Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 1 O 177/08
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist, soweit der Kläger von dem Beklagten zu 1) Zahlung in Höhe von 50.000,00 € verlangt.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen, die dadurch entstanden sind und noch entstehen werden, dass die Trittschalldämmmaße der Wohnungsdecke im Haus A zwischen Keller- und Erdgeschoss, Erd- und erstem Obergeschoss, erstem und zweitem Obergeschoss sowie zwischen zweitem Ober- und Dachgeschoss nicht den Anforderungen der Regeln der Technik entsprechen und die auf sämtlichen Geschossdecken eingebaute Trittschalldämmung nicht ausreicht, um eine normgerechte bzw. dem Stand der Technik entsprechende Trittschallisolierung zu gewährleisten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kostenendscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1) wegen fehlerhafter Architektenplanung und die Beklagte zu 2) wegen Verletzung von Hinweis- und Beratungspflichten in Anspruch. Der Beklagte zu 1) ist Sohn und Erbe des verstorbenen Architekten B, der von dem Kläger im Jahr 2001 mit dem Umbau und der Modernisierung der Wohneinheiten im Erdgeschoss des Hauses A beauftragt wurde. Das Bauwerk wurde Mitte der Fünfzigerjahre errichtet. Im Laufe der Bauarbeiten wurde der Auftrag auch hinsichtlich des Obergeschosses erweitert. Der Kläger schloss mit dem Architekten B einen Vollarchitektenvertrag, der auch die Überwachung der Bauarbeiten umfasste. Im schriftlichen Vertrag wurde die Leistungsphase VII (Objektüberwachung) zwar nicht angekreuzt; gleichwohl führte der Verstorbene die Objektüberwachung durch und rechnete sie ab.
3Im Rahmen der Modernisierungsarbeiten führte die Beklagte zu 2) die Parkettverlegearbeiten inklusive der Trittschalldämmung in den Wohnungen durch. Auf Anweisung des verstorbenen Architekten verlegte sie auf den vorhandenen Rohboden schwimmend eine Weichfaserdämmplatte C mit einer Stärke von 6 mm und darauf – gleichfalls schwimmend – Fertigparkett.
4Im selbständigen Beweisverfahren 1 OH 13/06 führte der Gutachter D Trittschallmessungen durch. In seinem Gutachten kam er zu dem Ergebnis, dass die Trittschalldämmung den Anforderungen zum Zeitpunkt der ursprünglichen Bauwerkserstellung genügt, die Mindestanforderungen, die zum Zeitpunkt des Umbaus bestanden, jedoch verfehlt.
5Der Kläger ist der Ansicht, die Trittschallisolierung sei mangelhaft, da sie nicht dem bei einer Modernisierung zu erwartenden Standard entspreche. Der Architekt E hätte dafür Sorge tragen müssen, dass bei der Modernisierung keine Mängel entstünden. Die Beklagte zu 2) hätte nach den Mangel der Trittschallisolierung erkennen und aufgrund ihrer Prüfungs- und Hinweispflichten den Kläger darauf aufmerksam machen müssen.
6Der Kläger beantragt,
71.
8- den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an den Kläger 50.000,00 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen;
- festzustellen, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen, die dadurch entstanden sind und noch entstehen werden, dass die Trittschalldämmmaße der Wohnungsdecke im Haus A zwischen Keller- und Erdgeschoss, Erd- und erstem Obergeschoss, erstem und zweitem Obergeschoss sowie zwischen zweitem Ober- und Dachgeschoss nicht den Anforderungen der Regeln der Technik entsprechen und die auf sämtlichen Geschossdecken eingebaute Trittschalldämmung nicht ausreicht, um eine normgerechte bzw. dem Stand der Technik entsprechende Trittschallisolierung zu gewährleisten;
2.
10- die Beklagte zu 2) zu verurteilen, (insoweit gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1) 25.000,00 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- sowie festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, die Hälfte aller weiteren Schäden zu ersetzen, die dadurch entstanden sind oder künftig noch entstehen, dass die Trittschalldämmmaße der Wohnungsdecke im Haus A zwischen Keller- und Erdgeschoss, Erd- und erstem Obergeschoss, erstem und zweitem Obergeschoss sowie zwischen zweitem Ober- und Dachgeschoss nicht den Anforderungen der Regeln der Technik entsprechen und die auf sämtlichen Geschossdecken eingebaute Trittschalldämmung nicht ausreicht, um eine normgerechte bzw. dem Stand der Technik entsprechende Trittschallisolierung zu gewährleisten
Die Beklagten beantragen,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, ein kausaler Planungs- oder Überwachungsfehler des Architekten E sei nicht ersichtlich. Der Schallschutz sei Aufgabe des Statikers. Außerdem sei der Anspruch nach Ziffer 6.4 des Architektenvertrages nicht fällig.
