Urteil vom Landgericht Essen - 13 S 88/14
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 02.05.2014 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.553,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2013 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 277,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2013 zu zahlen.
Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 65% und der Kläger zu 35%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt es nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Soweit die Beklagte verurteilt worden ist, wird die Revision zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger schloss unter Vermittlung eines Versicherungsmaklers zum 01.01.2006 einen fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag mit der Beklagten ab.
4Bis zum 30.04.2010 leistete der Kläger unter zwischenzeitiger Erhöhung und erneuter Herabsenkung der Prämienhöhe insgesamt Prämien in Höhe von 3.005,00 €. Zum 01.05.2010 erklärte der Kläger die Kündigung des Versicherungsvertrags. Die Beklagte errechnete ausgehend von dem geleisteten Gesamtbetrag der Prämien unter Abzug von Abschluss- und Verwaltungskosten (1.448,36 €), einem Risikobeitrag (2,36 €) und Stückkosten (78,00 €) einen Anlagebeitrag in Höhe von 1.476,28 € und – ohne nähere Erläuterung – einen Rückkaufswert in Höhe von 1.440,65 € (vgl. im Einzelnen das Schreiben der Beklagten vom 04.08.2010, Anlagen B12 sowie Anlage B13). Dieser Rückkaufswert wurde an den Kläger ausgezahlt. Mit Schreiben vom 17.05.2010 kündigte die Beklagte die Auszahlung an. Das Schreiben enthält den Passus: „Mit der Vertragsauflösung sind somit sämtliche beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag erloschen.“
5Unter dem 20.10.2010 erklärte der Kläger „den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG, bzw. den Widerruf nach § 355 BGB“.
6Mit Schriftsatz vom 02.12.2014 – im Berufungsverfahren – erteilte die Beklagte Auskunft über die vereinnahmten Prämien sowie im Einzelnen über die Verrechnung auf Abschluss-, Stück- und Verwaltungskosten sowie über den Risikoanteil.
7Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, der Vertrag sei nach dem sog. Policenmodell gemäß § 5a VVG (a.F. bis zum 31.12.2007) geschlossen worden und behauptet hierzu, dem Kläger seien bei Antragstellung weder die vollständigen Verbraucherinformationen i.S.d. § 10a VAG a.F. noch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten übergeben worden. Diese seien ihm erst zusammen mit der Police von der Beklagten übersandt worden. In einem späteren Schriftsatz vom 13.03.2014 (2. Replik) behauptete der Kläger, er habe bei Antragstellung bereits „umfangreiches Informationsmaterial“ erhalten, jedoch habe er zusammen mit der Police noch „entscheidungserhebliche weitere Unterlagen wie Erläuterungen und Hinweise“ erhalten.
8Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, dass die Klage auch für den Fall, dass der Vertrag nach dem Antragsmodell abgeschlossen worden sei, begründet sei. Er führt hierzu aus, dass die Rücktrittsbelehrung gemäß § 8 Abs. 5 VVG (a.F.) unzureichend und daher unwirksam sei (vgl. zur als solche unstreitigen Rücktrittsbelehrung die Seite 5 des von dem Kläger unterzeichneten Antragsformulars, Anlage B1). Gleiches gelte wegen Europarechtswidrigkeit für die Fristenregelung des § 8 Abs. 5 S. 4 VVG (a.F.).
9Der Kläger hat ferner die Ansicht vertreten, der nach Widerspruch bzw. Rücktritt bestehende Herausgabeanspruch umfasse neben dem Gesamtbetrag der geleisteten Prämien (3.005,00 € abzgl. bereits geleisteter 1.440,65 €) auch die von der Beklagten gezogenen Nutzungen in Höhe von min. 6,3281 % jährlicher Zinsen (entspricht 877,91 €, vgl. Zinsberechnung Anlage K6). Nach seiner Auffassung sei die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sie Zinsen in niedrigerer Höhe habe vereinnahmen können.
10Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.442,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 330,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
12hilfsweise (auf erster Stufe)
13die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über das zum Zeitpunkt der Kündigung am 01.05.2010 vorhandene Fondsvermögen ohne Verrechnung von Abschlusskosten, zugleich über die Höhe der abgezogenen Stornokosten, sowie über die ungezillmerten Abschlusskosten, die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstanden wären, zu dem Vertrag mit der Versicherungsnummer … zu erteilen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie ist der Ansicht gewesen, der Vertrag sei nach dem Antragsmodell gemäß § 8 VVG (a.F.) geschlossen worden und behauptet hierzu – was unstreitig ist –, der Antrag sei nach Beratung durch den das Rücktrittsrecht kennenden Versicherungsmakler von dem Kläger unterzeichnet worden. Der Versicherungsmakler habe dem Kläger ein erstes Exemplar der Verbraucherinformationen übergeben, die sämtliche Informationen im Sinne des § 10a VAG a.F. sowie die Versicherungsbedingungen enthalten habe. Mit der Übersendung der Police habe der Kläger ein weiteres Exemplar der Verbraucherinformationen erhalten. Dem Kläger sei die Kenntnis des Versicherungsmaklers über das Rücktrittsrecht zuzurechnen, so dass es auf eine ordnungsgemäße Belehrung nicht ankomme.
17Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nicht bewiesen, dass der Vertrag nach dem Policenmodell geschlossen worden sei. Ein Widerspruchsrecht habe daher nicht bestanden. Das Rücktrittsrecht sei nach ausreichender Belehrung mittlerweile verfristet. Nach Kündigung des Vertrags habe die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Rückkaufswerts erfüllt. Ein weitergehender Anspruch bestehe auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, wonach mindestens die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals auszuzahlen sei, nicht, weil der Kläger nicht substantiiert dargelegt habe, dass der ausgezahlte Betrag insoweit nicht ausreichend sei. Ein Auskunftsanspruch bestehe nicht, weil die verlangte Auskunft bereits (vorprozessual) erteilt worden sei.
18Der Kläger wendet sich unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags und unter Weiterverfolgung seines erstinstanzlichen Begehrens mit der Berufung gegen dieses Urteil. Die Beklagte begehrt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags Berufungsrückweisung. Nachdem die Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 8,23 € gezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in dieser Höhe in der Hauptsache für erledigt erklärt.
19Die Beklagte ist weiter der Auffassung, selbst bei einer Abwicklung des Vertrags gemäß § 346 Abs. 1 BGB seien die Abschluss- und Verwaltungsgebühren von dem an den Kläger zurückzuzahlenden Betrag abzuziehen. Bei der fondsgebundenen Versicherung handle es sich um eine Kapitelversicherung im Sinne des § 176 Abs. 1 VVG a.F., so dass sich die Rücktrittsfolgen nach dieser Vorschrift bestimmen. Das Rücktrittsrecht sei allerdings gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. (analog) ausgeschlossen. Sie behauptet, Nutzungen/Zinsen habe sie nicht gezogen, vielmehr habe sie gemäß der vertraglichen Vereinbarung und wie es für eine fondsgebundene Rentenversicherung typisch sei, den Anlagebetrag vollständig zu Gunsten des Klägers in einem Fonds angelegt und den Kläger regelmäßig über die Wertentwicklung des Fonds unterrichtet.
20II.
21Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
22Der Kläger hat Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten Prämien, soweit nicht bereits zurückgezahlt, gemäß § 346 Abs. 1 BGB.
231.
24Der Kläger ist von dem Rentenversicherungsvertrag mit der Beklagten wirksam gemäß § 8 Abs. 5 S. 1 VVG (a.F.) zurückgetreten.
25a.
26Der Vertragsschluss ist nämlich nach dem sog. Antragsmodell, nicht nach dem Policenmodell gemäß § 5a VVG (a.F.) zustande gekommen, so dass grundsätzlich ein Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 5 S. 1 VVG (a.F.) bestanden hat.
