Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 1 O 420/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Herrn Q (nachfolgend Schuldner) war Eigentümer diverser Grundstücke u. a. des im Klageantrag aufgeführten Grundstücks (nachfolgend: streitgegenständliches Grundstück). Er ist Komplementär der Beklagten. Er ist Vater von Herrn Q2.
3Der Schuldner betrieb das seit über 100 Jahren bestehende Schuhhandelsunternehmen Q3 Das Unternehmen firmierte ursprünglich unter
4- T, gegründet 1899, Inh. Q,
5- später unter Q4(deren geschäftsführender Gesellschafter der Schuldner war),
6- danach unter B (Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 18.09.2003, Anlagenkonvolut TW 5, Blatt 8).
7Einzelne Filialen wurden unter
8- Q5
9- die Q6,
10fortgeführt
11Einige Geschäftsbetriebe werden von Herrn Q2 geführt. Zur sog Q7 gehört auch die W2- („W2").
12Der Kläger betrieb als Schuhhändler in angemieteten Ladenlokalen Schuhgeschäfte. Als er sich im Jahr 1996 zur Ruhe setzte, verkaufte er unter anderem einzelne Schuhgeschäfte an die Q4. Die Ladenlokale vermietete er der Q4 unter. Unter Umständen, die streitig sind, unterzeichnete der Schuldner wegen der Verbindlichkeiten aus den Mietverträgen selbstschuldnerische Bürgschaften.
13Mit notariellem Kaufvertrag des Notars T2, vom 22.10.2003, Nr. X der Urkundenrolle 2003 veräußerte der Schuldner das (Anlage CBH 1) an die Beklagte, In § 3 des Kaufvertrages vom 22.10.2003 heißt es:
14„Kaufpreis
151. Das zu veräußernde Grundstück hat noch eine Restfinanzierung und dient im Übrigen der Finanzierung der Schuhhaus Q4 (B). Die Übertragung erfolgt zum Verkehrswert, d. h. dem Ertragswert nach dem üblichen Verfahren auf Grundlage der jährlichen Mieteinkünfte abzüglich der Belastungen, für die das Grundstück insgesamt haftet. Neben den Belastungen zum Erwerb des Grundstücks ist es so. dass das Grundstück als Sicherheit für Belastungen der Schuhhaus Q4 dient. Am heutigen Tage sind weitere Grundstücke, die für die Schuhhaus Q4 als Sicherheiten dienen, mit veräußert worden. Der reine Ertragswert dieser Grundstücke liegt bei ca. 8,8 Mio. €. Hinzu kommt, dass nach Berechnungen der Firma das Warenlager unter Berücksichtigung der zu erzielenden Erlöse, aber auch unter Berücksichtigung der dadurch entstehenden Kosten, zu ca. 2,0 Mio. € veräußert werden kann. Dem stehen an Verbindlichkeiten der Q4 bzw. für Restfinanzierungen der Grundstücke ca. 11,0 Mio. € gegenüber. Unter Berücksichtigung der Sicherheiten und der Restfinanzierung gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass unter Berücksichtigung des Risikos der Verwertung aus der Sicherheit für die Schuhhaus Q4 und die von der KG zu übernehmende Restfinanzierung der Wert der Immobilie bei 6.000,00 € liegt. Insofern beträgt der Kaufpreis für die Immobilie 6.000,00 €"
16Weiteres Immobilienvermögen des Schuldners wurden auf andere Kommanditgesellschaften übertragen, an denen der Schuldner selbst sowie dessen Ehefrau Q8 und deren Sohn Q2 beteiligt waren.
17In 2003 kam es in Bezug auf die Zahlung der Untermieten zu Rückständen. Am 27.11.2003 fand in den Räumlichkeiten der K in Düsseldorf eine Besprechung statt, in der u. a. die selbstschuldnerischen Bürgschaften Thema waren; Einzelheiten sind streitig. An der Besprechung nahmen u. a. der Kläger und der Beklagte teil.
