Schlussurteil vom Landgericht Düsseldorf - 15 O 488/05
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 12.05.2006 wird aufrecht erhalten,
soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger ein
Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2005 zu zahlen.
Das weitergehende Versäumnisurteil wird aufgehoben; insoweit
wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/3 und
dem Beklagten zu 2/3 auferlegt, mit Ausnahme der durch die
Säumnis im Termin vom 12.05.2006 entstandenen Kosten.
Diese trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger aber nur
gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages. Die Vollstreckung aus dem
Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit
fortgesetzt werden. Der Kläger kann die gegen ihn
gerichtete Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht gegen den Beklagten Schmerzensgeldansprüche geltend, die aus einer gegen ihn gerichteten Körperverletzung resultieren.
3Am 08.04.2002 befand sich der damals 16-jährige Beklagte gegen 13 Uhr im Bereich der Straßenbahnhaltestelle XXXin Düsseldorf. Dort traf ihn der damals 18-jährige Kläger auf dem Nachhauseweg von der Schule zufällig an. Er ging auf den Beklagten zu, um mit ihm über einen Vorfall zu sprechen, bei dem der Beklagte einen Freund des Klägers in eine körperliche Auseinandersetzung hinein gezogen hatte. Als der Beklagte dem Kläger seine linke Hand zum Handschlag entgegenhielt, die dieser in entsprechender Absicht ergriff, zog der Beklagte seine rechte Hand aus der Hosentasche und schlug zweimal gegen die linke Gesichtshälfte des Klägers. Dieser wich daraufhin zurück und beschimpfte den Beklagten, der sodann mit beiden Fäusten mehrfach auf den Kläger einschlug und ihm eine sogenannte Kopfnuss versetzte. Der Kläger wehrte sich nicht. Als er mit nach vorn gebeugtem Oberkörper vor dem Beklagten stand, ließ dieser nach wie vor nicht von ihm ab, sondern trat mit einem leichten Turnschuh mit roher Gewalt gegen den Bauch des Klägers.
4Der Kläger erlitt eine Fraktur des Jochbeins sowie des Orbitabodens links, eine doppelseitige Unterkieferfraktur und verlor einen Eckzahn unten rechts. Er wurde in einer vierstündigen Operation versorgt, wobei versucht wurde, mittels einer Miniplattenosteosynthese am lateralen Orbitalrand eines Reposition des Jochbeins zu bewirken. Darüber hinaus wurden der Ober- und Unterkiefer miteinander verdrahtet und der Orbitaboden mit einer PDS-Folie rekonstruiert. Zudem erlitt der Kläger ein sogenanntes Monokelhämatom mit massiver Schwellung links bei Hypästhesie des nervus infraorbitalis. Der Kläger musste in der Zeit vom 08.04. bis zum 26.04.2004 stationär behandelt werden. Nach einem Monat wurde die Verdrahtung des Ober- und Unterkiefers durch Gummibänder ersetzt, die wiederum etwa zwei Wochen im Mund verblieben. Während der Verdrahtung des Ober- und Unterkiefers stand der Mund nur zu einem Spalt offen, der es dem Kläger erlaubte, flüssige Nahrung zu sich zu nehmen. Das Reingen der Zähne war ihm nicht möglich. Reden konnte er während der Zeit nur gänzlich unartikuliert. Nachdem die Gummibänder die Drahtfixierung ersetzt hatten, konnte der Kläger auch breiige Speisen zu sich nehmen. Ein normales Zubeißen und Kauen war erst Wochen später wieder möglich. Die Entnahme der Gummibänder erfolgte ambulant unter Verwendung schmerzbetäubender Spritzen. Während des gesamten Zeitraums des Krankenhausaufenthaltes sowie des Heilungsverlaufes litt der Kläger unter starken Schmerzen und war in seiner Lebensweise vehement beeinträchtigt. Unter dem linken Auge ist eine etwa drei Zentimeter breite Narbe zurückgeblieben. Daneben ist mit Spätfolgen nicht zu rechnen.
5In dem Verfahren XXX-Aktenzeichen wurde der Beklagte vom Amtsgericht Düseldorf der gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden. Seine hiergegen eingelegte Berufung wurde nach § 329 StPO verworfen. Derzeit absolviert der Beklagte im zweiten Ausbildungsjahr eine Friseurlehre. Er erhält monatlich 343,00 € netto, wovon er monatlich 100,00 € an die Gemeinde-Unfallversicherung zahlt.
6Der Kläger behauptet, der Beklagte habe die Verletzungshandlungen mittels eines Schlagrings begangen. Er hält ein Schmerzensgeld von mindestens 7.500,00 € für gerechtfertigt.
7Durch Versäumnisurteil vom 12.05.2006 ist der Beklagte antragsgemäß verurteilt worden, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,00 € nebst Zinsen zu zahlen. Gegen das ihm am 26.05.2006 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte am 07.06.2006 Einspruch eingelegt.
8Der Kläger beantragt nunmehr,
9das Versäumnisurteil vom 12.05.2006 aufrecht zu erhalten.
