Urteil vom Landgericht Essen - 6 O 383/78
Tenor
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 1978
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E.,
den Richter am Landgericht B.
und den Richter L.
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Die Klage wird abgewiesen.
2Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 1.550,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
5Tatbestand
6Mit der Klage vom 10. August 1978 nimmt der Kläger die Beklaqte aufgrund einer Reisegepäckversicherung in Anspruch, die er mit der Beklagten im Jahre 1977 abgeschlossen hat.
7In der Klageschrift hat der Kläger seinen Anspruch wie folgt begründet:
8Am 16. 4. 1977 sei ihm sein gesamtes Reisegepäck aus einem Schließfach im Bahnhof München gestohlen worden. Auf die von ihm erstellte Strafanzeige habe die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls gegen Unbekannt eingestellt (200 U Js 15/78 StA beim Landgericht München I). Die Unterlagen und Quittungen über die Höhe des Schadens bzw die Einstellung des Ermittlungsverfahrens seien der Beklagten übersandt worden. Mit Schreiben vorn 18. 5. 1978 habe die Beklagte die Regulierung zu Unrecht abgelehnt.
9Dem Anspruch des Klägers ist die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. 9. 1978 entgegengetreten, der dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers im Termin vom 14. 9. 1978 ausgehändigt worden ist. In der Verhandlung vom 14. 9. 1978 ist der Kläger-Vertreter u.a. noch darauf hingewiesen worden, daß der Kläger bei der polizeilichen Anzeige angegeben haben soll, er habe das Schließfach abgeschlossen, während der aufnehmende Beamte vermerkt habe, das Schloß sei wegen Verschmutzung nicht abschließbar gewesen.
10Mit Schriftsatz vom 23.10.1978, einqegangen bei Gericht am 24.10.1978, hat der Kläger den behaupteten Versicherungsfall unter Beweisantritt im einzelnen dargelegt. Zur
11Begründung dafür, daß auf den Schriftsatz vom 11. 9. 1978 erst kurz vor dem Kammertermin erwidert worden ist, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, der Kläger sei erst am 20.10. 1978 aus Süddeutschland zurückgekehrt, wo er sich14 Tage aus Geschäftsgründen aufgehalten gehabt habe. Zum Beweis für diese Geschäftsrejse konnte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nur auf dessen Angaben ihm gegenüber verweisen.
12Der Kläger beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.000,-- DM nebst 7,5 § Zinsen seit Rechtshängigkeit (28. 8. 1978) zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte bestreitet, daß ein Versicherungsfall vorliege. Es gebe, so behauptet sie, nicht: einmal Anhaltspunkte dafür, daß ein den Versicherungsfall auslösendes Ereignis vorgelegen habe. So sei das Zylinderschloß verschmutzt gewesen und habe sich nicht drehen lassen. Möglicherweise habe sich der Schlüssel abziehen lassen, ohne daß das Fach verschlossen gewesen sei. In diesem Fall habe der Kläger grob fahrlässig gehandelt, so daß für sie, die Beklagte, keine Eintrittspflicht bestehe. Außerdem seien an dem Schloß keinerlei Beschädigungen festgestellt worden. Ein solches Schloß lasse sich aber nicht ohne Gewaltanwendung öffnen (Beweis: Einholung eines Sachverständigengutachtens).
17Außerdem ist die Beklagte der Auffassung, daß der Kläger seinen Schaden nicht substantiiert habe. Der Kläger habe zwar eine Schadensanzeige übersandt, diese schließe aber mit einem Betrag von 19.599,-- DM ab, während mit der Klage nur 17.ooo,-- DM geltend gemacht würden.
18Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselte~ Schriftsätze Bezug qenommen,
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage war abzuweisen.
21Der Kläger als Versicherungsnehmer hat den Nachweis zu führen, daß der Versicherungsfall eingetreten ist (Verlust des Reisegepäcks während der Dauer einer Reise, einschließlich Lagerung bei öffentlichen Transportanstalten). Dieser Nachweis kann dem Versicherungsnehmer durch den sogenannten Beweis des ersten Anscheins erleichtert werden. Das bedeutet: Steht ein Sachverhalt fest, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Geschehensablauf hinweist, so ist dieser regelmäßige Verlauf als im Wege des Anscheinsbeweises als bewiesen anzusehen, wenn der Fall das Gepräge des Üblichen und Tvpischen trägt (vgl. Palandt § 249 Vorbemerkung 8 a und Prölls-Martin, § 49 VVG Bemerkung 3).