27Die beiden Vertragsmodelle (§§ 5a, 8 VVG [a.F.]) unterscheiden sich dadurch voneinander, dass im Fall des Antragsmodells dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation gemäß § 10a VAG übergeben werden, während im Fall des Policenmodells die Antragstellung ohne Übergabe dieser Unterlagen erfolgt und die Unterlagen erst zusammen mit dem Versicherungsschein übersandt werden. § 5a VVG (a.F.) sah für den zweiten Fall (bei Lebensversicherungen) ein 30tägiges Widerspruchsrecht vor, § 8 Abs. 5 VVG (a.F.) für den erstgenannten Fall ein 30tägiges Rücktrittsrecht, über das jeweils zu belehren war. Zwar liegt unter Berücksichtigung des § 5a Abs. 2 S. 2 VVG die Darlegungs- und Beweislast für die Übergabe der Unterlagen bei der Beklagten und nicht – wie von dem Amtsgericht angenommen – bei dem Kläger. Indes hat der Kläger den Vortrag der Beklagten, wonach bereits bei Antragstellung hinreichende Unterlagen, insbesondere die Verbraucherinformation, ausgehändigt worden seien, nicht hinreichend bestritten. So hat der Kläger nämlich in seiner Replik ausgeführt, er habe bei Antragstellung tatsächlich umfangreiche Unterlagen erhalten, jedoch später weitere Unterlagen bekommen. Welche Unterlagen er erhalten hat bzw. nicht erhalten hat, trägt er letztlich nicht vor. Die Behauptungen aus der Klageschrift, er habe die entsprechenden Unterlagen gemäß § 5a Abs. 1 S. 1 VVG (a.F.) nicht erhalten, ist daher unbeachtlich. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass mit der Übersendung der Police die relevanten Unterlagen (noch einmal) übersandt worden sind. Denn dieser (unstreitige) Umstand rechtfertigt nicht den (zwingenden) Schluss, dass dem Kläger diese Unterlagen nicht bei Antragstellung (schon einmal) zur Verfügung gestellt worden sind. Dies ist vielmehr auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers, er habe verschiedene Unterlagen erhalten, gerade nicht ausgeschlossen.
28b.
29Der Kläger hat den Rücktritt erklärt. Das Schreiben vom 20.10.2010 enthält nicht nur – ausdrücklich – einen Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., sondern jedenfalls schlüssig auch die Erklärung eines Rücktritts gemäß § 8 Abs. 5 VVG (a.F.). Dem Schreiben ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Kläger die Rückabwicklung des Vertrags in einem Umfang wünscht, der über den durch die Kündigung bereits veranlassten Umfang hinausgeht. Dabei bezieht sich der „Widerspruch“ ausdrücklich darauf, dass nach Auffassung des Klägers ein Vertrag nach dem Policenmodell zustande gekommen ist. Im Falle des – hier maßgeblichen – Antragsmodells gem. § 8 VVG (a.F.) war ein Widerspruch oder Widerruf aber gerade nicht vorgesehen, vielmehr trat an seine Stelle – mit gleicher Funktion – das Recht zum Rücktritt (vgl. nur EuGH, Urteil vom 19.12.2013, C-209/12, NJW 2014, 452, wo zwischen Rücktritt und Widerspruch gar nicht differenziert wird). Ein objektiver Empfänger dieses Schreibens kann daher nur davon ausgehen, dass der Kläger jede mögliche Lösung vom Vertrag anstrebte. Die Beklagte hat sich im Übrigen auch gar nicht darauf berufen, dass ein Rücktritt nicht erklärt worden sei.
30c.
31Der Rücktritt ist nicht gemäß § 8 Abs. 5 S. 1 und 3 VVG (a.F.) verfristet.
32Eine ordnungsgemäße Belehrung über das Recht zum Rücktritt, wie sie § 8 Abs. 5 S. 3 VVG (a.F.) fordert, liegt nicht vor.
