Grund- und Teilurteil vom Landgericht Düsseldorf - 3 O 388/10
Tenor
Es wird festgestellt, dass die gegen die Beklagten zu 1., 2. und 3. gerichtete Klage gesamtschuldnerisch dem Grunde nach gerechtfertigt ist.
Die Beklagten zu 1., 2. und 3. sind zudem gemäß dem Feststellungsantrag der Klägerin als Gesamtschuldner verpflichtet, ihr (auch) jeden materiellen und immateriellen Schaden im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Lebendnierenspende zu ersetzen, soweit die Ansprüche zurzeit noch nicht beziffert und auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die gegen die Beklagten zu 4., 5. und 6. gerichtete Klage wird abgewiesen.
Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
1
Tatbestand
3Die Mutter der Klägerin war an einer familiären Zysten-Niere erkrankt. Die Klägerin beabsichtigte, ihr eine Niere zu spenden (Lebendnierenspende). Das Klinikum der Beklagten zu 1. verfügt über ein entsprechend besonders eingerichtetes Transplantationszentrum.
4Dort stellte die Klägerin sich vereinbarungsgemäß am 29. Juni 2007 bei dem Beklagten zu 3. (Prof. Dr. med. XXX) in Begleitung ihrer Mutter zur Abklärung der Möglichkeit einer derartigen Spende vor. Der Klägerin wurde im Wesentlichen mitgeteilt, dass eine solche Lebendnierenspende grundsätzlich möglich sei. Am Ende des Gespräches wurde der Klägerin und ihrer Mutter auch die Beklagte zu 2. (Dr. med. XXX) vorgestellt, die am 1. August 2007 das eigentliche Aufklärungsgespräch mit der Klägerin durchführte; die Beklagte zu 2. war seinerzeit dem Beklagten zu 3. dienstlich unterstellt.
5Im Rahmen des Aufklärungsgespräches vom 1. August 2007, dem die psychologische Untersuchung der Klägerin vom 30. Juli 2007 vorausgegangen war, wurde der Klägerin ein Aufklärungsbogen ausgehändigt, den die Beklagte zu 2. mit der Patientin inhaltlich durchging. Die Klägerin wurde hierbei über die allgemeinen Operations- und Eingriffsrisiken sowie über das für den Fall einer Organspende zu beachtende Letalitätsrisiko aufgeklärt. Ferner wurde ihr das Risiko einer Funktionsbeeinträchtigung der verbleibenden Niere bei Durchführung des Eingriffes aufgezeigt; letztlich ergaben sich für die Klägerin keine Gründe, von der von ihr beabsichtigten Lebendnierenspende Abstand zunehmen.
6Die Klägerin stellte daher am 31. August 2007 den für die Vornahme der Organspende erforderlichen Antrag bei der Kommission für Transplantationsmedizin bei der Ärztekammer XXX; dem schloss sich die persönliche Anhörung der Klägerin vom 23. Oktober 2007 vor der einberufenen Ethikkommission an.
7Die Operation zur Entnahme der Niere fand am 31. Oktober 2007 statt; Operateur war der Beklagte zu 5. (Prof. Dr. med. XXX). Dieser suchte die Patientin am Vorabend der Operation auf; eine weitere (persönliche) Aufklärung erfolgte insoweit nicht mehr. Diese hatte zuvor der Beklagte zu 6. (Dr. med. XXX) bezogen auf die mit dem Eingriff verbundenen üblichen Operationsrisiken vorgenommen.
8Die Operationsdurchführung sowie die Nierentransplantation erfolgten komplikationslos.
9Nachträglich ist die Klägerin jedoch zu der persönlichen Bewertung gelangt, dass sie von der Spende der Niere abgesehen hätte, wäre sie weitergehender als erfolgt, zudem auch formell korrekt, im Transplantationszentrum der Beklagten zu 1. aufgeklärt worden.
