Beschluss vom Landgericht Düsseldorf - 010 Qs 69/09
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Langenfeld vom 05.08.2009 – 60 Cs-40 Js 4319/08-104/08- teilweise abgeändert und die zu erstattenden notwendigen Auslagen auf insgesamt 583,30 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 20.04.2009 festgesetzt.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1
Gründe:
2Das Amtsgericht hat unter dem 08.10.2008 auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB über eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 € erlassen. Ferner hat es ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt.
3Hiergegen hat der Angeklagte Einspruch eingelegt.
4Unter dem 19.12.2008 hat das Amtsgericht auf Antrag des Angeklagten die Einholung eines Sachverständigengutachten zu der Behauptung des Angeklagten, die Beschädigungen am Fahrzeug der Geschädigten seien nicht durch das Fahrzeug des Angeklagtem verursacht worden, angeordnet.
5Der Besichtigungstermin der beiden Fahrzeuge durch den Sachverständigen hat am 19.01.2009 stattgefunden.
6Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom 16.03.2009 zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass aus technischer Sicht ein Nachweis für den Anstoß des LKW des Angeklagten an die C-Säule des PKW der Geschädigten nicht geführt werden kann.
7Unter dem 30.09.2009 hat die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Erlass des Strafbefehls zurückgenommen. Durch Beschluss vom 05.05.2009 hat das Amtsgericht nach § 467 a StPO die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.
8Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 17.04.2009 hat der Angeklagte die Festsetzung nachfolgender Gebühren und Auslagen beantragt:
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a) Grundgebühr für Verteidiger | |
§ 14 Nr. 4100 VV RVG | 165,00 € |
b) Ortstermin Sachverständiger | 140,00 € |
Gebühr § 14 Nr. 4102 VV RVG Ziff.1 | |
c) Verfahrensgebühr für ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht | |
§ 14 Nr. 4106 VV RVG | 200,00 € |
d) Terminsgebühr für Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht | |
§ 14 Nr. 4108 VV RVG | 230,00 € |
e) Zusätzliche Gebühr | |
§ 14 Nr. 4141 VV RVG | 140,00 € |
f) Tage-und Abwesenheitsgeld: | |
§ 14 Nr. 7004 VV RVG | 20,00 € |
g) Fahrkosten | |
§ 14 Nr. 7003 VV RVG | 11.70 € |
h) Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € |
i) Kosten für Aktenübersendung | 12,00 € |
19 % MWSt Nr. 7008 VV RVG | 178,35 € |
1.117,05 € |
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Das Amtsgericht Langenfeld hat mit Beschluss vom 05.08. 2009 die dem Angeklagten aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf insgesamt 416,60 € nebst Zinsen seit dem 20.04.2009 festgesetzt.
11Hierbei wurde die Grundgebühr Nr. 4100 auf 120,00 € herabgesetzt, die Gebühren Nr. 4102, Nr. 4108, Nr. 4141, Nr. 7004 und Nr. 7003 wurden insgesamt in Abzug gebracht.
12Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten hat insoweit Erfolg, als eine zusätzliche Gebühr nach § 14 Nr. 4141 VV RVG zu erstatten ist.
13Nach Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 1 VV RVG entsteht diese zusätzliche Gebühr, wenn durch eine auf Förderung des Verfahrens gerichtete anwaltliche Tätigkeit eine Hauptverhandlung entbehrlich wird. Dies gilt auch in entsprechender Anwendung für den Fall der Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls durch die Staatsanwaltschaft, verbunden mit der endgültigen Einstellung des Verfahrens (Gerold /Schmidt - Burhoff, RVG, 18. Aufl., VV 4141, Rn. 19).
14Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ist auch eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete anwaltliche Tätigkeit.
15Eine Ursächlichkeit der Mitwirkung für die Einstellung ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit. Es ist daher entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors nicht darauf abzustellen, dass das Ziel des Angeklagten möglicherweise ein Freispruch – nach Hauptverhandlung – war.
16Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Angeklagter sich gegen den in einem Strafbefehl gegen ihn erhobenen Vorwurf nur mit dem Einspruch nach
17§ 410 StPO wehren kann, der grundsätzlich die Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins erfordert, § 411 Abs. 1 S. 2 StPO. Das Ergebnis des Sachverständigengutachtens hat jedoch die Hauptverhandlung entbehrlich gemacht.
18Die Gebühr ist nach Nr. 4141 Anm. 3 i.V. m. Nr. 4106 VV RVG antragsgemäß auf 140,00 € festzusetzen.
19Im Übrigen gilt folgendes:
20Die geltend gemachte Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG ist unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG aufgestellten Kriterien nicht gerechtfertigt.
21Die Kammer folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Bezirksrevisors im Rahmen seiner dem Angeklagten bekannten Stellungnahmen, wonach der Arbeitsaufwand für den Verteidiger unter Berücksichtigung des geringen Aktenumfangs erheblich unter dem Durchschnitt anderer Strafverfahren lag, der Sachverhalt einfach gelagert war und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten als stark unterdurchschnittlich einzustufen sind. Wegen der Einzelheiten nimmt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Stellungnahmen vom 19.06.2009 sowie 09.10.2009 Bezug. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass auch die Einkommens-und Vermögensverhältnisse ein Kriterium für die Bemessung der Grundgebühr sind (vgl. Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Aufl., § 14 RVG Rn. 18 ff).
22Die Kammer teilt danach die Auffassung des Bezirksrevisors, dass in der Gesamtschau unter Abwägung aller genannten Kriterien die beantragte Mittelgebühr nicht gerechtfertigt ist. Vielmehr sind die festgesetzten 120,00 € angemessen.
23Eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV RVG ist nicht angefallen. Diese entsteht nur für die Teilnahme an den dort unter Nr. 1 – 5 genannten Terminen. Der Termin des Sachverständigen zur Besichtigung und Gegenüberstellung der Kraftfahrzeuge fällt nicht darunter.
24Eine Erstattung des Tage- und Abwesenheitsgeldes sowie der Fahrtkosten nach Nr. 7003 und 7004 VV RVG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
25In Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor ist die Kammer der Auffassung, dass die Teilnahme an diesem Besichtigungstermin der Fahrzeuge durch den Sachverständigen nicht notwendig i.S. der §§ 464 a StPO,
2691 Abs. 2 ZPO war. Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechte des Angeklagten bei dem Besichtigungstermin ohne Hinzuziehung des Verteidigers nicht gewahrt worden wären. Die Notwendigkeit der Anwesenheit hat der Angeklagte weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
27Eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG ist nicht entstanden. Ein Hauptverhandlungstermin hat nicht stattgefunden. Er war auch noch nicht anberaumt worden, sodass hierfür eine – erstattungsfähige – Vorbereitungszeit erforderlich gewesen wäre (vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O. 4108 Rn. 9). Die Hauptverhandlung beginnt nach § 243 Abs. 1 StPO erst mit dem Aufruf der Sache und nicht, wie vom Beschwerdeführer vorgetragen, mit der gerichtlichen Sachaufklärung. Dies ist keine Verhandlung zur Sache im Sinne der
28Nr. 4108 VV RVG. Die insoweit zitierte Rechtsprechung betreffen erkennbar nicht einen dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall.
29Im Übrigen setzt sich der Beschwerdeführer mit der Geltendmachung dieser Gebühr in Widerspruch zu der geltend gemachten zusätzlichen Gebühr nach
30Nr. 4141 VV RVG.
31Erforderlich für die Anwendung des 4141 VV RVG ist gerade, dass eine Hauptverhandlung nicht stattgefunden hat.
32Zwecks Festsetzung der Rahmengebühr war die Kammer nicht gemäß § 14 Abs. 2 RVG verpflichtet, ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Diese Vorschrift bezieht sich nicht auf das Kostenfestsetzungsverfahren, sondern allein auf den Gebührenprozess zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber (vgl. BVerwG, NJW 2006, 247 ff.).
33Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO. Die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung und eine Auslagenverteilung nach § 473 Abs. 4 StPO liegen nicht vor, da die sofortige Beschwerde nur in geringem Umfang Erfolg hat.
34Düsseldorf, 02.11.2009
35Landgericht, 10. Strafkammer
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