33Dabei kann entgegen der Auffassung der Beklagten und des Amtsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass an die Belehrung über den Rücktritt geringere Anforderungen zu stellen sind, als an die Belehrung über den Widerspruch. Zwar trifft es zu, dass § 5a Abs. 2 S. 1 VVG (a.F.) verlangt, dass „der Versicherungsnehmer [...] schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist“, während § 8 Abs. 5 S. 3 VVG (a.F.) lediglich fordert, dass „der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat“. Jedoch ist ausgehend von der europarechtlich statuierten Funktion des Rücktrittsrechts und der Information darüber (vgl. nur Artt. 35, 36 sowie Anlage III A der RL 2002/83/EG) zu fordern, dass eine Belehrung stattfindet, die sicherstellt, dass der Versicherungsnehmer sein Rücktrittsrecht kennt. Eine Differenzierung zwischen der Belehrung über das Rücktrittsrecht und der Belehrung über das Widerspruchsrecht ist dabei fehl am Platz, zumal die europarechtlichen Vorschriften sowie die Rechtsprechung des EuGH zwischen Rücktritt und Widerruf als Lösungsrechte des Verbrauchers gar nicht im Einzelnen differenzieren (vgl. etwa oben aa)). Vielmehr sind die hohen Anforderungen an eine Widerspruchsbelehrung auf die Rücktrittsbelehrung zu übertragen (BGH, Urteil vom 17.12.2014, IV ZR 260/11, BeckRS 2015, 01049 [Rdnr. 15 ff.]). Erforderlich ist eine „inhaltlich möglichst umfassend[e], unmissverständlich[e] und aus Sicht der Verbraucher eindeutig[e]“ Belehrung. Nur „eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen, [um das es geht], zu vermitteln“, kann als Belehrung angesehen werden. (BGH, a.a.O.; BGH, Urteil vom 16.10.2013, IV ZR 52/12 [Rdnr. 14 m.w.N.] NJW 2013, 3776).
34Dies zu Grunde gelegt genügt die in dem Antragsformular enthaltene Rücktrittsbelehrung den an eine solche Belehrung zu stellenden Anforderungen nicht. Die Belehrung enthält einerseits keinen Hinweis darauf, in welcher Form der Rücktritt zu erklären ist. Darüber hinaus fehlt auch die Angabe des Rücktrittsadressaten. Schließlich aber ist die Rücktrittserklärung nicht in einer Weise dargestellt, die dem Aufklärungszweck Genüge tut. Sie ist in einer Reihe anderer Erklärungen und Hinweise (über die vorvertragliche Aufklärungspflicht, über das Widerspruchsrecht, über den Erhalt bestimmter Unterlagen, über die Geltung und Anwendbarkeit von Allgemeinen Vertragsbedingungen und des deutschen Rechts usw.) aufgeführt, ohne drucktechnisch in irgendeiner Form hervorgehoben zu sein. Die damit gewählte Form der Darstellung gewährleistet nicht in ausreichender Weise, dass der Versicherungsnehmer über sein Recht zum Rücktritt Kenntnis nimmt (vgl. BGH BeckRS 2015, 01049 [Rdnr. 17]; BGH NJW 2013, 3776 [Rdnr. 15]).
35Die (mangelfreie) Belehrung über das Rücktrittsrecht war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Versicherungsmakler, der für den Kläger tätig geworden ist, nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten Kenntnis von dem Rücktrittsrecht gehabt hat. Die Funktion der Belehrung – Gewährleistung der Kenntnis des Verbrauchers über sein Recht zum Rücktritt – erfordert, dass dem Verbraucher das Rücktrittsrecht persönlich in ordnungsgemäßer Form bewusst gemacht wird, wofür der Unternehmer verantwortlich ist. Diese Belehrungspflicht erfüllt das Unternehmen auch nicht dadurch, dass sie den Versicherungsmakler unterrichtet oder dieser das Rücktrittsrecht aus anderen Gründen kennt, denn die bloße Zurechnung eines Drittwissens gemäß § 166 Abs. 1 BGB gewährleistet es gerade nicht, dass der Verbraucher sein persönliches Rücktrittsrecht kennt, zumal der Versicherungsmakler hier gerade nicht als Vertreter des Klägers, sondern dieser persönlich tätig geworden ist. Dies gilt umso mehr, wenn dem Verbraucher Unterlagen übergeben werden, die eine – nicht ordnungsgemäße – Rücktrittsbelehrung enthalten.
36d.
37Der Rücktritt ist auch nicht gemäß § 8 Abs. 5 S. 4 VVG (a.F.) (ein Monat nach erster Prämienzahlung) verfristet.
38Entsprechend der vom EuGH für die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG (a.F.) (Urteil vom 19.12.2013, C-209/12, NJW 2014, 452; vgl. auch BGH, Urteil vom 07.05.2014, IV ZR 76/11) aufgestellten Maßgaben ist davon auszugehen, dass auch § 8 Abs. 5 S. 4 VVG (a.F.) dahingehend auszulegen ist, dass die Fristenregelung einen Rücktritt auch auf Dauer nicht hindert. So hat der EuGH nämlich im Hinblick auf den 23. Erwägungsgrund der Dritten Richtlinie Lebensversicherung ausgeführt, dass sicherzustellen ist, dass der Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht genau zu belehren ist. Diese Erwägung gilt aber nicht nur für das (vom EuGH als Rücktrittsrecht bezeichnete) Widerspruchsrecht des § 5a VVG (a.F.), sondern in gleicher Weise für das Rücktrittsrecht gem. § 8 Abs. 5 VVG (a.F.) (vgl. nunmehr auch BGH, BeckRS 2015, 01049 [Rdnr. 19 ff.]).
