Urteil vom Landgericht Essen - 19 O 10/18
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, es
bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgelds bis zu 250.000,- Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten
zu unterlassen, dem Grundstück G-Str. … in … C koks- oder kohlehaltige Partikel in ein- oder mehrfacher Sandkorngröße zuzuführen
sowie
geeignete Maßnahmen zu ergreifen, durch die verhindert wird, dass durch die von ihr betriebene Kokerei nebst Nebenanlangen an der Q-Str. …, dem Grundstück G-Str. …, … C derartige Emissionen zugeführt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,- Euro.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien sind Nachbarn. Die Beklagte betreibt auf dem an der Q-Str. … in C gelegenen Grundstück eine Kokerei. Zu deren Betriebseinrichtungen gehören auch zwei sogenannte Kohlenmischbetten, die der Einstapelung und Bevorratung der in der Anlage zu verkokenden Kokskohlen dienen. Die Kläger wohnen in einem Gebäude in der Straße G-Str. …, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Betriebsgeländes der Kokerei befindet; es ist von den Kohlenmischbetten ca. 800 bis maximal 900 Meter entfernt.
3Die Kläger behaupten, seit Anfang des Jahres 2016 sei es wiederholt zu von der Beklagten verursachten Immissionen gekommen.
4Sichtbarere schwarzer Kohlenstaub, der mit einem Defekt der Filteranlagen in der Kokerei sowie mit den aufgeschütteten Kohlehalden im Zusammenhang stehe, setze sich auf dem gesamten Grundstück und auch in der von ihnen bewohnten Wohnung ab, deren Eigentümer sie seien. Sowohl die Fassade des Gebäudes als auch Einrichtungsgegenstände als auch sämtliche Textilien der Kläger, wie beispielsweise Kleidung, Gardinen und Teppiche, nähmen hierdurch Schaden. Mittlerweile seien bereits Substanzschäden an der Fassade des Hauses entstanden.
5Unter Bezugnahme auf Berichte in den lokalen Medien tragen die Kläger vor, im Juli 2017 sei ausgehend vom Mischlager der Kokerei Staub auf benachbarte Grundstücke hinübergeweht. Die Beklagte habe auf Nachfrage geäußert, es sei bei Analysen herausgefunden worden, dass bei meteorologischen Ausnahmesituationen - starker Wind in Verbindung mit einer längeren Trockenheit und intensiver Sonneneinstrahlung – der obere Bereich der Mischlager teilweise unzureichend befeuchtet werde. Abwehungen seien möglich.
6Konkret sei am 07./08.06.2017 ausgehend vom Betriebsgelände der Beklagten eine schwarze Wolke in die Richtung ihres Grundstücks geweht und habe sich innerhalb weniger Stunden auf dem Grundstück und auf sämtlichen Gegenständen abgelegt. Hierbei sei eine flächendeckende, mehrere Millimeter hohe schwarze Schicht auf sämtlichen Gegenständen entstanden, die sich nur mit erheblichem Reinigungsaufwand habe beseitigen lassen. Entsprechendes gelte für die anderen beanstandeten Vorfälle. Zuvor saubere Flächen seien innerhalb weniger Stunden dergestalt mit Staub und Ruß befallen, dass die Hände beim Herüberwischen schwarz seien und auch Lappen bereits nach einfachem Wischen schwarze Stellen zeigten.
7Die Beklagte habe auf einer Informationsveranstaltung am 10.07.2017 eingeräumt, dass es vier große Problemfelder gebe. Hauptproblem sei gewesen, dass ein Trichter mit Filter kaputt gewesen sei, der bei der Koksverbrennung benötigt werde.
8In dem Zeitraum von Juli 2017 bis September 2018 sei es wiederholt zu von der Beklagten verursachten Kohlestaubemissionen gekommen. Kohlepartikel in einfacher bis dreifacher Sandkorngröße hätten Fensterbänke, Briefkästen, Rollladen sowie Gartenmöbel bedeckt und zu Verschmutzungen geführt. Im September 2018 hätten auf der Terrasse schwarze, ölige Stücke gelegen, die unter den Schuhen geknirscht hätten.
9Die Kläger nehmen zudem Bezug auf eine am 19.04.2018 von ihnen veranlasste mikroskopische Untersuchung, der zufolge die Staubprobe einen Anteil von Steinkohlenkoks/Flugkoks von 66,8 Vol.-% gehabt habe. In einer von der Beklagten selbst in Auftrag gegebene Probe sei am 30.09.2018 ein Steinkohlen-/Flugkoksanteil von 57,6% festgestellt worden. Einen noch höheren Anteil dieser Bestandteile weise eine im November 2018 vom Autodach der Zeugin E entnommene Probe auf. Die Beklagte halte zudem regelmäßig die Grenzwerte der TA Luft für Schwebstaub nicht ein.
10In der Folgezeit habe es am 26.02.2019 eine weitere Informationsveranstaltung der Beklagten gegeben. Der Zeuge Q1 habe auf dieser Veranstaltung eingeräumt, dass es in den Jahren 2017 und 2018 einige Ereignisse gegeben habe, die dazu geführt hätten, dass der niedergegangene Staub zu 60 – 80 % aus Anteilen bestanden habe, die von der Kokerei stammten. Emissionsquelle sei hauptsächlich die Mischhalde der Kokerei. Der Zeuge Q1 habe außerdem am 04.12.2019 im Rahmen eines sogenannten „runden Tisches“ eingeräumt, dass es im Jahre 2018 mehrfach zu Abwehungen von Kohlenstaub auf der Mischhalde der Kokerei gekommen sei.
11Auch die Grenzwerte von Benzo(a)pyren (BaP) seien vielfach, beispielsweise am 23.01.2018, überschritten worden. Durch den Betrieb der Kokerei werde ihr Eigentum derart stark mit krebserregenden polyzklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) beeinträchtigt, dass das LANUV nunmehr vor dem Verzehr bestimmter, im Garten der Kläger „theoretisch angebauter“ Nutzpflanzen warne. Aus dem Bericht des LANUV ergebe sich, dass ein wöchentlicher Verzehr von 250 g oder mehr des dort zwischen dem 23.08.2018 und dem 20.11.2018 angebauten Grünkohls aus gesundheitlicher Sicht nicht vertretbar sei. Der Gehalt an PAK sei an dem unmittelbar in der Nähe zum klägerischen Eigentum liegenden Messpunkt 6 um etwa das 20fache der NRW-weiten Normalbelastung erhöht. Auch die Stadt C1 habe für das Gebiet, in dem die Wohnung der Kläger liegt, vor dem Verzehr von im eigenen Garten angebauten Blattgemüsen gewarnt. Für die Bezirksregierung N sei es „sehr, sehr wahrscheinlich“, dass die Beklagte diese erhöhten Werte verursacht habe. In einem externen, im Auftrag der Bezirksregierung N erstellten Gutachten sei festgestellt worden, dass einige Ofentüren der Kokerei stark beschädigt und undicht seien, weshalb erhebliche Mengen Benzo(a)pyrens in die Umgebung entweichen könne. Ohne Weiteres naheliegend sei es zudem, dass durch stark beschädigte und damit undichte Ofentüren auch erhebliche Grobimmissionen entweichen könnten.
12Die Kläger beantragen,
13die Beklagte zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, durch die die von ihr betriebenen Kokerei nebst Nebenanlagen an der Q-Str. …, … C ausgehenden, wesentlichen Beeinträchtigungen ihres Grundstücks G-Str. …, … C durch Ruß und Staub und ähnliche Einwirkungen verhindert werden, sowie
14die Beklagte zu verurteilen, die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgelds bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, auf das Grundstück der Kläger zu leiten, so dass dieses nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt ist.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Kläger Eigentümer einer Eigentumswohnung seien und dass es seit Anfang 2016 immer wieder zu unzumutbaren Immissionen von Kohlenstaub und dadurch bedingten unzumutbaren wesentlichen Beeinträchtigungen des klägerischen Eigentums sowie zu Substanzschäden an der Fassade des Hauses G-Str. … gekommen sei. Sie meint, aus dem Klägervortrag ergebe sich schon keine wesentliche Nutzungsbeeinträchtigung, aus der die Kläger einen Unterlassungsanspruch herleiten könnten. Eine Überschreitung von Grenz- und Richtwerten, welche die Wesentlichkeit einer behaupteten Beeinträchtigung indiziere, gebe es nicht. Nur unwesentliche Beeinträchtigungen seien nicht geeignet, Abwehransprüche zu begründen. Maßgeblich für die Beurteilung einer Staubniederschlagsbelastung seien die Immissionsschutzwerte gemäß der TA Luft. Allein im Immissionsschutzrecht sei bundesweit geregelt, welches Immisionsniveau einzuhalten sei. An diesem Maßstab müssten sich auch zivilgerichtliche Entscheidungen messen lassen.
