Urteil vom Landgericht Essen - 1 S 153/04
Tenor
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen durch den Vors. Richter am LG T., den Richter am LG I. und die Richterin am Landgericht S.
für R e c h t erkannt:
Die Berufung des Klägers vom 22.9.2004 gegen das am 2.9.2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Marl 3 C 188/04 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß der §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Das Gericht lässt eine Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen, und der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nicht einen Betrag von 20.000 EUR übersteigt, § 26 Nr 8 EGZPO.
4II.
5Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
6Über den in erster Instanz titulierten Betrag von 123, 86 hinaus stehen dem Kläger keine weiteren Ansprüche aus dem Verkehrsunfallereignis vom 8.9.2003 gegen die Beklagte nach § 3 PflichtVersG wegen der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges mehr zu.
7Insbesondere kann der Kläger nicht den weiteren Differenzbetrag zu dem Unfallersatztarif verlangen.
8Im Einzelnen:
91. Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 11.2.2005 - nach § 531 Abs.2 Nr. 1 ZPO zulässig in der Berufungsinstanz die Rückabtretungsvereinbarung zwischen ihm und dem Autohaus M. vorgelegt hat, ist er in jedem Fall berechtigt, als eigenes Recht die Kosten der Inanspruchnahme eines Mitwagens zu verlangen.
102.
11Eine Haftung der Beklagten für die dem Kläger entstandenen Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 8.9.2003 ergibt sich dem Grunde nach aus § 3 PflichtVersG. Darüber herrscht unter den Parteien kein Streit.
123.
13Der Kläger kann aber nicht weitere 669, 77 für die Inanspruchnahme eines Mietwagens nach dem Unfallersatztarif des Autohauses M. GmbH & Co KG geltend machen.
14a.
15Der Zahlungsanspruch scheitert allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits daran, dass der Kläger die Rechnung des Autohauses M. noch nicht beglichen hat. Die Kammer teilt die Auffassung der Beklagten, dass der Anspruch des Geschädigten, der einen Mietwagen in Anspruch genommen hat, solange er nicht die Mietwagenrechnung beglichen hat, nicht auf Zahlung sondern auf Freistellung gerichtet ist (Vgl. Palandt Heinrichs, BGB Kommentar, 64. Aufl., § 249 Rz. 30 m.w.N.). Dieser Anspruch geht aber in einen Zahlungsanspruch über, wenn der Schädiger ernsthaft und endgültig die Freistellung verweigert hat (BGH NJW RR 1996, 700; NJW 1999, 1542, 1544). Dann wandelt sich nach § 250 Satz 2 BGB auch ohne Fristsetzung der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um. Hier verweigert die Beklagte endgültig die Zahlung mit dem Hinweis auf die grundsätzlich fehlende Erstattungsfähigkeit der Abrechnung nach dem Unfallersatztarif mit dem Hinweis auf günstigere Vergleichsangebote. Darin ist eine endgültige Leistungsverweigerung zu sehen.
16b.
17Der Kläger kann vorliegend nicht nach dem Unfallersatztarif des Autohauses M. abrechnen.
18Grundsätzlich sind Mietwagenkosten erstattungsfähig nach § 249 Satz 2 BGB (Vgl. BGH Urteil vom 12.10.2004 VI ZR 151/03).
19Diese Kosten sind aber nur dann zu ersetzen, wenn sie tatsächlich zur Herstellung des Zustandes ohne das schädigende Ereignis erforderlich sind. Das entspricht den Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei gehalten nach § 254 BGB, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Im Allgemeinen verstößt der Geschädigte daher nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, solange dies ihm nicht erkennbar ist (BGH NJW 1996, 1958, 1960). Liegt aber eine Situation vor, in der aufgrund des fehlenden Interesses des Mieters an dem genauen Tarif durch gleichförmiges Verhalten der Anbieter sich ein höherer nicht marktwirtschaftlicher Tarif gebildet hat (BGH a.a.O., BGH Urteil vom 26.10.2004 - VI ZR 300/03), dann kann der Geschädigte nicht ohne weiteres auf diesen Tarif zurückgreifen. Denn aufgrund der Marktsituation haben sich die dem Geschädigten angebotenen Unfallersatztarife erheblich über die den Selbstzahlern angebotene Tarife entwickelt. Entgegen des Ansatzes des Klägers ist es unerheblich, ob die Autovermieter ausdrückliche Absprachen über die Mietwagenpreise getroffen haben oder nicht. Faktum ist jedenfalls, dass sich zwei unterschiedliche Tarife entwickelt haben und zwar auf der einen Seite ein Unfallersatztarif und auf der anderen Seite ein Selbstzahlerpreis. Ebensowenig kommt es darauf an, welcher Tarif letztlich als Normaltarif zu bezeichnen ist und welcher Tarif die Kosten der Autovermieter deckt. Maßgeblich ist ausschließlich, ob es dem Geschädigten zumutbar und möglich ist, sich auf den möglicherweise für die Autovermieter nicht einmal kostendeckenden Selbstzahlertarif einzulassen.
20Dementsprechend kann der erforderliche Betrag nicht ohne weiteres mit dem Unfallersatztarif gleichgesetzt werden. Wie der BGH (a.a.O.) ausgeführt hat, ist der Unfallersatztarif nur dann erforderlich ist, wenn die Besonderheiten des Unfalltarifs im konkreten Fall dies rechtfertigen. Das kann namentlich bei einer unklaren Haftungssituation der Fall sein, in der der Geschädigte nicht das Risiko einer teilweisen Übernahme der Mietwagenkosten übernehmen will, oder auch in Konstellationen, in denen der Geschädigte nicht in der Lage ist, die Anmietung eines Fahrzeugs nach dem Selbstzahlertarif vorzufinanzieren. Trotz eines entsprechenden Hinweises der Kammer auf diese Sichtweise trägt der Kläger zur Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Unfallersatztarifes nichts Erhebliches vor. Die Frage der Kalkulation der Autovermieter ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da der Kunde auch gehalten ist, Angebote anzunehmen, bei denen der Autovermieter keinen oder auch nur einen geringen Gewinn erzielt. Vorliegend bestand unstreitig die Möglichkeit, einen vergleichbaren Wagen für 43 netto über Opel Rent zum Selbstzahlertarif anzumieten. Dabei kann als wahr unterstellt werden, dass das Autohaus M sich nicht an diesem Angebot des Opelkonzerns beteiligt. Dem Geschädigten ist aber zumutbar, sich nach entsprechenden Angeboten zu erkundigen. Er ist zwar nicht gehalten, eine Art Marktforschung zu betreiben (BGH NJW 1996, 1958, 1960), doch entbindet ihn dies nicht von der Verpflichtung, sich bei anderen Firmen, insbesondere überregional tätigen Anbietern, nach einer günstigeren Tarifgestaltung zu erkundigen (OLG Hamm NJW RR 1994, 923).
21Unter Beachtung dieser Grundsätze steht entsprechend der Abrechnung des Amtsgerichts dem Kläger kein weitere Betrag mehr wegen der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zu. Das Gericht hat nicht darüber zu befinden, ob hier die Ansätze des Amtsgerichts zu hoch waren, da der Kläger auf einen Wochentarif zu verweisen war.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
23Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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