa) nur für Handlungen seit dem 27.1.1996 zu machen sind,
- die Angaben zu b), bb) und cc) nur für Handlungen seit dem 3.7.1998 zu machen sind,
- der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerb-lichen Abnehmer statt der Kläger einem von dieser zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirt-schaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder eine bestimmte Lieferung in der Rechnung enthalten ist;
3. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen, vorstehend unter 1. bezeichneten Außenrohre und Zugstangen zu vernichten.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. der Klägerin für die unter I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 27.01.1996 bis 02.07.1998 begangenen Handlun-gen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 03.07.1998 began-genen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.
III. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 275.000,00 Eu-ro vorläufig vollstreckbar.
VI. Der Streitwert wird auf 260.000,00 Euro festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 688 187, das auf einer am 27.12.1995 veröffentlichten Anmeldung vom 10.03.1994 beruht und dessen Patenterteilung am 03.06.1998 bekanntgemacht worden ist. Das Klagepatent betrifft eine medizinische Zange; der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat in deutscher Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
3"Medizinische Zange, insbesondere für die Verwendung bei endoskopischen Eingriffen, mit einem Handstück (1), das einen feststehenden und einen beweglichen Handgriff (11, 12) aufweist, einem Außenrohr (2), das mit dem feststehenden Handgriff (11) verbunden ist, und einer in dem Außenrohr (2) verschiebbar geführten Zugstange (3), die wenigstens eines der beiden Zangenelemente (41, 42) des Zangenmauls betätigt und die mit dem beweglichen Handgriff (12) verbunden ist,
4d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
5dass auf dem distalen Ende der Zugstange (3) relativ zur Zugstange verschiebbar ein Bajonettelement (31) gelagert ist, das in einen Bajonetteinsatz (24) in dem Außenrohr (2) einsetzbar ist, und an dem wenigstens eines der Zangenelemente (41, 42) angelenkt ist, und dass im Außenrohr (2) ein federbelastetes Klemmelement (14, 15) vorgesehen ist, das bei aufgesetztem Handstück formschlüssig in die Zugstange (3) eingreift."
6Die nachfolgenden Abbildungen der Klagepatentschrift verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, wobei Figur 1 die gesamte medizinische Zange – teilweise geschnitten – zeigt,
7Figur 3 das distale Ende der Stange mit dem erfindungsgemäßen Bajonettverschluss (24, 31) zwischen Außenrohr und Zugstange offenbart,
8während Figur 4 das proximale Ende des Außenrohres mit der patentgemäßen Klemmverbindung (14, 15, 32) zwischen Außenrohr und Zugstange erläutert.
9Die Beklagte stellt her und vertreibt im Rahmen ihrer Laparoskopie-Instrumentenlinie "Easy Change" eine medizinische Zange, wie sie aus dem als Anlage K 5 überreichten Muster ersichtlich ist. Ausweislich ihres Produktkataloges (Anlage K 6, Seiten 17 ff.) werden verschiedene Ausführungsformen (5 mm und 10 mm) sowie diverse Zangenelemente angeboten.
10Die Klägerin ist der Auffassung, dass die streitbefangene Zange wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht. Vorliegend nimmt sie die Beklagte deshalb aus dem Gesichtspunkt der Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz in Anspruch.
11Die Klägerin beantragt,
12sinngemäß wie erkannt, allerdings mit der Maßgabe, dass sie
13die Vernichtung der vollständigen Zangen begehrt.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie bestreitet den Vorwurf der Patentverletzung und führt hierzu aus, dass bei der angegriffenen Zange ein Formschluss zwischen Zugstange und Außenrohr bereits vor der Positionierung im Handstück gegeben sei. Abgesehen davon setze das Klagepatent ein durch eine selbständige Feder belastetes Klemmelement voraus und erfordere nicht nur einen Form-, sondern gleichermaßen einen Kraftschluss zwischen dem Klemmelement und der Zugstange. Beide Bedingungen würden von der streitgegenständlichen Zange nicht erfüllt. Schließlich rügt sie den geltend gemachten Vernichtungsanspruch als zu weitgehend.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die Klage ist – abgesehen von einem Teil des Vernichtungsanspruchs – begründet. Die angegriffene Zange macht wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Die Beklagte ist der Klägerin deswegen im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung, zur Vernichtung, zur Entschädigung und zum Schadenersatz verpflichtet.
