Urteil vom Landgericht Essen - 9 O 193/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Übergangsleistung aus einer Unfallversicherung.
3Der Kläger schloss Anfang 2004 über den C Außendienstmitarbeiter der Beklagten, Herrn S, eine Unfallversicherung ab. Dabei wurde die Geltung der AUB 2003 als Allgemeine Versicherungsbedingungen vereinbart. Unter § 2 Abs. 10 ist dort die Zahlung einer Übergangsleistung für den Fall vorgesehen, dass nach Ablauf von sechs Monaten seit Eintritt eines Unfalles ohne Mitwirkung von Krankheit oder Gebrechen noch eine unfallbedingte Beeinträchtigung der normalen körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit von mindestens 50 % besteht und diese Beeinträchtigung bis dahin ununterbrochen bestanden hat. In dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Versicherungsvertrag ist eine Übergangsleistung in Höhe von 10.000,00 Euro vereinbart. Zur Geltendmachung der Übergangsleistung wird in § 2 Ziffer X Abs. 2 der AUB auf § 8 Ziffer VII der AUB verwiesen. In § 8 Ziffer VII der AUB ist geregelt: „ Der Versicherungsnehmer hat einen Anspruch auf Zahlung der Übergangsleistung nach § 2 Ziffer X spätestens sieben Monate nach Eintritt des Unfalles geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Attests zu begründen.“
4Am 03.03.2008 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall. Bei seiner Tätigkeit als Müllwerker wollte der Kläger eine Mülltüte in einem Müllwagen entsorgen und klemmte sich dabei den rechten Oberarm zwischen Abdeckdeckel und Schüttung des Müllwagens ein. Die Schüttung des Müllwagens setzte sich automatisch in Bewegung, so dass der Kläger eine Weichteilquetschung des rechten Oberarms mit Teildurchtrennung des Bizepsmuskels am rechten Oberarm erlitt. Der Kläger befand sich in der Folgezeit bis zum 13.03.2008 in stationärer Behandlung. Ab Juli 2008 befand er sich bei Herrn T in C in ärztlicher Behandlung. Mit Schadensanzeige vom 17.03.2008 meldete der Kläger den Unfall bei der Beklagten. Am 09.12.2008 teilte Herr S der Beklagten telefonisch mit, dass der Kläger Ansprüche auf die Übergangsleistung geltend mache. Daraufhin forderte die Beklagte bei Herrn T den Arztbericht an und teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 10.12.2008 mit. Herr T füllte das von der Beklagten übersandte Formular aus und leitete es an die Beklagte zurück. Die Beklagte gab außerdem bei Herrn U, tätig am N in C, ein Gutachten in Auftrag, welches dieser unter dem 28.02.2009 vorlegte.
5Der Kläger behauptet, bei ihm habe seit dem Unfall durchgehend über mindestens sechs Monate eine unfallbedingte Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit von mehr als 50 % vorgelegen. Er ist der Ansicht, die Regelung der Ausschlussfrist unter § 8 Ziffer VII der AUB sei wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Zudem handele die Beklagte treuwidrig, indem sie die auf die Geltung der Frist berufe, allerdings den Kläger nicht auf Einhaltung der Frist hingewiesen habe und nach Geltendmachung der Übergangsleistung ein ärztliches Attest angefordert und ein Gutachten einholt hat.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.04.2009 zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte ist der Ansicht, ein Anspruch auf Übergangsleistung bestehe wegen Versäumung der Ausschlussfrist in § 8 Ziffer VII AUB nicht.
11Entscheidungsgründe:
12Die Klage ist zulässig.
13Das Landgericht Essen ist gemäß § 48 VVG a.F. örtlich zuständig, da der Versicherungsvertrag über den Versicherungsvertreter Herrn S mit Niederlassung in C (Landgerichtsbezirk Essen) abgeschlossen worden ist.
14Die Klage ist unbegründet.
15Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Übergangsleistung in Höhe von 10.000,00 Euro gemäß § 2 Ziffer X AUB 2003 in Verbindung mit dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Unfallversicherungsvertrag zu. Der Anspruch besteht nicht, weil der Kläger seinen Anspruch auf Übergangsleistung gemäß § 8 Ziffer VII AUB 2003 nicht innerhalb von sieben Monaten nach Eintritt des Unfalls geltend gemacht hat. Die Frist zur Geltendmachung endete nach dem Unfall am 03.03.2008 am 03.10.2008. Der Kläger meldete allerdings seinen Anspruch erst im Dezember 2008 bei der Beklagten an. Bei der Frist zur Geltendmachung der Übergangsleistung gemäß § 2 Ziffer X Abs. 2 und § 8 Ziffer VII AUB handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (vgl. Landgericht Köln, r + s 1992 Seite 106; OLG Düsseldorf Versicherungsrecht 1989, Seite 1077).