18Zudem trägt die Beklagte vor, bei der von ihr in C betriebenen Kokerei handele es sich um eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Anlage, die über Emissionsminderungsmaßnahmen verfüge, die dem Stand der Technik entsprächen. Die maßgeblichen Grenzwerte für Staubniederschlag würden eingehalten.
19Den Sachvortrag der Kläger zu angeblichen Überschreitungen der Immissionswerte der TA Luft für Schwebstaub (PM 10) und Staubniederschlag hält die Beklagte für nicht hinreichend substantiiert. In diesem Zusammenhang verweist sie darauf, dass sich in unmittelbarer Nähe des Wohnortes der Kläger die Messstation C2 befindet. In den vergangenen Jahren habe es seit Anfang 2016 an dieser Station nach den dort durchgeführten Messungen keine Immisionswertüberschreitungen gegeben. Bereits im Jahr 2002 hätten die Messwerte unterhalb des relevanten Immissionswertes der TA Luft für Staubniederschlag gelegen. Der Staubniederschlag an dieser Station sei so gering gewesen, dass nachfolgend nicht einmal mehr Messungen der Luftqualitätsüberwachung für erforderlich erachtet worden seien.
20Die Beklagte nimmt ihrerseits Bezug auf seit Juli 2018 durchgeführte Messungen im Umfeld der Kokerei an der LANUV-Messstation C3 in C2. Danach lägen an dieser Messstation die Monatswerte des Staubniederschlags weit unterhalb des zulässigen Immisionswertes. Außerdem habe sie selbst in der Zeit von April bis Juli 2019 durch ein akkreditiertes und zertifiziertes Labor eigene Staubniederschlagsmessungen vornehmen lassen. Die gemessenen Werte bewegten sich vollständig in der Bandbreite der amtlichen Messungen des LANUV. Wesentliche Bestandteile der gemessenen Proben seien Minerale, Metalle, Erze, Glas und Aschen gewesen. Wesentlicher Teil des gemessenen biogenen Materials seien Pflanzenreste/Pollen mit einem Anteil von ca. 31 % gewesen.
21Zur Entwicklung in der Vergangenheit trägt die Beklagte vor, es sei zwar grundsätzlich möglich, dass es am 07./08.07.2016 Staubabwehungen auch von den Kohlenmischbetten der Kokerei gegeben habe. Diese beiden Tage seien indes durch starke Windereignisse – Wind bis zu Windstärke 8 – und Trockenheit geprägt gewesen. Die Beklagte hält diesen Fall für einen Sonderfall und verweist in diesem Zusammenhang auf eine nach vorprozessualem Schriftverkehr unterzeichnete Abfindungserklärung vom 26.06.2017, in der bestätigt wird, dass mit dem Erhalt einer Zahlung von 250,- Euro sämtliche Ansprüche betreffend den 07./08.07.2016 endgültig und vollständig abgegolten sind.
22Mit Nichtwissen bestreitet die Beklagte, dass es zu den von den Klägern angegebenen Daten in den Jahren 2017 und 2018 zu Staubabwehungen gekommen sei, die ihren Ursprung in einer Betriebseinrichtung ihrer Kokerei gehabt sich zu Lasten der Kläger ausgewirkt hätten.
23Die Verschmutzungen, die auf den von den Klägern beigebrachten Lichtbildern zu sehen sind, hält die Beklagte für Schmutzerscheinungen, die bei Reinigungsarbeiten üblicherweise beobachtet werden könnten. Die Kausalität zwischen dem Betrieb der Kokerei und diesen Schmutzerscheinungen bestreitet sie mit Nichtwissen.
24Des Weiteren bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass die am 19.04.2018 vorgenommene Staubprobe auf der nach außen gelegenen Fensterbank des Schlafzimmers der Kläger ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Wenn die an jenem Tag gemessenen Werte auf eine Fläche von einem Quadratmeter umgerechnet und zu dem relevanten Immissionswert der TA Luft für Staubniederschlag für den Mitteilungszeitraum Jahr ins Verhältnis gesetzt würden, würde dies eine 57-fache Überschreitung des Immissionsgrenzwerts der TA Luft bedeuten, was zu den veröffentlichten Messwerten für die Staubbelastung im Umfeld der Kokerei in einem frappierenden Missverhältnis stehe. Aufgrund der an jenen Tagen herrschenden Windverhältnisse sei es zudem nicht möglich, dass am 19.04.2018 sowie am Vortag Emissionen aus Richtung der Kokerei kommend in die Richtung des Klägergrundstücks hinübergeweht worden seien. Wenn die untersuchten Partikel sich schon eine längere Zeit auf der Fensterbank befunden hätten, sei eine ordnungsgemäße Untersuchung derselben nicht möglich, da in Betracht zu ziehen sei, dass sich deren Quantität und Qualität zwischenzeitlich verändert hätten.
25Die Beklagte behauptet, sie habe nachfolgend in enger Abstimmung mit der zuständigen Behörde Maßnahmen zur Minderung der Staubabwehungen von den Kohlenmischbetten ergriffen. Zusätzlich zu den schon vorhandenen Berieselungsanlagen, die auf der Grundlage der im Jahr 1983 erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dem Stand der Technik entsprächen, und die bei entsprechenden Wetterlagen eine Besprühung der Kohlenoberfläche durchführten, und zusätzlich zu den eingesetzten Bindemitteln seien seit Juni 2017 mobile Flächenregner an den Haldenköpfen aufgestellt und eingesetzt worden, um die Verkrustung der Oberfläche der Kohlenmischbetten weiter zu verbessern. Ihre Einrichtungen zur Verminderung der Staubemissionen entsprächen dem Stand der Technik. Zudem sei der genehmigte Betrieb der Hochfackel, der in der Vergangenheit erforderlich gewesen wie, aber ohnehin nicht mit einer Erhöhung von Staubemissionen verbunden gewesen wie, im Juli 2017 abgeschlossen gewesen. Auch ein Defekt an den Filteranlagen in der Kokerei sei instandgesetzt worden. Ausweislich eines Berichts des TÜV O über durchgeführte Emissionsmessungen vom 01.04.2019 würden die Emissionsgrenzwerte für die staubförmigen Emissionen der Koksausdrückmaschine 2 deutlich unterschritten.Die Ofentürdichtungen hätten mit dem Emissionsverhalten der Kokerei nichts zu tun. Diese Dichtungen dienten lediglich der Vermeidung sogenannter diffuser Emissionen, nicht aber der Vermeidung der hier streitgegenständlichen Koks- bzw. Kohlepartikel. Außerdem habe seien in den Jahren 2018 und 2019 mehrere ergänzende Maßnahmen zur weiteren Reduzierung der Staubemissionen über den Stand der Technik hinaus an den Kohlenmischbetten umgesetzt worden, nämlich:
26- windabhängige Abschaltung des Absetzers
27- Reduzierung der Abwurfhöhe
28- Schließen der Schürze
29- Optimierung der Bedüsungseinrichtungen
30- Einsatz eines neuen Staubbindemittels
31- Erweiterung der Bedüsung um 18 Regner
32- Einbau einer druckvariablen Pumpe: 5 bis 9 bar
33- Bandbedüsung mit Staubbindemittel
34Die Durchführung dieser Maßnahmen habe zu einer Reduzierung der Emissionen der Kohlenmischbetten geführt.
35Außerdem bestätige eine bei dem Amtsgericht C4 in dem selbständigen Beweisverfahren … eingeholte gutachterliche Stellungnahme, dass etwaige Emissionen der Kokerei in C2 keine erheblichen Belästigung der umliegenden Wohnbevölkerung durch Koksstaub hervorrufe.