20I.
21Das Klagepatent betrifft eine medizinische Zange, die insbesondere bei endoskopischen Eingriffen verwendet wird.
22Nach den einleitenden Bemerkungen der Klagepatentschrift ist eine derartige Zange bereits aus dem Gebrauchsmuster 90 07 356.8 bekannt, deren Figurendarstellung nachfolgend eingeblendet ist.
23Die Zange verfügt über ein Handstück (1), welches einen feststehenden (2) und einen beweglichen Handgriff (3) besitzt. Mit dem feststehenden Handgriff (2) ist ein Außenrohr (7) verbunden, in dem eine längsverschieblich geführte, an dem beweglichen Handgriff befestigte Zugstange (8) angeordnet ist. Mit dem distalen Ende der Zugstange (8) wiederum ist eines der beiden Zangenelemente (10, 11) verbunden. Infolge der getroffenen Anordnung kann das Zangenmaul (10, 11) betätigt werden, indem der bewegliche Handgriff (3) gegenüber dem feststehenden Handgriff (2) bewegt wird.
24Die Klagepatentschrift kritisiert an der vorbekannten Konstruktion, dass sowohl die Reinigung und Sterilisierung als auch der Austausch defekter Teile bzw. die Umrüstung auf andere Zangenelemente umständlich ist. Das Zerlegen der Zange und der spätere Zusammenbau bereite Schwierigkeiten.
25Aufgabe des Klagepatents soll es deshalb sein, eine medizinische Zange zur Verfügung zu stellen, die leicht zu zerlegen und bei der nach ihrem Zusammenbau ohne weitere Maßnahmen die korrekte Funktion der Zange sichergestellt ist.
26Zur Lösung dieser technischen Problemstellung sieht Patentanspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale vor:
27- Medizinische Zange mit
- einem Handstück (1),
- einem Außenrohr (2) und
- einer Zugstange (3).
- Das Handstück (1) weist einen feststehenden (11) und einen beweglichen Handgriff (12) auf.
- Das Außenrohr (2) ist mit dem feststehenden Handgriff (11) verbunden.
- Die Zugstange (3)
- ist mit dem beweglichen Handgriff (12) verbunden,
- ist in dem Außenrohr (2) verschiebbar geführt,
- betätigt wenigstens eines der beiden Zangenelemente (41, 42) des Zangenmauls.
- Auf dem distalen Ende der Zugstange (3) ist ein Bajonettelement (31) gelagert,
- das relativ zur Zugstange (3) verschiebbar ist,
- das in einen Bajonetteinsatz (24) in dem Außenrohr (2) einsetzbar ist und
- an dem wenigstens eines der Zangenelemente (41, 42) angelenkt ist.
- Im Außenrohr (2) ist ein Klemmelement (14, 15) vorgesehen, das
- federbelastet ist und
- bei aufgesetztem Handstück (1) formschlüssig in die Zugstange (3) eingreift.
Nach den Erläuterungen der Klagepatentschrift dient die in der Merkmalsgruppe (5) beschriebene Bajonettverbindung zwischen Außenrohr (2) und Zugstange (3) einer leichten Entnahme der Zugstange aus dem Außenrohr zum Zwecke der Reinigung, des Austausches defekter Teile oder der Umrüstung. Ferner – so heißt es – werde infolge des Bajonetteingriffs eine Drehlage-Ausrichtung gewährleistet, mit der sichergestellt sei, dass beim Zusammenbau der Zange stets ein korrektes Einsetzen der Zugstange in das Außenrohr erfolge, und die beiden Elemente sicher miteinander verbunden seien. Das in der Merkmalsgruppe (6) beanspruchte Klemmelement verhindert demgegenüber, dass die Bajonettverbindung im zusammengebauten Zustand der Zange unbeabsichtigt gelöst wird.
45II.
