Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 14c O 251/10 U.
Tenor
I.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin in Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Österreich schriftlich und vollständig Auskunft zu erteilen über die Herkunft und den Vertriebsweg der nachstehend wiedergegebenen Erzeugnisse seit dem 28. Februar 2008, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse, der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die Erzeugnisse bezahlt wurden:


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2.




II.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Österreich Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1) seit dem 28. Februar 2008 Erzeugnisse wie vorstehend unter Ziff. I. wiedergegeben angeboten hat, in Verkehr gebracht hat, hat herstellen lassen, gebraucht, eingeführt, ausgeführt, verkauft, zum Verkauf angeboten, zu einem der vorstehenden Zwecke besessen und/oder solche Erzeugnisse, jeweils unabhängig von der konkreten Farbgebung, wiedergegeben bzw. entsprechende Abbildungen insbesondere in Katalogen und Produktverpackungen verwendet hat, und zwar unter Angabe
1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei
– es der Beklagten zu 1) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist;
– die Beklagte zu 1) zum Nachweis der Angaben gemäß Ziffer II. 1. und 2. die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin in Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Österreich allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch seit dem 28. Februar 2008 begangene Handlungen, die Gegenstand der Verpflichtung zur Rechnungslegung gemäß Ziffer II. sind, entstanden ist oder noch entstehen wird.
IV.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, in Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und Österreich die unmittelbar oder mittelbar in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I. zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 1) herauszugeben.
V.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, in Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Erzeugnisse gemäß Ziffer I. gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten geschmacksmusterverletzenden Zustand der Erzeugnisse und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen.
VI.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, der Klägerin in Bezug auf das Gebiet von Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und Österreich schriftlich und vollständig Auskunft zu erteilen über die Herkunft und den Vertriebsweg von Erzeugnissen gemäß Ziff. I., soweit diese im Zusammenhang mit Lieferungen an die Beklagte zu 1) stehen, seit dem 28. Februar 2008, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse, der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die Erzeugnisse bezahlt wurden.
VII.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in Bezug auf das Gebiet von Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und Österreich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 2) seit dem 28. Februar 2008 Erzeugnisse gemäß Ziff. I., soweit diese im Zusammenhang mit Lieferungen an die Beklagte zu 1) stehen, hergestellt hat, hat herstellen lassen, angeboten, in Verkehr gebracht, eingeführt, ausgeführt, verkauft, benutzt, zu den vorstehend genannten Zwecken besessen und/oder solche Erzeugnisse, jeweils unabhängig von der konkreten Farbgebung, wiedergegeben bzw. entsprechende Abbildungen insbesondere in Katalogen und auf Produktverpackungen und/oder im Internet verwendet hat, und zwar unter Angabe
1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei
– es der Beklagten zu 2) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 2) dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist;
– die Beklagte zu 2) zum Nachweis der Angaben gemäß Ziffer VII. 1. und 2. die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
VIII.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die seit dem 28. Februar 2008 begangenen Handlungen, die Gegenstand der Verpflichtung zur Rechnungslegung gemäß Ziff. VII. sind, entstanden ist oder noch entstehen wird.
IX.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, in Bezug auf das Gebiet von Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und Österreich die unmittelbar oder mittelbar in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I., soweit diese im Zusammenhang mit Lieferungen an die Beklagte zu 1) stehen, zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 2) herauszugeben.
X.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, in Bezug auf das Gebiet von Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland Erzeugnisse gemäß Ziffer I., soweit diese im Zusammenhang mit Lieferungen an die Beklagte zu 1) stehen, gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten geschmacksmusterverletzenden Zustand der Erzeugnisse und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen.
XI.
Die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.
XII.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 70 %, die Beklagte zu 1) zu 20 % und die Beklagte zu 2) zu 10 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 1) zu 40 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen die Klägerin zu 80 % und die Beklagte zu 2) zu 20 %.
XIII.
Das Urteil ist für die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,-- € und gegenüber der Beklagten zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,-- € vorläufig vollstreckbar. Das Urteil ist für die Beklagten jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin nimmt die Beklagten jeweils auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Schadensersatzfeststellung, Vernichtung oder Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung, Rückruf, Urteilsbekanntmachung und Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Benutzung eines von ihnen vertriebenen sog. Balance Boards bzw. mit der Benutzung von Abbildungen eines von der Klägerin vertriebenen sog. Balance Boards aus einem eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Anspruch.
3Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 21.12.2007 angemeldeten und eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 000851944-0001, das am 30.01.2008 veröffentlicht wurde, wie nachstehend wiedergegeben (im Folgenden: Klagegeschmacksmuster):
40001.1 | |||||
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| 0001.2 |
| 0001.3 |
| 0001.4 |
| 0001.5 |
| 0001.6 |
| 0001.7 |
Seit 2007 vertreibt sie als Zubehör zu der ebenfalls von ihr vertriebenen, bekannten „Wii“-Videospiel-Konsole ein sog. Balance Board gemäß dem Klagegeschmacksmuster. Das Balance Board kann mit einer Computerspielkonsole dergestalt verbunden werden, dass der Spieler, der während des Spieles auf dem Board steht, über Gewichtverlagerungen das Spiel steuern bzw. beeinflussen kann.
6Die Beklagte zu 1) mit Sitz inxxxist die deutsche Vertriebsgesellschaft der Beklagten zu 2) mit Sitz in Frankreich. Die Beklagte zu 2) vertrieb europaweit ein Balance Board, wie im Einzelnen aus den Abbildungen im Tenor bzw. den als Anlagenkonvolut K 2 vorgelegten Abbildungen von Produktverpackungen und Produkten ersichtlich ist, in zwei verschiedenen Farbstellungen. Die Beklagte zu 1) als ihre deutsche Vertriebsgesellschaft vertrieb das angegriffene Balance Board unter anderem über das Internethandelshaus amazon.de sowie große Elektronikhandelsketten auf dem deutschsprachigen Markt nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz.
7Die Klägerin mahnte die Beklagte zu 1) deshalb mit Schreiben vom 23.08.2010 (Anlage K 8) unter Fristsetzung zum 03.09.2010 ab. Die Beklagte zu 1) antwortete hierauf mit Schreiben vom 02.09.2010 (Anlage K 9) und gab eine auf die Einfuhr, den Verkauf und das Anbieten zum Verkauf beschränkte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab, die die Klägerin mit Schreiben vom 20.09.2010 (Anlage K 10) annahm. Im Verlauf dieses Klageverfahrens erklärte die Beklagte zu 1) sodann in der Duplik vom 14.04.2011 (Bl. 133 ff. GA) ohne Anerkenntnis einer Rechtpflicht, dass sie sich strafbewehrt verpflichte, es künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Balance Boards in der auf Bl. 6 der Duplik (Bl. 138 GA) wiedergegebenen Form im geschäftlichen Verkehr zu gebrauchen, insbesondere anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder auszuführen und/oder zu diesen Zwecken zu besitzen. Diese Erklärung beziehe sich wie alle abgegebenen Unterlassungserklärungen ausdrücklich nur auf die Form des streitgegenständlichen Balance Boards und betreffe nicht die beiden Fußabdrücke, das LCD-Display oder das Zielscheibenmuster, die sich auf dem Balance Board befänden.
8Mit Schreiben vom 21.12.2010 (Anlage K 12) mahnte die Klägerin sodann die Beklagte zu 2) ab, die mit Schreiben vom 04.01.2011 (Anlage K 13) eine allerdings nicht auf die Benutzungshandlung des Herstellens bezogene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, die die Klägerin mit Schreiben vom 17.01.2011 (Anlage K 14) annahm. Die Beklagte zu 2) ergänzte die Unterlassungserklärung prozessual mit Schriftsatz vom 21.11.2011 (Bl. 230 ff. GA) um die Benutzungshandlung des Herstellens, wobei auch hier der Zusatz folgte, dass sich die abgegebenen Unterlassungserklärungen ausdrücklich nur auf die Form des streitgegenständlichen Balance Boards bezögen und nicht die Fußabdrücke, das LCD-Display oder das Zielscheibenmuster beträfen, das sich auf dem Balance-Board befinde.
9Im Schriftsatz vom 21.11.2011 (Bl. 230 ff. GA) erklärten beide Beklagten weiterhin ihre prozessual abgegebenen Unterlassungserklärungen klarstellend für rechtsverbindlich. Sämtliche abgegebenen Erklärungen erfassten jeweils die Formgebung der hier streitgegenständlichen Balance Boards unabhängig von der Farbgebung. Weiterhin nahmen beide Beklagten die auf S. 13 des Schriftsatzes (Bl. 242 GA) wiedergegebene Seitenansicht in die Unterlassungserklärung auf.
10Die Beklagten benutzen jeweils Abbildungen eines klagegeschmacksmustergemäßen Balance-Boards bzw. eines Teiles davon zur Bewerbung weiterer von ihnen jeweils vertriebener Zubehörartikel für die „Wii“-Konsole der Klägerin („Balance Bag“, „Premium Pack“, „Training Pack“, „Battery Pack“, „Silicon Fit“), unter anderem auf der Internetseite der Beklagten zu 1) www.bigben-interactive.de bzw. der Internetseite der Beklagten zu 2) www.bigben.fr., wie im Einzelnen aus den Klageanträgen zu A.II. bzw. B.II. ersichtlich ist.
11Die Klägerin ist der Ansicht, die Kammer sei gemäß Art. 6 Nr. 1 EuGVVO auch zur Entscheidung über die europaweit geltend gemachten Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2) berufen.
12Sie ist weiterhin der Ansicht, das in den Klageanträgen zu A.I. bzw. B.I. wiedergegebene Verletzungsmuster verletze das Klagegeschmacksmuster. Denn es sei von einem sehr weiten Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters auszugehen, dessen prägende Merkmale vom Verletzungsmuster weitgehend identisch übernommen würden. Geringfügige Abweichungen fielen nicht ins Gewicht, zumal es sich jeweils um banale, vorbekannte bzw. technisch bedingte Merkmale handele, so dass das Verletzungsmuster denselben Gesamteindruck erwecke. Nicht nur die Benutzung des in den Klageanträgen zu A.I. und B.I. wiedergegebenen Verletzungsmusters sei geschmacksmusterverletzend, sondern auch die unstreitige Wiedergabe des von der Klägerin nach dem Klagegeschmacksmuster vertriebenen Balance Boards bei der Bewerbung weiterer Zubehörartikel, wie sie im Einzelnen in den Klageanträgen zu A.II. und B.II. zu sehen seien. Anders als im Markenrecht gemäß Art. 12 lit. c Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) bzw. § 23 Nr. 3 MarkenG gäbe es im Geschmacksmusterrecht kein Recht zur freien Benutzung eines Musters als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör bzw. Ersatzteil, und sei eine solche auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt.
13Die Klägerin ist der Ansicht, die Folgeansprüche seien nicht mosaikartig an das Recht jedes Mitgliedsstaates anzuknüpfen, in dem die Verletzungserzeugnisse auf dem Markt seien (sog. Mosaikansatz), sondern einheitlich an das Recht des Mitgliedsstaates, in dem die Beklagten jeweils Verletzungshandlungen begangen hätten oder begehen würden, wobei diese Voraussetzungen vorliegend jeweils am Geschäftssitz der Beklagten, mithin in Deutschland bzw. Frankreich erfüllt seien. Sie verweist insoweit auf das von ihr als Anlage K 28 vorgelegte Gutachten von Frau Prof. Dr. Kur vom 12.03.2012. Die geltend gemachten Folgeansprüche seien mithin jeweils einheitlich hinsichtlich der Beklagten zu 1) an deutsches Recht und hinsichtlich der Beklagten zu 2) an französisches Recht anzuknüpfen. Aber auch soweit man dem Mosaikansatz folgen wolle, seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung der einzelnen Ansprüche gegenüber den Beklagten in jedem einzelnen Mitgliedsstaat erfüllt, wie sich im Einzelnen aus den Ausführungen im Ergänzungsgutachten von Prof. Dr. xxxvom 14.09.2012 (Anlage K 72) ergebe.