36Die von ihr betriebene Kokerei verursache auch keine wesentliche Beeinträchtigung der Kläger durch Benzo(a)pyren. Der für Benzo(a)pyren einzuhaltende Zielwert werde kontinuierlich behördlich überwacht. Nach der fachlichen Einschätzung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV) sei es für Benzo(a)pyren seit 2017 zu keinen Zielwertüberschreitungen im Umfeld der Kokerei gekommen. Nach einer Überschreitung des Zielwerts im Jahr 2018 habe sie, die Beklagte, mit der zuständigen Bezirksregierung N verhältnismäßige, organisatorische und technische Maßnahmen zur weiteren Reduzierung der Benzo(a)pyren-Emissionen vereinbart. Diese Maßnahmen gingen auch nach Auffassung der Bezirksregierung N über den Stand der Technik hinaus. Zudem bestreitet die Beklagte die alleinige Verantwortlichkeit etwaiger von ihrem Betrieb ausgehender Emissionen für die Zielwertüberschreitung. Selbst das LANUV könne die unterschiedlichen Messwerte an den Messpunkten 5 und 6 und den WDM-Messpunkt 203 in Anbetracht der Windrichtung nicht schlüssig mit Emissionen der Kokerei erklären und verfalle insoweit in Spekulationen.
37Außerdem ergebe sich aus dem Vortrag der Kläger keine wesentliche Beeinträchtigung ihrer Rechte. Die Verzehrempfehlung der Stadt C1 sei nur eine vorsorgliche Maßnahme. Mit Nichtwissen bestreitet die Beklagte, dass den Klägern überhaupt ein nutzbarer Garten zur Anpflanzung von Nahrungspflanzen zur Verfügung stehe.
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen.
39Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen U, E, E1, M und Q1 sowie durch Inaugenscheinnahme der von den Klägern beigebrachten Fotos.Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Protokolle der Sitzungen vom 23.10.2018, 19.03.2019, 07.06.2019, 27.09.2019 und 18.02.2020.
40E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
41I.
42Die Klage ist zulässig.
431.
44Gemäß § 24 ZPO ist für nachbarrechtliche Klagen von Eigentümern auf Unterlassung von Störungen dasjenige Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist (vgl. Zöller-Schultzky, 33. Aufl., § 24 ZPO Rz 8 m.w.Nw.) Die Kläger behaupten, sie seien Eigentümer einer Wohnung in dem im Bezirk des Landgerichts Essen gelegenen Gebäude G-Str. … in C; sie tragen somit einen die Zuständigkeit gemäß § 24 ZPO begründenden Sachverhalt vor.
452.
46Es kann dahin stehen, ob den Klägern tatsächlich an der vorgenannten Wohnung ein Wohnungseigentumsrecht zusteht. Zu dieser von der Beklagten in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestrittenen Behauptung haben die Kläger nichts Näheres ausgeführt und auch keine aussagekräftigen Belege beigebracht.
47Denn auch dann, wenn die Kläger keine Rechte aus Eigentum, sondern lediglich auf Besitz gestützte Unterlassungsansprüche geltend machen könnten, ist das Landgericht Essen örtlich zuständig. Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 24 ZPO ergibt sich die örtliche Zuständigkeit für Unterlassungsklagen aus § 32 ZPO (vgl. Zöller-Schultzky, 33. Aufl., § 32 ZPO Rz 18 m.w.Nw.). Hier liegt sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort im Bezirk des Landgerichts Essen.
483.
49Die Kläger sind prozessführungsbefugt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2017 – V ZR 45/17, NJW-RR 2018, 333 m.w.Nw.) besteht für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück gem. § 1004 Abs. 1 BGB keine geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG, sondern lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis gem. § 10 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 WEG. Dies gilt auch dann, wenn Anspruchsgegner ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist (vgl. BGH, NJW 2011, 1351 Rn. 10; NJW 2015, 2968 Rn. 14; ZMR 2016, 382 = BeckRS 2016, 03685 Rn. 17). Unterlassungsansprüche können daher auch einzelne Miteigentümer sowie zum Besitz berechtigte Dritte geltend machen.
50II.
51Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung von koks- und kohlehaltigen Emissionen gemäß §§ 862, 858 BGB.
521.
53Das zivilrechtliche Nachbarrecht ist anwendbar. Der öffentlich-rechtliche Immissionsschutz ergibt sich zwar im Wesentlichen aus § 48 des Bundesimmissionsschutzgesetztes (BImSchG) in Verbindung mit den hierzu ergangenen Verordnungen sowie der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft - TA Luft). Dennoch kommt nach herrschender Meinung weder dem öffentlichen noch dem privaten Immissionsschutz- und Nachbarrecht im Verhältnis zueinander eine Vorrangstellung zu, sofern ein solcher Vorrang nicht spezialgesetzlich angeordnet ist (vgl. OVG Bln NJW 1983, 777; ähnlich BGH NJW 1983, 751; OVG Saarlouis NJOZ 2010, 3231 [3232 f.] = BauR 2010, 1807 [Ls.]; Erman/Wilhelmi Rn. 62 ff., 60 f.; Jauernig/Berger Rn. 4 mwN; Soergel/Baur § 903 Rn. 77 mwN; zitiert nach BeckOK § 906 BGB Rz 7).
542.
55Die Beklagte hat durch die von der von ihr betriebenen Kokerei ausgehenden koks- und kohlehaltigen Emissionen das von den Klägern bewohnte Grundstück widerrechtlich beeinträchtigt, § 858 Abs. 1 BGB. Die Kläger müssen diese vom Beklagtengrundstück ausgehenden Emissionen nicht gemäß § 906 BGB dulden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kohle- und kokshaltigen Partikel sowohl von ihrer Beschaffenheit und Größer her als auch durch die Häufigkeit der Emissionen die Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Wegen der durch den erstmaligen Verstoß indizierten und nicht widerlegten Wiederholungsgefahr besteht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 862 BGB. Da sich künftige drohende Beeinträchtigungen der von den Klägern genutzten Wohnung nur durch ein aktives Eingreifen verhindern lassen, schuldet der zur Unterlassung Verpflichtete das erforderliche positive Tun (vgl. BGH, Urt. v. 12.06.2015 – V ZR 168/14, NJW-RR 2016, 24). Die Beklagte war daher zugleich dazu zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, durch die weitere Beeinträchtigungen verhindert werden.
56a)
57Die Kläger haben bewiesen, dass es ausgehend von der Kokerei der Beklagten seit 2017 mehrfach zu koks- und kohlehaltigen Emissionen gekommen ist. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der erhobenen Beweise sowie aus dem Inhalt der von den Klägern beigebrachten Untersuchungsberichte.
58aa)
59Das Gericht glaubt den Zeuginnen U und E, dass es in den Jahren 2017 und 2018 wiederholt zu schwarzem Staubniederschlag auf dem von den Klägern bewohnten Grundstück gekommen ist.
60Die gleichfalls in dem Gebäude G-Str. … in C wohnende Zeugin U hat ausgesagt, dass ihr an bestimmten Tagen seit 2016 aufgefallen sei, dass Partikel in Sandkorngröße auf ihrem Grundstück niedergegangen seien. Seit 2017 hätten sie diese auch bildlich dokumentiert. Immer dann, wenn „schwarze Wolken“ kämen, gingen einige Zeit später solche Bröckchen nieder. Wenn man diese in die Hand nehme, sei ein schwarzer Film zu sehen. Zusammen mit der Zeugin U sind mehrere Fotos in Augenschein genommen worden, auf denen schwarze Partikel zu erkennen waren. Die Zeugin U hat auf mehreren dieser Fotos erkannt, dass in jener Zeit auch Gegenstände der Kläger hiervon betroffen waren, beispielsweise die Rollladen der Kläger am Wohnzimmerfenster zum Gartenbereich, die Fensterbank vor diesem Wohnzimmer sowie innerhalb der Wohnung der Kläger deren Bad. Die Zeugin hat anhand der von ihr gefertigten Fotos mehrere derartige Ereignisse in den Jahren 2017 und 2018 beschrieben. Das Gericht geht daher davon aus, dass es sich bei diesen Emissionen nicht lediglich um einen singulären Einzelfall gehandelt hat, sondern um Ereignisse, die sich in diesen Jahren mehrfach wiederholt haben.