39e.
40Der Rücktritt ist nicht wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB unwirksam. Zwar kann ein Widerspruch nach jahrelanger Durchführung des Vertrags wegen Treuwidrigkeit unwirksam sein (BGH, Urteil vom 16.07.2014, IV ZR 73/13); dies gilt indes nur, wenn die Widerspruchsbelehrung ordnungsgemäß war. Es muss nicht entschieden werden, ob diese Rechtsprechung auf den Rücktritt gemäß § 8 Abs. 5 S. 1 VVG (a.F.) zu übertragen ist, denn es liegt gerade keine ordnungsgemäße Belehrung vor.
41Der Rücktritt ist auch nicht deshalb unwirksam, weil zuvor die Kündigung des Vertrags erklärt worden ist, denn die Vertragslösungsrechte stehen – jedenfalls bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung – unabhängig nebeneinander (vgl. zum Widerspruch gemäß § 5a VVG [a.F.] BGH NJW 2014, 2646 [Rdnr. 35 ff.]; BGH, NJW 2013, 3776 [Rdnr. 24 ff.]).
42f.
43Rücktritt bzw. Widerspruch sind nicht gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 VVG (n.F.) ausgeschlossen, wie die Beklagte meint.
44Dabei kann es dahinstehen, ob die Vorschrift gemäß § 1 Abs. 1 EGVVG als neue Vorschrift auf den Altvertrag anwendbar ist.
45Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers vollständig erfüllt ist (§ 8 Abs. 3 S. 2 VVG). Die Beklagte vertritt hierzu die Meinung, dass eine vollständige Erfüllung durch Auszahlung des von ihr berechneten Rückkaufswerts bzw. aufgrund des in ihrem Schreiben vom 17.05.2010 ausgeführten Hinweis, dass sämtliche beiderseitigen Rechte und Pflichten erloschen seien, eingetreten sei. Dem kann indes nicht gefolgt werden.
46Zwar dürfte davon auszugehen sein, dass die Beklagte den ausgezahlten Rückkaufswert entsprechend der vertraglichen Regelungen (§§ 7 Abs. 3, 17 des Vertrags) berechnet und ausgezahlt hat. Indes ist die Vorschrift des § 17 des Vertrags, die (verklausuliert) auf das Zillmerverfahren verweist, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB) unwirksam (vgl. nur BGH, Urteil vom 11.09.2013, IV ZR 17/13, NJW 2013, 3240 und BGH, Urteil vom 12.10.2005, IV ZR 162/03, NJW 2005, 3559). Die infolge der Unwirksamkeit dieser Klausel entstandene Lücke im Vertrag ist nach der st. Rspr. des BGH, die auch von den Parteien als solche nicht in Zweifel gezogen wird, dadurch zu füllen, dass Vertragsbestandteil die Regelung wird, dass ein Mindestbetrag in Höhe der Hälfte des nach den Regeln der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals auszuzahlen ist (zuletzt BGH, Urteil vom 11.09.2013, IV ZR 17/13, NJW 2013, 3240).
47Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung war der damit zu errechnende Zahlungsanspruch jedenfalls nicht umfänglich erfüllt. Vielmehr hat die Beklagte erst im Berufungsverfahren hinreichend zur Höhe des ungezillmerten Deckungskapitals vorgetragen und eine Nachzahlung bis zur Höhe des halben ungezillmerten Deckungskapitals vorgenommen.
48g.
49Der Rücktritt ist nicht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB (a.F.) (analog), vgl. § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 8 BGB (n.F.), ausgeschlossen. Die Vorschrift ist nicht analog anwendbar, da der geregelte Sachverhalt und der hier streitgegenständliche Sachverhalt nicht vergleichbar sind.
