Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 4b O 168/05
Tenor
I.
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
strombegrenzende Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isolierstoff-gehäuse, die aufweisen eine Drehkontaktbrücke, ein mit der genannten Kon-taktbrücke zusammenwirkendes feststehendes Kontaktpaar, einen Stromzu-führungsleiter zur Einspeisung jedes der genannten feststehenden Kontakte, der in der Schwenkebene der genannten Kontaktbrücke angeordnet und so ausgeführt ist, dass er zusammen mit der Kontaktbrücke eine elektrodynamische Abstoßungskräfte erzeugende, schleifenförmige Strombahn bildet, sowie eine Schaltwelle mit einer quer angeordneten Aussparung, in der der Mittelteil der Kontaktbrücke gelagert ist und unter Einwirkung der genannten Abstoßungskräfte, denen eine den Kontaktdruck gewährleistende elastische Kraft entgegenwirkt, in Ausschaltungsstellung frei verdreht werden kann, wobei der Stromzuführungsleiteer als Halbschleife mit einem ersten und einem parallel zu diesem in einem bestimmten Abstand angeordneten zweiten Schenkel ausgebildet ist, und der erste Schenkel ein feststehenes Kontaktstück trägt,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen
n ein aus einem biegesteifen Metallblock bestehender Auffangkörper zwi-schen die beiden Schenkel des Stromzuführungsleiters eingesetzt und gegen die dem feststehenden Kontaktstück abgewandte Seite des ersten Schenkels geführt ist und zwischen dem Auffangkörper und dem anderen Schenkel ein Luftspalt ausgebildet ist,
n in den Seitenwänden des Gehäuses ausgebildete Nuten als Auflageflächen für den biegesteif im Gehäuse festgeklemmten Auffangkörper dienen,
n das Ende des ersten Schenkels frei ausgebildet ist und durch den Auffangkörper gehalten wird,
n der Metallblock des Auffangkörpers aus einem ferromagnetischen Material besteht, welches das Magnetfeld zur Beblasung des Lichtbogens in Rich-tung der Löschkammer verstärkt;
2.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 15.06.1996 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, An-gebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebots-empfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Her-stellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbrei-tungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskos-ten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können aus-nahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I. l. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Bestell-, Liefer-scheine und Rechnungen vorzulegen haben;
3.
die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren und mittelbaren Be-sitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 15.06.1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1 Mio. € vorläufig voll-streckbar.
V.
Der Streitwert wird auf 1 Mio. € festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 560 696, das eine Priorität vom 13.03.1992 in Anspruch nimmt und dessen Erteilung am 15.05.1996 veröffentlicht worden ist. Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Französisch ist, trägt die Bezeichnung "Contact d’un disjoncteur à boìtier moulé" (Kontakt für Lastschalter mit gegossenem Gehäuse). Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende Patentanspruch 1 hat in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:
3 4Die nachfolgende Abbildung (Figur 1 der Klagepatentschrift) verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, wobei die Zeichnung den Kontakt im geschlossenen Zustand zeigt.
5Die Beklagten haben gegen den deutschen Teil des Klagepatents Nichtigkeitsklage erhoben, die beim Bundespatentgericht unter dem Aktenzeichen 2 Ni 52/05 (EU) geführt wird und über die derzeit noch nicht entschieden ist.
6Die Beklagte zu 1) ist die Muttergesellschaft eines Konzerns, der Leistungsschalter herstellt. Die Beklagte zu 2) ist die deutsche Generalvertreterin, die auf ihrer Homepage www.chint.de u.a. Leistungsschalter der Baureihe NM 8 anbietet und in Deutschland vertreibt.
7Die nachfolgende Abbildung, die der von der Klägerin als Anlage AK 7 zur Akte gereichten Anlage entnommen ist, zeigt einen längs geöffneten Einzelpol eines streitgegenständlichen Leistungsschalters.
8Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Mit ihrer Klage nimmt sie die Beklagten daher auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.
9Die Klägerin beantragt,
10zu erkennen wie geschehen.