61Soweit die Beklagte – zu Recht – darauf hingewiesen hat, dass mehrere Fotos vorhanden waren, die ein und dasselbe Bild zeigen, aber jeweils zwei unterschiedliche Daten ausweisen, ist diese nachvollziehbar dargelegte Erkenntnis nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit der Zeugin U oder die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage in Zweifel zu ziehen. Denn schon aus dem Dateiformat derjenigen Dateien, die auf dem Handy in digitaler Form in Augenschein genommen worden sind, ergibt sich, dass einige dieser Fotos eine sehr hohe Auflösung mit einer Dateigröße von mehreren Hundert kB haben, wohingegen andere Fotos beispielsweise nur ein Dateigröße von 30 KB hatten. Daraus ergibt sich ohne Weitere, dass es sich bei denjenigen Fotos, die zeitlich früher gefertigt wurden und zugleich ein hoch auflösendes Dateiformat haben, um die erste Aufnahme handelt, wohingegen die auf wenige KB komprimierte, zeitlich nachfolgende Datei ganz offensichtlich bei einer Übertragung dieser Foto-Datei in eine geringere Dateigröße umgewandelt worden ist. Das Gericht kennt aus langjähriger Erfahrung mit der Fertigung und Bearbeitung digitaler Fotos nur Systeme, die in dieser Weise arbeiten. Häufig werden beim Versenden von Fotos in digitaler Form Dateien von mehreren Hundert kB auf wenige kB heruntergebrochen, um eine schnellere Übertragung der Dateien zu ermöglichen oder die Kapazitäten des Postfachs des Empfängers der Datei zu schonen. Bei manchen Systemen funktioniert dies automatisch; bei anderen gibt es eine manuell zu betätigende Auswahlmöglichkeit. Die unterschiedlichen Daten für ein und dasselbe Foto und die unterschiedlichen Dateigrößen sind so zu erklären. Das bedeutet, dass beispielsweise das Foto, welches das Datum 06.08.2017 trägt und eine Größe von 542 kB hat, das zeitlich früher gefertigte Foto sein muss, wohingegen die Fotodatei, die dasselbe Bild zeigt, aber auf den 27.05.2018 datiert und nur eine Größe von 30 kB hat, eine in ein kleineres Format konvertierte Kopie des am 06.08.2017 gefertigten Forots darstellt.
62Daraus, dass es bei einigen Fotos zwei verschiedene Daten gibt, ergeben sich daher keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin U oder an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage. Die Zeugin hat auf Nachfrage erklärt, das sie einen sogenannten „Kokerei-Ordner“ angelegt habe, und dass ihr Handy das „alleine“ mache. Sie selbst kenne sich mit Handys nicht so gut aus. Auf weitere Nachfrage hat die Zeugin U auch bestätigt, dass sie die von ihr gefertigten Fotos schon einmal weitergeleitet habe, nämlich an „den Rechtsanwalt“. Diese Vorgänge erklären die verschiedenen Daten bei manchen Fotos, auf denen ein und dasselbe Bild zu sehen ist.
63Das Gericht glaubt der Zeugin U daher, dass sie diejenigen Ereignisse, die auf den von ihr gefertigten Fotos abgebildet sind, auch jeweils selbst gesehen hat. Sie hat dann versucht, anhand ihres Handys nachzuvollziehen, wann die von ihr wahrgenommenen Ereignisse stattgefunden haben. Dass ihr bei diesem Versuch, die Daten vollständig aufzulisten, Fehler unterlaufen sind, spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin, sondern allenfalls dafür, dass sie – wie von ihr selbst eingeräumt – mit dem Umgang ihres Handys nicht so sehr vertraut ist.
64Hinsichtlich der Daten zu den jeweils von der Zeugin U bildlich festgehaltenen Ereignisse geht das Gericht daher davon aus, dass diese jeweils an dem zeitlich früheren Datum stattgefunden haben, das sich aus der Datenrekonstruktion von dem Handy ergibt.
65Der Zeugin ist diese Problematik anlässlich ihrer Vernehmung bewusst geworden. Sie hat hierzu nachvollziehbar erklärt, dass sie die auf den Fotos dokumentierten Ereignisse, jeweils selbst gesehen habe. Lediglich hinsichtlich der Daten könne sie bei einem Foto, das zwei Daten aufweise, nicht sagen, an welchem Datum das gewesen sei. Das ändere aber nichts daran, dass diese Ereignisse stattgefunden hätten und dass sie diese gesehen und fotografiert habe. Das Gericht glaubt der Zeugin. Sie hat wiederholt und nachvollziehbar auf mehrfache Nachfragen bestätigt, dass sie sich sicher sei, dass sich auf der Fensterbank wieder „Bröckchen und Partikel“ befunden hätten. Da diese Partikel auf den von der Zeugin gefertigten Fotos auch zu sehen sind, besteht kein Anlass, der Zeugin nicht zu glauben.
66Die Aussage der Zeugin U wird in einem gewissen Umfang bestärkt durch die Aussage der Zeugin E. Diese hat bekundet, dass sie sich daran erinnern könne, dass am 18.12.2017 viele Emissionen da gewesen seien, die auf den Fensterbänken, auf dem Balkon und auch auf dem Auto gelegen hätte. Diese Emissionen seien fast schon größer als sandkorngroß gewesen. Es seien „kleine Kügelchen“ gewesen, die unterschiedliche Größen gehabt hätten, von einem ganz kleinen Sandkorn bis hin zu großen Körnern. Dieser Niederschlag sei nicht nur auf ihrem eigenen Grundstück, sondern auch auf dem Nachbargrundstück der Kläger vorhanden gewesen. Sie habe einen derartigen Schmierfilm auch bei der Ablage von den Balkonmöbeln der Kläger gesehen. Auch auf den Platten der Fliesen an der Terrassentür der Kläger habe sie diese „Kügelchen“ extrem gesehen.
67Die Aussagen der Zeuginnen U und E stimmen demnach im Kern überein. Sie beschreiben zutreffend diejenigen Partikel und Beaufschlagungen, die auf den beigebrachten Fotos zu sehen sind.
68Die Zeugin U hat ihre Aussage zudem unter Eid bekräftigt. Ihr kommt daher ein besonderes Gewicht bei der Beweiswürdigung zu.
69Bei dieser zusammenfassenden Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme, nämlich, dass es in den Jahren 2017 und 2018 wiederholt zu Emissionen in Form von „kleinen Bröckchen“ oder „kleinen Kügelchen“ in kleinerer oder größerer Sandkorngröße gekommen ist, ist der konkret beschriebene Vorfall vom 07./08.06.2017 außer Betracht geblieben.
70Denn die Klägerin L kann aus diesem Ereignis ohnehin keine Rechte herleiten. Sie hat am 26.06.2017 eine Abfindungserklärung unterzeichnet, in der sie erklärt hat, dass mit dem Erhalt einer Einmalzahlung von 250,- Euro sämtliche Ansprüche aus diesem Ereignis endgültig und vollständig abgegolten sind.Im Verhältnis des Klägers L1 zu der Beklagten liegt eine solche Abfindungserklärung zwar nicht vor. Der Rekurs auf den Vorfall vom 07./08.06.2017 ist in dem zwischen diesen beiden Parteien bestehenden Prozessrechtsverhältnis indes nicht erforderlich, weil sich bereits aus den zuvor dargestellten Erwägungen ergibt, dass auch in der Zeit nach Juni 2017 in den Jahren 2017 und 2018 wiederholt Staubniederschlag in Form von schwarzen Partikeln unterschiedlicher Größe auf dem Grundstück der Kläger niedergegangen ist.
71bb)
72Bei diesen Emissionen handelt es sich ihrer chemischen Zusammensetzung nachh um Partikel, die zu einem hohen Anteil koks- oder kohlehaltig sind.
73In dem von den Klägern exemplarisch beigebrachten Untersuchungsbericht vom 23.04.2018 eines in I ansässigen Labors zu einer Staubprobe ist hierzu Folgendes ausgeführt:
74„Die Staubprobe wurde am 19.04.2018 bei Familie L2, G-Str. … in … C genommen. Auf einer Fläche von 13 cm x 10 cm wurden die vorhandenen Staubpartikel mit einem Pinsel zusammengetragen und in einem Glasgefäß gesammelt. …
75Von den Hauptbestandteilen wurden Mikrofotos angefertigt, die als Anlage beigefügt sind.
76Ergebnis (500-Punkte-Zählung)
77Steinkohlenkoks/Flugkoks 66,8 Vol.-%
78Steinkohle 4,6 Vol.-%
79Flechten 4,2 Vol.-%
80Minerale (Quarz, Tonminerale,
81Karbonate) 4,2 Vol.-%
82Farb-, Lack-, Kunststoffreste 4,0 Vol.-%
83Pflanzenreste/Pollen 3,8 Vol.-%
84Insektenreste 3,8 Vol.-%
85Aschepartikel 2,8 Vol.-%
86Rost 1,4 Vol.-%
87Erz (Hämatit) 1,2 Vol.-%
88Fasern/Haare 1,0 Vol.-%
89Petrolkoks 0,4 Vol.-%
90Unbestimmbare Partikel 1,8 Vol.-%
91…“
92Diesem Bericht sind Fotos von den durchgeführten mikroskopischen Untersuchungen beigefügt, auf denen Steinkohle, Steinkohlenkoks, Flugkoks und Asche sowie Insektenreste, Erze und Minerale jeweils mit Pfeilen farblich gekennzeichnet sind.