50Die Vorschrift dient nämlich der Einschränkung des aufgrund Fernabsatzvertriebs gewährten Widerrufsrechts für den Fall, dass innerhalb der Widerrufsfrist Umstände eintreten können, die den Wert der angebotenen Leistung maßgeblich verändern. Diesem Fall ist das Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 5 S. 1 VVG (a.F.), das explizit für Versicherungen der hier streitgegenständlichen Art, mithin nicht aufgrund eines bestimmten Vertriebswegs, sondern aufgrund der Art des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts, vorgesehen ist, nicht vergleichbar, so dass eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht in Betracht kommt.
51Darüber hinaus fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB (a.F.) eine spezielle Regelung geschaffen, denen er das Widerspruchs- und Rücktrittsrecht des VVG gerade nicht unterstellt hat.
522.
53a.
54Der damit wirksame Rücktritt bedingt die Rückabwicklung des Vertrags gemäß § 346 Abs. 1 BGB (vgl. BGH BeckRS 2015, 01049 [Rdnr. 10, 12]).
55§ 176 VVG (a.F.) (vgl. zur zeitlichen Anwendbarkeit: Art. 4 Abs. 2 EGVVG) ist hingegen nicht für die Rücktrittsfolgen maßgeblich, da es sich bei der streitgegenständlichen Versicherung nicht um eine Kapitalversicherung auf den Todesfall im Sinne der Vorschrift handelt, sondern um eine Rentenversicherung. Die Beklagte kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, dass die vertraglichen Regelungen für den Fall des Todeseintritts des Versicherten vor Rentenbeginn eine Kapitalauszahlung vorsehen. Denn die Verpflichtung zur Kapitalauszahlung ist anders als von § 176 Abs. 1 VVG (a.F.) vorausgesetzt, gerade nicht gewiss; vielmehr tritt die Pflicht zur Kapitalauszahlung nach dem Vortrag der Beklagten und den von ihr vorgetragenen vertraglichen Regelungen nur ein, wenn der Versicherte vor Rentenzahlungsbeginn verstirbt. Andernfalls erhält der Versicherte eine lebenslange Rente, wenn er nicht – unter bestimmten Voraussetzungen vertraglich möglich – eine Kapitalauszahlung begehrt. Dabei ist wegen des Zeitpunkts des vorausgesetzten Rentenzahlungsbeginns (bei einem Alter des Versicherten von etwa 65 Jahren) ersichtlich, dass die Kapitalauszahlung im Todesfall nur ausnahmsweise vorgesehen ist und es in erster Linie um eine Rentenauszahlung geht.
56b.
57Gemäß § 346 Abs. 1 BGB hat die Beklagte daher die empfangenen Leistungen herauszugeben.
58Sie hat die von dem Kläger gezahlten Prämien empfangen, mithin einen Gesamtbetrag in Höhe von 3.005,00 €, der grundsätzlich zur Rückzahlung geschuldet ist. Der Rückzahlungsanspruch ist dabei bereits in Höhe von 1.440,65 € gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt, da insoweit eine Rückzahlung bereits vorprozessual erfolgt ist; in Höhe weiterer 8,23 € ist eine Zahlung im Verlauf des Prozesses erfolgt. Schließlich ist auch im Rahmen des § 346 Abs. 1 BGB, der wie §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB eine Wertersatzpflicht für Erlangtes vorsieht, ein Betrag in Höhe von 2,36 € (Risikobeitrag) von dem geschuldeten Betrag abzuziehen (vgl. im Einzelnen zur Berücksichtigung des Risikoanteils als anspruchsmindernden Betrag bzw. als wertersatzpflichtiges Erlangtes im Rahmen von § 812 Abs. 1 BGB nur BGH NJW 2014, 2646 [Rdnr. 45]). Die Beklagte ist daher zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.553,76 € zu verurteilen.