10Sie verweist darauf, dass an dem besagten Aufklärungsgespräch entgegen § 8 Absatz 2 des Transplantationsgesetzes – TPG unstreitig kein weiterer Arzt teilgenommen habe und die Beklagte zu 2. seinerzeit auch den Weisungen des Beklagten zu 3. unterstellt gewesen sei; die tatsächlich erfolgte Aufklärung stelle sich daher bereits formell als rechtswidrig dar.
11Unabhängig davon habe die Beklagte zu 2. sie vorwerfbar auch nicht über das Risiko eines chronisch verlaufenden Fatigue-Syndroms, über Komplikationen bei einer Schwangerschaft sowie das Risiko einer Schädigung der verbleibenden Nebenniere durch Abtrennung der Vene und der möglichen Ausbildung einer Arteriosklerose aufgeklärt. Die erfolgte Aufklärung stelle sich daher auch nach Art und Umfang als nicht hinreichend umfassend dar; vor allem sei es unterlassen worden, ihr (der Klägerin) in eindeutiger Weise vorzustellen, dass aufgrund des erbbedingten Risikos einer zukünftig auch bei ihr möglicherweise auftretenden Nierenerkrankung sie (besser) keine Niere spenden sollte.
12Das Risiko des Auftretens eines Fatigue-Syndroms habe sich bei ihr nunmehr auch verwirklicht, so dass sie ihren ausgeübten Beruf als Fluglotsin habe aufgeben müssen.
13Die Klägerin fordert daher von den Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Leistung von Schadensersatz bezüglich des von ihr hierzu dargestellten materiellen Schadens.
14Die Beklagten lehnen jegliche Haftungsverpflichtung ab.
15Die Klägerin beantragt daher,
16die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie (die Klägerin) ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000,00 Euro, dessen genaue Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. Mai 2010 zu zahlen;
17die Beklagten weiterhin als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die sie (die Klägerin) 23.942,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in Höhe von jeweils 1.995,21 Euro seit dem 01. Februar, 01. März, 01. April, 01. Mai, 01. Juni, 01. Juli, 01. August, 01. September, 01. Oktober, 01. November und 01. Dezember 2010 sowie 01. Januar 2011 zu zahlen;
18die Beklagten zudem als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie (die Klägerin) beginnend mit dem 01. Februar 2011 fortlaufend monatlich jeweils 1.995,21 Euro (behaupteter Verdienstausfallschaden) zu zahlen;
19darüber hinaus festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Lebendnierenspende zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind;
20die Beklagten letztlich als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr vorgerichtlich angefallene Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.879,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu erstatten.
21Die Beklagten beantragen,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagten tragen im Wesentlichen vor, dass die Klägerin bereits bei dem mit dem Beklagten zu 3. geführten Erstgespräch „fest entschlossen gewesen sei“, ihrer Mutter eine Niere zu spenden. Entsprechend habe sie vorangehend alio loco bei dem Nephrologen Dr. med. XXX, XXX, ihre Nieren im Hinblick auf die Geeignetheit für eine solche Lebendspende (insoweit unstreitig) untersuchen lassen; der entsprechende Arztbrief sei dem Klinikum der Beklagten zu 1. zugeleitet worden. Sodann sei im Klinikum der Beklagten zu 1., wie die Beklagten meinen, eine gehörige Aufklärung der Patientin auch unter wesentlicher Beachtung der Bestimmungen des Transplantationsgesetzes – TPG erfolgt. Die eigentliche Aufklärung der Klägerin über sämtliche bedeutsamen Eingriffs- und Komplikationsrisiken sowie auch bezüglich der weiteren gesundheitlichen Entwicklung der Spenderin im Hinblick auf die insoweit beachtlichen Risiken sei zwar verfahrensmäßig der Beklagten zu 2. alleine überlassen worden; diese habe den ihr obliegen habenden Aufklärungspflichten jedoch in vollem Umfang genügt.