93Danach setzt sich diese Probe insgesamt zu rund 75% aus Kohle- oder Kokshaltigen Bestandteilen zusammen (Steinkohlenkoks/Flugkoks, Steinkohle, Aschepartikel, Petrolkoks).
94Das Gericht hält diese Probe für aussagekräftig. Die von der Beklagten hiergegen geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.
95Soweit die Beklagte die im Jahr 2018 genommene Probe in Relation zu Meßdaten aus dem Jahr 2002 setzt und daraus im Wegen einer Hochrechnung den Rückschluss ziehen möchte, dass die Probe vom 19.04.2018 mangels ordnungsgemäßer Erhebung nicht relevant sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Daraus, dass die im Jahr 2002 gemessenen Werte keinen Grund zur Beanstandung gegeben haben, lässt sich nicht schließen, dass dies fortlaufend bis zum Jahr 2018 der Fall gewesen wäre. Für das Jahr 2018 liegen überhaupt keine Messwerte vor.
96Allein daraus, dass der Beklagten das Ergebnis der Messwerte aus der Probe vom 19.04.2018 ungewöhnlich hoch erscheinen mag, lässt sich nicht schließen, dass diese Probe nicht ordnungsgemäß erhoben worden wäre.
97Auch die Vermutung der Beklagten, auf der nach außen gelegenen Fensterbank des Schlafzimmers hätten sich vor Entnahme der Probe bereits über einen längeren Zeitraum Staubpartikel angesammelt, ist im Ergebnis nicht tragfähig. Dieser Einwand betrifft lediglich die Quantität des untersuchten Materials und nicht dessen Qualität. Die chemische Zusammensetzung der untersuchten Probe hängt nicht davon ab, wie viele Gramm eines bestimmten Stoffes sich aus der untersuchten Probe bezogen auf einen Quadratmeter umrechnen lassen.
98Der Einwand der Beklagten, bereits nach wenigen Tagen seien chemische Veränderungen von Staubniederschlag, z.B. durch Sonnenlicht, möglich, sodass eine zuverlässige Aussage in Bezug auf Qualität und Quantität von Staubniederschlag nicht mehr getroffen werden könne, ist in dieser Allgemeinheit nicht geeignet, die Aussagekraft der am 19.04.2018 entnommenen Probe in Frage zu stellen. In welcher Weise sich Steinkohlenkoks/Flugkoks- und Steinkohlepartikel innerhalb weniger Tage in ihrer chemischen Zusammensetzung allein dadurch ändern sollten, dass sie auf einer Fensterbank liegen und dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, wird von der Beklagten nicht näher dargelegt, geschweige denn wissenschaftlich begründet. Schon der Sachvortrag der Beklagten hierzu ist nicht hinreichend tragfähig. Der Vernehmung des Zeugen M zu dieser allgemein gehaltenen Aussage bedurfte es nicht.
99Nicht hinreichend aussagekräftig ist zudem der Sachvortrag der Beklagten zu den Windrichtungen für den Zeitraum vom 16.04. bis zum 19.04.2018. Der Vortrag der Beklagten, eine Auswertung sowohl ihrer eigenen Windmessstationen als auch der Messstationen des LANUV habe Windrichtungen ergeben, die eine potentielle Belastung des Klägergrundstücks allein am 17.04.2018 in der Zeit zwischen 10.00 Uhr und 20.00 Uhr aufgrund der Windrichtung und – stärke möglich erscheinen lassen, wohingegen gerade am 18.04. und am 19.04.2018, also am Tag der Probenahme und am Vortrag der Wind aus Richtung des klägerischen Grundstücks zur Kokerei hin geweht habe, ist nicht geeignet, das Ergebnis der Probe vom 19.04.2018 zu entkräften. So ergibt sich aus diesem Vorbringen vielmehr, dass es sehr wohl möglich war, dass am 17.04.2018, also zwei Tage vor Entnahme der Probe, über einen Zeitraum von etwa zehn Stunden der Wind aus einer Richtung kam, die eine potentielle Belastung des Klägergrundstücks möglich erscheinen ließ. Die zwei Tage später, am 19.04.2018 von der Fensterbank der Kläger entnommene Probe lässt sich daher zeitlich ohne Weiteres auf Emissionen zurückführen, die erst eine kurze Zeit vorher stattgefunden haben.
100Die von der Beklagten in der Beweisaufnahme wiederholt aufgeworfene Frage, ob es sich bei den von den Zeuginnen U und E beschriebenen Verschmutzungen nicht auch um sonstige Minerale, Metalle oder Erze handeln könne, führt nicht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts. Es mag zwar durchaus sein, dass zu einem gewissen Anteil auch solche Bestandteile in der untersuchten Probe vom 19.04.2018 vorhanden gewesen sind. Angesichts dessen, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz davon in dieser Probe nachgewiesen wurde, dürften diese Partikel allenfalls in einem sehr geringen und damit zu vernachlässigenden Umfang zu den sichtbaren schwarzen Verschmutzungen beigetragen haben.
101Es kommt hinzu, dass sowohl die Klägerin selbst als auch die Zeugin U die Konsistenz der schwarzen, sichtbaren Partikel konkret und nachvollziehbar beschrieben haben.
102Die Klägerin hat anlässlich ihrer persönlichen Anhörung im Termin vom 23.10.2018 erklärt, dass vor Entnahme der Probe im April 2018 ein Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge M, bei ihnen gewesen sei. Er habe die Partikel, bei denen es sich in dieser Phase schon um „kleine Bröckchen“ gehandelt habe, in die Hand genommen und zerrieben. Seine Hand sei dann voller schwarzem Kohlenstaub gewesen. Die nachfolgenden unzureichenden Erklärungsversuche der Beklagten seien dann der Anlass gewesen, die Probe von April 2018 zu beauftragen. Das Gericht hält diese Erklärung der Klägerin für glaubhaft. Das Ergebnis der chemischen Analyse und ihre Beschreibung stimmen überein.
103Auch die Zeugin U hat „diese Bröckchen, das Schwarze, was runterkommt und sich dort niederlegt“, sehr konkret und anschaulich beschrieben. Sie hat ausgesagt, dass sie seit Juni 2017 mit ihrem Handy dokumentiere, wie eine „schwarze Wolke“ auf sie zukomme. Die Folgen dieser „schwarzen Wolke“ seien Verschmutzungen. Bei diesen Schmutzpartikeln handele es sich um kleine Bröckchen, die auch schmierig seien. Diese Aussage fügt sich nahtlos in die Beschreibung der Klägerin ein; sie passt zu dem Ergebnis der am 19.04.2018 entnommenen Probe.
104Die Zeugin U hat zudem erläutert, dass sie selbst schon drei Proben eingeschickt habe. Nach dem Ergebnis der Probe, das sie am 30.09.2018 erhalten habe, habe das untersuchte Material zu ca. 60% aus Steinkohle oder Flugkoks bestanden.
105Die Zeugin E hat die Konsistenz der Partikel in gleicher Weise beschrieben. Sie hat von „Kohlekörnchen“ gesprochen, die hart seien, wenn man sie in die Hand nehme und „pechschwarz und schmierig“ gewesen seien, wenn sie gerieben würden.
106In Ansehung der untersuchten Proben und der Beschreibungen der von den Emissionen Betroffenen besteht kein Zweifel daran, dass die von der Klägerin und den Zeuginnen beschriebenen Verschmutzungen ganz überwiegend aus Koks- oder Kohlehaltigen Bestandteilen bestehen.
107cc)
108Die Beklagte hat diese Emissionen verursacht. Die Zusammensetzung der in der Probe vom 19.04.2018 enthaltenen Feststoffe und die Beschreibung der Schmutzpartikel durch die Klägerin und die Zeuginnen U und E führt zu dem zwingenden Schluss, dass es sich bei den Emissionen zum ganz überwiegenden Teil um Partikel handelt, die von dem Betrieb der Beklagten stammen und von dort aus auf das von den Klägern bewohnte Grundstück herübergeweht sind. Koks- und Kohlepartikel können nur von der nahegelegenen Kokerei stammen, in der aus Kohle mittels eines Destillationsverfahrens Koks erzeugt wird. Andere Industriebetriebe, die sich mit der Verarbeitung von Kohle befassen, und die koks- oder kohlehaltige Partikel emittieren könnten, befinden sich nicht im Umfeld des von den Klägern bewohnten Grundstücks.
