Urteil vom Landgericht Essen - 1 O 215/02
Tenor
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 08.09.2004
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht T.,
die Richterin am Landgericht X.
und den Richter am Landgericht I.
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.102,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins von 75,93 seit dem
15.09.2001 und von weiteren 1.026,49 seit dem 25.07.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 4/5 und der
Beklagten zu 1/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung des Gegners gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor seiner Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheitsleistung leistet.
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hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen
2auf die mündliche Verhandlung vom 08.09.2004
3durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht T.,
4die Richterin am Landgericht X.
5und den Richter am Landgericht I.
6für R e c h t erkannt:
7Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.102,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins von 75,93 seit dem 15.09.2001 und von weiteren 1.026,49 seit dem 25.07.2002 zu zahlen.
8Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
9Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 4/5 und der Beklagten zu 1/5 auferlegt.
10Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
11Die Parteien können die Vollstreckung des Gegners gegen Sicherheits-leistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor seiner Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheitsleistung leistet.
12Tatbestand
13Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert.
14Auf die Versicherungsbedingungen Blatt 11 ff. wird Bezug genommen.
15Er war im Jahr 2001 bei dem Zahnarzt Dr. H. in privater zahnärztlicher Behandlung und nimmt die Beklagte auf volle Erstattung der ihm in Rechnung gestellten Behandlungskosten in Anspruch. Die Beklagte hat nur teilweise Erstattung geleistet.
16Die Parteien streiten um folgende Rechnungen:
17I. Rechnung vom 05.03.2001 für die Behandlung vom 25.01. - 27.02.2001 (Bl. 109 ff)
18Die Beklagte hat auf die in dieser Kopie gelb markierten Positionen keinen oder nur teilweisen Ersatz geleistet.
191. Die Parteien streiten darüber, ob hinsichtlich der jeweils zweimal in Rechnung gestellten Ziff. 227, 218 und 229 vertragsgemäß Erstattung zu 100 % für zahnärztliche Behandlung oder nur zu 75 % für Zahnersatzbehandlung pp. zu leisten ist.
202. Es besteht Streit über den Abrechnungsfaktor 4,5, den der behandelnde Zahnarzt für die Versorgung des Kiefers mit einem Interimszahnersatz als Langzeitprovi- sorium für die Zähne 18, 15, 14, 24-27, 38, 37, 35, 45, 47 berechnet hat.
21Die Beklagte hat die Leistungen gem. Ziff. 708 (Blatt 112) nur nach dem 3,5fachen Faktor erstattet und bestreitet die Berechtigung des Zahnarztes zur Anwendung eines höheren Faktors.
223. Die Beklagte hat auf die in Rechnung gestellten Materialien (Blatt 114) mit Aus-nahme der Position 2 Hydro keinen Ersatz geleistet. Die Parteien streiten darüber, ob die Materialien gesondert abgerechnet werden können oder aber mit den Ge- bühren mit abgegolten sind.
23II. Rechnung vom 28.11.2001 für die Behandlung vom 02.08. - 27.11.2001 Bl. 160 ff
241. Auch hier besteht Streit über den Abrechnungsfaktor 4,5 bzw. 4,8. Die Beklagte hat die Leistungen gem. Ziff. 221 (6 Vollkronen) und 222 (1 Teilkrone) nur nach dem 3,5fachen Faktor erstattet.
252. Hinsichtlich der Ziff. 905 (Auswechseln eines Sekundärteils bei einem zusammengesetzten Implantat), auf die keine Erstattung erfolgt ist, macht die Beklagte geltend, dass diese Gebührenziffer nicht für die vorliegende erste Einbringung des Se- kundärteils, die vielmehr mit Ziffer 904 mit abgegolten sei, gelte.
263. Ferner streiten die Parteien auch hier darum, ob Verbrauchsmaterialien gesondert in Rechnung gestellt werden können.
27III. Eigenlaborkosten
281. Die Zahntechnikerrechnung umfasst die keramische Vollverblendung von 7 Zähnen. Die Beklagte erkennt die Rechnung insofern nur für teilweise erstattungsfähig an, denn sie meint, dass die Verblendung von 3 hinteren Backenzähnen nicht medizinisch notwendig und daher auch nicht erstattungsfähig sei.