24Im Rahmen dieses Aufklärungsgespräches sei die Klägerin (unstreitig) in keiner Weise etwa bedrängt worden, die Nierenspende vorzunehmen. Vielmehr habe die Ärztin die Klägerin (neutral), wie dies auch aus dem zugehörigen Aufklärungsbogen vom 1. August 2007 inhaltlich hervorgehe, (nur) über alle wesentliche Aspekte der Lebendorganspende informiert, unter anderem auch über mögliche Wundheilungsstörungen, Narbenbeschwerden und Blutungen, die Nachoperationen notwendig machen könnten, und zudem auch über ein nicht völlig auszuschließendes Letalitätsrisiko.
25Der Patientin sei hierbei zudem vorgestellt worden, dass sie im Falle einer Senkung der ihr verbliebenen Niere bzw. der Erforderlichkeit einer Entfernung dieses Organes aus Krankheitsgründen selbst dialysepflichtig werden und auf eine Nierentransplantation angewiesen sein könnte, etwa auch als schicksalhafte Folge eines Unfallereignisses; die allgemeinen Operationsrisiken habe auch der Operateur (Beklagter zu 5.) am Vorabend der Operation mit der Patientin nochmals besprochen, etwa die Risiken einer Infektion, Sepsis, Thrombose, Embolie, Blutung, Bluttransfusion, Nachblutung, Milzverletzung, Pneumothorax, Thoraxdrainage, Organverletzungen, Wundheilungsstörungen und von möglichen Nervenverletzungen; hierzu verhalte sich zudem die schriftliche Einverständniserklärung der Patientin vom 30. Oktober 2007.
26Einer weitergehenden Aufklärung der Patientin, etwa zu dem von der Klägerin angeführten Fatigue-Syndroms, habe es darüber hinaus nicht bedurft, da sich bei einer solchen weitergehenden Aufklärung für die Klägerin sowieso keine bedeutsamen Konsequenzen ergeben hätten im Hinblick auf ihren (festen) Entschluss zur Organspende. Die Realisierung eines solchen Risikos (Fatigue-Syndrom) beträfe zudem eine zu vernachlässigendes Risikoquote im Promillebereich, die dem Risiko einer möglichen Letalität gleichgesetzt werden könne, über das die Patientin unstreitig aufgeklärt worden sei, ohne dass sie sich deshalb veranlasst gesehen hätte, sich gegen eine Nierenspende zu entscheiden.
27Deshalb habe sich, so die Behauptung der Beklagten, ein etwaiger (nur) formeller Verstoß gegen § 8 des Transplantationsgesetzes – TPG jedenfalls nicht kausalschädigend ausgewirkt, da die Klägerin sich auch bei einer umfassenderen Aufklärung sowie auch bei der Teilnahme eines zweiten Arztes bei der Führung des Aufklärungsgespräches für die Vornahme der Lebendnierenspende entschlossen hätte. Weiterhin sei beachtlich, dass im Rahmen des von der Klägerin mit dem Beklagten zu 3. geführten Erstgespräches angeblich auch der Beklagte zu 4. teilgenommen habe; demnach sei jedenfalls im Rahmen des Erstgespräches den gesetzlichen Vorgaben des Transplantationsgesetzes Rechnung getragen worden.
28Die Beklagten verweisen zudem darauf, dass eine Haftungsverpflichtung zu ihren Lasten bereits aus Rechtsgründen ausscheide, da die Klägerin im Hinblick auf die erfolgte körpereigene Organspende dem besonderen Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliege, so dass eine Einstandspflicht (zu Lasten der Beklagten) nur für den Fall rechtlich begründet sei, dass die versicherten Schädigungen vorsätzlich herbeigeführt worden wären (vgl. dazu: §§ 104 Absatz 1 und § 2 Absatz 1 Ziffer 13 b SGB VII); von einer solchen vorsätzlichen Schädigungsabsicht der beteiligten Ärzte könne jedoch keine Rede sein.