18Im Jahr 2004 nahm der Kläger vor dem Landgericht Düsseldorf den Schuldner wegen der Bürgschaften in Anspruch. Mit Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20.01.2005, - Az. 1 O 105/04 -, wurde der Schuldner rechtskräftig verurteilt, an den Kläger EUR 245.635,71 nebst Zinsen sowie für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.03.2005 monatlich jeweils zum 5. Werktag eines jeden Monats EUR 9.848,83 und vom 01.04.2005 bis zum 31.12.2008 monatlich jeweils bis zum 5. Werktag eines jeden Monats EUR 8.598,83 nebst Zinsen zu zahlen (Anlage TW 10).
19Mit Beschluss vom 30.08.2004, - Az. 1501 IN 703/04 -, eröffnete das Amtsgericht München das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B und bestellte Herrn Rechtsanwalt L zum Insolvenzverwalter (Anlage TW 6). Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens war ein Eigenantrag der B - vertreten durch den Schuldner in dessen Eigenschaft als Geschäftsführer - vom 09.03.2004 vorausgegangen (Anlage TW 7).
20Versuche des Klägers gegen den Schuldner zu vollstrecken, blieben ohne Erfolg. Der Schuldner gab am 21.11.2005 die eidesstattliche Versicherung ab (Anlage TW 11). Mit Beschluss vom 23.01.2007, - 7 IN 82/06 -, eröffnete sodann das Amtsgericht Mayen das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte Herrn Rechtsanwalt M, zum Insolvenzverwalter (Anlage CBH 1). Dieser stellte die angemeldete titulierte Forderung des Klägers gegen den Schuldner in voller Höhe zur Insolvenztabelle unter der lfd. Nr. X fest (Anlage TW 15). Mit Beschluss vom 17.02.2015 (-7 IN 82/06 -, Anlage TW 16) hob das Amtsgericht Mayen das Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nach Durchführung des Schlusstermins auf. Mit Beschluss des Amtsgerichts Mayen vom 08.01.2014 wurde dem die Restschuldbefreiung gemäß § 300 InsO erteilt (Anlage CBH 12).
21Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen den Schuldner in dem vom Kläger mit einer Anzeige vom 29.12.2008 eingeleiteten Ermittlungsverfahren (Az. 120 Js 163/09) wurden im Wege des § 170 Abs. 2 StPO eingestellt
22Die klägerische Partei trägt vor:
23Da der Schuldner befürchtet habe, dass die Mietkonditionen sich verschlechtern würden, wenn er unter Beendigung der bestehenden Mietverhältnisse ein neues Mietverhältnis begründen würde, hätten sich der Kläger und der Schuldner darauf geeinigt, dass die mit dem Kläger bestehenden Mietverhältnisse bestehen bleiben und zwischen ihm und der Betreibergesellschaft jeweils Untermietverhältnisse begründet werden sollten. Zur Absicherung des finanziellen Risikos des Klägers habe sich der Schuldner jeweils selbstschuldnerisch für die der Q4 obliegenden Verpflichtungen aus den mit dem Kläger abgeschlossenen Untermietverträgen verbürgt.
24Die Q4 sei im Jahr 2002 in gravierende finanzielle Schwierigkeiten geraten.) Im Sommer/Oktober 2003 sei es zu einem privaten Treffen zwischen dem Kläger und dem Schuldner sowie deren Ehefrauen, I und Q8 gekommen. Frau Frau Q8 habe sehr aufgeregt die schwierige Situation der Familie Q und der Q4 angesprochen und wörtlich ausgeführt:
25„Wir bringen unser Vermögen in Sicherheit, tut ihr das auch!"
26Am 27.11.2003 habe der Schuldner auf die Ankündigung des Klägers ihn wegen der Bürgschaften in Anspruch zu nehmen, erschreckt und wörtlich gesagt:
27„Dann bin ich pleite."