292. Ferner streiten die Parteien um die Abrechnungsfähigkeit der Positionen Tiefziehfolie (2,10 DM), die die Beklagte für überflüssig hält.
303. Die Beklagte verweigert eine Erstattung auf die Positionen Zahnfarbenbestimmung (46,50 DM), individuelle Charakterisierung (408,60 DM) und Arbeit unter dem Stereomikroskop (585,00 DM) mit der Begründung, auch insofern fehle die me-dizinische Notwendigkeit.
31Der Kläger beantragt,
32die Beklagte zu verurteilen,
33an ihn 5.377,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins aus 1.453,10 seit dem 15.09.2001 und aus 3.924,86 seit Zustellung des klageerweiternden Schriftsatzes zu zahlen.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Entscheidungsgründe
37Die Klage ist teilweise begründet.
38I. Rechnung vom 05.03.2001 für die Behandlung vom 25.01. - 27.02.2001 (Bl. 109 ff)
391.
40Bei den Leistungen gem Ziff. 227, 218 und 229 GOZ handelt es sich um Entfernung einer Einlagefüllung oder Krone (229), Vorbereitung eines zerstörten Zahnes zur Aufnahme einer Krone (218) und Eingliederung einer provisorischen Krone zum Schutz eines präparierten Zahnes und zur Sicherung der Kaufunktion (227), also um Leistungen im Rahmen der Versorgung von Zähnen mit Zahnkronen einschließlich der vorbereitenden Maßnahmen.
41Obwohl es sich bei diesen Leistungen laut GOZ um konservierende Leistungen handelt, sind sie vertragsgemäß nur zu 75 % zu erstatten, denn der Vertrag der Parteien regelt die Erstattungsfähigkeit zahnärztlicher Behandlungen wie folgt:
422.2 Die Aufwendungen werden ersetzt
43...
44bei Zahnersatz (...), Zahnkronen,... 75 %
45Als Zahnersatz gelten auch die vorbereitenden Leistungen.
46Die Beklagte hat diese Positionen daher richtig abgerechnet.
47Eine Nachforderung des Klägers in Höhe von 2,26 besteht jedoch hinsichtlich der Ziffer 010 (intraorale Leitungsanästesie), die mit einer konservativn Behandlung,
48nämlich einer Wurzelbehandlung, in Zusammenhang stehen dürfte und daher zu
49100 % zu erstatten ist.
502.
51Der Zahnarzt hat die Anwendung des umstrittenen 4,5fachen Satzes bei Ziffer 708 (Versorgung eines Kiefers mit einem Interimszahnersatz als Langzeitprovisorium) für die Behandlung der Zähne 18, 15, 14, 24-27, 38, 37, 35, 45, 47 wie folgt begründet:
52Erhöhte Schwierigkeit durch Zeitaufwand bedingt durch die vorhandene tief unter dem Zahnfleischrand liegende alte Präparationsgrenze sowie sehr starke Zahnfleischentzündung und umfangreiche Restauration der bereits verlorenengegangenen stabilen okklusalen Verhältnisse.
53Nach Beurteilung des Gutachters lagen insofern besondere Schwierigkeiten vor, als die parodontalen Verhältnisse vor ihrer Abheilung, d.h. zur Zeit der Anfertigung des Langzeitprovisoriums, eine exakte Abdrucknahme deutlich erschwert haben können. Die Zahnfleischtaschen seien besonders im linken Oberkiefer vertieft gewesen. Der Präparationsrand sei dann schwieriger und zeitaufwändiger abzuformen als bei einer normal tiefen Zahnfleischtasche. Für die Herstellung einer stabilen Okklusion müsse das Langzeitprovisorium daher exakt auf die Präparationsgrenze angepasst werden. Das sei hier hervorrangend und mit nachhaltigem Erfolg gelungen.
54Der Gutachter hält den Steigerungssatz von 4,5 daher für gerechtfertigt.
55Die Kammer schließt sich der Beurteilung des Gutachters an, soweit er ganz be-sondere, in Folge vertiefter Zahnfleischtaschen erhöhte Schwierigkeiten der Leistung feststellt. Das ist hinsichtlich der 4 Zähne 24-27 im linken Oberkiefer der Fall. Im
56Übrigen stellt der Gutachter keine derartigen Schwierigkeit und keinen derartigen Aufwand fest, dass ein Überschreiten des 2,3fachen (Höchst-)Satzes nicht nur auf den 3,5fachen Satz, den die Beklagte erstattet hat, sondern darüber hinaus sogar auf den 4,5fachen Satz gerechtfertigt wäre.