29Im Übrigen sind die Beklagten dem Anspruchsbegehren der Klägerin auch bezüglich der Begründetheit der von ihr geltend gemachten gesundheitlichen und psychischen Beeinträchtigungen entgegen getreten.
30Hierzu sowie zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst den zugehörigen Anlagen, die dem Gericht vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe
32Die Klage ist teilweise dem Grunde nach sowie bezüglich des von der Klägerin geltend gemachten Feststellungsantrages gegenüber den Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner begründet; soweit die Klage sich gegen die Beklagten zu 4., 5. und 6. richtet, war sie dagegen als in der Hauptsache unbegründet abzuweisen.
33Die übrigen Entscheidungen, auch zur Schadenshöhe bzw. der Höhe des gerichtlich noch zu bestimmenden Schmerzensgeldes, bedürfen der weiteren Aufklärung des Sachverhaltes im Wege der Beweisaufnahme. Die Entscheidungen hierüber sowie die zu treffenden Nebenentscheidungen sind daher dem Schlussurteil vorbehalten, §§ 253, 280, 611 (ärztlicher Behandlungsvertrag), 31, 89, 278, 421 BGB, 256 ZPO.
34I.
35Der Rechtsstreit ist dem Grunde nach sowie zu dem von der Klägerin gestellten Feststellungsantrag entscheidungsreif.
361. Die Kammer hat es daher gemäß § 304 ZPO für sachdienlich angesehen, bezüglich der grundsätzlichen Haftungsverpflichtung der Beklagten vorab durch Grundurteil zu entscheiden, da der entsprechende Sachverhalt entscheidungsreif gerichtlich aufgeklärt worden ist und nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass sich bei Durchführung der Beweisaufnahme hierzu noch maßgebende Veränderungen ergeben könnten.
372. Entsprechend der Entscheidung des Grundurteils war in Form des zugehörigen Teilurteils (§ 301 ZPO) auch über die Begründetheit des Feststellungsantrages der Klägerin mit zu entscheiden, da der Rechtsstreit auch insoweit entscheidungsreif ist.
383. Dagegen bedarf die Entscheidung über die konkrete Höhe des Anspruchsbegehrens der Klägerin, ohne dass festzustellen ist, dass diese auch nicht in Form eines Teilbetrages begründet sein könnte, der gerichtlichen Durchführung der hierzu noch anzuordnenden Beweisaufnahme.
39II.
40Aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes sowie der persönlichen Einlassungen der Prozessbeteiligten ist festzustellen, dass das Anspruchsbegehren der Klägerin dem Grunde nach gerechtfertigt ist, soweit die Klage sich gegen die Beklagten zu 1., 2. und 3. richtet; entsprechend war gemäß dem von der Klägerin gestellten Feststellungsantrag ebenfalls rechtlich festzustellen, dass die Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin für allen materiellen und immateriellen Schaden aufzukommen, soweit dieser noch nicht beziffert worden ist und die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
41Insoweit sind die nachfolgenden rechtlichen Feststellungen der Kammer maßgebend:
421.
43Den Beklagten zu 2. und 3., für deren Verhalten die Beklagte zu 1. rechtlich einzustehen hat, ist aufgrund der unstreitigen Sachverhaltes sowie unter Berücksichtigung der vor dem Berichterstatter als beauftragten Richter der Kammer durchgeführten Anhörung der Parteien vorzuwerfen, gegen ihnen obliegende Aufklärungspflichten vorwerfbar verstoßen zu haben.
44a)
45Dieser Verstoß betrifft die nicht hinreichende Befolgung der gesetzlich besonders ausgestalteten (eindeutigen) Regelung des Transplantationsgesetzes – TPG zu § 8 im Hinblick auf die rechtliche Zulässigkeit einer Lebendorganentnahme.