15Die Beklagte zu 2) macht geltend, sie habe sich an die Anweisungen des Architekten gehalten; dieser habe das Aufbringen eines Parkettbodenbelags auf einer Weichfaserdämmplatte mit einer Stärke von 6 mm beauftragt. Ein solches Gewerk habe die Beklagte zu 2) erstellt und dies sei auch abgenommen worden. Ein Auftrag zur Modernisierung oder zur Überprüfung einer normgerechten Schallisolierung sei nicht erteilt worden. Dazu sei die Beklagte zu 2) als Tischlerbetrieb auch nicht in der Lage.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
18I. Antrag 1a)
19Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten zu 1) dem Grunde nach einen Anspruch aus §§ 631, 633, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB.
20Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils gem. § 404 ZPO liegen vor. Der Antrag 1a) hat einen bezifferten Anspruch zum Gegenstand; sowohl Grund als auch Betrag sind streitig. Die vorgelagerte Entscheidung über den Grund dient der Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtsstreits, da die Berechnung des Schadenshöhe im vorliegenden Fall mit einem hohen Aufwand verbunden ist. Im Übrigen wurde der Erlass eines Grundurteils in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2008 von beiden Parteien übereinstimmend angeregt. Der Erlass eines Grundurteils für nur diesen Teil der Klageforderung ist zulässig, da die Gefahr widersprechender Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf den Antrag 1b), nicht besteht.
21Die Trittschalldämpfung im streitgegenständlichen Gebäude ist mangelhaft. Dies ergibt sich aus dem im selbständigen Beweisverfahren angefertigten Gutachten des Sachverständigen D . Der Sachverständige führt aus, dass zwar die Anforderungen an den Schallschutz zum Zeitpunkt der ursprünglichen Bauwerkserstellung erfüllt seien; hierauf kommt es jedoch nicht an. Bei einer Altbausanierung darf davon ausgegangen werden, dass die durchgeführten Arbeiten den Regeln des Handwerks und dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Sanierung entsprechen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.5.2003, I-5 U 33/00). Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Trittschalldämmung nicht. Die Anforderungen an den baulichen Schallschutz, die zum Zeitpunkt der Modernisierung galten, sind in der Norm DIN 4109 "Schallschutz im Hochbau" festgelegt. Danach darf der Trittschallpegel 53 dB nicht überschreiten. Der Sachverständige hat festgestellt, dass diese Normwerte teilweise knapp (55 dB an der Decke oberhalb des Gartengeschosses), teilweise weit verfehlt wurden (jeweils 60 dB an den Decken oberhalb des Erdgeschosses und des zweiten Obergeschosses). Weiter hat der Sachverständige klargestellt, dass es sich bei der DIN 4109 um Mindestanforderungen handelt, die keinesfalls irgendeinen Komfort enthalten. Auch die geringwertige Verfehlung der Norm stellt daher einen Mangel i.S.v. § 633 BGB dar. Dies gilt umso mehr, weil es sich um hochwertige Wohnungen handelt, die zu entsprechend hohen Preisen vermietet werden sollten.
22Der Mangel wurde auch von dem verstorbenen Architekten verschuldet. Der Einwand des Beklagten zu 1), für den Schallschutz seien Sonderfachleute, insbesondere der Statiker, verantwortlich, greift nicht durch. Wenn der Bauherr Sonderfachleute einschaltet, um fachspezifische Fragen abzuklären, scheidet eine Haftung des Architekten zwar grundsätzlich aus; dies gilt jedoch nur, wenn dieser Fachbereich nicht zum allgemeinen Wissensstand eines Architekten gehört. Die Einschaltung eines Sonderfachmanns entbindet den Architekten jedoch nicht von seiner Verantwortlichkeit. Eine Haftung des Architekten für Auswahl und Überwachung der Leistungen des Sonderfachmannes kann nach Maß der vom Architekten zu erwartenden Kenntnis in Betracht kommen (Werner/Pastor, Bauprozess, 12. Aufl., Rn. 1490). Der objektplanende Architekt hat die Gesichtspunkte des Schallschutzes bei der Planung zu beachten (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 80, Rn. 11). Soweit der Architektenvertrag – wie hier – keine konkreten Angaben zum Schallschutz enthält, sind die allgemeinen Regeln der Technik einzuhalten. Der Beklagte zu 1) hätte daher das Vorgehen des mit der Schalldämmung befassten Sonderfachmanns überwachen und prüfen müssen, ob der Trittschallschutz für das streitgegenständliche Bauwerk ausreichend ist.