14Die Klägerin trägt vor, es handele sich bei der Herstellung in China – deren Ausschließlichkeit sie bestreitet – um einen klassischen Fall der Lohnherstellung im Wege der verlängerten Werkbank, so dass die Beklagte zu 2) auch als Herstellerin anzusehen sei und insoweit ebenfalls ein Unterlassungsanspruch bestehe. Schon die Tatsache, dass die Beklagte zu 2) unstreitig über eigene Design- und Produktionskapazitäten in Hongkong verfüge, sei geeignet, eine Begehungsgefahr im Hinblick auf diese Benutzungshandlungen zu begründen. Beide Parteien seien international tätig, wie sich etwa aus der Bewerbung von Messeauftritten durch beide Beklagten auf den Messen „Gamescon 2012“ in Köln oder IFA 2012 in Berlin (Anlage K 46) ergebe. Für die Beklagte zu 1) ergebe sich dies auch aus ihrem als Anlage K 45 eingereichten Handelsregisterzug, wonach ihr Geschäftsgegenstand auch der Import und Export sowie das Marketing sei.
15Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten wie aus den Anlagen K 31 und K 32 ersichtlich jeweils noch am 25.11.2011 das Verletzungsmuster in verschiedenen Angebotskombinationen mit weiterem Zubehör in ihren Onlineshops unter bzw. ……angeboten. Die auf der deutschen Homepage benannten Händler der Beklagten, wie etwa oder , lieferten auf Wunsch auch in andere EU-Länder (Anlage K 47 – K 50). Die Klägerin trägt ergänzend zum Verkauf durch solche Händler in insgesamt 20 EU-Mitgliedsstaaten vor (S. 30 ff. des Schriftsatzes vom 14.09.2012, siehe auch Anlagen K 26, 35, 36, 51 bis K 70). Sie ist der Ansicht, im Ergebnis seien sämtliche Verletzungshandlungen durch den weiteren Verkauf durch Dritte den Beklagten zuzurechnen. Denn sei das Verletzungsmuster einmal mit Zustimmung der Beklagten in den Verkehr gelangt, erfolge auch die Zirkulation zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten mit Zustimmung der Beklagten. Es obliege den Beklagten, substantiiert darzulegen und zu beweisen, dass ihr Vertriebssystem nach einzelnen Mitgliedsstaaten unterscheide und ausgerechnet das Verletzungsmuster nicht europaweit erhältlich sei.
16Die Klägerin beantragt nunmehr, nachdem sie die zunächst nur gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage mit Schriftsatz vom 22.02.2011 auf die Beklagte zu 2) erweitert und sodann mit Schriftsatz vom 08.03.2011 erstmalig den Auskunftsantrag gegenüber der Beklagten zu 1), mit Schriftsatz vom 11.11.2011 erstmalig die Anträge auf Urteilsveröffentlichung und mit Schriftsatz vom 14.09.2012 erstmalig die Anträge A.II. und B.II. nebst der darauf bezogenen Folgeanträge gestellt hat, wie folgt zu erkennen:
17A.
18I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union so genannte „Balance Boards“ gemäß nachstehenden Abbildungen
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anzubieten, in Verkehr zu bringen, herstellen zu lassen und/oder zu gebrauchen (jeweils mit Ausnahme der Einfuhr, des Verkaufs und des Anbietens zum Verkaufs), auszuführen und/oder zum Zwecke des Anbietens, Inverkehrbringens, Gebrauchens sowie der Ein- und Ausfuhr zu besitzen und/oder Erzeugnisse gemäß Ziffer A. I., jeweils unabhängig von der konkreten Farbgebung, wiederzugeben bzw. entsprechende Abbildungen insbesondere in Katalogen und Produktverpackungen zu verwenden.
30II. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union Balance Boards gemäß nachstehenden Abbildungen, jeweils unabhängig von der konkreten Farbgebung, wiederzugeben bzw. entsprechende Abbildungen insbesondere in Katalogen und auf Produktverpackungen und/oder im Internet zu verwenden:
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III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union schriftlich und vollständig Auskunft zu erteilen über die Herkunft und den Vertriebsweg der Erzeugnisse gemäß Ziffer A.I. und Abbildungen gemäß Ziffer A.II. seit dem 28. Februar 2008, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse gemäß Ziffer A.I. und Abbildungen gemäß Ziffer A.II., der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse gemäß Ziffer A.I. und Abbildungen gemäß Ziffer A.II. sowie über die Preise, die für die Erzeugnisse gemäß Ziffer A.I. und der Abbildungen gemäß Ziffer A.II. bezahlt wurden.
45IV. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1) seit dem 28. Februar 2008 Handlungen gemäß Ziffer A.I. sowie Handlungen der Einfuhr, des Verkaufs und des Anbietens zum Verkauf begangen hat, und zwar unter Angabe
461. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
472. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
483. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
494. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
505. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei
51– es der Beklagten zu 1) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist;
52– die Beklagte zu 1) zum Nachweis der Angaben gemäß Ziffer A.IV.1. und 2. die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
53V. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 1 seit dem 28. Februar 2008 Handlungen gemäß Ziffer A.II. begangen hat, und zwar unter Angabe der
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1 konkreten Medien (z.B. Zeitschriften, Kataloge, Flyer, Internetseiten), in denen die Abbildungen verwendet wurden, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe bzw. „Hits“ der Besucher von Internetseiten, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
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2 Namen und Anschriften der Hersteller der Abbildungen,
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3 Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Abbildungen bestimmt waren,
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4 nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei
– es der Beklagten zu 1) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist;
63– die Beklagte zu 1) zum Nachweis der Angaben gemäß Ziffer A.V.1. und 2. die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
64VI. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch seit dem 28. Februar 2008 begangene Handlungen gemäß Ziffer A.I. einschließlich Handlungen der Einfuhr, des Verkaufs und des Anbietens zum Verkauf sowie Handlungen gemäß Ziffer A.II. entstanden ist oder noch entstehen wird.
65VII. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union die unmittelbar oder mittelbar in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer A.I. und Abbildungen gemäß Ziffer A.II. zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 1) herauszugeben.
66VIII. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union Erzeugnisse gemäß Ziffer A.I. und Abbildungen gemäß Ziffer A.II. gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten geschmacksmusterverletzenden Zustand der Erzeugnisse sowie Abbildungen und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen.
67IX. Der Klägerin wird die Befugnis zugesprochen, das Urteil auf Kosten der Beklagten zu 1) in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union öffentlich, in Form einer gut lesbaren, mindestens halbseitigen Wiedergabe in einer jeweils landesweit erscheinenden Tageszeitung bekannt zu machen, soweit das Urteil die Beklagte zu 1) betrifft.
68X. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von EUR 5.375,20 an vorprozessualen Abmahnkosten zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
69B.
70I. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern der Beklagten zu 2) zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union so genannte „Balance Boards“ gemäß nachstehenden Abbildungen
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herzustellen oder herstellen zu lassen und/oder Erzeugnisse gemäß Ziffer B.I.1.-I.2., jeweils unabhängig von der konkreten Farbgebung, wiederzugeben bzw. entsprechende Abbildungen insbesondere in Katalogen und auf Produktverpackungen und/oder im Internet zu verwenden.
81II. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern der Beklagten zu 2) zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union Erzeugnisse gemäß nachstehenden Abbildungen, jeweils unabhängig von der konkreten Farbgebung, wiederzugeben bzw. entsprechende Abbildungen insbesondere in Katalogen und Produktverpackungen zu verwenden:
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III. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, der Klägerin in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union schriftlich und vollständig Auskunft zu erteilen über die Herkunft und den Vertriebsweg der Erzeugnisse gemäß Ziffer B.I. und Abbildungen gemäß Ziffer B.II. seit dem 28. Februar 2008, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse gemäß Ziffer B.I. und Abbildungen gemäß Ziffer B.II., der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse gemäß Ziffer B.I. und Abbildungen gemäß Ziffer B.II. sowie über die Preise, die für die Erzeugnisse gemäß Ziffer B.I. und der Abbildungen gemäß Ziffer B.II. bezahlt wurden.
96IV. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 2 seit dem 28. Februar 2008 Handlungen gemäß Ziffer B.I. sowie Handlungen des Anbietens, des Inverkehrbringens, der Ein- bzw. Ausfuhr, des Verkaufs, der Benutzung und des Besitzes zu den genannten Zwecken begangen hat, und zwar unter Angabe
971. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
982. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
993. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnung) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
1004. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
1015. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei
102– es der Beklagten zu 2) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 2) dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist;
103– die Beklagte zu 2) zum Nachweis der Angaben gemäß Ziffer B.IV.1. und 2. die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
104V. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte zu 2 seit dem 28. Februar 2008 Handlungen gemäß Ziffer B.II. begangen hat, und zwar unter Angabe der
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1 konkreten Medien (z.B. Zeitschriften, Kataloge, Flyer, Internetseiten), in denen die Abbildungen verwendet wurden, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe bzw. „Hits“ der Besucher von Internetseiten, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- 108
2 der Namen und Anschriften der Hersteller der Abbildungen,
- 110
3 Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Abbildungen bestimmt waren,
- 112
4 der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei
– es der Beklagten zu 2) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 2) dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist;
114– die Beklagte zu 2) zum Nachweis der Angaben gemäß Ziffer B.V.1. und 2. die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
115VI. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch seit dem 28. Februar 2008 begangene Handlungen gemäß Ziffer B.I. einschließlich Handlungen der Einfuhr, des Verkaufs und des Anbietens zum Verkauf sowie Handlungen gemäß Ziffer B.II. entstanden ist oder noch entstehen wird.
116VII. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union die unmittelbar oder mittelbar in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer B.I. und Abbildungen gemäß Ziffer B.II. zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 2) herauszugeben.
117VIII. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, in Bezug auf das Gebiet der Europäischen Union Erzeugnisse gemäß Ziffer B.I. und Abbildungen gemäß Ziffer B.II. gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten geschmacksmusterverletzenden Zustand der Erzeugnisse sowie Abbildungen und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen.
118IX. Der Klägerin wird die Befugnis zugesprochen, das Urteil auf Kosten der Beklagten zu 2) in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union öffentlich, in Form einer gut lesbaren, mindestens halbseitigen Wiedergabe in einer jeweils landesweit erscheinenden Tageszeitung bekannt zu machen, soweit das Urteil die Beklagte zu 2) betrifft.
119X. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von EUR 5.375,20 an vorprozessualen Abmahnkosten zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
120Hilfsweise für den Fall, dass die Kammer der Ansicht ist, dass sich die Beklagten zu 1) und 2) durch die weiteren, im Verlauf des Verfahrens abgegebenen Erklärungen hinreichend rechtsverbindlich unterworfen haben, hinsichtlich der Ansprüche gemäß A.I. und B.I. festzustellen, dass die Klage insoweit jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung zulässig und begründet war.
121Die Beklagten beantragen,
122die Klage abzuweisen.
123Die Beklagten rügen die internationale und örtliche Zuständigkeit des Gerichts, soweit bezüglich der Beklagten zu 2) EU-weite, über das Territorium der BRD hinausgehende Ansprüche geltend gemacht werden. Eine Konnexität im Sinne des Art. 6 Nr. 1 EuGVVO könne allenfalls im Hinblick auf ein Zusammenwirken im Rahmen einer Absatzkette in Deutschland und Österreich vorliegen. Ansonsten fehle es bereits an einer gleichen Sach- und Rechtslage.
124Die Beklagten sind der Ansicht, es liege keine Rechtsverletzung vor, da das angegriffene Balance Board einen anderen Gesamteindruck erwecke als das Klagegeschmacksmuster. Die Formgebung des Klagegeschmacksmusters weise keine besondere Eigenart auf, wie ein Vergleich mit den als Anlagen B 1 bis B 5 vorgelegten Entgegenhaltungen ergebe. Allenfalls komme ihm ein enger Schutzbereich zu, aus dem die markanten Unterschiede wie die auf der Frontseite aufgebrachten Füße und die Zielscheibe hinausführten.