57Die Nachforderung errechnet sich wie folgt:
58Der einfache Satz für Ziffer 708 betrug gem. GOZ 49,50 DM.
59Für die 4 Zähne 24-27 besteht daher bei 4,5fachem Satz ein Honoraranspruch von 891,00 DM und ein Erstattungsanspruch (75%) von 668,25 DM.
60Die Beklagte hat auf Grund eines Honoraranspruchs mit 3,5fachem Satz, also
61693,00 DM eine Erstattung (75%) von 519,75 DM geleistet.
62Der Kläger hat daher Anspruch auf Erstattung weiterer 148,50 DM.
63
| 3. Die Berechnung der von der Beklagten nicht erstatteten Materialien ist ungerechtfertigt. Sind Materialien nach dem Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte nicht berechnungsfähig, so sind die Kosten hierfür, soweit nicht § 9 GOZ eingreift, nach § 4 Abs. 3 GOZ mit den Gebühren abgegolten (BGH NJW-RR 2004, 1198-1202). Um Auslagen gem. § 9 GOZ (zahntechnische Leistungen) handelt es sich nicht, vielmehr um Kleinmaterialien u.ä., die gem. § 10 (2) GOZ nicht gesondert berechnet werden können, auch wenn sie mit einer einmaligen Anwendung verbraucht sind. Die Kosten für eine Aufbaufüllung, eine Endofeile, Spüllösungen, Injektionslösungen, Guttaperchastifte und einen Kronentrenner sind daher mit dem übrigen Honorar abgegolten. Eine Erstattung hierauf wird zu Recht verweigert. |
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II. Rechnung vom 28.11.2001 für die Behandlung vom 02.08. - 27.11.2001 Bl. 160 ff
651.
66Der Zahnarzt hat den umstrittenen 4,5fachen Satz für die 6 Vollkronen in den Be-
67reichen 38, 37, 35, 34, 45, 47 wie folgt begründet:
68Bedingt durch eine sehr aufwendige Stufenpräparation und achsenausgleichende
69Präparation wegen der notwendigen Parallelitätsfindung lagen die Schwierigkeit und der Zeitaufwand weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Behandlungsfälle. Eine weitere Schwierigkeit lag in der Schaffung vernünftiger approximaler Kontaktpunkte, was im konkreten Fall aufgrund der starken Kippung und enorm vergrößerten Distanz zu den Nachbarzähnen eine besondere Planung der Präparation und einen dementsprechenden Zeitaufwand erforderte.
70Der Gutachter hat hierzu ausgeführt, dass die Zähne 38 und 37 nach mesial (innen) und das Implantat 46 nach distal (außen) gekippt seien, und dass die Lücke in Regio 36 durch die Kronen habe geschlossen werden müssen. Die Begründung des Steigerungsfaktors sei ihm auf Grund seiner langjährigen Praxis nachvollziehbar und durch die Röntgenbilder belegt. Im Übrigen spreche die Qualität der Arbeit für sich. Er-
71gänzend hat er ausgeführt, dass die Kronen 45 und 47 wangenwärts tiefer lägen als die übrigen Kronen. Folglich sei hier eine starke Rezession (Rückgang des Zahnfleischs) gewesen. Somit sei die Begründung für die Erhöhung des Steigerungsfaktors nachvollziehbar.
72Diese Begründung überzeugt.
73Der Sachverständige hat die Verhältnisse im Mund des Klägers selbst in Augenschein genommen. Wenn er als langjährig erfahrener Zahnarzt auf Grund dessen feststellt, dass auf Grund unterschiedlicher erheblicher Kippungen, unterschiedlicher Kronen-höhen und der Lücke in Regio 36 besondere Schwierigkeiten für den Zahnarzt vor-lagen, die einen Steigerungssatz von 4,5 rechtfertigen, so sieht die Kammer keinen Anlass, diese Beurteilung infragezustellen. Hinzu kommt, das der Sachverständige die besondere Qualität der Arbeit hervorhebt. Die Kammer betrachtet eine solche Qualität nicht als medizinisch irrelevanten Luxus, sondern als medizinisch sinnvolle Mühe, die sich langfristig auszahlt.