23Der Geltendmachung des Anspruchs steht auch nicht Ziffer 6.4 des Architektenvertrags entgegen. Zum einen hat der Beklagte zu 1) bisher noch nicht vom Kläger verlangt, ihm die Beseitigung des Schadens zu übertragen; im Gegenteil weist der Beklagte zu 1) eine Verantwortung für den vom Kläger geltend gemachten Schaden zurück. Zum anderen trifft Ziffer 6.4 lediglich eine Regelung dahingehend, wie ein möglicher Anspruch des Klägers vom Architekten zu erfüllen ist, indem dem Architekten die Möglichkeit eingeräumt wird, den Schaden selbst zu beheben. Dies spielt für die Entscheidung im vorliegenden Grundurteil jedoch keine Rolle.
242. Antrag 1b)
25Der Feststellungsantrag ist zulässig. Der Kläger war vorprozessual nicht dazu verpflichtet, weitere Feststellungen durch den Sachverständigen treffen zu lassen. Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem Umstand, dass weitere, jetzt noch nicht bezifferbare Schäden, zu besorgen sind. Es kann insbesondere dazu kommen, dass Mieter aufgrund des erhöhten Schallpegels die Miete mindern und dass die Wohnungen, wenn es zu einer Mängelbehebung kommen sollte, zeitweise nicht mehr bewohnt und vermietet werden können. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse daran, dass diese potentiellen zukünftigen Ansprüche nicht verjähren.
26Der Anspruch ist auch begründet. Da ein Anspruch gegen den Beklagten zu 1) dem Grunde nach besteht, sind auch zukünftige, derzeit noch nicht bezifferbare Ansprüche zu ersetzen.
273. Anträge 2a), b)
28Der Kläger hat dagegen keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2). Es fehlt an einer Pflichtverletzung. Zwar hat der Werkunternehmer grundsätzlich auf Risiken und Gefahren des Werkes und für sein Gelingen hinzuweisen (Sprau in Palandt, 68. Aufl., § 631, Rn. 14); die Aufklärungspflicht richtet sich allerdings maßgeblich nach dem Beratungsbedarf des Auftraggebers, wobei Kenntnisse eingeschalteter, dem Auftraggeber zurechenbarer Fachleute, berücksichtigt werden (Sprau in Palandt aaO). Im vorliegenden Fall hatte der Kläger keinen Beratungsbedarf. Mit dem Architekten hatte er einen Fachmann eingeschaltet, zu dessen Aufgabenbereich auch die Belange des Schallschutzes gehören (s.o.). Von diesem hatten die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) eine konkrete Arbeitsanweisung erhalten. Sie sollten namentlich auf den vorhandenen Rohboden schwimmend eine Weichfaserdämmplatte C mit einer Stärke von 6 mm aufbringen und darauf – gleichfalls schwimmend – Fertigparkett. Die Tatsache, dass die vom Architekten gewählte Trittschallisolierung nicht den Anforderungen an die DIN 4109 erfüllte, war für die Beklagte zu 2) auch nicht ohne weiteres zu erkennen. Selbst der Sachverständige F hat in seinem Gutachten die aufgebrachte Isolierung für ausreichend erachtet. Erst aufgrund des zweiten Gutachtens des Sachverständigen D hat sich anhand von Probemessungen ergeben, dass die Normwerte nicht eingehalten wurden. Die Möglichkeit von Probemessungen stand der Beklagten zu 2) vor Durchführung der Arbeiten nicht zur Verfügung. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) hätten daher die Schalldämmung anhand der verwendeten Dämmmaterialien, der Dicke der zu bearbeitenden Decken und anhand der in den Decken verarbeiteten Materialien rechnerisch überprüfen müssen. Um das Material der Geschossdecken zu kennen (und damit nicht den gleichen Fehler zu machen wie der Sachverständige F ), wären dann sogar Probebohrungen durchzuführen gewesen. Dies von den Mitarbeitern eines Tischlereibetriebes zu verlangen, wäre völlig lebensfremd, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagten zu 2) die konkrete Arbeitsweise und die Verwendung bestimmter Materialien durch den Architekten vorgegeben wurde. Die Beklagte zu 2) durfte im vorliegenden Fall auf die Angaben des Architekten vertrauen.
29Streitwert: 65.000,00 €
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