125Die Beklagten sind der Ansicht, hiervon abgesehen fehle es bezüglich der Unterlassungsanträge bereits an einer Wiederholungs- bzw. Begehungsgefahr. Sie behaupten diesbezüglich - von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten -, die Beklagte zu 1) unterhalte kein eigenes Lager in Deutschland mehr, sondern biete nur Computerspielzubehör in Deutschland an und nehme die Bestellungen entgegen, die dann ausschließlich von der Beklagten zu 2) von deren Lager aus ausgeführt würden. Damit habe die Beklagte zu 1) das komplette von ihr zuvor in Bezug auf die streitgegenständliche Produkte betriebene Geschäft bereits mit der vorprozessual abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung unter Strafe gestellt. Dies gelte insbesondere für die Ausfuhr, wobei sie unstreitig in einzelnen Fällen auch an Kunden in der Schweiz und Österreich geliefert habe. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1) auf einmal ihr Geschäftsmodell ändern und andere Benutzungshandlungen vornehmen würde, seien nicht ersichtlich. Auf der Vertriebsstufe der Beklagten zu 1) erfolgten keine anderen Benutzungshandlungen als der Verkauf, insbesondere sei ein Verleasen oder unentgeltliches Überlassen unüblich und nicht erfolgt. Den Vertrieb habe sie eingestellt. Die Beklagten bestreiten insoweit mit Nichtwissen, dass noch Dritte das Produkt auf Lager hätten und vertreiben würden.
126Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 2) habe das Produkt nicht selbst hergestellt, sondern im schutzrechtsfreien Ausland erworben, wie sich bereits dem Zusatz „Made in China“ auf der Umverpackung entnehmen lasse. Sie selbst sei nie Herstellerin gewesen und habe das fertig entwickelte Produkt von einem chinesischen Hersteller erworben, der dieses unabhängig von der Beklagten zu 2) entwickelt und produziert habe. Ihre unstreitig bestehenden eigenen Design- und Produktionskapazitäten in Hongkong habe sie für das angegriffene Produkt nicht benutzt. Dies wäre nach Abgabe der Unterlassungserklärung auch abwegig.
127Die Beklagten sind des Weiteren der Ansicht, die Folgeansprüche seien gegenüber der Beklagten zu 1) ganz überwiegend unbegründet, da die Beklagte zu 1) außerhalb von Deutschland und Österreich nicht in der Europäischen Union gehandelt habe und Folgeansprüche nach österreichischem Recht nicht hinreichend dargelegt seien. Aus den als Anlagen B 9 und B 10 vorgelegten Screenshots der Eingangsseite der Webseite der Beklagten zu 2) ergebe sich unmissverständlich, dass die Beklagte zu 1) ausschließlich die nationale (deutsche) Vertriebsgesellschaft sei.
128Die Beklagten sind der Ansicht, der Auskunftsanspruch bezüglich der Lieferkette sei durch die Beklagte zu 1) bereits erfüllt, da sie vorprozessual unstreitig mitgeteilt habe, dass sie die Verletzungsmuster ausschließlich von der Beklagten zu 2) bezogen habe. Die Klägerin könne von ihnen des Weiteren keine Rechnungslegung verlangen. Da die Kaufentscheidung des Kunden nur zu einem unwesentlichen Teil auf der Formgebung beruhe, sondern deutlich gewichtiger auf Funktionalität, Preis und Marke, bestehe ein Schadensersatzanspruch allenfalls in Höhe eines geringen Bruchteils des gemachten Gewinns, so dass die Beklagten nicht die Offenlegung ihrer vollständigen Kalkulation schuldeten. Als Grundlage für die vorzunehmende Schätzung seien die anerkannten Auskünfte über Einkaufs- und Verkaufspreise sowie die Anzahl der eingekauften und verkauften Balance Boards ausreichend. Ohnehin seien die Gestehungskosten gering. § 46 GeschmMG gewähre gerade keine detaillierte Rechnungslegung bzgl. einzelner Lieferungen. Die Abgabe von Angeboten bzw. Werbemaßnahmen begründeten nicht die Möglichkeit eines zusätzlichen Schadens, so dass auch ein diesbezüglicher Auskunftsanspruch nicht bestehe. Der Anspruch auf Belegherausgabe sei unbegründet, aber auch unbestimmt. Der Herausgabeantrag bezüglich der Beklagten zu 1) gehe ins Leere, weil die Beklagte zu 1) bis zum 02.09.2010 allenfalls kurzzeitig einen mittelbaren Besitz an den unmittelbar von der Muttergesellschaft an ihre Kunden gelieferten Geräte gehabt habe, nicht aber mehr im Zeitpunkt der Klageerhebung. Der Rückrufanspruch sei jedenfalls unverhältnismäßig, da er faktisch ins Leere gehen und nur dem Anprangern der Beklagten dienen würde. Es sei nach der Lebenserfahrung praktisch ausgeschlossen, dass noch unmittelbare gewerbliche Abnehmer der Beklagten im Besitz der sog. Balance Boards seien.
129Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass die Klägerin an die Klägervertreter für die Abmahnung einen Betrag von 5.375,20 € gezahlt habe. Soweit die Klägerin unstreitig tatsächlich nicht RVG abgerechnet habe und behaupte, die tatsächlich angefallenen Gebühren seien höher als die geltend gemachten gesetzlichen Gebühren, sei der Vortrag unsubstantiiert, wobei nicht auszuschließen sei, dass die Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe. Die Mitwirkung eines Patentanwaltes sei nicht erforderlich gewesen, auch sei allenfalls ein Streitwert von 100.000,-- € angemessen gewesen.
130Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachfolgenden Entscheidungsgründe Bezug genommen.
131E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
132Die Klage ist nur teilweise zulässig und begründet.
133I.
1341.
135Die internationale Zuständigkeit der Kammer für die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage beruht auf Art. 82 Abs. 1 Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV). Die Jurisdiktion erstreckt sich nach Art. 83 Abs. 1 GGV auf die gesamte Europäische Union. Die örtliche Zuständigkeit beruht auf §§ 12, 13 ZPO, da die Beklagte zu 1) ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen hat. Das Landgericht Düsseldorf ist gemäß der Verordnung vom 02.06.2004, GV.NRW S. 291 i.V.m. der Verordnung vom 11.05.2004, GV-NRW S. 244/SGV.NRW.301 als Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht für alle nordrhein-westfälischen Landgerichtsbezirke zuständig.
1362.
137Die internationale Zuständigkeit für von der Beklagten zu 2) in Deutschland begangene Verletzungshandlungen beruht auf Art. 82 Abs. 5 GGV mit der Maßgabe, dass insoweit gemäß Art. 83 Abs. 2 GGV nur eine Zuständigkeit für diese Verletzungshandlungen besteht. Die darüber hinausgehende EU-weite Zuständigkeit hinsichtlich der Beklagten zu 2) beruht auf Art. 79 Abs. 1 GGV i.V.m. Art. 6 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO).
138Art. 6 Nr. 1 EuGVVO findet vorliegend Anwendung. Nach Art. 79 Abs. 1 GGV ist, soweit die GGV nichts anderes bestimmt, das am 27.09.1968 in Brüssel unterzeichnete Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVÜ) unter anderem auf Klagen auf Grundlage von Gemeinschaftsgeschmacksmustern anwendbar. Nach Inkrafttreten der EuGVVO zum 01.03.2002 gilt die Verweisung in Art. 79 Abs. 1 GGV gemäß Art. 68 Abs. 2 EuGVVO nunmehr als Verweisung auf die EuGVVO (vgl. Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 79 Rz. 4 m.w.N).
139Nach Art. 6 Nr. 1 EuGVVO kann eine Person, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, auch vor dem Gericht des Ortes, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, verklagt werden, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen können. Letzteres setzt nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch voraus, dass die abweichende Entscheidung des Rechtsstreits bei derselben Sach- und Rechtslage auftritt (EuGH GRUR 2007, 47 - ; GRUR 2012, 166 Rz. 79 –; GRUR 2012, 1169 Rz. 23 –). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
140a) Die Kammer ist gemäß Art. 82 Abs. 1 GGV zuständig für das Verfahren gegen die Beklagte zu 1) als Primärbeklagte. Dem Argument der Beklagten, Düsseldorf sei nicht Gericht des Sitzes, sondern Köln, da die Beklagte zu 1) ihren Sitz im dortigen Landgerichtsbezirk habe und schon deshalb der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nicht eröffnet sein könne, vermag die Kammer nicht zu folgen. Dies hätte zur Konsequenz, dass die Zuständigkeit nach Art. 6 Nr. 1 EuGVVO davon abhinge, ob eine Beklagte ihren Sitz zufällig im Landgerichtsbezirk des zuständigen Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts hat oder nicht. Eine umfassende, ausnahmslose Begrenzung der Kognitionsbefugnis im deliktischen Gerichtsstand findet sich schließlich in der GGV nicht, so dass diese nicht als Regel und Ausgangspunkt der Gesetzesauslegung heranzuziehen ist, wie die Beklagten meinen.
141b) Die Beklagte zu 2) als Sekundärbeklagte hat ihren Sitz des Weiteren in Frankreich, mithin innerhalb der EU.
142c) Zwischen den Klagen besteht des Weiteren eine so enge Beziehung, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zur Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen bei gleicher Sach- und Rechtslage notwendig erscheint (sog. Konnexität).
143Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH setzt die Annahme ein und derselben Sachlage voraus, dass es sich um dieselbe Verletzungshandlung handelt (EuGH GRUR 2007, 47 Rz. 27 –). Es kann nicht auf das Vorliegen derselben Sachlage geschlossen werden, wenn verschiedene Personen verklagt werden und die in verschiedenen Vertragsstaaten begangenen Verletzungshandlungen, die ihnen vorgeworfen werden, nicht dieselben sind (EuGH GRUR 2012, 1169 Rz. 25 –.Bei der Verletzung eines einheitlichen Gemeinschaftsschutzrechts im Falle einer sog. Verletzerkette ist indes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Urteil vom 14.12.2006 „Fahrzeugkomponenten“ (GRUR 2007, 705), der sich die Kammer anschließt, dabei nicht von parallelen Verletzungshandlungen, sondern von einer Beteiligung an einer einheitlichen Schutzrechtsverletzung auszugehen und damit von einer im Wesentlichen identischen Sachlage. Eine solche Verletzerkette im Sinne einer Beteiligung von Herstellern, Importeuren, Lieferanten bzw. Groß- und Einzelhändlern, die in verschiedenen Mitgliedsstaaten ansässig sind, an einer Schutzrechtsverletzung (vgl. BGH a.a.O., Rz. 16) liegt hier vor, da unstreitig geblieben ist, dass die Beklagte zu 1) die von ihr innerhalb der EU nach Deutschland und Österreich gelieferten Balance Boards von der Beklagten zu 2) bezogen hat. Das Klagebegehren zielt mithin im Wesentlichen auf die identische Sachlage. Diese Annahme steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH, der selbst nur für den Fall „paralleler“ Verletzungshandlungen von Konzerngesellschaften bezüglich eines Bündels nationaler Patentrechte von einer nicht gleichen Sachlage ausgegangen ist (EuGH GRUR 2007, 47 Rz. 27 –
144Die Konnexität ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil nicht dieselbe Rechtslage vorläge. Dabei bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung darüber, ob hinsichtlich der Folgeansprüche eine nationale Rechtsordnung oder die nationalen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedsstaaten zur Anwendung kommen (vgl. hierzu auch die nachstehenden Ausführungen unter Ziff. V.1.). Der EuGH hatte zwar zunächst den Standpunkt vertreten, dass, wenn für jede Klage nationales Recht zugrunde zu legen wäre, etwaigen Abweichungen zwischen den Entscheidungen dieser Gerichte nicht dieselbe Rechtslage zugrunde liegen würde (GRUR 2007, 47). Hiervon hat er aber in der Entscheidung Abstand genommen. Er hat dort (GRUR 2012, 166) unter Rz. 76 ff. im Einzelnen ausgeführt, dass sich dem Wortlaut von Art. 6 Nr. 1 EuGVVOnicht entnehmen lasse, dass es zu den Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschrift gehöre, dass die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen auf den gleichen Rechtsgrundlagen beruhten. Bei der Beurteilung, ob zwischen verschiedenen Klagen ein Zusammenhang gegeben sei, ob also in getrennten Verfahren die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestünde, sei der Umstand, dass die erhobenen Klagen auf derselben Rechtsgrundlage beruhten, nur einer von mehreren erheblichen Faktoren und keine unabdingbare Voraussetzung für eine Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVVO. Dass die gegen mehrere Beklagte erhobenen Klagen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhten, stehe daher als solches der Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVVO nicht entgegen, sofern für die Beklagten nur vorhersehbar war, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem mindestens einer von ihnen seinen Wohnsitz hatte, verklagt werden könnten. Dies gelte erst recht, wenn sich die nationalen Rechtsvorschriften, auf die die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen gestützt seien, als in den Grundzügen identisch erwiesen.
