Beschluss vom Landgericht Düsseldorf - 014 Qs 58/14
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
1
Gründe
3I.
4Gegen den Beschwerdeführer, der Geschäftsführer eines Taxisunternehmens mit Sitz in E1 ist, wurde wegen des Verdachts der Umsatzsteuerverkürzung in dem Zeitraum Januar 2013 bis Juni 2014, Lohnsteuerverkürzung in dem Zeitraum Juni 2009 bis Juni 2014, sowie Körperschafts-, Umsatz- und Gewerbesteuerverkürzung in dem Zeitraum 2009 bis 2012 bei Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten des Taxiunternehmens ein Steuerstraf- und Steuerermittlungsverfahren eingeleitet.
5Die Steuerfahndung führte für das benannte Unternehmen anhand der eingereichten Bilanzen eine Steuerkalkulation für den Zeitraum 2009 bis 2012 durch und kam zu dem Ergebnis, dass die so ermittelten Werte weit unterhalb einer Plausibilität und Wirtschaftlichkeit lägen. Als Vergleichsmaßstab wurde das Fortschreibungsgutachten der Firma M1 von November 2013 herangezogen, welches die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes in E1 beschreiben soll und Erfahrungswerte der Steuerfahndung, die sie im Rahmen anderer Verfahren gewann. Nach Auswertung der Unterlagen von 220 Betrieben im Mehrwagenbetrieb - für das benannte Gutachten - ergab sich eine jährliche Laufleistung eines Kfz von durchschnittlich ca. 71.000 km, bei einem durchschnittlichen Umsatz von ca. 65.000 EUR. Die notwendigen Personalkosten liegen nach dem Gutachten durchschnittlich jährlich bei ca. 35.000 EUR pro Kfz. Das Gutachten weist darauf hin, dass nach den vorliegenden Angaben ein gespaltener Taximarkt in E1 vorherrsche. Die 1170 Fahrzeuge, die bei der U1 eG gemeldet seien, teilten sich 1,9 Mio. Vermittlungen, die 130 Fahrzeuge, die bei der S1 gemeldet seien, teilten sich 1,2 Mio. Vermittlungen. Feststellungen der Steuerfahndung ergaben bei Prüfungen jährliche Laufleistungen eines Kfz im Mehrwagenbetrieb 80.000 – 90.000 km. Die Erlöse pro Kfz betrugen bei dem Unternehmen des Beschwerdeführers 49.800 – 53.300 EUR in den Jahren 2009 – 2012 pro Kfz. Pro Fahrzeug ergeben sich maximal Bruttoerlöse in Höhe von 57.791 EUR. Die Erlöse wurden von der Steuerfahndung bei einem Satz von 1,10 EUR pro Bruttokilometer (empirischer Wert der Steuerfahndung aus Erhebungen) in eine Laufleistung umgerechnet. Nach dieser Berechnung ergab sich eine Fahrleistung von 45.300 – 49.490 km pro Jahr und Fahrzeug. Der Lohnanteil des Taxiunternehmens bewegt sich prozentual im Vergleich zu den im Rahmen der Erhebungen kalkulierten jährlichen Laufleistung im Normalbereich, liegt aber insgesamt deutlich unter den 35.000 EUR, die nach dem Gutachten der Firma M1 grundsätzlich anfallen.
6Das Amtsgericht E1 hat den durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen beantragten Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss am 10.09.2014 erlassen und damit die Durchsuchung der Wohnräume des Beschuldigten und der Geschäftsräume des Taxiunternehmens, einschließlich sämtlicher Nebengelasse und Fahrzeuge, sowie der Person des Beschuldigten, die Beschlagnahme von Unterlagen, die Auskunft über Einnahmen und Ausgaben des Betriebes geben, und die Sicherstellung der betrieblichen Fahrzeuge angeordnet (Bl. 49 d.A.). Das Amtsgericht hat aufgrund der aufgezeigten Divergenzen zwischen den gemeldeten Zahlen durch das Unternehmen des Beschwerdeführers und den Werten aus dem Gutachten der Firma M1 sowie den Erfahrungswerten der Steuerfahndung einen Tatverdacht einer Steuerhinterziehung angenommen.