109Außerdem hat nunmehr - im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung - auch der Zeuge Q1, der frühere Geschäftsführer der B GmbH, eingeräumt, dass es in den Jahren 2017 und 2018 zu Abwehungen von aufgemahlenen Bestandteilen der Kohle gekommen ist, die auf den Kohlenmischbetten aufgebracht waren. Auf Nachfrage hat er hierzu erläutert, dass es sich bei diesen Bestandteilen um sichtbare Partikel handele, die man sehen und anfassen könne. Wörtlich hat der Zeuge den Begriff „Krümel“ benutzt. Diese Aussage fügt sich nahtlos ein in die Beschreibung der schwarzen „Bröckchen“, von denen die Klägerin und die Zeuginnen E und U berichtet haben.
110b)
111Die Kläger müssen diese Beeinträchtigungen nicht dulden, weil es sich um wesentliche Beeinträchtigungen handelt. Den ihr obliegenden Beweis der Unwesentlichkeit dieser Emissionen hat die Beklagte nicht geführt.
112aa)
113Gemäß § 906 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Diese Duldungspflichten gemäß § 906 Abs. 1 BGB betreffen nach dem Gesetzeswortlaut der Abs. 1 und 2 zwar nur den (Allein- oder Mit-, § 1011) Eigentümer eines Grundstücks. Sie gelten aber darüber hinaus auch für alle, die ihre Rechtsstellung vom seinerseits duldungspflichtigen Eigentümer ableiten, also auch nur schuldrechtlich berechtigte Besitzer (BGHZ 15, 146 [148] = NJW 1955, 19; BGHZ 70, 212 [220] = NJW 1978, 373; BGH NJW 1995, 132; zitiert nach BeckOK § 906 BGB).
114bb)
115Sowohl Ruß- als auch Staubemissionen unterfallen dem Anwendungsbereich von § 906 BGB (vgl. BGHZ 62, 186 [187] = NJW 1974, 987; Jauernig/Berger Rn. 2; Palandt/Herrler Rn. 8; BeckOK § 906 Rz 23).
116cc)
117Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass die Beeinträchtigungen des Klägergrundstücks unwesentlich sind. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden, § 906 Abs. 1 S. 2 BGB.
118Messungen der Immissionswerte durch das LANUV gab es in der Vergangenheit im Jahr 2002 und in der Zeit von Juni bis Dezember 2015. Diese Zeiträume sind hier nicht relevant. Messungen wurden seitdem bis einschließlich Juni 2018 nicht durgeführt. Für die Zeit von Juni 2017 bis Juni 2018 gibt es daher schon keine amtlichen Messwerte, aus denen sich eine Unwesentlichkeit der Beeinträchtigungen herleiten ließe.
119Erst seit Juli 2018 existieren amtliche Messwerte für Staubniederschlag, die den Angaben der Beklagten zufolge (Bl. 242) weit unterhalb des zulässigen Immissionswertes lägen. Eigene, von der Beklagten veranlasste Messungen in der Zeit von April 2018 bis Juli 2019 bewegen sich dem Beklagtenvorbringen zufolge innerhalb der Bandbreite der amtlichen Messwerte.
120Ein sich daraus resultierendes Indiz für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigungen haben die Kläger jedoch entkräftet. Denn aus der Beweisaufnahme ergibt sich, dass es während des von den Klägern beschriebenen Zeitraums wiederholt einzelne Emissionen gab, die eine solche Beschaffenheit hatten, dass den Klägern derartige Emissionen nicht zumutbar sind. Hier liegen besondere Umstände des Einzelfalles vor, aus denen sich trotz etwaiger Einhaltung von öffentlich-rechtlichen Grenzwerten eine wesentliche Beeinträchtigung der von der Kokerei verursachten Emissionen für das von den Klägern bewohnte Grundstück ergibt.
121Diese Umstände ergeben sich ohne Weiteres aus der Beschaffenheit der koks- oder kohlehaltigen Partikel. Sowohl die Klägerin selbst als auch die Zeuginnen U und E haben sehr anschaulich beschrieben, welche Konsistenz der mit bloßem Auge sichtbare Staubniederschlag und die schwarzen „Bröckchen“ haben. Putztücher und Hände werden schwarz, wenn damit über Flächen gewischt wird, auf denen sich diese rußartigen Partikel befinden. Wenn die „Bröckchen“ in die Hand genommen werden, zerkrümeln sie zu Kohlenstaub oder es ergibt sich eine ölige, schmierige Masse, wenn sie zerdrückt werden. Größere Partikel „knirschen“ unter dem Absatz. Zu Recht weisen die Kläger darauf hin, dass sie Flächen, die mit solchen Partikeln beaufschlagt sind, nicht ohne gründliche vorherige Reinigung benutzen können. Wenn Sitzflächen nicht vorher gereinigt werden, besteht die Gefahr der Verschmutzung von Kleidungsstücken. Wenn schwarze koks- oder kohlehaltige Partikel auf den Zuwegungen zum Haus liegen, besteht die Gefahr, dass dieser tiefschwarze Staub unter den Schuhen haften bleibt und in die Wohnung getragen wird. Derartige Beeinträchtigungen sind wesentlich; sie müssen von niemandem hingenommen werden.
122Entgegen der Auffassung der in C5 ansässigen Beklagten handelt es sich bei solchen Verunreinigungen auch nicht um Staubverschmutzungen, die insbesondere in einer industriellen und städtischen Umgebung des nördlichen Ruhrgebiets üblicherweise auftreten und keine Besonderheiten aufwiesen. Das ist gerichtsbekannt und bedarf keiner weiteren Erörterung.
123Das Gericht hält die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Grenzwerte nach der TA Luft aus einem weiteren Grunde nicht für das allein ausschlaggebende Indiz für die Unwesentlichkeit einer Emissionsbeeinträchtigung durch kohle- oder kokshaltigen Partikel nach Maßgabe der hier anzuwendenden zivilrechtlichen Vorschriften. Denn die TA Luft enthält keine Regelung, die vorsieht, dass der Anteil von Kohle und Koks im Gesamtstaub gemessen wird. Der hier vorliegende Fall, nämlich wiederholte einzelne Emissionen von Partikeln, die Kohle oder Koksbestandteile in einer sehr hohen Konzentration enthalten, wird durch die TA Luft nicht erfasst.Die Schlussfolgerung der Beklagten, dass sich aus dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift in der TA Luft herleiten lasse, dass der Normgesetzgeber dem Anteil von Kohle und Koks im Gesamtstaub keine relevante Bedeutung beimesse, so dass auch kein Unterlassungsanspruch bestehe, teilt das Gericht indes nicht. Es mag zwar sein, dass der Gesetzgeber bei den öffentlich-rechtlichen Normen auf Durchschnittswerte abstellt, die während bestimmter, vorgegebenen Zeiträume zu erfassen sind und singuläre Ereignisse sowie eine Konzentration von spezifischen Inhaltsstoffen in diesen öffentlich-rechtlichen Normen nicht erfassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass derartige Ereignisse auch bei einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise unberücksichtigt zu bleiben hätten. Im Zivilrecht kommt es nicht allein auf Durchschnittswerte an, sondern darauf, was im konkreten Fall wesentlich stört. So ist es hier. Die wiederholten, von der Beklagten verursachten Emissionen durch schwarze, bisweilen ölig-schmierige, in hoher Konzentration Koks oder Kohle enthaltenden Partikel stellen nach dem hier anzuwendenden Nachbarrecht eine wesentliche Störung dar, die nicht geduldet werden muss.
124Aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Gutachten in dem selbständigen Beweisverfahren … AG C4 ergibt sich nichts Anderes. Das Gutachten bezieht sich auf ein anderes Grundstück. In jenem Verfahren ging es nicht um die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, sondern um die Vorbereitung einer etwaigen Schadensersatzklage, die anderen Beweisanforderungen unterliegt. Es obliegt zudem nicht einem Sachverständigen, die rechtliche Bewertung zu treffen, ob Emissionen wesentlich sind oder nicht.