11Die Beklagte beantragt,
12- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise,
13
- ihr einen umfassenden, auch die Abnehmer beinhaltenden Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen,
- ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren,
- den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des Europäischen Patentes 0 560 696 erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.
Die Beklagte bestreitet die Patentverletzung und macht geltend:
15Die angegriffene Ausführungsform verfüge nicht über einen Auffangkörper, der zwischen die beiden Schenkel des Stromzuführungsleiters eingesetzte Metallblock habe lediglich die Funktion, einen etwaig entstehenden Lichtboden in Richtung der Löschkörper auszublasen. Dieser Metallblock sei schon nicht gegen die dem feststehenden Kontaktstück abgewandte Seite des ersten Schenkels geführt, erst recht sei dieser nicht durch den Metallblock gehalten. Da der Stromzuführungsleiter bei der angegriffenen Ausführungsform im Vergleich zur Ausführungsform der Klägerin wesentlich dicker und damit stabiler sei, komme es beim Schließen der Kontaktbrücke zu keiner Bewegung des Leiters, die durch einen Auffangkörper aufgefangen werden müsste. Insbesondere im eingebauten Zustand sei dies nicht der Fall, da die Leiterenden fest mit der Stromzuführung verschraubt und dadurch stabilisiert würden. Die Beklagten legen als Anlage LRK 3 einen Testbericht der Shanghai Jiaotong University in China und als Anlage LRK 4 eine deutsche Übersetzung dieses Testberichts vor; daraus ergebe sich, dass sich das feststehende Kontaktteil bei einer Beaufschlagung mit einer Kraft von 100 N ca. 0,11 mm in Richtung des Zwischenkörpers verforme.
16Darüber hinaus sei das Klagepatent auch nicht rechtsbeständig. Bei der Kombination des aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 31 288 bekannten gattungsbildenden Standes der Technik mit der europäischen Patentanmeldung 0 028 740, der deutschen Gebrauchsmusterschrift 7 145 367, der europäischen Patentanmeldung 0 359 467, der schweizerischen Patentschrift 559 420 oder der US-Schrift 4,654,491 stelle die technische Lehre des Klagepatents keine erfinderische Tätigkeit dar. Im Hinblick darauf sei der Verletzungsrechtsstreit jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren auszusetzen.
17Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten und dem Aussetzungsantrag entgegen.
18Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20Die zulässige Klage ist in der Sache gerechtfertigt. Mit dem Vertrieb der angegriffenen Leistungsschalter der Baureihe NM8 machen die Beklagten wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie sind gegenüber der Klägerin deshalb im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Vernichtung und zum Schadenersatz verpflichtet. Anlass, den Verletzungsrechtsstreit im Hinblick auf die erhobene Nichtigkeitsklage einstweilen auszusetzen, besteht nicht.
21I.
22Das Klagepatent betrifft einen Kontakt für einen Lastschalter mit gegossenem Gehäuse. Der Leistungsschalter verfügt über eine Drehkontaktbrücke, die zwischen zwei festen Kontakten in einer Schaltwelle gelagert ist. Die Kontaktbrücke wirkt zusammen mit einem feststehenden Kontaktpaar, das auf einem Stromzuführungsleiter zur Einspeisung jedes der feststehenen Kontakte angeordnet ist. Der Stromzuführungsleiter ist als Halbschleife mit einem ersten und einem parallel zu diesem in einem bestimmten Abstand angeordneten, zweiten Schenkel ausgebildet, so dass er zusammen mit der Kontaktbrücke eine schleifenförmige Strombahn bildet, die elektrodynamische Abstoßungskraft erzeugt. Diesen Abstoßungskräften wirkt in der Einschaltstellung eine den Kontaktdruck gewährleistende elektrische Kraft entgegen; in Ausschaltrichtung kann die Kontaktbrücke frei verdreht werden.