59Soweit der Kläger die von der Beklagten gezogenen Zinsen in Höhe von insgesamt 877,91 € (6,3281 %) begehrt, folgt auch ein diesbezüglicher Anspruch zwar dem Grunde nach aus § 346 Abs. 1 BGB, denn die Beklagte hat danach nicht nur das Empfangene, sondern auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Indes ist nach dem im Einzelnen unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten, sämtliche Prämienbeträge – soweit sie nicht zur Deckung von Vertragskosten verwendet worden sind – vertragsgemäß für den Kläger investiert und den Kläger regelmäßig über die ihm zu- bzw. abwachsenden Wertanteile informiert zu haben, davon auszugehen, dass die Beklagte die von dem Kläger pauschal behaupteten Nutzungen so nicht gezogen hat. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Beklagte mit den von dem Kläger vereinnahmten Beträgen als solchen nicht zu eigenen Gunsten finanzwirtschaftlich tätig geworden ist. Aufgrund der dem Kläger vorliegenden Unterlagen (Depotauszüge etc.) wäre dem Kläger ein über seinen pauschalen Vortrag hinausgehender Vortrag möglich gewesen, so dass auch die Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast nicht zu einer anderen Bewertung führen.
60c.
61Soweit die Beklagte die von ihr mit den Prämien verrechneten Abschluss- und Verwaltungsgebühren von dem gemäß § 346 Abs. 1 BGB zurückzuzahlenden Betrag abziehen will, ist ein entsprechender Abzug nicht vorzunehmen. Insoweit erfordert das unionsrechtliche Effektivitätsgebot (BGH BeckRS 2015, 01049 [Rdn. 30]; BGH NJW 2014, 2646 [Rdnr. 42] eine Rückwirkung der Rücktrittserklärung dergestalt, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich so zu stellen ist, wie er stehen würde, wenn er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Dies setzt indes voraus, dass die Vertragskosten, namentlich die Abschluss- und Verwaltungsgebühren, auf die der Versicherungsnehmer mit seinen Prämien gezahlt hat, als erlangte Geldbeträge im Sinne des § 346 Abs. 1 BGB zurückgezahlt werden (vgl. auch Palandt/Grüneberg, 74. Aufl., § 346 Rdnr. 5 a.E. für Verbraucherverträge).
623.
63Der Anspruch wegen der Zinsen und der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 BGB, wobei sich die Höhe der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach dem begründete Klagebetrag richtet.
644.
65Über den hilfsweise gestellten Antrag auf Auskunft war nicht zu entscheiden, weil die von dem Kläger gestellte Bedingung nicht erfüllt ist. Der Kläger hat den Antrag für den Fall gestellt, dass er mit dem Klageantrag zu 1), d.h. mit dem Hauptsacheantrag, nicht durchdringt. Insoweit ist jedoch eine (Teil-) Verurteilung erfolgt. Die von dem Kläger gestellte Bedingung ist indes so auszulegen, dass eine Verurteilung zur Auskunftserteilung nur dann erfolgen soll, wenn der Klageantrag schon dem Grunde nach (insgesamt) für unbegründet erachtet wird. Nur in diesem Fall hätte nämlich die Erteilung einer Auskunft über das Fondsvermögen, die ersichtlich der Berechnung des ungezillmerten Deckungskapitals dienen sollte, möglicherweise Nutzen für den Kläger gehabt. Soweit eine Klageabweisung wegen der geltend gemachten Zinsen erfolgt ist, kann der Kläger aus einer gemäß seinem Hilfsantrag erteilten Auskunft keine bessere Anspruchsbegründung herleiten, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger auch im Falle einer bloßen Teilverurteilung eine Entscheidung über seinen Hilfsantrag wünscht. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut der von ihm vorausgesetzten Bedingung („für den Fall, dass das Gericht die Auffassung vertritt, dass der Kläger mit dem Klageantrag zu I. nicht durchdringen kann“).
66Ergänzend bemerkt die Kammer insoweit, dass sie in der unter dem 02.12.2014 erteilten Auskunft eine umfassende Auskunft im Sinne des Hilfsantrags sieht.
675.
68Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91a Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
69Soweit die Entscheidung über die Kosten auf § 91a ZPO beruht, entspricht es billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, denn auch in Bezug auf die noch gezahlten 8,23 € wäre gemäß den oben ausgeführten Gründen eine Verurteilung erfolgt.
706.
71Die Revision war zu Gunsten der Beklagten zuzulassen, denn das Urteil hat insoweit gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzliche Bedeutung, namentlich soweit es um die Zurechnung des Wissens des Versicherungsmaklers und der Anwendbarkeit des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB (a.F.) geht.
72Der Streitwert wird auf 2.442,26 EUR festgesetzt.
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