28Der Schuldner habe das streitgegenständliche Grundstück lediglich zum Zweck der Benachteiligung seines Gläubigers - dem Kläger - an die Beklagte veräußert und übertragen, die eigens zu diesem Vorhaben gegründet worden sei. Bereits im des Vertragsabschlusses habe der Schuldner gewusst, dass der Kläger ihn alsbald auf Zahlung aus den Bürgschaften in Anspruch nehmen werde. Die Übertragungen des Immobilienvermögens seien zu deutlich zu niedrigen Kaufpreisen erfolgt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift verwiesen. Die Vermögensverschiebungen hätten somit offensichtlich dem Zweck gedient, die Grundstücke aus dem Vermögen des Schuldners „zu entfernen", um die Vollstreckung des Klägers aus dem obsiegenden Urteil vom 20.01.2005 zu vereiteln.
29Die klägerische Partei hat am 23.12.15 Klage erhoben und beantragt im Wege der Teilklage,
30die Beklagte zu verurteilen, wegen einer Teilforderung in Höhe von EUR 20.001,00 gegen Herrn Q aufgrund des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 20.01.2005, Az. 1 O 105/04, die Zwangsvollstreckung des Klägers in das im Grundbuch von J des Amtsgerichts Langenfeld auf Blatt X, unter den lfd. Nr. X, X, X, X (bisherige lfd. Nr. X, X, X - diese wiederum bisherige lfd. Nr. X), Flur X, Flurstück X, X, X, X, Gebäude- und Freifläche, E, des Bestandsverzeichnisses eingetragene Grundstück, zu dulden.
31Die beklagte Partei beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Die beklagte Partei trägt vor:
34Der Schuldner habe damals die geordnete und im Übrigen mit den finanzierenden Banken abgestimmte Einführung einer kommenden Unternehmergeneration, insbesondere in Person seines Sohnes Q2, vorbereitet. Im Sinne einer größtmöglichen Transparenz und im Hinblick auf das avisierte spätere Ausscheiden des Schuldners aus der Unternehmung habe der Schuldnerin die zuvor im Eigentum gehaltenen Grundstücke, insbesondere auch das streitgegenständliche Grundstück, in Gesellschaften überführt, welche im Rahmen der seinerzeit geplanten Unternehmensstruktur die Verwaltung des Grundbesitzes übernehmen und die Besicherung der finanzierenden Banken geordnet sicherstellen sollten.
35Die Bürgschaften seien dem Schuldner untergeschoben worden. Er habe davon zum ersten Mal in der Besprechung am 27.11.2003 Kenntnis erlangt. Auch die spätere Insolvenz der B sei zu diesem Zeitpunkt für den Schuldner noch nicht absehbar gewesen. Gleiches gelte für die eigene Insolvenz.
36Das streitgegenständliche Grundstück sei bei der Übertragung durch den Schuldner auf die Beklagte mit dem als Anlage CBH 1 vorgelegten notariellen Kaufvertrag wertausschöpfend belastet gewesen. Am 02.11.2003 hätten die Beklagte und der Schuldner eine Ergänzungsvereinbarung geschlossen, in der es heiße:
37„Zur Klarstellung: Das Grundstück ist mit Grundschulden belastet, die der Finanzierung des Erwerbs und der Unterhaltung des Grundstücks dienen. Diese Verbindlichkeiten übernimmt der Käufer bzw., sofern der Schuldübernahme nicht zugestimmt wird, stellt der Käufer den Verkäufer hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten frei. Zudem ist das Grundstück belastet mit Grundschulden, die der Finanzierung diverser Darlehen des Verkäufers oder Gesellschaften, an denen der Verkäufer mehrheitlich beteiligt ist, dient"
38Hiernach seien Schuldner, die Beklagte und die finanzierende Bank, die W, darüber einig gewesen, dass die Beklagte nicht die Verbindlichkeiten aus der Finanzierung des Grundstücks vom Schuldner übernommen und durch das streitgegenständliche Grundstück besichert habe, sondern auch die zusätzlichen Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber der Bank. Die derart von der Beklagten übernommenen, zusätzlichen Verbindlichkeiten des Schuldners resultierten hauptsächlich aus persönlichen Bürgschaften des Schuldners gegenüber der W vom 22.04.2003 und 06.03.1997 für Verbindlichkeiten der B gegenüber der