23Wie die Klagepatentschrift eingangs der Beschreibung erläutert, ist die Strombegrenzungswirkung eines solchen Leistungsschalters durch die vom Schaltmechanismus unabhängige Ausschaltgeschwindigkeit der Kontakte bestimmt, die wiederum von der Stärke der elektrodynamischen Abstoßungskräfte und der Masse des beweglichen Kontaktsystems, hier also der Masse der Kontaktbrücke, abhängt. Die geringe Masse der beweglichen Kontaktbrücke hat die für den Einschaltvorgang nachteilige Wirkung, dass ein erhöhter Übergangswiderstand und damit auch eine stärkere Erwärmung auftritt. Während bei herkömmlichen Leistungsschaltern die Masse des beweglichen Kontaktsystems ausreichend groß ist, um den beweglichen Kontakt kräftig gegen den feststehenden Kontakt zu treiben und auf diese Weise ein Zusammendrücken der Kontaktflächen sowie einen geringen Übergangswiderstand zu gewährleisten, kann bei einem beweglichen Kontakt mit geringer Masse im Einschaltvorgang ein Prellen des beweglichen Kontaktes auf dem feststehenden Kontakt auftreten.
24Die Klagepatentschrift erörtert in diesem Zusammenhang die europäische Patentanmeldung 0 028 740, die einen Magnetkreis beschreibt, der einen quer angeordneten Teil umfaßt, welcher im Vergleich zu den zwischen dem Mittelteil des unteren Kontaktschenkels und dem Stromzuführungsleiter angeordneten Luftspalt von geringer Dicke ist. Die Klagepatentschrift kritisiert daran, dass dieser Teil des Magnetkreises eine gewisse Biegsamkeit aufweist, die ein Prellen des beweglichen Kontakts auf dem feststehenden Kontakt zur Folge haben kann. Des weiteren erörtert sie die deutsche Auslegeschrift 1 227 978, die einen Isolierstoffkeil zeigt, der ohne Spiel zwischen die beiden Schenkel des Stromzuführungsleiters eingefügt ist. Daran bemängelt die Klagepatentschrift, dass dieser Keil sich nicht an irgend einem Anschlag des Gehäuses abstützt.
25Die Klagepatentschrift formuliert ausdrücklich als der vorliegenden Erfindung zugrunde liegende Aufgabe, die Schaffung einer verbesserten Kontaktanordnung zu ermöglichen.
26Zur Lösung schlägt die Klagepatentschrift einen Auffangkörper wie in Anspruch 1 beschrieben vor. Patentanspruch 1 enthält diesbezüglich die nachfolgenden Lösungsmerkmale:
27- Strombegrenzender Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isolierstoffgehäuse (10)
- Der Schalter weist auf
28
- eine Drehkontaktbrcke (13) sowie eine Schaltwelle (20) mit einer quer angeordneten Aussparung, in der der Mittelteil der Kontaktbrücke (13) gelagert ist,
- ein mit der genannten Kontaktbrücke (13) zusammenwirkendes feststehendes Kontaktpaar (11, 12)
- Stromzuführungsleiter (24, 25) zur Einspeisung jedes der genannten feststehenden Kontakte (11, 12)
- Die Stromzuführungsleiter (24, 25) sind in der Schwenkebene der genannten Kontaktbrücke (13) angeordnet und so ausgeführt, dass sie zusammen mit der Kontaktbrücke (13) eine elektrodynamische Abstoßungskräft erzeugende, schleifenförmige Strombahn bilden.
- Die Kontaktbrücke (13) kann unter Einwirkung der genannten Abstoßungskräfte, denen eine den Kontaktdruck gewährleistende elastische Kraft entgegenwirkt, in Ausschaltstellung frei verdreht werden.
- Der Stromzuführungsleiter (24, 25) ist als Halbschleife mit einem ersten (26, 27) und einem parallel zu diesem in einem bestimmten Abstand angeordneten zweiten Schenkel ausgebildet, wobei der erste Schenkel ein feststehendes Kontaktstück (28, 29) trägt.
- Zwischen die beiden Schenkel des Stromzuführungsleiters (24, 25) ein aus einem biegesteifen Metallblock bestehender Auffangkörper (33) eingesetzt.