145Im Hinblick auf die in den nationalen Rechtsordnungen erfolgte Harmonisierung in Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 195 vom 02.06.2004, im Folgenden: Durchsetzungsrichtlinie) ist davon auszugehen, dass auch wenn hinsichtlich der Folgeansprüche verschiedene Rechtsordnungen zur Anwendung kämen, diese jedenfalls in ihre Grundzügen identisch wären und damit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Annahme von Konnexität nicht entgegenstehen würden.
146Schließlich besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen schon deshalb, weil die Verletzungsfrage durch die Gerichte der Mitgliedsstaaten unterschiedlich beurteilt werden könnte.
147d) Die Reichweite der Zuständigkeit der Kammer für Rechtsverletzungen der Beklagten zu 2) besteht demgemäß allerdings nur eingeschränkt.
148Wie vorstehend ausgeführt, begründet sich dieselbe Sachlage auf das Handeln der Beklagten zu 2) innerhalb einer sog. Verletzerkette mit der Beklagten zu 1). Die Kammer vertritt insoweit die Ansicht, dass für die Frage der internationalen Zuständigkeit bezüglich der Beklagten zu 2) zwischen Verletzungshandlungen im Rahmen der Verletzerkette mit der Beklagten zu 1) und den Verletzungshandlungen im Übrigen zu differenzieren ist. Der EuGH hat in seinen zu Art. 6 Nr. 1 EuGVVO ergangenen Entscheidungen immer wieder betont, dass diese besondere Zuständigkeitsregel eng auszulegen ist, da mit ihr von der Grundregel des Gerichtsstands des Wohnsitzes des Beklagten zu Art. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 abgewichen wird. Wie sich aus dem elften Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ergibt, müssen die Zuständigkeitsvorschriften nämlich in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten (EuGH NJW 2007, 3702 Rz. 35 – Freeport, m.w.N.; GRUR 2002, 1169 Rz. 74 f. Solvay ./. Honeywell). Dies gebietet es, die internationale Zuständigkeit der Kammer auch nur im Rahmen der rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten zu 2) anzunehmen, für die die Voraussetzungen des Art. 6 Nr. 1 EuGVVO auch vorliegen. Sollte man hingegen eine unbeschränkte internationale Zuständigkeit für sämtliche Verletzungshandlungen des Sekundärbeklagten innerhalb der EU im Falle einer durch eine Verletzerkette begründete Zuständigkeit nach Art. 6 Nr. 1 EuGVVO annehmen, würde dies unter Umständen zu einer Häufung potentieller Gerichtsstände führen. Denn dann wären gegenüber dem Sekundärbeklagten, der EU-weit etwa eine Vielzahl gewerblicher Abnehmer wie Großhändler beliefert oder seinen Vertrieb über eine Vielzahl von Vertriebsgesellschaften organisiert, was durchaus den Gepflogenheiten im Wirtschaftsleben entspricht, eine Vielzahl potentieller Gerichtsstände mit umfassender Kognitionsbefugnis jeweils am Sitz des Vertragspartners eröffnet. Dies aber würde dazu führen, dass sich für den Verletzten eine breite Auswahl an Gerichtsständen eröffnen würde, wodurch einer Praxis des „forum shoppings“ Vorschub geleistet würde. Dies aber würde die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsregeln des Brüsseler Übereinkommens und damit den Grundsatz der Rechtssicherheit, der diesem zugrunde liegt, beeinträchtigen (vgl. EuGH GRUR 2007, 47, , m.w.N.).
149Schließlich begegnet eine Differenzierung zwischen Verletzungshandlungen im Rahmen der Verletzerkette einerseits und sonstigen Verletzungshandlungen bei der Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nicht deshalb Bedenken, weil es sich jeweils um Verletzungshandlungen im Hinblick auf ein einheitliches Gemeinschaftsschutzrecht handelt. Denn auch nach der GGV zeitigt nicht jede Verletzungshandlung gegen ein Schutzrecht zwingend dieselben rechtlichen Konsequenzen, wenn etwa die Reichweite der Kognitionsbefugnis eines Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts im Gerichtsstand des Art. 82 Abs. 5 GGV gemäß Art. 83 Abs. 2 GGV territorial auf ein Mitgliedsland begrenzt ist und Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV bei Folgeansprüchen auf die Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten verweist, in denen die Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht. Auch begründet eine Verletzungshandlung nach ständiger Rechtsprechung des BGH in dem Mitgliedsstaat, in dem sie begangen worden ist, eine Wiederholungsgefahr, in den übrigen Mitgliedsstaaten hingegen nur eine Erstbegehungsgefahr (BGH GRUR 2012, 512 – Kinderwagen I; BGHZ 185, 224, Rz. 56 – Verlängerte Limousinen).
150Die Kammer sieht sich mit der von ihr vertretenen Ansicht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung „Fahrzeugkomponenten“ des BGH. Zwar hat der BGH in dem dort im – im streitentscheidenden Punkt identischen - Gemeinschaftsmarkenrecht entschiedenen Fall angenommen, dass die Zuständigkeit aus Art. 90 Abs. 1 GMV, Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ, Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO umfassend für alle in jedem Mitgliedsstaat begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen bestehe (BGH GRUR 2007, 705, Rz. 20). Indes bestand für den BGH in dem zu entscheidenden Fall kein Anlass, wie im vorliegenden Fall zwischen Verletzungshandlungen im Rahmen der Verletzerkette und sonstigen Verletzungshandlungen zu differenzieren, da gegenüber der dortigen Sekundärbeklagten nur der Unterlassungsanspruch EU-weit geltend gemacht worden war und Folgeansprüche nicht Gegenstand der Klage waren. Da nach ständiger, vorstehend bereits zitierter Rechtsprechung des BGH eine Verletzungshandlung, die in einem Mitgliedstaat begangen wird, in der Regel eine Begehungsgefahr für das gesamte Gebiet der Europäischen Union begründet (BGH GRUR 2012, 512 – Kinderwagen I; BGHZ 185, 224, Rz. 56 – Verlängerte Limousinen), wirkt sich die von der Kammer vorgenommene Differenzierung auf die Reichweite des Unterlassungsanspruchs im Regelfall nicht aus.
151Schließlich ist die Reichweite der Kognitionsbefugnis hinsichtlich der Beklagten zu 2) nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Die Kammer folgt insoweit der Auffassung von Ruhl a.a.O., der sich in seinem Kommentierung von Art. 84 unter RZ. 10 f. für den hier vorliegenden Fall einer durch Art. 6 Nr. 1 EuGVVO begründeten Zuständigkeit gegenüber der Sekundärbeklagten gegen eine territoriale Begrenzung der Kognitionsbefugnis ausgesprochen hat. Dies wird überzeugend damit begründet, dass die einzig in Art. 83 Abs. 2 GGV geregelte Einschränkung der Zuständigkeit gerade die Ausnahme gegenüber der gemeinschaftsweiten Zuständigkeit als Regel darstelle und der Anlass für die Einschränkung bei der Verletzungsortzuständigkeit, nämlich die fehlende Nähe anderer Mitgliedsstaaten als dem Mitgliedsstaat, in dem die Verletzung begangen worden ist, gerade nicht vorliege, wenn die Zuständigkeit des Gerichts aus Art. 79 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Nr. 1 EuGVVO begründet sei.
152II.
153Der mit Klageantrag zu A.I. bzw. B.I. geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht zwar aus Art. 10, 19 Abs. 1, 89 Abs. 1 lit. a) GGV, da das Verletzungsmuster die Rechte der Klägerin aus dem Klagegeschmacksmuster verletzt. Es fehlt aber, nachdem die Beklagten – teilweise erst im Verfahrensverlauf – strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben haben, an der Wiederholungsgefahr.
1541.
155a) Das Klagegeschmacksmuster zeigt ein Balance Board, das durch folgende Gestaltungsmerkmale geprägt ist:
156(1) Eine im Wesentlichen rechteckige, kissenförmige Grundform, bei der die Länge etwa die Hälfte der Breite beträgt, die Seiten konkav gewölbt und die vier Ecken gerundet sind;
157(2) im Bereich der gerundeten Ecken befinden sich jeweils auf der Unterseite kreisrunde Füße;
158(3) auf der Oberfläche befinden sich zwei Linien, die jeweils von der Mitte einer Seite zur Mitte der gegenüberliegenden Seite verlaufen;
159(4) auf der Oberfläche befindet sich eine weitere Linie, die der äußeren Formgebung im Wesentlichen folgend ein längliches Rechteck mit runden Ecken bildet;
160(5) innerhalb dieses Rechteckes befinden sich zwei weitere Linien in Form von Rechtecken mit abgerundeten Ecken, die voneinander beabstandet angeordnet sind;
161(6) in der Seitenansicht zeigt der Korpus im Wesentlichen eine Dreiteilung.
162b) Das Klagegeschmacksmuster ist rechtsbeständig. Die Rechtsbeständigkeit wird gemäß Art. 85 Abs. 1 GGV vermutet. Diese Vermutung haben die Beklagten nicht in statthafter Weise durch die Erhebung einer Nichtigkeitswiderklage angegriffen.
163c) Das angegriffene Muster stellt des Weiteren eine Verletzung des Klagegeschmacksmusters dar, da es denselben Gesamteindruck erweckt.
164aa) Für die Verletzungsprüfung nach Art. 10 Abs. 1 GGV kommt es darauf an, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Musters mit dem Gesamteindruck des eingetragenen Musters übereinstimmt, wobei nicht nur die Übereinstimmungen, sondern auch die Unterschiede zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 285, Rz. 30 – Kinderwagen II). Bei der Beurteilung des Schutzumfanges des Klagegeschmacksmusters ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen, Art. 10 Abs. 2 GGV. Zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters besteht dabei eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers können zu einem engen Schutzumfang des Musters mit der Folge führen, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen, während umgekehrt eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers einen weiten Schutzumfang zur Folge haben können, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer keinen unterschiedlichen Gesamteindruck erwecken (vgl. BGH a.a.O., Rz. 31 m.w.N.). Darüber hinaus wird der Schutzumfang des Klagegeschmacksmusters auch durch seinen Abstand vom vorbekannten Formenschatz bestimmt. Je größer der Abstand des Klagegeschmacksmusters zum vorbekannten Formenschatz ist, desto größer ist auch dessen Schutzumfang (vgl. BGH a.a.O., Rz. 32).
165bb) Der Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze weit.
166Es weist einen deutlichen Abstand zum vorbekannten Formenschatz auf. Die als Anlage B 1 zitierte Entgegenhaltung, ein traditionelles Balance Board in Form eines auf einem Ball aufgebrachten Brettes als Gerät zum Trainieren des Gleichgewichtssinns aus dem Jahre 2007, weist zwar ebenfalls eine im Wesentlichen rechteckige, längliche Grundform auf, bei der die Längsseite konkav ausgestaltet sind. Indes sind die schmalen Seiten konvex ausgestaltet, wodurch neben der deutlich länglicheren Form eine deutlich andere Grundform entsteht. Auch handelt es sich nicht – wie bei dem Klagegeschmacksmuster - um ein kompaktes Board, sondern vielmehr um eine breite, flache Holzscheibe, in deren Mitte sich ein Ball befindet. Das Kissenförmige fehlt völlig.
167Das als Anlage B 2 zitierte Geschmacksmuster DE 40501977-0001 zeigt eine Personenwaage mit einer rechteckigen Grundform mit leicht nach oben gewölbter Oberfläche. Die Form ist allerdings nahezu quadratisch statt länglich rechteckig wie beim Klagegeschmacksmuster. Die Ecken sind zwar gerundet, die Seiten aber gerade ausgestaltet und nicht konkav wie beim Klagegeschmacksmuster. Zu den deutlichen Unterschieden in der Grundform treten solche in der Oberflächengestaltung. Die Entgegenhaltung gemäß Anlage B 2 zeigt eine klare Teilung in einen mittigen, breiten schwarzen Streifen und zwei jeweils außen angeordnete, übereinanderliegende im Wesentlichen quadratische Formen.