16§ 8 Ziffer VII AUB 2003 stellt keine unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 307 BGB dar. Die Regelung der Ausschlussfrist hält an der Inhaltskontrolle auch am Maßstab des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB stand. Der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Transparenzgebot). Insbesondere müssen Nachteil und Belastungen soweit erkennbar werden, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist auch dann anzunehmen, wenn eine Regelung an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an, von dem allerdings die aufmerksame Durchsicht der Bedingungen, deren verständige Würdigung und die Berücksichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs erwartet werden kann. Die hier streitige Klausel in § 8 Ziffer VII AUB 2003 ist weder hinsichtlich der einzuhaltenden Frist noch hinsichtlich der Bedeutung dieser Frist für den Versicherungsschutz aus sich heraus unklar oder schwer verständlich. In § 8 Ziffer VII AUB ist unmissverständlich geregelt, dass ein Anspruch auf Zahlung der Übergangsleistung spätestens sieben Monate nach Eintritt des Unfalles geltend zu machen ist. Die Notwendigkeit der Einhaltung der Frist ist für einen verständigen Versicherungsnehmer auch klar erkennbar, da in § 2 Ziffer X Abs. 2 der AUB zur Geltendmachung der Übergangsleistung auf § 8 Ziffer VII AUB verwiesen wird. Ein Versicherungsnehmer, der sich isoliert die Regelungen über die Übergangsleistung durchließt und dabei auf die Regelungen unter § 2 Ziffer X AUB stößt, wird somit auch auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Ausschlussfrist nach § 8 Ziffer VII der AUB angewiesen.
17Auch eine Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bezogen auf die Frist von sieben Monaten hält die Klausel stand. Eine Frist von sieben Monaten ist hier nicht als unangemessen kurz anzusehen. Die Bedenken, dass ein ärztliches Attest nur schwerlich innerhalb eines Monats eingeholt werden könnte, nachdem nach Ablauf von sechs Monaten nach dem Unfall überhaupt erst feststeht, dass eine Übergangsleistung beansprucht werden kann, sind hier unbegründet. Nach dem Wortlaut des § 8 Ziffer VII AUB ist lediglich innerhalb von sieben Monaten der Anspruch auf Zahlung der Übergangsleistung geltend zu machen. Durch die Anfügung des Halbsatzes „unter Vorlage eines ärztliches Attestes zu begründen“ mit dem Junktim „und“ wird deutlich, dass die Frist lediglich für die Geltendmachung, nicht aber für die Begründung mittels Vorlage eines ärztliches Attestes gilt. Die Berufung auf den Fristablauf seitens der Beklagten ist nicht rechtsmissbräuchlich. Dass die Beklagte sich außergerichtlich nicht auf die Versäumung der Ausschlussfrist berufen, sondern vielmehr ein ärztliches Gutachten eingeholt hat, begründet allein noch nicht den Vorwurf treuwiderigen Verhaltens im Zusammenhang damit, dass sich die Beklagte nunmehr auf die Versäumung der Ausschlussfrist beruft. Das Gutachten wurde erst nach Fristablauf in Auftrag gegeben. Dies gilt ebenfalls für die Anforderung des ärztlichen Attestes bei dem behandelnden Arzt Herrn T. Daher wurde durch Einholung des ärztlichen Attestes und durch Beauftragung des Gutachtens kein Vertrauenstatbestand geschaffen, der kausal auf Seiten des Klägers zur Versäumung der Ausschlussfrist geführt haben könnte. Vielmehr war zu dem jeweiligen Zeitpunkt die Ausschlussfrist bereits versäumt. Für den Kläger bestand aber auch ansonsten kein Anlass, darauf vertrauten zu dürfen, die Beklagte werde die Übergangsleistung ohnehin erbringen. Die Einholung eines ärztlichen Gutachtens auf Seiten der Versicherung kann durchaus dazu geeignet sein, dem Beklagten trotz des verfristeten Anspruchs im Wege einer Kulanzlösung einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten.Die Berufung der Beklagten auf die nicht rechtzeitig geltend gemachte Übergangsleistung stellt auch unter Berücksichtigung einer mangelnden Belehrung, so wie von dem Kläger behauptet, keinen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB dar. Dabei ist unbeachtlich, ob die Mitarbeiterin der Beklagten Frau T1 oder deren Außendienstmitarbeiter Herr S den Kläger bei der Geltendmachung der Übergangsleistung auf die Einhaltung der hierzu geregelten Ausschlussfrist hingewiesen haben. Zum einen besteht insoweit keine Pflicht von Mitarbeitern der Beklagten, da bereits in den Versicherungsbedingungen deutlich auf die Geltung der Ausschlussfrist hingewiesen ist. Zu anderen ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers, dass bei Geltendmachung der Übergangsleistung gegenüber Herrn S und somit auch gegenüber Frau T1 die Ausschlussfrist bereits abgelaufen war. Daher könnte eine etwaige Obliegenheitsverletzung seitens des Herrn S oder seitens der Frau T1 nicht kausal für eine Fristversäumung auf Seiten des Klägers geworden sein.
18Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den § 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 1, 711 ZPO.
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