29
- Der Auffangkörper (33) ist gegen die dem feststehenden Kontaktstück (28, 29) abgewandte Seite des ersten Schenkels (26, 27) geführt.
- Zwischen dem Auffangkörper (33) und dem anderen Schenkel ist ein Luftspalt (34) ausgebildet.
- In den Seitenwänden des Gehäuses (10) sind Nuten ausgebildet, die als Auflageflächen für den biegesteif im Gehäuse (10) festgeklemmten Auffangkörper (33) dienen.
- Das Ende des ersten Schenkels (26, 27) ist frei ausgebildet und wird durch den Auffangkörper (33) gehalten.
- Der Metallblock des Auffangkörpers (33) besteht aus einem ferromagnetischen Material, welches das Magnetfeld zur Beblasung des Lichtbogens in Richtung der Löschkammer verstärkt.
II.
31Die angegriffene Leistungsschalterbaureihe NM 8 der Beklagten macht von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Die Beklagten bestreiten, dass die angegriffene Ausführungsform über einen Auffangkörper im Sinne des Merkmales 6 verfügt und meinen, dass jener auch nicht gemäß Merkmal 6.1 gegen die dem feststehenden Kontaktstück abgewandte Seite des ersten Schenkels geführt sei. Das frei ausgebildete Ende des ersten Schenkels werde auch nicht gemäß Merkmal 8 durch den Auffangkörper gehalten.
32Im Hinblick auf die übrigen Anspruchsmerkmale ist die Benutzung zwischen den Parteien zu Recht unstreitig. Entgegen der Ansicht der Beklagten verwirklicht die angegriffene Ausführungsform auch die streitigen Merkmale 6, 6.1 und 8.
331.
34Die angegriffene Ausführungsform verfügt über einen aus einem biegesteifen Metallblock bestehenden Auffangkörper, der zwischen die beiden Schenkel des Stromzuführungsleiters eingesetzt ist. Die Beklagten stellen zu Recht nicht in Abrede, dass die angegriffene Ausführungsform über derartige Metallblöcke verfügt. Die eingesetzten Metallblöcke sind auch im Sinne des Merkmales 6.1 gegen die dem feststehenden Kontaktstück abgewandte Seite des ersten Schenkels geführt.
35Das Erfordernis der Führung des Auffangkörpers gegen den ersten Schenkel verlangt eine definierte Position des Auffangkörpers in Bezug auf den jeweiligen Schenkel. Der Fachmann erkennt dabei, dass eine solche Position erforderlich ist, um die von der Erfindung angestrebte Wirkung erzielen zu können. Da der Auffangkörper die auf den feststehenden Kontakt auftreffende Stoßenergie auffangen können muss, darf der Abstand zwischen dem ersten Schenkel und dem Auffangkörper nicht so groß sein, dass der Schenkel seinerseits von diesem im wesentlichen Maße zurückprallen kann.
36Die Fixierung der Auffangkörper bei der angegriffenen Ausführungsform wird durch die in den Seitenwänden des Gehäuses gemäß Merkmal 7 ausgebildeten Nuten bewirkt. Die Auflagenflächen der Nuten klemmen den Auffangkörper erfindungsgemäß biegesteif im Gehäuse fest, wobei sie die Lage des jeweiligen Metallblockes in der Weise fixieren, dass dieser zu der jeweiligen Seite des ersten Schenkels ausgerichtet ist, die dem feststehenden Kontaktstück abgewandt ist. Bei dem von der Klägerin als Anlage AK 5 zur Akte gereichten Muster der angegriffenen Ausführungsform ist im geöffneten Zustand ein deutlicher Kontakt zwischen dem Metallblock und dem ersten Schenkel erkennbar, wenn die Ausführungsform auf der Gehäuseseite liegend positioniert ist. Demgegenüber besteht zum gegenüberliegenden Schenkel ein deutlich erkennbarer Luftspalt entsprechend Merkmal 6.2. Soweit die Beklagten einwenden, dass der Stromzuführungsleiter ein Spiel gegenüber dem Metallblock aufweise, steht dies der Verwirklichung des Merkmals nicht entgegen. Zum einen handelt es sich dabei im Wesentlichen um ein Kippspiel, welches nicht mehr vorhanden ist, wenn das Gehäuse entsprechend der üblichen Verwendung der Ausführungsform zusammengesetzt ist. Zum anderen ist das in Richtung der Hochachse verbleibende Spiel dermaßen gering, dass es der Erzielung der erfindungsgemäßen Wirkung nicht entgegensteht. Zudem wird der das feststehende Kontaktstück tragende freie Schenkel des Stromzuführungsleiters in Einschaltstellung des Leistungsschalters durch die Kontaktbrücke in Richtung des jeweiligen Metallblockes positioniert.
37Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es für die Verwirklichung der Merkmale 6 und 6.1 unmaßgeblich, ob der eingesetzte Metallblock tatsächlich die Funktion eines Auffangkörpers wahrnimmt, oder ob dies, wie die Beklagten behaupten, aufgrund der Dimensionierung des Leiters und dessen Fixierung im angeschlossenen Zustand des Leistungsschalters nicht möglich ist. Insbesondere ist es unerheblich, ob die Metallblöcke - wie die Beklagten behaupten - lediglich die Funktion haben, einen auftretenden Lichtbogen in Richtung der Löschkörper zu beblasen. Der maßgebliche Patentanspruch 1 verhält sich weder zu der Frage der Dimensionierung des Leiters, noch zu einer Funktion der Metallblöcke im Hinblick auf die Erzeugung eines zur Beblasung auftretender Lichtbögen erforderlichen Magnetfeldes. Die Metallblöcke der angegriffenen Ausführungsform sind sowohl in ihrer äußeren Gestaltung als auch in Bezug auf ihre räumliche Anordnung zum jeweils ersten Schenkel des Stromzuführungsleiters innerhalb des Schaltergehäuses genauso ausgebildet, wie die Auffangkörper nach der Lehre des Klagepatents. Aus diesem Grunde kommt es für die Beurteilung der Verletzungsfrage nicht darauf an, ob die Metallblöcke die ihnen nach der technischen Lehre des Klagepatents zukommenden Funktionen erfüllen (vgl. BGH GRUR 1991, 436 [441 f.] - Befestigungsvorrichtung II; BGH, Urt. Vom 13.12.2005 - X ZR 14/02 - Rangierkatze).
38Ebenso wenig kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten darauf an, wie die Ausführungsformen der Klägerin ausgestaltet sind und welche Unterschiede sich im Vergleich zu der angegriffenen Ausführungsform ergeben. Maßgeblich für die Beurteilung der Verletzungsfrage ist nicht die Ausführungsform der Patentinhaberin, sondern allein der mit Hilfe der Angaben der Klagepatentschrift auszulegende Inhalt der Patentansprüche.
392.
40Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch Merkmal 8 der technischen Lehre des Klagepatents, wonach das Ende des ersten Schenkels des Stromzuführungsleiters frei ausgebildet ist und durch den Auffangkörper gehalten wird. Bei Betrachtung der geöffneten Anlage AK 5 ist deutlich erkennbar, dass die Position des Auffangkörpers in die Nut zur Führung des freien Schenkels des Stromzuführungsleiters hineinragt, da die in der Gehäusewand zur Aufnahme des Auffangkörpers bestimmte Nut diese Position vorgibt. Der Stromzuführungsleiter wird in seiner Lage zwar im Wesentlichen durch die zu seiner Aufnahme bestimmte Gehäusenut lagefixiert. Die Position wird jedoch aufgrund des soeben beschriebenen Umstandes durch den Auffangkörper mitbestimmt, da der Leiter auf der zu dem Auffangkörper hin gelegenen Seite wegen des Vorspringens des Auffangkörpers nicht in der Gehäusenut aufliegen kann, die zu seiner Aufnahme bestimmt ist. In Richtung der Löschkammern wird die Position des Leiters durch den aus dunklerem Kunststoff bestehenden, in die Gehäusewand eingeklemmten Abstandhalter begrenzt. Das führt im Zusammenspiel dazu, dass die Position des jeweiligen Stromzuführungsleiters in Richtung der Ober- bzw. Unterseite des Gehäuses derart begrenzt wird, dass der freie Schenkel zumindest in dem an die Krümmung anschließenden Bereich auf dem eingesetzten Auffangkörper aufliegt und davon gehalten wird.