46Die angegriffene Zange der Beklagten verwirklicht jedes Merkmal von Patentanspruch 1 des Klagepatents dem Wortsinn nach. Zwischen den Parteien selbst ist dies – zu Recht – hinsichtlich der Merkmale (1) bis (5) außer Streit, so dass der Verletzungstatbestand insoweit keiner weiteren Erläuterung bedarf.
47Entgegen dem Bestreiten der Beklagten sind jedoch auch die Merkmale (6a) und (6b) verwirklicht.
48Die Merkmalsgruppe (6) sieht vor, dass in dem Außenrohr (2) ein federbelastetes Klemmelement (14, 15) vorgesehen ist, welches bei aufgesetztem Handstück (1) formschlüssig in die verschiebbar geführte Zugstange (3) eingreift. Sinn und Zweck dieses Klemmelementes ist es, eine Relativdrehung zwischen Außenrohr und Zugstange zu vermeiden (Sp. 4 Z. 9 - 13) und sicherzustellen, dass die am distalen Ende vorhandene Bajonettverbindung (24, 31) zwischen Zugstange (3) und Außenrohr (2) im zusammengebauten Zustand der Zange nicht unabsichtlich gelöst werden kann (Sp. 2 Z. 12 - 17). Dass der Formschluss zwischen dem im Außenrohr vorgesehenen Klemmelement (14, 15) und der Zugstange (3) erst bei aufgesetztem Handstück (1) erfolgen soll, erklärt sich daraus, dass bei einem von vornherein und stets gegebenen Formschluss die am distalen Ende der Zange vorgesehene Bajonettverbindung zwischen Außenrohr und Zugstange nicht betätigt werden könnte.
49In welcher Form das Klemmelement ausgestaltet wird, schreibt das Klagepatent in keiner Weise vor. Es steht deswegen im freien Belieben des Fachmanns, das Klemmelement beispielsweise nicht (wie im Ausführungsbeispiel nach Figur 4 gezeigt) als gesondertes Bauteil, sondern als integralen Bestandteil des Außenrohres auszugestalten, wie dies bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht ist. Es ist gleichermaßen offensichtlich, dass die bei der streitbefangenen Zange am proximalen Ende des Außenrohres eingebrachten vier Längsschlitze dem Endbereich des Außenrohres federnde Eigenschaften verleihen, die ihn als Klemmelement tauglich machen. Das vorliegende Muster gemäß Anlage K 5 beweist, dass die auf dem Außenumfang der Zugstange vorstehenden Längsrippen, solange das Außenrohr noch nicht mit dem Handstück verbunden ist, nicht in die Längsschlitze am proximalen Ende des Außenrohres eingreifen und somit kein Formschluss zwischen Außenrohr und Zugstange besteht. Anderenfalls wäre es auch ausgeschlossen, die Bajonettverbindung zwischen Außenrohr und Zugstange am distalen Ende der Zange zu bedienen. Die Beklagte hat weder in ihrem schriftsätzlichen Vortrag noch in den Erörterungen während der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2006 in Abrede gestellt, dass das proximale Ende der Zugstange im betriebsfertigen Zustand der Zange, d.h. nach Verbindung mit dem Handstück, verdrehsicher im Außenrohr festgelegt ist. Dies kann nur in der Weise geschehen, dass auf den geschlitzten Endbereich des Außenrohres, wenn dessen proximales Ende in das Handstück eingesetzt wird, ein radialer Druck ausgeübt wird, der dazu führt, das die Längsrippen der Zugstange formschlüssig in die Längsschlitze des Außenrohres eingreifen. Bei dieser Sachlage sind bei der angegriffenen Zange die wirkenden Klemmkräfte für den Formschluss zwischen dem federnden Endbereich des Außenrohres und dem proximalen Ende der Zugstange verantwortlich.
50III.
51Da die Beklagte hiernach widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht hat, ist sie der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet.