W in Höhe von insgesamt bis zu 6.756.459,41 €. Die W habe den Schuldner aus diesen Bürgschaften in Höhe von bis zu 6.756.459,41 € in Anspruch genommen, jedoch dem Schuldner persönlich über die so entstandenen Zahlungsansprüche aus den Bürgschaften wiederum entsprechende Darlehen gewährt, so dass durch diese Inanspruchnahme aus den Bürgschaften neue Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber der W in Höhe von insgesamt 4.280.000 € entstanden seien, welche die Beklagte übernommen habe. Diese Verbindlichkeiten des Schuldners seien nach den vorbenannten Vereinbarungen durch das streitgegenständliche Grundstück der Beklagten bzw. die im Grundbuch für dieses Grundstück eingetragenen Grundschulden besichert. Ausweislich der Angaben der W beliefen sich diese „Fremdverbindlichkeiten" des Schuldners, die die Beklagte übernommen und die durch Grundpfandrechte auf dem Grundstück der Beklagten besichert seien, per 01.11.2003 auf mindestens 4.461.665,58 €. Diese Verbindlichkeiten valutierten per 30.12.2015 in Höhe von 4.067.902,20 €
39Darüber hinaus hafte das streitgegenständliche Grundstück auch noch für Verbindlichkeiten der „W2". Zwischenzeitlich sei das streitgegenständliche Grundstück der Beklagten für zusätzliche, neue Darlehensverbindlichkeiten der heutigen Betreibergesellschaften der Q, nämlich der Q6, und der Q5, und auch Herrn Q2 persönlich, in Höhe von insgesamt 3.055.656,60 € ergänzend belastet worden (Anlagenkonvolut CBH 13). Insgesamt beliefen sich die derzeit durch die Beklagte übernommenen Fremdverbindlichkeiten auf mindestens 8.075.615,42 €.
40Der Verkaufswert des streitgegenständlichen Grundstückes in Höhe von 2.965.000,00 € sei unrichtig und tatsächlich weit überhöht.
41Die Beklagte nimmt ergänzend Bezug auf den Schlussbericht des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt M vom 24.04.2014, Anlage CBH 11.
42Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
43Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das im klägerischen Antrag bezeichnete Grundstück aus Gläubigeranfechtung gemäß §§ 3 Abs. 1,11 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 2 S. 1 AnfG. Dem Anspruch steht die Wirkung der Restschuldbefreiung (§§ 286, 301 Abs.1 InsO) entgegen, auf welche sich der Beklagte in rechtsanaloger Anwendung des § 767 Abs.1 ZPO berufen kann, da andernfalls die Rechtsfolge aus § 12 InsO (Wiederaufleben der Ansprüche der Beklagten gegen den Schuldner) zu einer Umgehung der Wirkung der Restschuldbefreiung führen würde. Im Einzelnen:
44Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass
451. die Restschuldbefreiung eine nicht präkludierte Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO darstellt und
462. der Anfechtungsgegner grundsätzlich berechtigt ist, Einwendungen, die dem Vollstreckungsschuldner aus § 767 ZPO gegen den Vollstreckungsgläubiger zustehen, im Anfechtungsprozess zwischen Vollstreckungsgläubiger und Anfechtungsgegner geltend zu machen
47(BGH, Urteil vom 12.11.2015, IX ZR 301 / 14, Rz. 16; zitiert nach juris).
48Gegenstand der vorgenannten Entscheidung die Kombination beider Möglichkeiten also die Frage, ob der Anfechtungsgegner sein Verteidigungsvorbringen auf die dem Vollstreckungsschuldner zustehende Einwendung der Restschuldbefreiung stützen kann. Der BGH hat dies verneint „…jedenfalls …, sofern die Anfechtungsklage bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben und die Rechtshandlung vorgenommen worden ist, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde“. Vorliegend ist zwar die zweitgenannte Voraussetzung erfüllt, nicht aber die erste: Die Anfechtungsklage wurde erst nach Restschuldbefreiung erhoben (siehe oben Tatbestand). Demzufolge ist hier die Frage zu klären, ob der Anfechtungsgegner auch in dieser, vom BGH ausdrücklich offen gelassenen Konstellation gehindert ist, sich auf die Einwendung der Restschuldbefreiung zu berufen.