46Danach ist unter anderem bestimmt, dass der Organspender über die Art des Eingriffes, den Umfang und die mögliche Folgen sowie Spätfolgen der beabsichtigten Organentnahme für seine Gesundheit sowie über die zu erwartende Erfolgsaussicht der Organübertragung und sonstige Umstände, denen er erkennbar eine Bedeutung für die Organspende beimisst, durch einen Arzt aufgeklärt werden muss und zwar
47„(…) in Anwesenheit eines weiteren Arztes, für den § 5 Absatz 2 Satz 1 und 2 (des Transplantationsgesetzes – TPG) entsprechend gilt (…)“.
48Hiergegen haben die Beklagten zu 2. und zu 3. in rechtlich bedeutsamer Weise verstoßen.
49Der Verstoß ist bereits dadurch begründet, dass tatsächlich entgegen der Vorgabe des Transplantationsgesetzes zu keinem Zeitpunkt eine Aufklärung der Klägerin in Anwesenheit von zwei Ärzten, die zudem zueinander in keinem Weisungsverhältnis hätten stehen dürfen, erfolgt ist.
50aa) Das Erstgespräch, das am 29. Juni 2007 von dem Beklagten zu 3. im Transplantationszentrum der Beklagten zu 1. mit der Klägerin geführt worden ist, fand, unabhängig davon, dass im Rahmen dieser Begegnung tatsächlich inhaltlich keine umfassende Aufklärung der Patientin im Sinne des § 8 Transplantationsgesetzes – TPG erfolgte, da das Gespräch lediglich der ersten Kontaktaufnahme diente, jedenfalls (auch) nicht in Anwesenheit eines weiteren Arztes statt; die Beklagte zu 2. ist lediglich am Ende des Gespräches hinzugekommen; an dem Gespräch selbst hat sie aber unstreitig überhaupt nicht teilgenommen; sie wurde der Klägerin lediglich als diejenige Ärztin vorgestellt, die sie bezogen auf das Procedere einer Lebendorganspende verantwortlich begleiten sollte.
51bb) Zudem ist entgegen der Darstellung der Beklagten in der Klageerwiderungsschrift vom 28. März 2011 (Ziffer II. 2. a) im Rahmen der informatorischen Anhörung der Parteien durch den beauftragten Richter der Kammer vom 28. November 2011 (unstreitig) hervorgetreten, dass auch der als wieterer Gesprächsteilnehmer angegebene Beklagte zu 4. an diese, Gespräch nicht teilgenommen hat; dies haben die Klägerin und der Beklagte zu 4. anlässlich ihrer gerichtlichen Anhörung selbst bestätigt.
52cc) Als Ergebnis des zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 3. geführten Erstgespräches, an dem zudem die Mutter der Klägerin teilnahm, ergibt sich lediglich, dass die gesetzlich vorgegebene Aufklärung der Organspenderin im Rahmen eines weiteren Arzt-/Patientengespräches, das die Beklagte zu 2. sodann mit der Klägerin am 1. August 2007 führte, stattfinden sollte.
53b)
54Auch bei dem Gespräch der Klägerin und der Beklagten zu 2. vom 1. August 2007 fand jedoch unzweifelhaft keine den Voraussetzungen des § 8 Transplantationsgesetz – TPG hinreichende Aufklärung der Patientin statt.
55aa) Hieran mangelt es bereits deshalb, weil das ärztliche Gespräch unstreitig alleine von der Beklagten zu 2. geführt wurde; gemäß § 8 Absatz 2, Satz 2 der bezeichneten gesetzlichen Bestimmung hätte die Aufklärung jedoch „in Anwesenheit eines weiteren Arztes“ erfolgen müssen, ohne dass zudem zwischen den beteiligten Ärzte ein Weisungsverhältnis hätte bestehen dürfen.
56bb) Die Beklagte zu 2. hat jedoch im Rahmen ihrer gerichtlichen Anhörung selbst offengelegt, dass das Aufklärungsgespräch ärztlicherseits ausschließlich von ihr alleine, ohne Anwesenheit eines weiteren Arztes geführt worden ist.