168Die Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000214226-001 und Nr. 000177621-0006 aus dem Jahr 2004 zeigen hingegen zwar bereits eine konkave Linienführung an den Außenseiten, hierin erschöpfen sich jedoch die Übereinstimmungen mit dem Klagegeschmacksmuster, da die gezeigten Muster eine im Wesentlichen quadratische Grundform aufweisen. Die Oberflächen weisen jeweils keine augenfällig harmonische mittige Quer- und Längsteilung auf wie das Klagegeschmacksmuster und verfügen auch nicht über Füße. Insgesamt fehlt es den sehr flach ausgestalteten Entgegenhaltungen an der Kompaktheit des Klagegeschmacksmusters.
169Entsprechendes gilt für das als Anlage B 5 von den Beklagten entgegengehaltene US-Patent 2006/0267298 A 1 aus dem Jahr 2006, das ein Snowboard zeigt, das zwar auch eine konkave Gestaltung der oberen und unteren Außenlinien aufweist, aber im Übrigen eine klassische, deutlich längliche Snowboard-Form zeigt und über keinerlei markante Oberflächengestaltung verfügt.
170Wie sich aus der Auseinandersetzung mit dem weit beabstandeten Formenschatz gleichzeitig entnehmen lässt, ist die Musterdichte eher gering.
171cc) Das Verletzungsmuster fällt in den weiten Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters. Es übernimmt sämtliche eingangs zitierten, den Gesamteindruck des Klagegeschmacksmusters prägenden Merkmale. Sowohl die Grundform, insbesondere die konkaven Außenkanten und die hervortretenden gerundeten Füße, die Proportionen als auch die Einteilung der Oberfläche durch eingravierte Linien sind nahezu identisch übernommen.
172Dabei wird der informierte Benutzer insbesondere der markanten Formgebung besondere Aufmerksamkeit schenken, die im vorbekannten Formenschatz nicht aufzufinden ist. Insbesondere zeigen die Entgegenhaltung gemäß Anlage B 2 zwar eine Kissenform und die Entgegenhaltungen gemäß Anlagen B 3 und B 4 jeweils vier leicht konkave Seiten, aber dies jeweils nicht in der Kombination miteinander und vor allem nicht in der länglichen, sondern vielmehr in quadratischer Form.
173Die bei dem angegriffenen Muster vorhandenen Unterschiede vermögen diese nicht aus dem übereinstimmenden Gesamteindruck herauszuführen. Das Verletzungsmuster weist zwar mehrere Elemente der Oberflächengestaltung auf, die das Klagegeschmacksmuster nicht zeigt. Es handelt sich zum einen um die Fußabdrücke, die sowohl dreidimensional als auch farblich hervorgehoben sind, die mittig angeordnete Zielscheibe sowie das eingelassene LCD-Display. Diese Unterschiede sind indes gegenüber den übernommenen Merkmalen, insbesondere der Grundform, unterzugewichten. Die Fußabdrücke dienen lediglich der Verdeutlichung von Funktionen, ihnen wird deshalb vom informierten Benutzer für die Bestimmung des Gesamteindrucks weniger Gewicht zugemessen werden. Sie sind auch mannigfach aus dem vorbekannten Formenschatz bekannt, wie von der Klägerin durch Vorlage der Anlagen K 16 – K 19 dargetan. Eine Zielscheibe findet sich zwar beim Klagegeschmacksmuster nicht, durch die sich in der Mitte kreuzenden Quer- und Längsrillen wird aber lediglich das Zentrum des Boards optisch markiert. Hierdurch wird gleichzeitig die durch die Quer- und Längslinien gemäß Merkmal (3) auch beim Klagegeschmacksmuster gebildete Strukturierung der Oberfläche betont. Das Display ist schließlich vergleichsweise klein. Auch wird der informierte Benutzer es bei der Bestimmung des Gesamteindrucks untergewichten, da es ersichtlich einem rein funktionalen Zweck dient.
1742.
175Der der Klägerin nach alledem infolge der Verletzung des Geschmacksmusterrechts aus Art. 10, 19 Abs. 1, 89 Abs. 1 lit. a) GGV zunächst gegenüber der Beklagte zu 1) entstandene Unterlassungsanspruch erstreckt sich nicht auf die gegenüber der Beklagten zu 1) zum Klagegegenstand gemachte Benutzungshandlung des „Herstellenlassen“.
176Unstreitig hat die Beklagte zu 1) in der Vergangenheit keine rechtsverletzenden Erzeugnisse hergestellt oder von Dritten herstellen lassen, so dass eine Wiederholungsgefahr bezüglich dieser Verletzungshandlung nicht vorliegt. Auch eine Erstbegehungsgefahr liegt nicht vor. Allein der Vertrieb des angegriffenen Balance-Boards begründet eine solche nicht (vgl. Ruhl, a.a.O., Art. 89 Rz. 51 m.w.N.), sie ist vielmehr für den Einzelfall festzustellen (BGH GRUR 2013, 285 Rz. 51 – Kinderwagen II). Anhaltspunkte für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr liegen hier nicht vor. Die Beklagte zu 1) ist unstreitig faktisch eine reine Vertriebsgesellschaft, die keinerlei Vorkehrungen unternimmt, die von ihr vertriebenen Waren selbst oder durch Dritte herzustellen oder dies in der Vergangenheit bereits getan hätte.
1773.
178Im Übrigen ist die durch die vorstehend beschriebene Verletzung des Klagegeschmacksmusters begründete Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr hinsichtlich der im Einzelnen angegriffenen Benutzungshandlungen entfallen, nachdem die Beklagten jeweils strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben haben.
179a) Bezüglich der Beklagten zu 1) macht die Klägerin mit dem Klageantrag zu A.I. geltend, der Beklagten zu 1) das Anbieten, Inverkehrbringen, Herstellenlassen, Gebrauchen (jeweils mit Ausnahme der Einfuhr, des Verkaufs und des Anbietens zum Verkauf), die Ausfuhr und/oder den Besitz zum Zwecke des Anbietens, Inverkehrbringens, Gebrauchens sowie der Ein- und Ausfuhr und/oder die Wiedergabe bzw. Verwendung entsprechender Abbildungen insbesondere in Katalogen und Produktverpackungen von Balance-Boards zu untersagen.
180Bezüglich sämtlicher streitgegenständlicher Benutzungshandlungen mit Ausnahme des Herstellenlassens hat die Beklagte zu 1) zwischenzeitlich eine rechtsverbindliche strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, und zwar bezogen auf die Benutzungshandlungen des Gebrauchens, insbesondere des Anbietens, Inverkehrbringens, der Ausfuhr und des Besitzes zu diesem Zwecke. Damit sind sämtliche noch streitgegenständlichen Verletzungshandlungen umfasst. Die Beklagte zu 1) hat im Verfahrensverlauf auf entsprechende Rüge der Klägerin insbesondere Abbildungen des Verletzungsmusters in sämtlichen Ansichten und in Farbe zum Gegenstand ihrer Erklärung gemacht.
181Die Unterlassungserklärung gilt auch uneingeschränkt für das rechtsverletzende Erzeugnis. Soweit die Beklagte zu 1) ihre Unterlassungserklärung dahingehend einschränkt hat, dass sich die Erklärung nur auf die Form des Balance-Boards, nicht die beiden Fußabdrücke, das LCD-Display oder das Zielscheibenmuster beziehe, so stellt dies keine Einschränkung der geschmacksmusterrechtlichen Unterlassungsverpflichtung dar. Ein Geschmacksmuster schützt nicht eine bestimmte Oberflächengestaltung, sondern eine bestimmte Formgebung. Die im angegriffenen Muster in Form von Fußabdrücken und einer Zielscheibe eingezeichneten Linien sowie das LCD-Display sind jedoch erkennbar Bestandteil der Formgebung und damit von der Unterlassungserklärung, die ersichtlich lediglich die isolierte Benutzung dieser Gestaltungsmerkmale außerhalb des angegriffenen Musters ausnehmen wollte, umfasst. Schließlich hat die Beklagte zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2012 zu Protokoll klargestellt, dass sich die Unterlassungserklärungen auf die Erscheinungsform des Erzeugnisses beziehen. Genau dies sei mit dem Begriff „shape“ in der englischen Fassung gemeint.
182Zweifel an der Ernstlichkeit der Erklärung der Beklagten zu 1) bestehen nicht. Zwar hat die Beklagte zu 1) ihre Unterlassungserklärung vom 14.04.2011 noch durch Schriftsatz vom 21.11.2011 ergänzt und auch in der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2012 diesbezüglich noch eine ergänzende Klarstellung zu Protokoll erklärt, so dass nicht eine einheitliche Unterlassungserklärung vorliegt. Indes ist die Bezugnahme der ergänzenden Erklärungen auf die ursprüngliche Unterlassungserklärung vom 14.04.2011 eindeutig und bestehen gerade angesichts der ausdrücklichen Erklärung der Beklagten zu 1) vom 21.11.2011, die Erklärung sei rechtsverbindlich, kein Anhaltspunkte dafür, die Erklärungen seien nicht ernstlich gewollt.
183b) Die Beklagte zu 2) hat mit prozessualem Schriftsatz vom 21.11.2011 die vorprozessual abgegebene Unterlassungserklärung auf die Benutzungshandlung des Herstellens erstreckt und die Erklärung in der Folge in gleicher Weise wie auch die Beklagte zu 1) ergänzt. Damit liegt auch bezüglich der Beklagten zu 2) aus den bereits dargelegten Gründen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung vor, die die Wiederholungsgefahr entfallen lässt. Ergänzend hierzu gilt, dass die Benutzungshandlung des Herstellens als deren passive Begehungsform auch das Herstellenlassen umfasst (vgl. Ruhl, a.a.O., Art. 19 Rz. 45, wonach im Fall der Lohnherstellung auch der Auftraggeber als Hersteller anzusehen sein soll).
184c) Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht durch eine nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung begangene Verletzungshandlung wieder aufgelebt.
185Der weiterhin andauernde Vertrieb von rechtsverletzenden Erzeugnisse durch Vertragspartner der Beklagten zu 1) wie amazon oder große Elektronikhändler, den die Klägerin durch die Vorlage der Anlagen K 33 – 36 belegt hat, stellt entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht keine den Beklagten zuzurechnende Verletzungshandlung dar. Das Inverkehrbringen, d.h. die Überlassung des rechtsverletzenden Erzeugnisses an einen unabhängigen Dritten, stellt schon nach dem Wortlaut der Verordnung eine eigene Benutzungshandlung im Sinne des Art. 19 GGV dar. Das Inverkehrbringen durch den Dritten, hier die Vertragspartner der Beklagten zu 1), stellt sodann seinerseits eine eigene Benutzungshandlung des Dritten dar. Anlass dafür, die Art des Inverkehrbringens durch den Dritten auch dem Lieferanten zuzurechnen, besteht nicht, da dessen Benutzungshandlung mit der Überlassung an den Dritten abgeschlossen ist. Es handelt sich gerade um zwei unabhängige Verletzungshandlungen, bei denen jeder Verletzer unabhängig voneinander dem Rechtsinhaber die Verwertung des Geschmacksmusters erschwert.
186Eine Haftung der Beklagten zu 1) als Teilnehmerin an den Rechtsverletzungen ihrer Vertragspartner kommt im Übrigen nicht in Betracht, weil sich insoweit Vorsatz bzw. Bewusstsein von der Rechtswidrigkeit sowohl des Vertragspartners als Haupttäters als auch der Beklagten zu 1) nicht feststellen lassen (vgl. hierzu Ruhl, a.a.O., Art. 89, Rz. 25).
187Soweit die Klägerin auch in der Verwendung klagegeschmacksmustergemäßer Abbildungen gemäß den Anlagen K 31 und 32 eine andauernde Verletzungshandlung erblickt hat, so ist auch dem nicht zu folgen, wie im Einzelnen nachstehend unter IV. im Einzelnen ausgeführt werden wird.