7Die Durchsuchung wurde am 10.09.2014 vollzogen. Hierbei wurden Gegenstände sichergestellt und beschlagnahmt (Bl. 71 – 75 d.A.). Der Beschwerdeführer legte mit Schreiben vom 15.10.2014 Beschwerde ein (Bl. 92 – 94 d.A.). Mit Beschluss vom 12.11.2014 hat das Amtsgericht E1 der Beschwerde nicht abgeholfen und der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Beschwerdeführer maßgeblich vor, dass das Gutachten der Firma M1 nicht herangezogen werden könne als Vergleichsmaßstab für den tatsächlich erwirtschafteten Umsatz des Beschwerdeführers, die jährliche Laufleistung pro Kfz, Personalkosten und Kraftstoffkosten in dessen Betrieb. In dem benannten Gutachten sei für die jeweiligen Parameter ein Durchschnittswert der Taxiunternehmen errechnet worden, der tatsächlich nicht repräsentativ sei. Das Gutachten basiere auf Angaben der Taxiunternehmen in E1. Diese gehörten der S1zentrale an oder der U1 eG. Letzterer gehöre auch das Unternehmen des Beschwerdeführers an. Der durchschnittliche jährliche Umsatz der Unternehmen mit acht Konzessionen, die der U1 eG angeschlossen seien, habe in den Jahren 2009 – 2011 46.126,15 EUR betragen; in der Kategorie vier bis acht Konzessionen in den Jahren 2009 – 2013 bei 48.141,98 EUR. Diese Werte ergeben sich aus der Auskunft des Steuerberaters, der 48 der insgesamt 73 auf dem E1er Markt befindlichen Unternehmen vertritt. Der durchschnittliche Umsatz der Unternehmen, die der S1zentrale angehörten, lag nach diesen Informationen in den Jahren 2009 – 2013 bei 63.929,50 EUR. Zudem sei die Zugrundelegung eines Verbrauchs von 9 Litern Diesel falsch, da es sich bei den betrieblich eingesetzten Fahrzeugen um Gasfahrzeuge handele, die einen niedrigeren Verbrauch aufweisen. Die Durchsuchung sei ferner rechtswidrig aufgrund der Art und Weise ihrer Durchführung. So sei gegenüber der Verteidigung ein Hausverbot und ein Platzverweis erteilt worden und als Zeuge im Sinne des § 105 Abs. 2 StPO habe eine Sachbearbeiterin der Stadt E1 gedient, die Plausibilitätsprüfungen durchführt für etwaige Konzessionsentziehungen bei Taxibetrieben (Bl. 204 d.A).
8II.
91. Rechtmäßigkeit der Anordnung der Durchsuchung
10Die Beschwerde nach § 304 StPO ist zulässig, aber unbegründet, soweit sie sich gegen den Beschluss zur Anordnung der Durchsuchung richtet. Die Beschwerdebegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
11Der Zulässigkeit der Beschwerde steht insbesondere nicht entgegen, dass der angefochtene Beschluss bereits vollzogen, die Durchsuchung bereits abgeschlossen ist (BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997, 2 BvR 817/90, NJW 1997, 2163).
12Der Beschwerdeführer ist insbesondere als Betroffener auch beschwerdeberechtigt.
13Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts E1 vom 10.09.2014 war rechtmäßig.
14Die Voraussetzungen einer Durchsuchung der Wohnräume des Beschwerdeführers und seiner Geschäftsräume sowie der Person des Beschwerdeführers nach §§ 102, 105 StPO i.V.m. §§ 385 ff. AO lagen vor. Es liegt ein Anfangsverdacht wegen Steuerhinterziehung vor, es war zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde und die Anordnung der Durchsuchung war auch verhältnismäßig.
15Ein Anfangsverdacht ist gegeben, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die die Wahrscheinlichkeit begründen, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen und nicht nur straflos vorbereitet worden ist (Fischer, 57. Aufl. 2014, § 102 Rn. 2). Es ist für die Annahme eines Anfangsverdachts im Rahmen des § 102 StPO bereits ausreichend, dass auf Grund kriminalistischer Erfahrung die begründete Aussicht besteht, dass der Zweck der Durchsuchung erreicht werden kann (BVerfG, Beschluss vom 28.04.2003 – 2 BvR 358/03, NJW 2003, 2669). Das Beschwerdegericht darf dabei seine Entscheidung nicht auf Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren. Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl. 2014, § 105, Rn. 15a). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts E1 hinsichtlich der Annahme eines Anfangsverdachts Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen, dass unabhängig von der Frage, ob die durch das Gutachten von M1 aus dem Jahr 2013 ermittelten Durchschnittswerte auf wahren Angaben der Taxiunternehmen beruhen, zu berücksichtigen ist, dass die so ermittelten Werte die Untergrenze für einen wirtschaftlich betriebenes Taxiunternehmen darstellen. Somit hat die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Prüfung einen für die Taxibetreiber günstigen Maßstab gewählt, wenn sie die durch die Taxiunternehmen angegebenen Daten zur Bemessung der Steuerschuld mit den Werten aus dem Gutachten der Firma M1 vergleicht. Überdies bestehen berechtigte Zweifel, dass die Daten, die im Rahmen der Erstellung des Gutachtens gesammelt wurden, den Tatsachen entsprechen. Dies wird sowohl von den Erstellern des Gutachtens so festgestellt (S. 7 des Gutachtens), als auch von der Steuerfahndung aufgrund ihrer kriminalistischen Erfahrung bezweifelt. Ihr sind Daten aus Prüfungen von anderen Taxibetrieben zum Vergleich bekannt. Die tatsächlichen Erlöse, Löhne und die Laufleistungen liegen demnach deutlich über den Durchschnittswerten des Gutachtens, so dass eine deutliche Abweichung der Erlöse von Unternehmen der S1 zu Unternehmen der U1 eG nicht existieren kann bzw. diese Eckdaten insgesamt höher ausfallen müssten. Stellten die in dem Gutachten von M1 ermittelten Werte dennoch die Untergrenze für den wirtschaftlichen Betrieb eines Taxiunternehmens dar, so ist eine deutliche Unterschreitung dieser Werte, wie dies bei dem Beschwerdeführer vorliegend der Fall ist ist, unplausibel und begründet bereits die Wahrscheinlichkeit, dass die angegebenen Werte von Laufleistung pro Jahr pro Kfz und Umsatz nicht richtig sind und folglich der Verdacht einer Steuerhinterziehung gegeben ist.