57cc) Nach der rechtlicher Bewertung der Kammer ist es bereits aufgrund dieses Gesprächsablaufes unerheblich, ob die Klägerin von der Beklagten zu 2. dennoch umfassend und verständlich über alle bedeutsamen Risiken und Vorgänge, die mit der Spende eines Lebendorgans verbunden sind und über die gemäß der besonderen Regelung des § 8 Transplantationsgesetz – TPG (besonders) aufzuklären ist, tatsächlich hinreichend in Kenntnis gesetzt wurde, oder ob die Klägerin, wie sie behauptet, auch über die von ihr in diesem Zusammenhang angeführten Risiken, unter anderem des möglichen Auftretens eines chronischen Fetigue-Syndroms, zusätzlich hätte aufgeklärt werden müssen, da bereits der unterlaufene formelle Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben, unter deren Einhaltung der potentielle Lebendorganspender aufzuklären ist, die Haftung der Beklagten zu 1,. 2. und 3. begründet.
58c)
59Bezogen auf die allgemein (immer) zu beachtenden ärztlichen Aufklärungspflichten ist es zwar rechtlich anerkannt, dass ein Verstoß gegen diese nicht haftungsbegründet ist, wenn der Einwand einer hypothetischer Einwilligung des Patienten erhoben wird und der Patient nicht in der Lage ist, einen ernsthaften persönlichen Entscheidungskonflikt plausibel und nachvollziehbar darzulegen, ob er sich somit gegen eine ihm vorgestellte ärztliche Behandlungsmaßnahme entschieden hätte, wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden (vgl. dazu: BGH VersR 2005, 942).
60aa) In concreto gibt die Regelung des § 8 Transplantationsgesetz – TPG jedoch eine über die nach den allgemeinen höchstrichterlichen Rechtsgrundsätzen seit ihrer rechtlichen Entwicklung immer zu beachtende allgemeine ärztliche Aufklärungspflicht hinaus nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers formell und inhaltlich besonders ausgestaltete Aufklärungspflicht vor, die demnach umfassend und ausnahmslos strikt einzuhalten ist, so dass ein Verstoß gegen diese gesetzliche Bestimmungen bereits eine Haftungsverpflichtung desjenigen Arztes/derjenigen Ärzte begründet, der/die den Regelverstoß zu vertreten hat/haben (§ 280 Absatz 1 Satz 2 BGB).
61bb) Diese strenge Haftungsfolge ist dadurch gerechtfertigt, dass die Entnahme eines Lebendorgans bezogen auf den Lebendorganspender keinen Heileingriff darstellt, sondern allein seiner freien Entscheidung unterstellt ist, ob er persönlich zu einer solchen Organspende bereit ist oder nicht, so dass wegen der irreversiblen Bedeutung der Vornahme einer solchen Spende rechtlich höchste Anforderungen an die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu stellen sind; der Gesetzgeber hat hierzu daher eindeutig und unverzichtbar bestimmt, dass die vorzunehmende Aufklärung des Organspenders die Anwesenheit eines weiteren Arztes voraussetzt.
62Denn die Anwesenheit eines zweiten Arztes soll gewährleisten, dass die bei der Aufklärung des Organspenders gleichzeitig anwesend zu sein habenden Ärzte sich wechselseitige kontrollieren, wodurch auch für den Organspender unverkennbar
63hervortritt, dass die Spende eines gesunden Organs unter Beachtung seiner eigenen gesundheitlichen Belange einer ganz besonders gründlichen Prüfung bedarf, so dass im Rahmen der ärztlichen Aufklärung in herausgestellter Weise eine nach objektiven Kriterien unabhängige Darstellung des Für und Wider einer Lebendorgantransplantation gewährleistet sein soll.