188III.
189Soweit die Klägerin hilfsweise zu dem Klageantrag zu A.I. bzw. B.I. jeweils die Feststellung der Erledigung beantragt hat, so ist die Klage bereits unzulässig, da es an dem gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.
190Die Frage, ob eine hilfsweise einseitige Erledigungserklärung zulässig ist, ist umstritten (vgl. hierzu die Nachweise bei Zöller-Vollkommer, ZPO, 29 Aufl., § 91 a Rz. 35). Nach der neueren Rechtsprechung des BGH, der die Kammer folgt, fehlt für den Feststellungsantrag, der in einer einseitigen hilfsweisen Erledigungserklärung enthalten ist, indes das erforderliche rechtliche Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO), das regelmäßig in einer günstigen Kostenfolge liegt (BGH NJW-RR 2011, 618 Rz. 22 – Wella, BGH NJW-RR 2006, 1378 Rz. 20). Denn eine günstige Kostenfolge nach § 91a Abs. 1 ZPO ist mit einem entsprechenden Hilfsantrag regelmäßig nicht zu erreichen, weil im Rahmen der Kostenentscheidung stets zu berücksichtigen ist, dass die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen worden ist. Die einseitige Erledigungserklärung dient gerade nicht dazu, dem Kläger zu Lasten des Prozessgegners das Prozessrisiko für die Einschätzung abzunehmen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist (BGH a.a.O.). Besondere Umstände, die hiervon abweichend ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Erledigung begründen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist kein Bedürfnis der Klägerin an der Feststellung ersichtlich, dass der Klageanspruch ursprünglich bestand, aber nicht mehr für die Zukunft geltend gemacht werden kann.
191IV.
192Die mit den Klageanträgen zu A.II. und B.II. geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagten bestehen jeweils nicht aus Art. 10, 19 Abs. 1, 89 Abs. 1 lit. a) GGV, da die beanstandete Benutzung von Abbildungen eines klagegeschmacksmustergemäßen Erzeugnisses bei der Bewerbung von Zubehör hierfür jeweils nicht von dem in Art. 19 Abs. 1 GGV gewährten Verbietungsrecht umfasst ist.
193Nach Art. 20 Abs. 1 lit c) GGV können Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht geltend gemacht werden für die Wiedergabe zum Zweck der Zitierung, sofern solche Handlungen mit den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs vereinbar sind, die normale Verwertung des Geschmacksmusters nicht über Gebühr beeinträchtigen und die Quelle angegeben wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1941.
195Die Benutzung des Klagegeschmacksmusters durch die Beklagten erfolgt in den unter A.II. und B.II. angegriffenen Fällen zum Zwecke der Zitierung.
196Der Begriff der Zitierung im vorbenannten Sinne bedarf der Auslegung. Die Kammer folgt dabei nicht der Auffassung, dass das Zitat schon aufgrund eines Vergleiches mit der französischen bzw. niederländischen Sprachfassung von Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV lediglich als Illustration zu verstehen ist, da in diesen von „illustration“ bzw. „illustratie“ die Rede ist (so aber mit der Einschränkung, das gleichwohl eine der Erläuterung dienende Veranschaulichung erforderlich ist, Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 4. Aufl., § 40 Rz. 5). Denn die deutsche Sprachfassung steht im Einklang mit der englischen, spanischen und italienischen Sprachfassung („citations“, „cita“, „citatione“). Nach zutreffender Ansicht ist für die Auslegung des Begriffs „zum Zweck der Zitierung“ vielmehr auf die Auslegung zurückzugreifen, die der Begriff „zum Zweck des Zitats“ in § 51 UrhG erfahren hat (so BGH GRUR 2011, 1117 Rz. 44 – ICE für den gleichlautenden § 40 Nr. 3 GeschmMG; Ruhl, a.a.O., Art 20 Rz. 14). Ein Zitat ist danach nur zulässig, wenn eine innere Verbindung zwischen dem verwendeten fremden Werk und eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen des Zitierenden dient (BGHZ 175, 135 Rz. 42, - TV-Total; BGH GRUR 2011, 415, Rz. 22 – Kunstausstellung im Online-Archiv). Der BGH hat deshalb in der ICE-Entscheidung für die Zulässigkeit einer Zitierung im Sinne der geschmacksmusterrechtlichen Schranke vorausgesetzt, dass eine innere Verbindung zwischen dem wiedergegebenen Muster und eigenen Gedanken des Zitierenden besteht und die Wiedergabe des Musters als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für eigene Ausführungen des Zitierenden dienen (BGH GRUR 2011, 1117, Rz. 46). Die Kammer geht allerdings davon aus, dass die Anforderungen an den inneren Zusammenhang und die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem verwendeten Werk in diesem Sinne dabei nicht zu hoch anzusetzen sind, da ein Geschmacksmuster nach Art. 3 lit. a) GGV gerade die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils desselben und gerade keine gedanklichen Inhalte schützt. Die vorgenannten Voraussetzungen liegen damit nach zutreffender Ansicht von Ruhl (a.a.O., Art. 20 Rz. 14) bereits dann vor, wenn die Zitierung eine gewisse Auseinandersetzung mit dem fremden Erzeugnis aufweist, wozu auch die Erklärung der Funktion zählt. Dieser Auffassung folgt offenbar auch der BGH, der in der ICE-Entscheidung in Rz. 49 nahelegt, dass auch die Benutzung einer Abbildung zur Veranschaulichung eines Projektbeispiels für eine angebotene Leistung die erforderliche innere Verbindung zwischen Abbildung und dem dargestellten Leistungsspektrum aufweisen würde. Durch eine dementsprechende Auslegung des Zitatbegriffs im Sinne einer erläuternden Auseinandersetzung mit dem fremden Erzeugnis wird gleichzeitig die rein ornamentale Verwendung des Geschmacksmusters, deren Aufnehmen in die Schrankenregelung zu einer ersichtlich nicht beabsichtigten Ausweitung der Schutzschranke führen würde, ausgenommen. Dies führt im Ergebnis auch zu einem gewissen Einklang mit der markenrechtlichen Benutzungsschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG bzw. Art. 12 lit. c) GMV, wonach der Inhaber einer Marke nicht das Recht hat, Hinweise auf die Bestimmung einer Ware zu untersagen, wobei Zubehör und Ersatzteile als Beispiele ausdrücklich aufgeführt sind.
197Die Wiedergabe eines Geschmacksmusters zum Zwecke der Veranschaulichung des Verwendungszweckes des vom Benutzer angebotenen Zubehör-Produktes stellt mithin eine Zitierung im Sinne des Art. 20 Abs. 1 lit c) GGV dar. Um eine solche Wiedergabe handelt es sich vorliegend jeweils, da die Beklagten das klagegeschmacksmustergemäße Erzeugnis jeweils zur Erläuterung der Funktion des angebotenen Zubehörartikels benutzen.
1982.
199Die Wiedergabe der Abbildung des klagegeschmacksmustergemäßen Balance Boards in der angegriffenen Weise entspricht des Weiteren jeweils den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs.
200Was den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs entspricht, ist einzelfallbezogen zu bestimmen (Ruhl, a.a.O., Art. 20 Rz. 17). Die Beklagten haben vorgetragen, dass es in der Zubehörbranche für Unterhaltungselektronik, insbesondere Computerspielkonsolen, allgemein üblich sei, die Originalprodukte, für die das jeweils Zubehör angeboten wird, auf der Verpackung abzubilden und ihren Vortrag durch die Vorlage der Anlagen B 16 – B 22 belegt. Diese zeigen Abbildungen einer Reihe von Produktverpackungen und Werbung für Zubehör für Produkte wie die Spielekonsole Wii, den Gameboy, den iPod, das iPad und das iPhone von xxx bei denen jeweils das Originalprodukt mit dem Zubehörartikel wiedergegeben ist. Die Kammer sieht ein solches Verhalten auch als redlich an. Der Käufer von Zubehör wird im Regelfall nicht stets die Typbezeichnung des Originalproduktes kennen, für das er einen Zubehörartikel kaufen möchte. Auch wird gerade bei Behältnissen wie im streitgegenständlichen Fall Schutzhüllen und –überzügen erst durch eine Darstellung der Funktion die Funktionsweise augenfällig und wird häufig der ästhetische Eindruck erst im benutzten Zustand wirklich beurteilt werden können.
2013.
202Gründe, weshalb die Verwertung des Klagegeschmacksmusters über Gebühr beeinträchtigt würde, sind nicht ersichtlich.
2034.
204Schließlich liegt mit der jeweiligen Angabe „compartible WiiTM“ auf den angegriffenen Produktverpackungen auch eine den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV genügende Quellenangabe vor.
205Zwar ist die Klägerin nicht namentlich in Bezug genommen. Soweit die Beklagten zunächst pauschal vorgetragen hatten, die Angabe sei jeweils mit dem Hinweis darauf verbunden, dass „Wii“ eine Marke der Klägerin sei, so hat sie diesen Vortrag auf das Bestreiten durch die Klägerin nicht mehr vertieft, so dass er als unsubstantiiert anzusehen ist. Auch erfordert die Quellenangabe in der Regel die Angabe des Herstellers oder des Schutzrechtsinhabers (vgl. Ruhl, a.a.O., Art. 20 Rz. 19). Im vorliegenden Fall handelt es sich indes bei dem Originalprodukt gerichtsbekannt um eine der bekanntesten Spielekonsolen, deren Herkunft aus dem Hause der Klägerin als einer der Marktführer dem an den Zubehörprodukten interessierten Verkehr in aller Regel bekannt ist. In den Fällen großer Bekanntheit sowohl des Originalproduktes als auch dessen Herstellers, wie etwa auch bei dem Produkt Playstation der Klägerin oder den Produkten iPad, iPod oder iPhone der Apple Inc., erachtet die Kammer deshalb die ausdrückliche Nennung des Herstellers oder Schutzrechtsinhabers für entbehrlich, da bereits die Angabe des Originalproduktes ausreichend ist, um diesen jedenfalls für den ganz überwiegenden Teil des Verkehr zu identifizieren. Denn die Angabe der Quelle dient der Information der gestalterischen und betrieblichen Herkunft des Originalproduktes (vgl. Eichmann/von Falckenstein, a.a.O., § 40 Rz. 5 a.E.); diese Information wird aber bei bekannten Produkten allein schon durch die Produktbezeichnung übermittelt.
2065.
207Dahinstehen kann nach alledem, ob die markenrechtliche Benutzungsschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG bzw. Art. 12 lit. c) GMV auch im Geschmacksmusterrecht entsprechend zur Anwendung kommt, in dem sie in den Benutzungsbegriff des Art. 19 GGV hineingelesen wird (hierfür wohl Ruhl, a.a.O., vor §§ 20-23, Rz. 6; ausdrücklich offengelassen von BGH a.a.O. - ICE, Rz. 53). Gleiches gilt für die Frage, ob eine entsprechende Anwendung der urheberrechtlichen Schutzschranke des § 57 UrhG in Betracht kommt, wonach die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig ist, wenn diese als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen ist (in diesem Sinne Urteil der Kammer vom 18.05, 2007, 14c O 44/07 – Liebe Deine Stadt), und ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen.
208V.
209Der Klägerin stehen weiterhin die mit den Klageanträgen zu A. III.-X. bzw. B. III.-X. geltend gemachten Folgeansprüche gegen die Beklagten nur teilweise zu, und zwar aus Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV i.V.m. mit den nachfolgend jeweils aufgeführten Vorschriften der einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten, in denen die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen.
2101.
211Die geltend gemachten Folgenansprüche bestimmen sich vorliegend nach dem Recht von Deutschland, Frankreich und Österreich.
212Gemäß Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV werden Geschmacksmusterverletzungen nach dem Recht des Mitgliedsstaates sanktioniert, das in der Rechtsordnung einschließlich des Internationalen Privatrechts des Mitgliedsstaates vorgesehen ist, in der die Verletzung begangen worden ist oder droht.