49Dies hängt davon ab, ob der Anfechtungsgegner den Vollstreckungsschuldner gemäß § 12 AnfG wegen der Gegenleistung, die er im Zusammenhang mit der angefochtenen Rechtshandlung erbracht hat, in Anspruch nehmen kann oder ob der Verfolgung dieses Anspruchs die Restschuldbefreiung entgegensteht:
50- Im letztgenannten Fall steht - der oben zitierten BGH- Entscheidung folgend - dem Anfechtungsgegner im Anfechtungsprozess die Einwendung aus § 301 Abs. 1 InsO nicht zu, da die Gefahr einer Umgehung der Wirkungen der Restschuldbefreiung nicht besteht: Der Vollstreckungsschuldner kann der Inanspruchnahme aus § 12 AnfG die Restschuldbefreiung entgegenhalten.
51- Im erstgenannten Fall könnte der Anfechtungsgegner den Vollstreckungsschuldner aus § 12 AnfG in Anspruch nehmen, was, nach Auffassung des Gerichts, zu einer Umgehung der mit der Restschuldbefreiung bezweckten Wirkungen führen würde.
52Der BGH hat zu dieser Problematik wörtlich folgendes ausgeführt:
53„Soweit sich der Anfechtungsgegner wegen einer Erstattung einer Gegenleistung oder eines infolge der Anfechtung wiederauflebenden Anspruchs an den Schuldner halten kann, wird damit - jedenfalls wenn es sich um Rechtshandlungen handelt, die vorgenommen worden sind, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist - die Wirkung der Restschuldbefreiung nicht umgangen. Denn auch solche Ansprüche des Anfechtungsgegners werden von der Restschuldbefreiung erfasst (). Es handelt sich um Insolvenzforderungen, die der Anfechtungsgegner - gegebenenfalls als bedingte Forderung - hätte anmelden können ( §§ 38, 41 InsO).
54Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass der BGH eine Umgehung der Wirkungen der Restschuldbefreiungen jedenfalls als Möglichkeit in Betracht zieht, wenn sich der Anfechtungsgegner wegen des Anspruchs aus § 12 AnfG an den Vollstreckungsschuldner halten kann. Dies ist nur der Fall, wenn der Anspruch aus § 12 AnfG nicht in den Anwendungsbereich aus § 286 InsO fällt, also dieser Anspruch als Insolvenzforderung nicht am Insolvenzverfahren hat teilnehmen können. Das bestimmt sich nach den §§ 38 ff. InsO: Voraussetzung für die Annahme einer Insolvenzforderung ist, dass der Anspruch aus § 12 AnfG vor der Insolvenzeröffnung entstanden ist. Das ist hier nicht der Fall (s.u.).
55Davon geht offensichtlich auch die klägerische Partei in ihrem Schriftsatz vom 27.05.2016 (S.4=Bl.120 d.A) aus. Abweichend von den Rechtsausführungen der klägerischen Partei folgt gerade aus diesem Umstand die Gefahr einer Umgehung der Wirkungen der Restschuldbefreiung: Kann die klägerische Partei erfolgreich gegen die beklagte Partei vorgehen, weil dieser der Einwand der Restschuldbefreiung abgeschnitten ist, wird die beklagte Partei den Anspruch aus § 12 AnfG gegen den Vollstreckungsschuldner geltend machen. Damit werden die Wirkungen der Restschuldbefreiung unterlaufen. Der Restschuldbefreiung liegt die Erwägung zugrunde, dem Schuldner nicht zuletzt im Allgemeininteresse in überschaubarer Zeit einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen, indem er wegen Sachverhalten, die sich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugetragen haben, nicht mehr zivilrechtlich in Anspruch genommen werden kann. Dieser Ratio zuwider wird der Vollstreckungsschuldner zivilrechtlich herangezogen, wenn der Anfechtungsgegner qua § 12 AnfG beim Vollstreckungsschuldner „Rückgriff“ nehmen kann: Obwohl der Vollstreckungsschuldner vor einer Inanspruchnahme durch die klägerische Partei durch den Einwand der Restschuldbefreiung geschützt ist, muss er als Folge der Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners nach dem AnfG diesem gemäß § 12 AnfG die Gegenleistung erstatten.