16Sofern man die Richtigkeit der Angabe des Gutachtens unterstellt, dass in E1 nur 41 % des Umsatzvolumens mit Funkbestellungen bestritten werden, ist auch die Annahme lebensfremd und unplausibel, dass S1 pro Jahr 9.230 Touren durch Vermittlung bedient, das heißt 25 Touren am Tag und die bei der U1 eG angeschlossenen Taxen insgesamt 1.326 Touren pro Jahr durch Vermittlung bedienen, das heißt nicht einmal vier Touren am Tag. Bei unterstellten 10 km je Tour und einem Tarif von 1,10 EUR/km erzielen die bei der S1 angeschlossenen Unternehmen einen Erlös von 101.530 EUR und eine Jahresgesamtleistung von 92.300 km durch Funkbestellungen, was nach den Erkenntnissen der Steuerfahndung realistischen Werten entspricht. Die der U1 eG angeschlossenen Unternehmen erzielten bei Zugrundelegung derselben Berechnungsgrundlagen einen Erlös in Höhe von 15.840 EUR und eine Jahresgesamtlaufleistung von 13.260 km durch Funkbestellungen. Legt man den vom Beschwerdeführer angegebenen Mittelwert des Jahresumsatzes von Taxiunternehmen, die der U1 eG angeschlossen sind, in Höhe von 48.000 EUR zugrunde, ergibt sich eine Differenz von 32.160 EUR, die nicht aus vermittelten Fahrten stammen kann. Bei 48.000 EUR sind mindestens 4.363 Touren à 10 km à 1,10 EUR notwendig. Somit müssten 3.037 Touren außerhalb der Vermittlung pro Taxi gefahren werden, am Tag mithin mindestens acht Touren, insgesamt also 11 Touren, um die angegeben Erlöse zu erreichen. Nur unter dieser Voraussetzung ergibt sich ein ca. doppelt so hoher Umsatz der KfZ der S1 Unternehmen. Dies ist nicht plausibel.
17Insgesamt bestehen begründete Zweifel an dem Zutreffen der in dem Gutachten ermittelten Werte, jedenfalls soweit sie Taxiunternehmen betreffen, die der U1 eG angeschlossen sind. Der Steuerfahndung ist sowohl aus anderen Verfahren als auch aus einer Mitteilung der U1 eG bekannt, dass bei der U1 eG nur Daten der letzten 72 Stunden vorgehalten werden. Es erschließt sich mithin nicht, auf welche Weise die U1 eG gegenüber den Autoren des Gutachtens von M1 konkrete und zutreffende Daten hat angeben können.
18Die angefochtene Durchsuchungsanordnung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 23.03.1994 – 2 BvR 396/94, NJW 1994, 2079). Sie steht in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Tatverdachts und zur Bedeutung der aufzuklärenden Straftat. Der Tatverdacht stützt sich auf tatsächliche Anhaltspunkte und nicht nur auf vage Hinweise. Bei der erforderlichen Abwägung überwiegt deshalb das staatliche Interesse an der Aufklärung und Verfolgung der begangenen Straftat gegenüber dem Interesse der Betroffenen, dass der Staat nicht in ihren durch das Grundgesetz geschützten privaten Rechtskreis eingreift.
192. Art und Weise des Vollzugs der Durchsuchung
20Soweit sich der Beschwerdeführer gegen Art und Weise des Vollzugs der Durchsuchung wendet, handelt es sich nicht um eine Beschwerde, sondern um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog. Eine Entscheidung der Kammer über diesen Feststellungsantrag war somit nicht veranlasst.
21Für die Überprüfung der Art und Weise des Vollzugs einer nach § 105 Abs. 1 S. 1 StPO richterlich angeordneten abgeschlossenen Durchsuchung kann der Betroffene die richterliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 StPO jedenfalls dann beantragen, wenn die beanstandete Art und Weise des Vollzugs nicht ausdrücklicher und evidenter Bestandteil der richterlichen Anordnung war (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl., §105, Rn. 17 m.w.N.; BGHSt 45, 183). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Für diesen Antrag ist der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht E1 zuständig, so dass eine Entscheidung der Kammer hierzu nicht veranlasst ist.
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