213a) Zur Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts ist die jeweilige Handlung, deren Sanktionierung begehrt wird, zu lokalisieren. Die wie unter Ziff. II. festgestellte geschmacksmusterverletzende Benutzung des Klagegeschmacksmusters ist durch die Beklagte zu 1) innerhalb des Geltungsbereichs der GGV in Deutschland und Österreich erfolgt. Verletzungshandlungen der Beklagten zu 2), die die rechtsverletzenden Produkte nach dem eigenen Vortrag der Beklagten an die Beklagte zu 1) als ihre Vertriebsgesellschaft geliefert bzw. unmittelbar an deren Kunden in Deutschland und Österreich versandt hat, liegen ebenfalls in diesen Mitgliedsstaaten und darüber hinaus in Frankreich vor, wo sie ihren Sitz hat.
214Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Anlagen K 47 ff. darauf verwiesen hat, dass Verletzungsprodukte nach wie vor über Dritte wie etwa amazon, expert AG, euronics oder Promarkt in anderen Mitgliedsländern vertrieben werden, so stellen diese keine den Beklagten zuzurechnenden Verletzungshandlungen dar, wie bereits vorstehend im Einzelnen unter Ziff. II. 3. c) ausgeführt. Verletzungshandlungen in anderen Mitgliedsstaaten – infolge der beschränkten internationalen Zuständigkeit der Kammer aus den unter I. dargelegten Gründen bezüglich der Beklagten zu 2) im Rahmen der hier streitgegenständlichen Verletzerkette - hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen.
215b) Das von den Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichten anzuwendende Recht bestimmt sich gemäß Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV nach dem nationalen Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates einschließlich dessen internationalen Privatrechts. Für Verletzungshandlungen seit dem 11.01.2009 gilt die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene Verordnung Nr. 864/2007 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverträge anzuwendende Recht vom 11.07.2007 (ABl. EU 2007 Nr. L 199, S. 40, im Folgenden Rom II – VO), Art. 31 Rom II-VO, wonach die Anwendung des nationalen Kollisionsrechts stets zur Verweisung auf das Sachrecht am jeweiligen Begehungsort führt (Art. 8 Abs. 2, 3 Rom II-VO). Die Verweisung auf das Sachrecht am jeweiligen Begehungsort entspricht auch der in den vorliegend betroffenen Mitgliedsstaaten zuvor anerkannten Anknüpfung an den Handlungs- bzw. Erfolgsort (vgl. für Deutschland Art. 40 EGBGB, für Österreich § 48 Abs. 1 IPRG a.F. und für das richterrechtlich geprägte französische internationale Privatrecht Cour de Cassation, Entscheidung vom 11.05.1999, Az. 97-13.972, ZEuP 2001, 150 ff. mit Anmerkung von Hein).
216c) Ob für das anwendbare Recht eine einheitliche Anknüpfung an das Recht eines Mitgliedsstaates zu erfolgen hat, hier an das Recht des jeweiligen Sitzstaates als dem Ort der schwerpunktmäßigen Verletzung (sog. Einheitsprinzip) oder ob jeweils das Recht der Mitgliedsstaaten anzuwenden ist, in denen Verletzungshandlungen begangen wurden (sog. Mosaikansatz), ist in der Literatur umstritten (vgl. zum Meinungsstand Ruhl, a.a.O., Art. 89 Rz. 87 mit weiteren Nachweisen). Diese Frage ist Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens des BGH vom 16.08.2012 (GRUR 2012, 1253 – Gartenpavillon). Mit diesem Beschluss hat der BGH dem EuGH die Frage zur Beantwortung vorgelegt, ob Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV dahingehend auszulegen ist, dass für unionsweit geltend gemachte Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters das Recht der Mitgliedstaaten anzuwenden ist, in denen die Verletzungshandlungen begangen wurden. Der BGH selbst erkennt zwar unter Rz. 48 f. der Vorlageentscheidung an, dass für eine einheitliche Anknüpfung an das Recht eines Mitgliedstaats Gesichtspunkte einer effektiven Rechtsdurchsetzung und die inzwischen erfolgte Harmonisierung durch die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29. April 2004 (ABl. EU Nr. L 195 vom 2. Juni 2004, S. 16) herangezogen werden dürften. Gegen diese Sichtweise spricht aber nach Ansicht des BGH der Wortlaut von Art. 89 Abs. 1 lit d) GGV. Danach bestimmen sich andere als die in Art. 89 Abs. 1 lit a) bis c) GGV genannten Anordnungen im Falle einer bereits erfolgten oder drohenden Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach der Rechtsordnung des Mitgliedstaats einschließlich seines internationalen Privatrechts, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen. Zu der Anordnung von Sanktionen nach Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV zählen, so der BGH, Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche. Für die Anwendung des Rechts der Mitgliedstaaten, auf deren Gebiet die Verletzungshandlungen begangen worden sein sollen, spreche nunmehr auch Art. 8 Abs. 2 Rom-II-VO.
217Die Kammer schließt sich den überzeugenden Argumenten des BGH an und hält insbesondere angesichts des klaren Wortlautes des Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV, der eine segmentierte Betrachtung der Verletzungshandlungen vorsieht und sich damit gerade von dem gemeinschaftsweit einheitlich zu beurteilenden Unterlassungsanspruch abgrenzt, den Mosaikansatz für anwendbar. Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf das als Anlage K 28 vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Kur vom 12.03.2012 die Ansicht vertreten hat, dass der Verweis auf das Recht des Begehungsortes eine einheitliche Anknüpfung erfordere, deren Grenzen nicht in territorialen Aspekten, sondern allein im Gesichtspunkt des ursächlichen Zusammenhangs zu finden seien, und dies letztlich mit der Rechtsnatur des Gemeinschaftsgeschmacksmusters als einheitlichem Recht begründet hat, so vermag dies angesichts der bereits wiedergegebenen Argumente, insbesondere dem Wortlaut des Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV nicht zu überzeugen.
218Von einer Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen, das zwar ausdrücklich nur das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster betrifft, gleichwohl aber auf das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster übertragbar ist, sieht die Kammer ab, da sie das Interesse der Klägerin an einer zeitnahen Sachentscheidung unter Berücksichtigung des nach Ansicht der Kammer deutlich für die von ihr vertretene Auffassung sprechenden Wortlautes übergewichtet. Hinzu kommt, dass im Ergebnis diese Streitfrage – wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt – auch nur im Hinblick auf einen Teil des Rückrufanspruches zu unterschiedlichen Entscheidungen führt.
2192.
220Im Hinblick auf sämtliche hier geltend gemachten Folgeansprüche gilt grundsätzlich, dass diese nur bezogen auf die bereits aufgeführten Mitgliedsländer, in denen Verletzungshandlungen begangen worden sind, geltend gemacht werden können. Die Kammer hat die Klägerin ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 416 f. GA) in der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2012 darauf hingewiesen, dass sie entweder Benutzungshandlungen in den jeweiligen Ländern der EU darzulegen oder vorzutragen hat, dass auch durch eine Erstbegehungsgefahr in den einzelnen Ländern der EU Folgeansprüche ausgelöst werden können. Denn jedenfalls im deutschen Recht erfordert die Zuerkennung von Folgeansprüchen eine Begehungshandlung. So setzt nach deutschem Recht die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruches voraus, dass zumindest eine Handlung bereits begangen worden ist, die zur Verursachung eines konkreten Schadens geeignet war (BGH GRUR 1964, 496, 497). Entsprechendes gilt für den akzessorischen Auskunftsanspruch. Wenn in einen Unterlassungsantrag Benutzungshandlungen mit Erstbegehungsgefahr Eingang gefunden haben, kann bei Ansprüchen nicht nur auf Schadensersatz (BGH GRUR 2006, 421 Rz. 47), sondern auch auf vorbereitende Rechnungslegung, Bereicherungsherausgabe und Beseitigung nur auf eine bereits festgestellte Benutzungshandlung abgestellt werden (Eichmann/von Falckenstein, a.a.O., § 42 Rz. 14). Für die Ansprüche auf Drittauskunft, Vernichtung und Urteilsveröffentlichung gilt, dass bei Fehlen einer Verletzungshandlung es jedenfalls an einem rechtlichen Interesse des Klägers fehlt.
221Dass Folgeansprüche auch ohne Vorliegen einer Verletzungshandlung allein bei Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr nach dem nationalen Recht eines anderen Mitgliedsstaates als Deutschland, Österreich und – im Falle der Beklagten zu 2) – Frankreich – zuerkannt werden können, hat die Klägerin auf den gerichtlichen Hinweis nicht vorgetragen und geht auch ersichtlich nicht davon aus.
2223.
223Der mit den Klageanträgen zu A.VI. und B.VI. gegenüber den Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht besteht aus den vorstehend bereits dargelegten Gründen nur bezogen auf die Verletzungshandlungen gemäß den Anträgen zu A.I. bzw. B.I. und territorial beschränkt auf die Mitgliedsstaaten, in denen Verletzungshandlungen erfolgt sind.
224Die Anspruchsgrundlage nach deutschem Recht findet sich in § 42 Abs. 2 GeschmMG, nach österreichischem Recht in § 34 des Musterschutzgesetzes von 1990 (veröffentlicht in BGBl 1990/497 i.d.F. BGBl. 1992/772, I 2001/14 I 2003/81, I 2004/149 und I 2005/151) und für Frankreich in Art. 521-7 des Code de la Propriété Intellectuelle (CPI, veröffentlicht unter légifrance.gouv.fr)
225Soweit die einschlägigen Rechtsordnungen als Anspruchsvoraussetzung – im österreichischen und französischen Recht nur für die Zuerkennung bestimmter weitergehender Rechtsfolgen – Verschulden voraussetzen, so liegt dieses vor. Die Beklagten haben jedenfalls fahrlässig gehandelt, da sie entweder ihrer Obliegenheit zur Überwachung der Schutzrechtslage nicht nachgekommen sind (vgl. Eichmann/von Falckenstein, a.a.O., § 42 Rz. 19) oder aber die Verletzung des Klagegeschmacksmusters sogar billigend in Kauf genommen haben.
2264.
227Die mit den Klageanträgen zu A.III., A.IV., B.III. und B. IV. geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung bestehen ebenfalls beschränkt auf Verletzungshandlungen gemäß den Anträgen zu A.I. und B.I. sowie mit den bereits dargelegten territorialen Beschränkungen nach deutschem Recht aus §§ 42 Abs. 2, 46 Abs. 1, Abs. 3 GeschmMG i.V.m. § 242 BGB. Aus den bereits dargelegten Gründen besteht kein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß den Anträgen zu A.V. und B.V. da sich diese auf Verletzungshandlungen gemäß den Anträgen zu A.II. und B.II. beziehen und insoweit keine Verletzung vorliegt.
228Weiterhin ist der Anspruch gegen die Beklagte zu 1), soweit er auf die Auskunftserteilung im Hinblick auf den Lieferanten gerichtet war, infolge Erfüllung untergegangen. Denn die Beklagte zu 1) hat erklärt, die angegriffenen Erzeugnisse ausschließlich durch die Beklagte zu 2) bezogen zu haben und damit vollständig eine Auskunft über ihren Lieferanten erteilt.
229Insbesondere sind die mit den Klageanträgen zu A.IV. 2. und 5. bzw. B.IV. 2. und 5. geltend gemachten Ansprüche im Hinblick auf Gestehungskosten und erzielten Gewinn nach deutschem Recht ebenfalls zu erteilen. Die Erteilung dieser Auskünfte ist den Beklagten jeweils nicht unzumutbar. Zwar ist der Verletzergewinn nur insoweit herauszugeben, als er auf der Rechtsverletzung beruht und ist die Höhe dieses Anteils vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO nach seinem Ermessen zu schätzen, wenn nicht ausnahmsweise jeglicher Anhaltspunkt für eine Schätzung fehlt (BGH GRUR 2009, 856 – Tripp-Trapp; BGH GRUR 2006, 419, Rz. 15 – Noblesse). Der BGH hat deshalb unter Rz. 16 f. der Noblesse-Entscheidung entschieden, dass der Umstand, dass nicht der gesamte mit dem Absatz der widerrechtlich gekennzeichneten Ware erzielte Gewinn herausverlangt werden kann, Auswirkungen auch auf den Umfang des Auskunftsanspruchs hat. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Verletzer regelmäßig ein Interesse habe, seine Kalkulation und seine Gewinnspanne gegenüber dem Mitbewerber geheim zu halten. Zwar müsse dieses Interesse grundsätzlich zurückstehen, wenn der Verletzte auf die Angaben angewiesen sei, um seinen Schaden zu berechnen. Komme aber ohnehin nur eine grobe Schätzung in Betracht, sei dem Verletzer eine Offenbarung von Geschäftsinterna meist nicht zuzumuten, da diese Schätzung auch auf der Grundlage der Umsätze und gegebenenfalls grob ermittelter Gewinne erfolgen könne.