10Der Beklagte beantragt,
11das Versäumnisurteil unter teilweiser Abweisung der
12Klage aufzuheben und das Schmerzensgeld in einer vom
13Gericht zu bestimmenden angemessenen Höhe bis
14maximal 2.500,00 € zu stellen.
15Er hält das geltend gemachte Schmerzensgeld für zu hoch. Hierzu behauptet er, der Kläger habe auf ihn einen Angst einflößenden Eindruck gemacht, der durch dessen körperliche Überlegenheit und vorangegangene Drohungen ausgelöst worden sei. Die Provokationen des Klägers hätten zur Eskalation der Situation beigetragen, so dass den Kläger nach Ansicht des Beklagten ein Mitverschulden treffe.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Der zulässige Einspruch hat in der Sache zum Teil Erfolg.
19Der Kläger hat gegen den Beklagten einen sich aus §§ 823, 253 BGB ergebenden Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in der zugesprochenen Höhe. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte die Körperverletzung mittels eines Schlagrings begangen hat. Diese lediglich für die strafrechtliche Einordnung des Tatgeschehens relevante Frage ändert nichts an dem Umfang der dem Kläger vorsätzlich zugefügten Verletzungen.
20Die Bemessung des Schmerzensgeldes erfolgt nach billigem Ermessen des Gerichts unter typisierender Einbeziehung vergleichbarer Fälle und unter Berücksichtigung der Genugtuungs- und der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes sowie der Art und Dauer der eingetretenen Folgen. Der Anspruch auf Schmerzensgeld soll den vom Verletzten erlittenen immateriellen Schaden angemessen ausgleichen. Dabei hat das Schmerzensgeld eine doppelte Funktion. Zum einen soll der Verletzte einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden erhalten. Darüber hinaus soll das Schmerzensgeld dem Verletzten Genugtuung für das verschaffen, was ihm der Schädiger angetan hat. Die Genugtuungsfunktion tritt hier auch nicht etwa zurück, weil der Beklagte für die Tat bestraft worden ist. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bestrafung des Täters nicht der Genugtuung des Geschädigten, sondern dem Interesse der Allgemeinheit, dient. Von - hier nicht vorliegenden - Ausnahmen abgesehen kann die Tatsache der strafrechtlichen Verurteilung daher nicht zu einer Minderung des Schmerzensgeldanspruches im Hinblick auf die Genugtuungsfunktion führen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 1996, 1591).
21Die Entschädigung ist nach Billigkeit festzusetzen, wobei bei der Abwägung der Angemessenheit sowohl Umstände auf Seiten des Verletzten als auch auf Seiten des Schädigers zu berücksichtigen sind. Dabei rechtfertigen die erlittenen Verletzung des Klägers durchaus ein Schmerzensgeld in der durch das Versäumnisurteil zugesprochenen Höhe (vgl. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 22. Aufl., Nr. 1714, 1744, 1764, in denen in Fällen vorsätzlicher Körperverletzung jeweils ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,00 € zugesprochen wurde). Der Kläger muss sich auch kein anspruchsminderndes Mitverschulden entgegenhalten lassen. Das dahingehende Vorbringen des Beklagten entbehrt jeder Substanz und ist auch nicht unter Beweis gestellt.
22Andererseits kann bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die erstmals im Termin dargelegte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten nicht unberücksichtigt bleiben. Der zur Tatzeit 16-jährige Beklagte absolviert zur Zeit im zweiten Jahr eine Friseurlehre. Von seinen Nettoeinkünften in Höhe von 343,00 € zahlt er bereits monatlich 100,00 € an die Gemeinde-Unfallversicherung. Damit ist pfändbares Vermögen derzeit nicht vorhanden. Aber auch wenn der Beklagte seine Lehre beendet haben wird, ist nicht unbedingt mit einem erheblichen Anfangsgehalt zu rechnen, unabhängig von der Frage, ob der Beklagte in seinem Lehrberuf überhaupt wird Fuß fassen können. Das bedeutet jedoch nicht, dass dem Verletzten nur eine symbolische Entschädigung zuerkannt werden dürfte. Allerdings kann aber auch das Ansinnen des Klägers im Termin nicht zugrunde gelegt werden, der Beklagte möge das Schmerzensgeld durch Schwarzarbeit erwirtschaften.
23Unter Abwägung aller vorgenannten Umstände hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € für angemessen, aber auch ausreichend, um der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zu genügen.
24Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB, aufgrund des vorprozessualen Aufforderungsschreibens des Klägers an den Beklagten vom 18.07.2005 jedoch erst ab dem 27.07.2005. Für einen früheren Zinsbeginn ist nichts dargetan.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 344 ZPO. Der Kostenquotierung steht dabei nicht entgegen, dass der Kläger die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichtsgestellt hatte. Im Hinblick auf die Höhe der Zuvielforderung liegt ein Fall von § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht mehr vor (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 955).
26Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 11, 2. Alt., §§ 709, 711 ZPO.
27Streitwert: 7.500,00 €.
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Referenzen
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