22In der Klageschrift vom 10. 8. 1978 hat der Kläger lediglich behauptet, das Reisegepäck sei ihm am 16. 4. 1977 aus einem Schließfach im Bahnhof München gestohlen worden. Unter Bezugnahme auf das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens hat er weiter dargelegt, daß er Strafanzeige erstattet und daß das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingestellt worden sei. Einen Beweis für den Eintritt des Versicherungsfalles hat er nicht angeboten.
23Ein direktes Beweismittel für den behaupteten Diebstahl steht .ihm - wie der Schriftsatz vom 23. 10. 1978 zeigt - auch nicht zur Verfüqung. Dem Kläger mußte also von Anfang an klar sein, daß er den ihm obliegenden Beweis nur durch den sogenannten Beweis des ersten Anscheins werde führen können, wenn die Beklagte das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestreiten würde. Damit war zu rechnen, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 18. 5. 1978 die Regulierung. abgelehnt hatte. Daher konnte es für den Kläger keine Überraschunq bedeuten, als im Termin vom 14. 9. 1978 der Schriftsatz der Gegenseite vom 11. 9. 1278 ausgehändigt wurde.
24Der Kläger hat darauf erst mit Schriftsatz vom 23.10.1978 erwidert und hierin ein typisches Geschehen im Sinne eines Anscheinsbeweises dargelegt. Dieser Schriftsatz muß jedoch von der Kammer als verspätet zurückgewiesen werden. Unter Zugrundelegung der in § 282 Abs. 1 ZPO niedergelegten Prozeßförderungspflicht hätte der Kläger den jetzigen Vortrag so rechtzeitig vorbrinqen müssen, daß
25a) der Gegner hierauf hatte erwidern können (§ 282 Abs. 2 ZPO)
26b) das Gericht die vom Kläger benannten Zeugen zum Termin hätte laden können.
27Das wäre auch geschehen, und zwar unabhängig von einer möglichen Erwiderung des Beklagten. Die Zulassung des jetzigen klägerischen Vorbringens würde den Prozeß verzögern, zumindestens der Termin vom 26.10.1978 wäre dann völlig überflüssig gewesen.
28Das verspätete Vorbringen des Klägers beruht auch nach Auffassung der Kammer auf grober Nachlässigkeit. Wie bereits dargelegt, mußte dem Kläger von vornherein klar sein, daß er weiteren erheblichen Sachvortrag werde vorbringen müssen, sobald die Beklagte das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestreiten würde, Es kann hier dahinstehen, ob der Kläger nicht bereits in seiner Klageschrift gegen das Gebot, vollständig und umfassend vorzutragen, verstoßen hat, jedenfalls hätte er dies umgehend nach Aushändigung des Schriftsatzes vom 11. 9. 1978 nachholen müssen. Die von seinem Prozeßbevollmächtigten abgegebene Erklärung, der Kläger habe sich etwa ab 6. Oktober 1978 in Süddeutschland befunden, vermag ihn nicht zu entlasten, denn nach dem Termin vom 14.9.1978 blieben bis zur Reise nach Süddeutschland noch 3 Wochen Zeit, in denen der Kläger sein Vorbringen hätte ergänzen können. Hätte der Kläger in dieser Zeit seinen Klagevortrag ergänzt, dann hätten die Zeugen noch zum Termin vom 26. 10. 1978 geladen werden können.
29Das verspätete Vorbringen des Klägers beruht nach Auffassung des Gerichtes auf einem Verstoß gegen die einfachsten prozessualen Regeln, deren rechtzeitige Erfüllung sich geradezu aufdrängen mußte. Aus diesem Grunde hat die Kammer das Vorbringen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 23.10.1978 gemäß §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 und 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen.
30Dann aber war die Klage abzuweisen, weil der Kläger in seiner Klageschrift keinen Beweis für den von ihm behaupteten Versicherungsfall angetreten hat.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung
32über die vorläufige Vollstreckbarkejt aus § 7o8, 711 ZPO.
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