56Dass der Anspruch aus § 12 AnfG „durch die Anfechtung wiederauflebt“, im vorliegenden Fall also erst nach Insolvenzeröffnung entstanden ist (s.u.), ändert nichts daran, dass die Sachverhalte, die der Titulierung des Anspruchs des Vollstreckungsgläubigers und der Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners durch den Vollstreckungsgläubiger zugrundeliegen, untrennbar miteinander verknüpft sind. Diese Sachverhalte haben sich vor der Insolvenzeröffnung zugetragen, hierauf – nicht auf das Konstrukt einer erloschenen und wiederauflebenden Forderung – ist abzustellen. Die Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners setzt einen vollstreckbaren Titel voraus, dieser wurde vor Insolvenzeröffnung erwirkt. Auch die angefochtenen Vermögensverschiebungen erfolgten vor der Insolvenzeröffnung. Dieser Sichtweise entspricht der in § 12 AnfG verwendeten Metapher, wonach die Forderung „wiederauflebt“. Der Begriff des Wiederauflebens verbildlicht die Bezugnahme auf Sachverhalte, die in der Vergangenheit abgeschlossen sind (das anfechtbare Rechtsgeschäft). Eine solche, dem Vollstreckungsschuldner nachteilige „Wiederbelebung“ von Sachverhalten aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung will die Restschuldbefreiung unterbinden.
57Gerade weil der Anspruch aus § 12 AnfG nicht in den Anwendungsbereich der §§ 286 ff. InsO fällt, ist der dem Zweck der Restschuldbefreiung zuwiderlaufenden Gefahr eines Rückgriffs entgegenzutreten, indem dem Anfechtungsgegner die Möglichkeit eingeräumt wird, die Inanspruchnahme durch den Vollstreckungsgläubiger in rechtsanaloger Anwendung des § 767 Abs.1 ZPO entgegentreten zu können.
58Das Gericht sieht sich im Einklang mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Wäre auf den vom Kläger eingenommenen formalen Standpunkt abzustellen, dass der Anspruch aus § 12 AnfG keine Insolvenzforderung ist, weil sich der Entstehungstatbestand erst nach Insolvenzeröffnung verwirklicht hat, wäre die Zurückhaltung des BGH in Bezug auf die Frage, wie zu verfahren ist, wenn erst nach Insolvenzeröffnung Anfechtungsklage erhoben wird, kaum verständlich. Die vom BGH erörterte Gefahr einer Umgehung der Wirkungen der Restschuldbefreiung ist als Problem nur dann relevant, wenn der Anspruch aus § 12 AnfG an der Restschuldbefreiung nicht teilnimmt. Nimmt er teil, besteht auch keine Gefahr, dass der Anfechtungsgegner den Vollstreckungsschuldner in Anspruch nimmt. Dies hat der BGH durch die Hinweise auf die §§ 38 ff. InsO deutlich gemacht.
59Gegen die hier vertretene Auffassung lässt sich allerdings zu Recht anführen, dass die Frage, ob sich der Anfechtungsgegner auf die Restschuldbefreiung berufen kann oder nicht, oftmals vom Zufall abhängt, ob die Anfechtungsklage vor oder nach Insolvenzeröffnung anhängig gemacht worden ist. Trotzdem ist das hier vertretene Ergebnis sachgerecht, da die Wirkungen der Restschuldbefreiung, welche auch im öffentlichen Interesse stehen, den Interessen des Vollstreckungsgläubigers vorgehen.