74Die sich hieraus ergebende Nachforderung des Klägers errechnet sich wie folgt:
75Der einfache Satz für Ziffer 211 betrug gem. GOZ 143,00 DM.
76Für die 6 Vollkronen besteht daher bei 4,5fachem Satz ein Honoraranspruch von 3.861,00 DM und ein Erstattungsanspruch (75%) von 2.895,75 DM.
77Die Beklagte hat auf Grund eines Honoraranspruchs mit 3,5fachem Satz, also
783.003,00 DM eine Erstattung (75%) von 2.252,25 DM geleistet.
79Der Kläger hat daher Anspruch auf Erstattung weiterer 643,50 DM.
802.
81Für die Teilkrone bei Zahn 33 hat der behandelnde Zahnarzt den 4,8fachen Steigerungssatz berechnet und ihn wie folgt begründet:
82Weit über dem Durchschnitt liegender Zeitaufwand und erhöhte Schwierigkeit aufgrund der aufwendigen Rillennutenpräparation sowie aufwendige Planung und Ausführung des gleichen auf Grund der starken Kippung der Nachbarzähne und Rekonstruktion der Kaufläche. Besonders erschwert war auch das aufwendige Zementieren der Teilkrone mittels Ultraschalltechnik.
83Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt: Das Einzementieren von Teilkronen sei mitunter ein schwieriges Unterfangen und deutlich zeitaufwändiger als das normale Einzementieren. Überdies sei eine palatinale (den Gaumen betreffende, gaumenwärts gelegene) Rillennutenpräparation immer eine sehr zeitaufwändige und schwierige Zahnersatzarbeit, dies zumal bei einem Keramikinlay.
84Die Kammer tritt den sachverständigen Feststellungen des Gutachters nicht entgegen. Sie ist jedoch der Auffassung, dass diese ärztlichen Feststellungen einen Steigerungsfaktor von mehr als 3,5 (auf dessen Basis Ersatz geleistet worden ist) von Rechts wegen nicht tragen.
85Der Gesichtspunkt, dass das Einzementieren von Teilkronen deutlich zeitaufwändiger ist als das normale Einzementieren (von Vollkronen) und dass eine Rekonstruktion der Kaufläche erforderlich war, hat im Rahmen der Gebührenstruktur der GOZ bereits dadurch Berücksichtigung gefunden, dass der einfache Satz für die Versorgung eines Zahnes durch eine Vollkrone 143,00 DM betrug, derjenige für die Versorgung eines Zahnes durch eine Teilkrone mit Retentionsrillen oder -kasten oder mit Pinledges einschließlich Rekonstruktion der gesamten Kaufläche jedoch mit 170,50 DM von vornherein um rund 20 % höher lag. Diese Gebührenstruktur in Frage zu stellen mit dem Argument, dass die Versorgung eines Zahnes mit einer Teilkrone generell einen mit dieser Gebühr nicht angemessen abgegoltenen Aufwand erfordere, geht nicht an.
86Individuelle Besonderheiten des vorliegenden Falles, die sogar die Überschreitung des Faktors 3,5 rechtfertigen, sind hier nicht ersichtlich. Eine besondere Neigung von Nachbarzähnen liegt nicht vor. Der Eckzahn 33 ist nicht den mesial geneigten hinteren Backenzähnen 37 und 38, dem distal geneigten Implantat 46 und den tiefer liegenden Zähnen 45 und 47 benachbart. Dass die Rillennutenpräparation und die Verwendung der Ultraschalltechnik keinen über 3,5 liegenden Faktor rechtfertigt, gibt der be-handelnde Zahnarzt mit der mit diesen Argumenten begründeten Berechnung des 3,5fachen Satzes für die folgende Position, nämlich Teilkrone 32, selbst zu erkennen.
87Insofern kann ein Anspruch des Klägers auf weitergehende Erstattung daher nicht festgestellt werden.
883.
89Die Erstattung der in Rechnung gestellten Gebühr gem. Ziffer 905 für das Auswechseln eines Sekundärteils kann nicht verlangt werden, denn insofern ist die Honorarforderung des Zahnarztes unbegründet.