64cc) Auf Grund dessen gibt der Gesetzgeber zudem vor, dass die an der vorgeschriebenen Aufklärung des Organspenders beteiligten Ärzte zueinander in keinem dienstlichen Weisungsverhältnis stehen dürfen, um sicher zu stellen, dass die Aufklärung des Patienten bezüglich des Für und Wider einer Lebendorganspende völlig unvoreingenommen erfolgen kann – Nachweisverfahren gemäß § 5 Transplantationsgesetz - TPG.
65dd) Bei der Regelung des § 8 Absatz 2 Satz 2 Transplantationsgesetz – TPG handelt es sich daher nicht um eine gesetzgeberische Handlungsempfehlung, deren Einhaltung der Ermessensentscheidung des mit der Aufklärung eines Organspenders betrauten Arztes überlassen wäre, sondern um eine besonders ausgestaltete gesetzliche Regelung, deren Einhaltung keinen Ermessensspielraum belässt.
66ee) Zwar kann nie mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Anwesenheit und Äußerungen eines an der Aufklärung eines potentiellen Lebendorganspenders zusätzlich beteiligten unabhängigen Arztes für die Entscheidung des etwaigen Spenders, sich für oder gegen eine Organentnahme zu entscheiden, je nach Einzelfall tatsächlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, gegebenenfalls aus Gründen, die über den medizinischen Bereich hinausgehen; dies gilt jedoch auch im Umkehrschluss, so dass die Teilnahme eines weisungsunabhängigen zweiten Arztes bei der Aufklärung eines möglichen Organspenders somit durchaus dafür ausschlaggebend sein kann, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden.
67ff) Bezogen auf die Bereitschaft der Klägerin, eine Niere zu spenden, haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2011 zudem vorgetragen, dass im Transplantationszentrum der Beklagten zu 1. sowohl bei der Beklagten zu 2. als auch bei der Transplantationsbeauftragten des Zentrums die persönliche Haltung bestand, sich aus ärztlicher Sicht gegen eine Lebendorganspende der Klägerin auszusprechen, da der Eindruck bestanden habe, dass die Klägerin von ihren Familienangehörigen dahin beeinflusst worden sein könnte, ihrer Mutter eine Niere zu spenden. Infolgedessen wäre es auch unter diesem Gesichtspunkt von besonderer Bedeutung gewesen, dass bei der Aufklärung der Klägerin ein weiterer Arzt mitgewirkt hätte, um (auch) die Tragweite der von der Klägerin zu treffenden Entscheidung herauszustellen.
68gg)
69Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung durch den beauftragten Richter der Kammer zwar erklärt, dass sie sich seinerzeit „gut aufgeklärt“ gefühlt habe (Seite 3 des Sitzungsprotokolls, Blatt 264 der Gerichtsakte); gemäß den voranstehenden gerichtlichen Feststellungen ist diese damalige subjektive Bewertung der Klägerin rechtlich jedoch unerheblich, da die Aufklärung der Klägerin dennoch in der dafür zwingend gesetzlich vorgeschriebenen Weise hätte erfolgen müssen, so dass die Klägerin nicht mit dem Einwand ausgeschlossen ist, sie hätte sich letztlich doch gegen eine Spende ihrer Niere ausgesprochen, wäre sie seinerzeit in anderer, gemäß den gesetzlichen Bestimmungen herausgestellter Form aufgeklärt worden.
70hh) Die Klägerin hat prozessual zwar zudem (auch) konkrete Aufklärungspunkte vorgebracht, zu denen sie post festum eine zusätzliche ärztliche Aufklärung erwartet hätte. Letztlich kann es jedoch rechtlich dahinstehen, ob die Klägerin auch insoweit aufzuklären gewesen wäre, da gemäß der rechtlichen Beurteilung der Kammer bereits der Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften des § 8 Transplantationsgesetz – TPG haftungsbegründend ist.
71d)
72Diese Haftungsverpflichtung betrifft die Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner.