41Auch in diesem Zusammenhang ist das verbleibende Spiel des Stromzuführungsleiters nicht von Bedeutung. In dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Musterstück der angegriffenen Ausführungsform ist anhand der zwischen Auffangkörper und freiem Schenkel des Stromzuführungsleiters angebrachten Papierstücke in Ausschaltstellung deutlich nachzuvollziehen, dass zwischen den beiden Bauteilen ein Spiel besteht. Sobald die Kontaktbrücke jedoch in Richtung der feststehenden Kontaktstücke, d.h. in Einschaltstellung, bewegt wird, lassen sich die angebrachten Papierstreifen nicht mehr bewegen; es liegt mithin kein Spiel mehr vor. Der freie Schenkel des Stromzuführungsleiters wird in dieser Position jedenfalls vom Auffangkörper gehalten. Im Hinblick auf die technische Lehre des Klagepatents ist diese Position auch maßgeblich, da sich die Aufgabe der Erfindung, d.h. das technische Problem, zu dessen Lösung sie beiträgt, gerade auf die Stoßaufnahme im Einschaltvorgang bezieht.
42Unerheblich ist demgegenüber, dass die Ausgestaltung des Stromzuführungsleiters bei der angegriffenen Ausführungsform nach dem Vortrag der Beklagten aufgrund seiner Dimensionierung selbststabilisierend ist. Da der freie Schenkel jedenfalls auch im Sinne der technischen Lehre des Klagepatents von dem Auffangkörper gehalten wird, macht die angegriffene Ausführungsform auch insoweit entsprechend der bereits erwähnten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH Befestigungsvorrichtung II) von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.
43Die von den Beklagten vorgelegte Anlage LRK 2 rechtfertigt keine Abweichung von den getroffenen Feststellungen. Das darin wiedergegebene Lichtbild, das die angegriffene Ausführungsform im Einbauzustand zeigen soll, ist nicht aussagekräftig. Zum einen sind gerade die Auffangkörper entfernt, so dass eine Aussage zur Positionierung der Auffangkörper gegen die Stromzuführungsleiter nicht getroffen werden kann; zum anderen ist die gezeigte rechte Klemme fest angeschlossen und der in die Gehäusewand eingeklemmte Abstandhalter fehlt.
44III.
45Da die Beklagten wie dargestellt von der technischen Lehre des Klagepatents widerrechtlich Gebrauch gemacht haben, sind sie der Klägerin gemäß Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. Die Beklagten haben schuldhaft gehandelt, da sie als Fachunternehmen die ihnen obliegende Sorgfalt verletzt haben und ihnen mithin zumindest fahrlässiges Verhalten zur Last fällt. Sie haften der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG deswegen zudem auf Schadenersatz. Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadenersatzverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch der Höhe nach zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Umfang zur Auskunftserteilung und zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB). Für die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes im Hinblick auf die Abnehmer der Beklagten besteht keine Veranlassung. Die - insoweit darlegungs- und beweispflichtigen - Beklagten haben nichts dafür vorgetragen, dass ihnen die Offenbarung der Abnehmer gegenüber der Klägerin ausnahmsweise unzumutbar sei. Der Vernichtungsanspruch der Klägerin beruht auf § 140 a PatG.
46IV.
47Das Vorbringen der Beklagten gibt keinen Anlaß, den Verletzungsrechtsstreit im Hinblick auf die anhängige Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents auszusetzen (§ 148 ZPO). Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der deutsche Teil des Klagepatents für nichtig erklärt werden wird.