60Nach alledem hängt die Entscheidung davon ab, ob im konkreten Fall der Anspruch aus § 12 AnfG eine Insolvenzforderung im Sinne der §§ 38 ff. InsO darstellt, die zur Anmeldung hätte gebracht werden können. Das ist zu verneinen. § 12 AnfG führt dazu, dass die erloschene Forderung zu Gunsten des Anfechtungsgegners wieder auflebt (Münchner Kommentar zum Anfechtungsgesetz, München 2012, § 12 Rn. 12). Das Wiederaufleben im vorstehenden Sinne ist kein Sachverhalt im Sinne des § 41 Abs. 1 InsO. Unter die letztgenannte Vorschrift sind auch betagte, bedingte und befristete Forderungen zu subsumieren. Den von § 41 Abs. 1 InsO erfassten Konstellationen liegt als Gemeinsamkeit zu Grunde, dass bereits vor der Insolvenzeröffnung die Grundlagen zu Entstehung des Anspruchs gelegt worden sind. Künftige Forderungen sind dementsprechend keine Insolvenzforderung im vorstehenden Sinne (Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 38 Rn. 17). Der in § 12 AnfG benutzte Begriff des Wiederauflebens setzt denknotwendig voraus, dass der Anspruch vorher erloschen war. Das macht es nach den Gesetzen der Logik zwingend, den Anspruch aus § 12 AnfG als künftige Forderung im vorstehenden Sinne anzusehen.
61Es besteht auch kein Grund, im Interesse der Gleichbehandlung dieses Falls und der vom BGH entschiedenen Konstellation § 41 Abs. 1 InsO auf „wiederauflebende“ Forderungen rechtsanalog anzuwenden, also die bloße Option des Vollstreckungsgläubigers, vor der Insolvenzeröffnung die Anfechtung ordnungsgemäß geltend zu machen (s.u.) einer nicht fälligen Forderung im Sinne des § 41 Abs. 1 InsO gleichzustellen. Eine solche Analogie kommt nach Auffassung des Gerichts einer Vergewaltigung des Wortlautes aus § 41 Abs. 1 InsO gleich; der gesetzgeberische Wille, der in der Wortwahl „nicht fällige Forderung“ seinen Niederschlag gefunden hat, ist von den Gerichten zu respektieren. Eine erloschene Forderung ist überhaupt keine Forderung und folglich keine „nicht fällige Forderung“. Eine Superposition (Überlagerung) des Zustands „Forderung“ dergestalt, dass es von den jeweiligen Umständen abhängt, ob die Forderung als „bestehend“ oder „nicht bestehend“ betrachtet wird, erscheint mit den in der Rechtsanwendung um geltenden Regeln der Logik kaum vereinbar. Diese Bedenken lassen sich nicht mit der schlichten Erwägung beiseitewischen, dass diese Rechtsprechung vom Zufall abhängige Ergebnisse produziert. Es ist Sache des Gesetzgebers derartige Ungereimtheiten, die als Konsequenz der Restschuldbefreiung aufgetreten sind, zu korrigieren. Damit kann und muss der Vollstreckungsgläubiger leben.
62Schließlich ist die Frage zu beantworten, was unter Anfechtung im Sinne des § 12 AnfG zu verstehen ist, also ob der Anspruch aus § 12 AnfG bereits mit Entstehung des Anfechtungsrechts oder erst mit ordnungsgemäßer Geltendmachung des Anfechtungsrechts, d.h. mit dessen gerichtlicher Geltendmachung (Münchner Kommentar zum Anfechtungsgesetz, § 7 Rn. 12) im vorgenannten Sinne wieder auflebt. Stellt man auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anfechtungsrechts ab, wäre der Anspruch aus § 12 AnfG bereits vor der Insolvenzeröffnung wieder aufgelebt; das Anfechtungsrecht ist entstanden mit der Verwirklichung des Anfechtungstatbestandes aus § 3 AnfG. Stellt man hingegen auf die gerichtliche Geltendmachung ab, liegt der Entstehungszeitpunkt nach Insolvenzeröffnung, da die in Rede stehende Klage erst am 23.12.2015 eingereicht wurde. Richtigerweise ist auf letzteren Zeitpunkt abzustellen, da andernfalls der Zeitpunkt des Erlöschens immer mit dem Zeitpunkt des Wiederauflebens zusammenfallen würde, mithin die Verwendung des Begriffs „wiederauflebt“ in § 12 AnfG keinen Sinn machen würde.
63Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs.1, 709 ZPO.
64Streitwert: 25.000 €.
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