90Die gleichzeitig in Rechnung gestellte Ziffer 904 honoriert gemäß GOZ das Freilegen eines Implantats und das Einfügen von Sekundärteilen bei einem zweiphasigen Implantationssystem, Ziffer 905 honoriert hingegen das Auswechseln eines Sekundärteils. Da das Implantat am 05.10.2001 freigelegt wurde, kann es sich bei der Einbringung des Sekundärteils nicht um eine Auswechselung gem. Ziffer 905, sondern nur um eine (Erst-)Einbringung gehandelt haben, die mit dem Honorar gem. Ziffer 904 mit abgegolten ist.
914.
92Die Kosten für Kleinmaterialien ausgenommen diejenigen für die Distanzhülse, für die auch Erstattung erfolgt ist, können nicht gesondert in Rechnung gestellt werden.
93Auf die Ausführungen unter I 3. wird Bezug genommen.
94III. Eigenlaborkosten
951.
96Die Parteien streiten um die Position BEB 2612 - mehrflächige Verblendung auf
97Keramik für 7 Zähne. Die Beklagte hat ihrer Erstattung statt des Rechnungsbetrages von 1.820,00 DM einen auf 1.040,00 DM gekürzten Betrag, also das Honorar für die Vollverblendung von 4 Zähnen, zu Grunde gelegt. Sie ist der Auffassung, dass eine Vollverblendung der hinteren Backenzähne (7er und 8er) nicht medizinisch indiziert
98sei und beruft sich auf eine ihres Erachtens insofern hinreichend anerkannte Rechtsprechung.
99Der bisherigen Rechtsprechung der Kammer entspricht jedoch, die medizinische Notwendigkeit der Vollverblendung hinterer Backenzähne fallbezogen zu beurteilen.
100Die entgegenstehende Meinung - der Kammer sind insofern lediglich die Urteile des Amtsgerichts Köln in RuS 93, 153 und des Amtsgerichts Schöneberg in RuS 94, 272 bekannt - überzeugt nicht. Das Argument, eine Verblendung von Zahnkronen ab
101Zahn 7 mit dem Ziel einer Angleichung der Kronen an die natürliche Farbe der eigenen Zähne erfüllte keine zahnmedizinische, sondern allein eine kosmetisch/ästhetische Funktion, trifft auf die Verblendung aller anderen Zähne im selben Maße zu. Auch die Verblendung von Frontzähnen hat im Wesentlichen ästhetische Funktion, dennoch steht deren Erstattung selbst im Rahmen der Pflichtversicherung außer jeder Dis-kussion. Die medizinische Notwendigkeit einer ärztlichen/zahnärztlichen Maßnahme umfasst nach zeitgemäßem Standard auch das Bemühen, die optisch störenden
102Folgen des Eingriffs bzw. eine erforderliche Prothetik im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren möglichst wenig sichtbar werden zu lassen.
103Hieraus folgt nach Auffassung der Kammer für den Fall der privatärztlichen Zahnbehandlung, die sich nicht an der noch ausreichenden Wahrung des Standards orien-tieren muss, dass die prothetische Versorgung von Zähnen nicht auffallen soll; denn es ist ohne Weiteres und ohne deutlich übertriebenen Kostenaufwand möglich, die Überkronungen nicht sichtbar werden zu lassen. Das gilt für Backenzähne wie für jeden anderen Zahn.
104Bezogen auf den konkreten Fall kommt es daher darauf an, ob die nicht (voll) verblendete Überkronung von Backenzähnen im Mund des Patienten unter gewöhnlichen Umständen auffiele.
105Auf Grund der Feststellungen des Gutachters wäre das hier aber der Fall. Der Gutachter führt hierzu auf Grund persönlicher Untersuchung des Klägers aus, dass der Kläger eine ziemlich große und breite Mundöffnung hat, so dass beim Sprechen, vor allem aber beim Lachen, auch die hinteren Backenzähne sichtbar werden.
106Eine Prothetik, durch die der Kläger im Sinne einer Einsparung von maximal 260,00 DM pro Krone fortan veranlasst würde, hinter vorgehaltener Hand zu lachen, ent-spräche nicht einem guten zahnärztlichen Standard, für dessen Kosten der Kläger Erstattung verlangen kann.