230Indes liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Die Kaufentscheidung für das angegriffene Balance-Board wird – anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall - in erster Linie im Hinblick auf das Design getroffen, was in besonderem Maße im vorliegenden Fall gilt, in dem sich das Produkt im Design so nahe an das Produkt des „Originalherstellers“ anlehnt. Der – nicht übermäßig – günstigere Preis mag für die Entscheidung des Kunden mit eine Rolle spielen, wenn auch keine entscheidende. Dass die Funktionalität und technische Ausstattung besondere Merkmale aufwiesen, die das Produkt von anderen Balance Boards abheben würde, haben die Beklagten nicht geltend gemacht. Der jedenfalls größere Teil des Gewinnes ist deshalb herauszugeben. Damit aber bestehen auch der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch uneingeschränkt.
231Der auf Rechnungslegung über Angebote und Werbung geltend gemachte Anspruch besteht deshalb, weil insoweit jedenfalls ein Marktverwirrungsschaden in Betracht kommt.
232Der Anspruch auf Belegvorlage resultiert im tenorierten Umfange daraus, dass die Klägerin zur Überprüfung der von den Beklagten erteilten Auskünfte auf die Belegvorlage im beantragten Umfang angewiesen ist (vgl. BGH GRUR 2008, 896, Rz. 31 – Tintenpatrone m.w.N.). Dem jeweils berechtigten Interesse der Beklagten an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen wird durch den vorgesehenen Wirtschaftsprüfervorbehalt in angemessener Weise Rechnung getragen.
233Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung beruhen nach österreichischem Recht auf § 34 Musterschutzgesetz und nach französischem Recht auf Art. 521-7 CPI i.V.m. Richterrecht. Zwar fehlt es bislang nach den Ausführungen von Prof. Dr. Kur im Ergänzungsgutachten vom 14.09.2012 an einer gesetzlichen Regelung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch und ist die Rechtsprechung in diesem Punkt noch relativ rar. Die Kammer geht jedoch davon aus, dass auch die französische Rechtsprechung den Vorgaben in der Durchsetzungs-Richtlinie Rechnung trägt und mithin einen dem nach deutschen Recht zu gewährenden Anspruch entsprechenden Anspruch zuerkennt. Denn nach Art. 8 Abs. 1 der Durchsetzungs-Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers hin anordnen können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, unter anderem von dem Verletzer erteilt werden. Nach Abs. 2 erstrecken sich die Auskünfte nach Abs. 1, soweit angebracht, auf die Namen und Adressen der Hersteller, Erzeuger, Vertreiber, Lieferer und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, die Angaben über die Mengen der hergestellten, erzeugten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren und über die Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen gezahlt wurden. Aus den bereits dargelegten Gründen rechtfertigt dies den vorliegend geltend gemachten Anspruch, wobei den Geheimhaltungsinteressen der Beklagten zu 2) in angemessener Weise durch die Aufnahme eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes Rechnung getragen worden ist.
2345.
235Der mit den Klageanträgen zu A.VII. und B.VII. gegenüber den Beklagten jeweils geltend gemachte Vernichtungsanspruch besteht nach deutschem Recht aus § 43 GeschmMG.
236Es kann insoweit dahinstehen, ob die Beklagten tatsächlich Besitz oder Eigentum im Zeitpunkt der Klageerhebung oder im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an einem rechtsverletzenden Erzeugnis hatten, insbesondere, ob dies bereits dadurch indiziert ist, dass die Beklagte zu 1) selbst vorgetragen hat, die streitbefangenen Balance Boards unter Eigentumsvorhalt zu veräußern. Nach Auffassung der Kammer ist es zur Begründung des Vernichtungsanspruchs ausreichend, dass Besitz oder Eigentum der Beklagten bestanden haben und auch zukünftig noch bestehen können. Denn ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin besteht auch in dem Fall, in dem der Verletzer zwar zufällig im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht über Besitz oder Eigentum an einem rechtsverletzenden Erzeugnis verfügt, sich dies aber nach Schluss der mündlichen Verhandlung indes ändert, etwa infolge von Reklamationen oder – bei Verbindung mit der Geltendmachung eines Rückrufanspruches besonders naheliegend – infolge einer Rückgabe des rechtsverletzenden Erzeugnisses durch den Kunden aus sonstigen Gründen. Die Kammer sieht in diesem Ansatz, der in besonderem Maße der Prozessökonomie Rechnung trägt, keine unzulässige Verlagerung der notwendigen Tatsachenfeststellung vom Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren (in diesem Sinne OLG Hamm GRUR 1989, 502; LG Mannheim, Urteil vom 25.02.2005, 7 O 405/04 unter Berufung auf BGH GRUR 2003, 228 – P-Vermerk; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 140 a Rn. 3; a.a.O. hingegen LG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2011, 4b O 234/10 m.w.N.).
237Nach österreichischem Recht ergibt sich der Vernichtungsanspruch unter denselben Voraussetzungen aus § 34 Musterschutzgesetz i.V.m. § 148 Patentgesetz (veröffentlicht unter www.jusline.at) und nach französischem Recht aus Art. 521-8 CPI.
2386.
239Der mit den Klageanträgen zu A.VIII. und B.VIII. geltend gemachte Anspruch auf Rückruf besteht mit den bereits dargelegten Beschränkungen auf die Verletzungshandlungen gemäß den Klageanträgen zu A.I. und B.I. sowie in territorialer Hinsicht nach deutschem Recht aus § 43 Abs. 2 GeschmMG.
240Nach § 43 Abs. 2 GeschmMG kann der Verletzte den Verletzer auf Rückruf von rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Erzeugnissen oder auf denen endgültigen Entfernung aus den Vertriebswegen in Anspruch nehmen.
241Der Anspruch auf Rückruf setzt mithin rechtliche Verfügungsgewalt des Anspruchsgegners voraus, wobei auch die Möglichkeit der tatsächlichen Einflussnahme genügt, weil Handelskunden ein Interesse daran haben können, nicht ihrerseits wegen des Anbietens und Inverkehrbringens von rechtsverletzenden Erzeugnissen in Anspruch genommen zu werden (vgl. Eichmann/von Falckenstein, a.a.O., § 43 Rz. 5 m.w.N.). Jedenfalls eine solche tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme liegt hier vor. Soweit die Beklagten sich damit verteidigen, dass wegen der schnellen Umschlagzeit in der Elektronikbranche bereits von einem Abverkauf durch die von ihr belieferten Handelsketten auszugehen sei, so lässt sich diesem Vortrag nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass tatsächlich in den Lagern keine Ware mehr vorhanden ist, zumal schon geringe Mengen ausreichen würden. Im Übrigen hat die Klägerin durch die Vorlage der Anlage K 51 – K 70 belegt, dass nach wie vor Kunden der Beklagten zu 1) die streitgegenständlichen Produkte im Angebot haben.
242Der Anspruch auf Rückruf besteht hingegen nach dem eigenen Vortrag der Klägerin (vgl. das von der Klägerin vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Kur vom 12.03.2012, Bl. 25) nicht nach österreichischem Recht, so dass der Tenor wie geschehen zu beschränken war. Seine Grundlage nach französischem Recht findet er in Art. 521-8 CPI.
2437.
244Der mit den Klageanträgen zu A.IX. bzw. B. IX. geltend gemachte Anspruch auf Urteilsveröffentlichung besteht nicht.
245Nach deutschem Recht gilt Folgendes: Nach § 47 GeschmMG kann der obsiegenden Partei im Urteil die Befugnis zugesprochen werden, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegt, wobei Art und Umfang der Bekanntmachung im Urteil bestimmt werden. Ein berechtigtes Interesse besteht in Verletzungsfällen in der Regeln nur, wenn der Verletzer besonders verwerflich gehandelt hat oder wenn er sich öffentlich einer Nichtverletzung oder sogar der eigentlichen Inhaberschaft an dem Schutzrecht berühmt hat (Ruhl, a.a.O., Art. 89 Rz. 117; vgl. auch Eichmann/von Falckenstein, a.a.O., § 47 Rz. 2, der eine besonders verwerfliche Rechtsverletzung oder erhebliche Öffentlichkeitswirkung verlangt, was insbesondere bei Produktpiraterie der Fall sein kann). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar haben die Beklagten sich ersichtlich bewusst an die Gestaltung der Klägerin angelehnt, so dass ein Fall von Produktpiraterie vorliegen dürfte. Allerdings handelt es sich nicht um einen besonders hervorstehenden Fall, eine besondere Öffentlichkeitswirkung ist nicht dargetan. Schließlich ist der Vertrieb durch die Beklagten bislang unstreitig seit Abgabe der Unterlassungserklärungen eingestellt, so dass schon länger keine Marktverwirrung mehr betrieben wird, die ein gegenwärtig noch bestehendes Aufklärungsinteresse noch rechtfertigen könnte.
246Aus den dargelegten Gründen stellt eine Urteilsveröffentlichung auch keine geeignete Maßnahme dar, wie sie die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte nach französischem Recht gemäß Art. 521-8 CPI treffen können, und fehlt es an dem berechtigten Interesse der Klägerin an einer Urteilsveröffentlichung, wie dies nach österreichischem Recht gemäß § 34 Musterschutzgesetz i.V.m. § 149 Patentgesetz erforderlich ist.
2478.
248Der mit dem Klageantrag zu A.X. bzw. B.X. jeweils geltend gemachte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten besteht nicht, weil unabhängig davon, ob die hier zugrundezulegenden Rechtsordnungen eine Erstattungsfähigkeit unter Schadensersatzgesichtspunkten oder auf anderer Grundlage vorsehen, die Klägerin die Höhe der Kosten nicht substantiiert vorgetragen hat.
249Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 11.11.2011 selbst vorgetragen, dass sie gegenüber den Beklagten nicht nach RVG abrechnet, in der Sache aber eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 250.000,-- € zzgl. Auslagenpauschale nach dem RVG geltend gemacht. Dabei hat sie anwaltlich versichert, dass der gegenüber der Klägerin entstandene Honoraranspruch über den geltend gemachten gesetzlichen Gebühren liege. Die anwaltliche Versicherung ersetzt jedoch keinen substantiierten Sachvortrag, da es der Beklagten auf dieser Grundlage nicht möglich ist, die Angemessenheit der tatsächlich angefallenen Gebühren, etwa durch Überprüfung etwaiger Stundensätze oder Stundenzahlen, zu überprüfen. Wenn aber die Höhe der tatsächlich angefallenen, angemessenen Gebühren nicht vorgetragen ist, so kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass diese unter den gesetzlichen Gebühren liegen. Es ist der Klägerin deshalb auch verwehrt, nunmehr die gesetzlichen Gebühren geltend zu machen, da nicht ausgeschlossen werden kann, ob und in welchem Umfange sie gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht verstößt, wenn sie nunmehr nicht mehr aufgrund der möglicherweise zu einem niedrigeren angemessenen Honorar führenden Honorarvereinbarung abrechnet.
250V.
251Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO. Dabei hat das Gericht insbesondere die Tatsache, dass die Beklagte zu 2) bezüglich der Folgenansprüche nur teilweise verurteilt worden ist, mit einer Obsiegens-/Verlustquote von 50 % berücksichtigt.
252Streitwert: 900.000,-- €,
253wobei auf die unter A. und B. gefassten Klageanträge jeweils folgende Teilstreitwerte entfallen: Auf den Klageantrag zu I. jeweils 100.000,-- €, zu II. 75.000,-- €, zu III. 30.000,-- €, zu IV. 20.000,-- €, zu V. 10.000,-- €, zu VI. 125.000,-- €, zu VII.-IX. 30.000,-- €.
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