52Außerdem hat sie über Herkunft und Vertriebsweg der patentverletzenden Zangen Auskunft zu erteilen (Art. 64 EPÜ, § 140 b PatG). Auch wenn die Beklagte die angegriffene Ausführungsform selbst herstellt, ist es ohne weiteres denkbar, dass sie die betreffenden Gegenstände zu einem anderen Teil auch von dritter Seite bezieht. Die Klägerin kann hierüber naturgemäß keine Kenntnisse haben und sie muss Derartiges auch nicht dartun. Damit der Zweck des § 140 b PatG, dem Patentinhaber weitere Verletzer namhaft zu machen, erreicht werden kann, hat die Klägerin vielmehr einen umfassenden Anspruch auf Auskunft über sämtliche Bezugsquellen (Eigenproduktion und Drittbezug) und Vertriebswege der Beklagten. Sollten die streitbefangenen Zangen nicht im Wege der Drittfertigung hergestellt werden, kann die Beklagte der Klägerin insoweit eine Negativauskunft erteilen. Der auf § 140 b PatG gestützte Auskunftsanspruch schließt weiterhin die Vorlage der betreffenden Belege (Lieferscheine, Rechnungen) ein (OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg).
53Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die geschehene Patentverletzung erkennen und vermeiden können. Sie trifft deshalb an den Verletzungshandlungen ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Für den Offenlegungszeitraum ist sie der Klägerin deshalb zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung (Art. II § 1 IntPatÜG) und für die Zeit nach Bekanntmachung der Patenterteilung zum Schadenersatz (Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG) verpflichtet. Da der genaue Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass die Entschädigungs- und Schadenersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO).
54Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Anspruch auf Entschädigung und Schadenersatz zu beziffern, hat die Beklagte im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§§ 242, 259 BGB). Diese Verpflichtung besteht für sämtliche Größen, in denen die Zangen vertrieben werden, und für sämtliche Ausstattungsvarianten (z.B. unterschiedliche Zangenelemente), weshalb die Beklagte der Klägerin über deren Vorhandensein Auskunft zu erteilen hat. Im Rahmen der Angaben zu den Gestehungs- und Vertriebskosten schuldet die Beklagte ferner die Angabe derjenigen Tatsachen, die es rechtfertigen sollen, Fixkosten und/oder variable Gemeinkosten, die prinzipiell nicht bei der Ermittlung des Verletzergewinns berücksichtigungsfähig sind, ausnahmsweise den patentverletzenden Gegenständen unmittelbar zuzuordnen. Die besagten Angaben sind aus denselben Gründen zu machen, aus denen der Patentverletzer dem Gläubiger die sonstigen, offensichtlich zuordnenbaren Kosten der Herstellung und/oder des Vertriebs plausibel zu spezifizieren hat (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.04.1998 – 2 W 12/98). Die Vorlage von Belegen kann die Klägerin demgegenüber im Rahmen der allein nach §§ 242, 259 BGB geschuldeten Angaben nicht verlangen. Sie käme gemäß § 259 BGB nur in Betracht, wenn die Belegvorlage der Üblichkeit entsprechen würde, wofür vorliegend weder etwas vorgetragen noch ersichtlich ist.
55Der zuerkannte Vernichtungsanspruch ergibt sich aus Art. 64 EPÜ, § 140 a PatG. Der Vernichtung unterliegt allerdings nicht die vollständige Zange, sondern lediglich die Einheit aus Zugstange und Außenrohr. Zwar wirkt auch das Handstück bei der Verwirklichung des Erfindungsgedankens mit, weil sein das proximale Ende des Außenrohres aufnehmender Bereich so dimensioniert ist, dass auf den geschlitzten Endbereich des Außenrohres ein radialer Druck erzeugt wird, der die gewünschte Klemmwirkung zwischen Zugstange und Außenrohr herbeiführt. Gleichwohl ist der patentverletzende Zustand der Zange bereits dann beseitigt, wenn die patentverletzende Einheit aus Zugstange und Außenrohr vernichtet ist. Wird das proximale Ende des Außenrohres beispielsweise starr ausgebildet und existiert auch sonst kein Klemmelement im Außenrohr, kann das Handstück offensichtlich patentfrei weiterbenutzt werden. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten kann die Klägerin deswegen keine vollständige Vernichtung der gesamten Zange, sondern lediglich die zuerkannte Teilvernichtung der Einheit aus Zugstange und Außenrohr beanspruchen.
56IV.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
58Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
59Dr. Kühnen Voß Dr. Hesselbarth
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