125dd)
126Wegen der Besorgnis weiterer Störungen besteht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 862 Abs. 1 S. 2 BGB. Die für Wohnungseigentümer in Betracht kommende Parallelvorschrift des § 1004 BGB ist zwar auf bloße Besitzer nicht anwendbar (vgl. BeckOK § 1004 BGB Rz 10). Substantiierter Sachvortrag der Kläger zu dem von ihnen behaupteten und von der Beklagten in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestrittenem Wohnungseigentum fehlt. Der Schutz des § 862 BGB entspricht indes dem Schutz des § 1004 BGB. Der berechtigte Besitzer einer Sache kann sich gegen seinen Besitz beeinträchtigende Emissionen genauso wie ein Eigentümer wenden (vgl. beck-online GROSSKOMMENTAR-Spohnheimer, § 1004 BGB Rz 66.2)
127Auch im Anwendungsbereich von § 862 BGB begründet bereits eine einzige Störung die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr (vgl. BeckOK BGB, § 862 BGB Rz 5 m.w.Nw.)
128Die Beklagte hat diese Vermutung nicht entkräftet. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass es zu vergleichbaren Vorfällen wie denjenigen, die von der Klägerin und den Zeuginnen U und E beschrieben wurden, in Zukunft nicht mehr kommen kann. Es besteht weiterhin Wiederholungsgefahr.
129(1)
130Es gibt mehrere mögliche Ursachen für die koks- und kohlehaltigen Emissionen, die vom Betriebsgelände der Kokerei ausgegangen sind. Eine dieser Ursachen kann ein technischer Defekt an eine Filteranlage gewesen sein, den es unstreitig im Jahr 2017 gegeben hat.
131Den ihr obliegenden Beweis, dass dieser Defekt vollständig beseitigt ist, hat die Beklagte nicht geführt. Nach dem Ergebnis der Vernehmung der Zeugen E1 und M ist das Gericht nicht mit der für die Überzeugungsbildung erforderlichen Gewissheit davon überzeugt.
132Der Zeuge E1 hat zwar ausgesagt, dass im Jahr 2017 ein Filter, der zuvor nicht in Ordnung gewesen sei, wieder instand gesetzt worden sei. Es habe nach der Instandsetzung eine Funktionskontrolle gegeben. Gegenüber dem Lieferanten habe die Beklagte eine mangelfreie Abnahme erklärt. Die Frage, ob er selbst bei der Funktionskontrolle dabei gewesen sei und das Messprotokoll gesehen habe, musste der Zeuge E1 indes verneinen. Aus eigener Anschauung konnte er zu der durchgeführten Funktionsprüfung nichts sagen. Ihm sei vom Projektleiter die Endabnahme vorgelegt worden, in der die Mangelfreiheit bescheinigt worden sei. Ihm selbst seien jedenfalls keine Umstände bekannt, dass diese Anlage nicht funktioniere.
133Das Gericht hält diese Aussage nicht für hinreichend belastbar. Der Zeuge E1 ist kein Techniker. Er konnte aus eigener Anschauung zur Funktionsprüfung nichts sagen sondern hat sich insoweit auf die Angaben von Dritten bezogen. Das reicht nicht aus, um die Überzeugung des Gerichts davon zu begründen, dass die ehemals defekte Filteranlage wieder ordnungsgemäß instand gesetzt worden ist.
134Auch die Aussage des Zeugen M, des damaligen Emissionsschutz- und Störfallbeauftragten der Beklagten, hat die an ihn gerichteten Fragen nicht in einer Weise beantwortet, dass das Gericht darauf die Erkenntnis stützen könnte, dass die Filteranlage nunmehr durchgehend störungsfrei funktioniert. Mit der Reparatur der Filteranlage war der Zeuge M nicht selbst befasst. Als Emissionsschutzbeauftragter hat er selbst nur eine Sichtprüfung durchgeführt. Mit der mechanischen Prüfung, die von Technikern durchgeführt werde, hat der Zeuge seiner Aussage zufolge nichts zu tun gehabt. Auch die Abnahme gegenüber dem Lieferanten der Ersatzteile hat er nicht selbst erklärt. Messungen der Funktionsfähigkeit der Absaugeinrichtung hätten der Aussage des Zeugen zufolge eigentlich im Jahr 2018 durchgeführt werden müssen, was indes krankheitsbedingt unterblieben sei. Zu dem Ergebnis der dann im Jahr 2019 durchgeführten Messung konnte der Zeuge M keine Angaben machen. Auf Nachfrage, ob es sein könne, dass trotz der von ihm beschriebenen Absaugeinrichtung Partikel aus dem Koksofen nach draußen gelangen könnten, hat der Zeuge sogar ausdrücklich eingeräumt, dass dies im unteren Bereich des Koksofens bei starkem Wind möglich sei. Es könne sein, dass in diesem Bereich bei starkem Wind bestimmte Partikel durch die Absauganlage nicht erfasst würden und nach draußen gelangten. Bei starken Winden sei die Erfassungsrate etwas geringer. Bei normalen Windverhältnissen würden die Partikel zu einhundert Prozent erfasst.
135Aus dieser Aussage ergibt sich demnach, dass in Abhängigkeit von den Windverhältnissen weiterhin solche Emissionen von der Kokerei ausgehen können, die eine mögliche Ursache für die von den Klägern und den Zeuginnen beschriebenen koks- und kohlehaltigen Verschmutzungen darstellen können.
136Von einer Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen J hat das Gericht abgesehen. Denn die Beklagte hat zu dessen Beweiseignung nicht schlüssig vorgetragen. Der Zeuge J ist dem Beklagtenvorbringen zufolge seit dem 01.01.2019 deren Immissionsschutzbeauftragter. Mit der eigentlichen Instandsetzung der Filteranlage der Koksausdrückmaschine ist der nicht persönlich befasst gewesen. Aus eigener Anschauung kann er daher hierzu keine Aussage treffen. Die Formulierung der Beklagten, der Zeuge J könne „Auskunft zu Inhalt und Hintergründen des Protokolls zur mängelfreien Endabnahme der Filteranlage der Koksausdrückmaschine 2“ geben, ist zu allgemein gehalten. Die Vernehmung des Zeugen J zum Inhalt und zu Hintergründen wäre ein unzulässiger Ausforschungsbeweis, da sich aus dem Sachvortrag der Beklagten hierzu nichts Näheres ergibt.
137Auch der von der Beklagten beigebrachte Bericht des TÜV O1 vom 26.03.2019 ist nicht geeignet, das Gericht davon zu überzeugen, dass für die Zukunft keine Wiederholungsgefahr mehr besteht.
138Insoweit fällt schon auf, dass in dem Bericht als Datum der Bestellung der 22.05.2018 angegeben ist, als Datum der Messung ein einziger Tag, der 26.03.2019. Was der TÜV O1 wie gemessen hat und auf welchem Weg er zu dem zusammenfassenden Ergebnis gekommen ist, ist von der Beklagten nicht näher dargelegt worden. Es fällt zudem auf, dass die Beklagte von diesem ausweislich der Bezifferung 18 Seiten umfassenden Bericht nur zwei Seiten vorgelegt hat. Hinreichend aussagekräftig sind diese beiden Seiten für sich allein genommen nicht. Dies gilt umso mehr, als in der Rubrik „Aufgabenstellung“ ausgeführt ist: „Ermittlung der Emissionen durch stichprobenartige Einzelmessungen zur Überprüfung der Einhaltung der Emissionsbegrenzungen“. Wie viele Stichproben gemacht wurden, ob deren Anzahl ausreichend ist, unter welchen Witterungsverhältnissen die Stichproben gemacht wurden und ob auch eine Stichprobe bei starken Windverhältnissen vorgenommen wurde, ist nicht dargelegt. Schließlich ist nicht zu übersehen, dass auf Seite 2 unten dieses Berichts Folgendes notiert ist:
139„Für die Emissionen in der Einheit g/t Koks konnte keine Messunsicherheit bestimmt werden: gedrückte Koksmenge gemäß Betreiberangabe (kein Messwert)“. Ein Prüfergebnis, das auf einer Betreiberangabe und nicht auf einem Messwert der zuständigen Messstelle beruht, ist nicht geeignet, dem Gericht die Überzeugung davon zu vermitteln, dass das vom Zeugen M beschriebene Problem nunmehr endgültig behoben ist.