48Im Hinblick auf eine Kombination des aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 31 288 bekannten, nur dem Oberbegriff der technischen Lehre des Klagepatents entsprechenden Gegenstandes mit der entgegengehaltenen EP-Anmeldung 0 028 740 (Anlage LR 9) verbietet sich eine solche Prognose schon deshalb, weil diese Entgegenhaltung bereits Gegenstand des Erteilungsverfahrens war und sich das Klagepatent in der Beschreibung ausdrücklich mit dieser Schrift auseinandersetzt (vgl. Anlage A K 2, Seite 1/2 übergreifender Absatz). Der dort erörterte in der Entgegenhaltung mit Bezugsziffer 8 bezeichnete Magnetkreis dient zur Lösung einer gänzlich anderen Aufgabenstellung. Die Entgegenhaltung befaßt sich ausschließlich mit der Frage des Lichtbogenverlaufes unter Einfluß eines von der Entgegenhaltung gelehrten Blechschuh bewirkten Magnetfeldes; an keiner Stelle der Entgegenhaltung kommt eine etwaige Stützfunktion dieses Bauteils zum Ausdruck. Darüber hinaus würdigt die Klagepatentschrift den Magnetkreis zutreffend als biegsam, wofür schon dessen Bezeichnung als "Blechschuh" spricht. Der Fachmann schließt aus der Beschreibung in Spalte 1, Zeilen 35 ff. der Entgegenhaltung, in der davon die Rede ist, dass der Blechschuh zur Vermeidung möglicher Beeinflussung vorzugsweise zu isolieren ist, dass es der Entgegenhaltung nicht maßgeblich auf einen engen Kontakt zwischen Leiter und Blechschuh ankommt, wie es in Bezug auf den Metallblock und den freien Schenkel des Leiters beim Klagepatent der Fall ist.
49Auch in Bezug auf das entgegengehaltene schweizerische Patent 559 420 (Anlage LR 11) gilt, dass dieses bereits Gegenstand des Erteilungsverfahrens war. In dieser Entgegenhaltung ist zwar eine Abstützung des freien Schenkels eines Leiters in Form des Profilstücks 21/22 gelehrt (gleiche Anlage LR 11, Spalte 2, Zeilen 22 - 25). Auch dabei handelt es sich hingegen nicht um einen biegesteifen Metallblock, der einen Abstand zum zweiten Schenkel des Stromzuführungsleiters hält. Vielmehr stützt sich das "Profilstück 21 aus Eisenblech" auf den zweiten Leiterschenkel ab. Auch diese Entgegenhaltung legt die anders geartete und qualitativ stärkere Abstützung durch die abweichende Gestaltung nach der Lehre des Klagepatents nicht nahe und steht der erfinderischen Tätigkeit nicht entgegen.
50Auch die deutsche Gebrauchsmusterschrift 7 145 367 (Anlage LR 9) gibt dem Fachmann keine Anregung zur Lösung der Aufgabe des Klagepatents; die Entgegenhaltung läßt die Positionierung des darin gelehrten Lichtbogenleitpolschuhs offen und diskutiert verschiedene Möglichkeiten, ohne eine Stützfunktion für den Leiter zu offenbaren (vgl. Anlage LR 9, Seite 2 oben). Auch die - nicht in Übersetzung vorliegende - EP-Anmeldung 0 359 467 (Anlage LR 10) verhält sich in dem von den Beklagten herangezogenen Abschnitt (Spalte 3, Zeile 57 bis Spalte 4, Zeile 13) nur zum Magnetfeld und trifft keine Aussage über die Ausgestaltung in Bezug auf die Biegsamkeit und eine Leiterabstützung.
51Hinsichtlich der US-Schrift 4,654,491 (Anlage LR 15) und der chinesischen Abhandlung (Anlagen LR 12/13) fehlt es an einer deutschen Übersetzung; den Schriften kann jedenfalls kein Metallblock entnommen werden, der entsprechend der Merkmalsgruppe 6 des Klagepatents positioniert ist.
52V.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
54Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 108 ZPO.
55Vollstreckungsschutz ist den Beklagten nicht zu gewähren. Sie haben weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass ihnen durch eine Zwangsvollstreckung der Klägerin ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen würde (§ 712 ZPO).
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| Dr. Kühnen | Voß | Schmidt |
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