107Die Verblendung ist daher für alle 7 Kronen zu erstatten.
108Die Erstattung der zahntechnischen Laborarbeiten erfolgt tarifgemäß zu demselben Erstattungsprozentsatz wie bei der zugrundeliegenden zahnärztlichen Leistung, also zu 75 %.
109Der Kläger hat daher Anspruch auf Erstattung weiterer 260,00 DM x 3 x 75 %
110= 585,00 DM.
1112.
112Der Gutachter bezeichnet die Position Tiefziehfolie als nachvollziehbar.
113Dem schließt die Kammer sich an.
114Die Beklagte verweigert die Erstattung dieser Position mit der Begründung, sie sei mit dem zahnärztlichen Honorar abgegolten.
115Eine Abgeltung der Position mit einem zahnärztlichen Honorar kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich vorliegend nicht um eine zahnärztliche Leistung, sondern um die gem. § 9 GOZ zu erstattenden angemessenen Kosten für zahntech-
116nische Leistungen handelt.
117Der Kläger hat daher Anspruch auf Erstattung von 2,10 DM x 75 % = 1,78 DM.
1183.
119Die Beklagte hält die mit 46,50 DM in Rechnung gestellte Zahnfarbenbestimmung, die individuelle Charakterisierung der Keramik für 408,60 DM und den Zuschlag von 585,00 DM für Arbeiten unter dem Stereomikroskop nicht für erstattungsfähig und behauptet, eine medizinische Notwendigkeit für diesen Aufwand bestehe nicht.
120Hinsichtlich der Zahnfarbenbestimmung und der individuellen Charakterisierung der Keramik gelten die Ausführungen unter Ziffer 1 entsprechend. Zur notwendigen Heilmaßnahme gehört nicht nur das funktionell Unerlässliche, sondern auch eine Diskretion der Prothetik. Ein deutlich sichtbar falsches Gebiss entspricht nicht mehr dem Standard.
121Allerdings hat der Standard eine erhebliche Bandbreite von noch ausreichender bis zu sehr guter Leistung. Der Kläger ist nicht pflichtversichert; er hat daher nicht nur Anspruch auf eine den medizinischen Standard ausreichend wahrende Leistung, sondern kann jede Leistung in Anspruch nehmen, soweit sie nicht über den Standard hinaus geht.
122Die vorliegende Leistung ist laut Gutachten sehr gut. Sie ist auch kein überflüssiger Aufwand, denn sie dient dem vernünftigen Zweck, die Prothetik zu kaschieren.
123Daher unterliegt sie der Erstattungspflicht der Beklagten.
124Die Arbeit unter dem Stereomikroskop war laut Gutachten lege artis, denn nur so konnte die Präparationsgrenze exakt angepasst werden.
125Eine ausreichende Leistung wäre wohl auch ohne diesen Aufwand ausgekommen, jedoch kann die Beklagte ihren Versicherungsnehmer, wie bereits ausgeführt, nicht auf eine medizinische Versorgung im unteren Bereich des Standards beschränken.
126Da der Aufwand nach Feststellung des Gutachters in einem entsprechend hochwertigen Arbeitsergebnis seinen Niederschlag gefunden hat und eine präzise Anpassung der Kronenränder medizinisch sinnvoll und gesundheitlich nachhaltig vorteilhaft ist, liegt ein ungerechtfertigter Aufwand nicht vor.
127Auch insofern ist daher Erstattung zu leisten.
128Der Kläger hat daher Anspruch auf Erstattung weiterer (46,50 + 408,60 + 585,00) x 75 % = 780,08 DM.
129Insgesamt steht dem Kläger daher weitere Erstattung in folgender Höhe zu:
130Rechnung vom 05.03.2001
131Ziffer 708 148,50 DM
132Rechnung vom 28.11.2001
133Ziffer 221 643,50 DM
134Laborkosten
135Verblendung 585,00 DM
136Tiefziehfolie 1,78 DM
137Zahnfarbenbestimmung,
138indiv. Angleichung,
139stereomikroskop. Arbeit 780,08 DM
1402.158,86 DM.
141Dieser Betrag entspricht 1.102,42 .
142Insofern ist der Klage unter Einschluss der Verzugszinsen stattzugeben.
143Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
144Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 ZPO.
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Referenzen
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