140(2)
141Das Gericht ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass die Wiederholungsgefahr durch die von der Beklagten zuletzt in einem knapp zwei Wochen vor dem letzten Termin zur mündlichen Verhandlung zur Gerichtsakte gereichten Schriftsatz beschriebenen Maßnahmen vollständig beseitigt wäre. Zwar hat die Beklagte substantiiert vorgetragen, welche Maßnahmen sie in den Jahren 2018 und 2019 umgesetzt habe. Der Zeuge Q1 hat anlässlich seiner Vernehmung im Kern bestätigt, dass die Beklagte ein „dickes Maßnahmepaket“ auf den Weg gebracht und darüber berichtet habe.
142Allein daraus lässt sich indes zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein hinreichend belastbarer Schluss darauf ziehen, dass die zwischenzeitlich eingeleiteten Maßnahmen in ihrem Zusammenwirken hinreichend geeignet sind, in der Zukunft weitere Abwehungen von koks- und kohlehaltigen Partikeln von der Kokerei zu verhindern. Es ist von der Beklagten nicht näher dargelegt worden, wann genau sie welche Maßnahmen vorgenommen hat und ob es schon Gelegenheit gab, deren Wirksamkeit in der Praxis zu überprüfen. Es ist insbesondere nicht dargetan, dass es nach Durchführung dieser Maßnahmen bereits solche Wetterlagen gegeben hat, anlässlich derer es in der Vergangenheit zu Abwehungen gekommen ist, nämlich eine Kombination aus länger andauernder Trockenheit und starkem Wind. Außerdem spricht die Beklagte selbst davon, dass diese Maßnahmen zur „Reduzierung“ der Emissionen der Kohlenmischbetten geeignet seien. Eine bloße Reduzierung ist indes nicht als ausreichend anzusehen. Die Beklagte hat durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die Emission von koks- und kohlehaltigen schwarzen Partikeln in dem von der Klägerin und von den Zeuginnen beschriebenen Ausmaß nicht lediglich reduziert, sondern verhindert wird.
143ee)
144Bei der Fassung des Urteilstenors hat sich das Gericht von dem Maßstab leiten lassen, dass es die Beklagte nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu unterlassen hat, koks- oder kohlehaltige Partikel in einer merklich sichtbaren Größe zu emittieren und dadurch die angrenzende Nachbarschaft zu beeinträchtigen. Da in den zivilrechtlichen Normen – anders als im öffentlichen Recht – keine Größenmaßstäbe für derartige Emissionen angegeben sind, hat sich das Gericht, dem Klägervortrag folgend, an einer „Sandkorngröße“ orientiert, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass hiermit sowohl klein- als auch grobkörnige, in jedem Fall aber sichtbar wahrzunehmende Emissionen gemeint sind. Abzugrenzen sind diese Emissionen vor allem von Feinstaubniederschlägen, insbesondere PM 10, die einen Durchmesser von nur wenigen Mikrometern haben und mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar sind. Hierzu verhält sich diese Entscheidung nicht.
145III.
146Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 890 Abs. 1 u. 2 ZPO.
147Wenn ein Schuldner der Verpflichtung zuwider handelt, eine Handlung zu unterlassen, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen.
148Die Höhe des anzudrohenden Ordnungsgeldes ergibt sich aus dem Gesetz, § 890 Abs. 1 S. 2 ZPO.
149Die Androhung der Ordnungshaft richtet sich gegen den im Falle der Zuwiderhandlung bei einer juristische Person gegen deren organschaftlichen Vertreter (vgl. BeckOK § 890 ZPO Rz 55)
150IV.
151Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
152Der Klageantrag ist schon in der Formulierung zu weit gefasst. Die Kläger können nicht ganz allgemein verlangen, dass die Beklagte es unterlässt, „Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch und Ruß“ auf ihr Grundstück zu leiten.
153Bei einer am Sachvortrag der Kläger orientierten Auslegung des Klageantrags ergibt sich indes, dass die Kläger zum Einen die Unterlassung von koks- und kohlehaltigen Emissionen begehren und sich zum Anderen nicht einer Belastung durch Benzo(a)pyren (BaP) und polyzklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) ausgesetzt sehen möchten. Wegen Letzterer können sie auf der Grundlage ihres derzeitigen Sachvortrags keinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch aus §§ 862, 858 BGB herleiten.
154Die Kläger tragen schriftsätzlich nicht hinreichend konkret dazu vor, dass die Beklagte für die festgestellte Überschreitung des Zielwerts im Jahr 2018 die alleinige Verursacherin wäre. Ihre Einschätzung, für die Bezirksregierung N sei es „sehr, sehr wahrscheinlich“, dass die Beklagte diese erhöhten Werte zu verursacht habe, genügt für eine darauf gestützte Verurteilung der Beklagten im Zivilprozess nicht. Hierfür reichen keine Wahrscheinlichkeiten, sondern es sind Gewissheiten erforderlich.
155Aus den von den Klägern pauschal in Bezug genommenen Unterlagen der zuständigen Behörden ergibt sich indes – soweit sie dem Gericht von den Klägern zugänglich gemacht worden sind - dass deren Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. Das LANUV hat in der Anlage 1 zum Untersuchungsbericht vom 12.04.2019 zu der Immissionsbelastung von Nahrungspflanzen in C ausgeführt, dass beabsichtigt sei, die Untersuchungen hierzu im Jahr 2019 auszuweiten. Es sollten weitere Messpunkte errichtet und exemplarisch an zwei Messpunkten parallel zur Containerexposition Grünkohlpflanzen auch in Gartenbeeten exponiert werden. Ob diese Maßnahmen bereits stattgefunden haben und zu welchem Ergebnis sie geführt haben, ergibt sich aus dem Klägervortrag nicht.
156Auch aus der Bezugnahme auf die gemeinsame Pressemitteilung der Bezirksregierung N und der Stadt C1 vom 05.12.2019 zum Runden Tisch der Kokerei lässt sich kein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch herleiten. In dieser Pressemitteilung ist gleichfalls von noch vorzunehmenden Maßnahmen die Rede und von Vorgaben, die von der Beklagten bis Ende März 2020 zu erfüllen sind. Soweit in dieser Pressemitteilung auf ein externes Gutachten Bezug genommen wird, das sich zu der Verantwortlichkeit der Beklagten für Benzo(a)pyren-Emissionen verhält, ist nicht klar, welches Gutachten damit gemeint ist. Dem Gericht gegenüber wurde dieses Gutachten weder näher bezeichnet noch vorgelegt. Das Gericht hat die Kläger mehrfache darauf hingewiesen, dass die pauschale Bezugnahme auf derartige Anlagen einen hinreichend substantiierten Sachvortrag nicht ersetzt.
157Es kommt hinzu, dass ausweislich der Pressemitteilung ein weiterer Runder Tisch zur Kokerei Q2 im Frühjahr 2020 stattfinden soll. Es handelt sich daher um einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt, der derzeit keiner abschließenden Beurteilung durch das Zivilgericht zugänglich ist.
158V.
159Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Danach sind dann, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt, die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen.
160VI.
161Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
162Da es sich um die Vollstreckung eines Unterlassungsanspruchs handelt, ist die Höhe der Sicherheitsleistung nach dem materiellen Schaden zu bemessen, den die Beklagte als Schuldnerin durch die Vollstreckung aufgrund eines nur vorläufig vollstreckbaren Urteils erleiden kann. Dieser mögliche Schaden ist nicht gleichzusetzen mit dem Streitwert in der Hauptsache (vgl. MüKo, § 709 ZPO Rz 8).
163Hier ist ein Unterlassungsanspruch tenoriert worden, der für die Beklagte zugleich die Verpflichtung beinhaltet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, durch die in Zukunft weitere Beeinträchtigungen der Kläger durch kohle- und kokshaltige Partikel verhindert werden. Das Gericht geht davon aus, dass derartige Maßnahmen kostenintensiv sein dürften, soweit sie nicht schon durchgeführt worden sein sollten. Angesichts dessen, dass ein erstinstanzliches Urteil den Klägern vor Eintritt der Rechtskraft nur eine vorläufige Rechtsposition verschafft, hält das Gericht wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung dieser Entscheidung für die Beklagten die Festsetzung einer im Falle der vorläufigen Vollstreckung von den Klägern zu erbringenden Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,- Euro für erforderlich.
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Referenzen
- BGB § 858 Verbotene Eigenmacht 3x
- V ZR 45/17 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen 3x
- V ZR 168/14 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 24 Ausschließlicher dinglicher Gerichtsstand 4x
- BGB § 862 Anspruch wegen Besitzstörung 7x
- ZPO § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung 2x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- BGB § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch 5x
- BGB § 906 Zuführung unwägbarer Stoffe 7x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 2x