73aa) Die Beklagte zu 2. hätte eine Aufklärung ohne die Anwesenheit eines weiteren (im wechselseitigen Verhältnis zueinander) weisungsunabhängigen Arztes ablehnen müssen.
74bb) Zudem hätte auch der Beklagte zu 3. als damaliger Leiter des Transplantationszentrums der Beklagten zu 1. der Beklagten zu 2. nicht die alleinige Aufklärung der Klägerin verantwortlich alleine überlassen dürfen; unstreitig hatte er der Beklagten zu 2. auch nicht etwa vorgegeben, die Aufklärung der Klägerin in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nur in Anwesenheit eines zweiten Arztes vorzunehmen.
75cc) Die Beklagte zu 1. haftet ihrerseits, da sie sich das vorwerfbare pflichtwidrige Verhalten ihrer ärztlichen Mitarbeiter rechtlich zurechnen lassen muss.
762.
77Die von der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 4., 5. und 6. erhobene Klage ist dagegen unbegründet.
78a)
79Hinsichtlich dieser verklagten Ärzte ist nicht festzustellen, dass sie persönliche Kenntnis davon hatten, dass die Klägerin in den operativen Eingriff vom 31. Oktober 2007, den der Beklagte zu 5. als Operateur medizinisch verantwortlich durchführte, eingewilligt hatte, ohne in der hierfür gesetzlich bestimmten Form regelgerecht
80aufgeklärt worden zu sein. Etwas Anderes wäre von der Klägerin ansonsten prozessual konkret darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen gewesen.
81Eine entsprechende substantiierte Konkretisierung einer solchen Haftungsverpflichtung ist seitens der Klägerin jedoch auch nicht im Rahmen der Klageerweiterung vom 07. Juni 2011 erfolgt.
82b) Es hat sich auch nicht ergeben, dass die bezeichneten Ärzte es etwa in vorwerfbarer Weise versäumt hätten, sich persönlich präoperativ davon zu vergewissern, dass die Klägerin in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise aufgeklärt worden ist; sie durften mangels anderer Anhaltspunkte vielmehr darauf vertrauen, dass die Einverständniserklärung der Klägerin bezüglich des operativen Eingriffs vom 31. Oktober 2007 in rechtlich wirksamer Weise zustande gekommen ist, da dies bezüglich der Abläufe eines besonders eingerichteten Transplantationszentrums generell erwartet werden durfte; auch hierzu hat die Klägerin etwas Anderes nicht dargelegt.
833.
84Die Klage ist daher gegenüber den Beklagten zu 1., 2. und 3. dem Grunde nach gerechtfertigt sowie bezüglich des von der Klägerin eigenständig gestellten Feststellungsantrages begründet.
85Dabei besteht der Schaden der Klägerin, wie gemäß dem Einwand der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Verhandlungstermin erörtert worden ist, bereits darin, dass der Klägerin ohne eigene medizinische Indikation zu Zwecken der Lebendorganspende die gesunde linke Niere entnommen wurde, demnach ein bis dahin intaktes korporales Organsystem zerstört worden ist; dies allein begründet bereits die Verpflichtung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie zumindest teilweise zur Leistung von materiellen Schadensersatz als Folge der vorwerfbar
86rechtswidrigen durchgeführten Lebendorganentnahme.
87II.
88Im Übrigen bedarf der Rechtsstreit zur Begründetheit der (konkreten) Höhe des bezifferten Anspruchsbegehrens der Klägerin der weiteren gerichtlichen Aufklärung in Form der Durchführung einer Beweisaufnahme zu den insoweit gegebenen Streitpunkten der Parteien, wobei prozessrechtlich nicht damit zu rechnen ist, dass das immaterielle und materielle Anspruchsverlangen der Klägerin nicht zumindest teilweise begründet ist.
89Die weiteren Entscheidungen zur Hauptsache, soweit diese noch ausstehen, sowie die zu treffenden Nebenentscheidungen sind daher dem Schlussurteil vorbehalten.
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