Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (7. Zivilkammer) - 7 O 67/07
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Kläger sind Mitglieder der ungeteilten Erbengemeinschaft nach dem am 22.3.2005 verstorbenen Erblasser, der neben Herrn Gesellschafter 2 Gesellschafter der zwischenzeitlich insolventen Autohaus O. GmbH - künftig: die Gemeinschuldnerin - war, die Geschäftsbeziehungen zu der Beklagten unterhalten hatte, u.a. einen Kontokorrentkredit (Nr. ...) mit einem Kreditrahmen in Höhe von 511.300,00 €, zeitweise auch bis zu einem Betrag von 761.300,00 €, in Anspruch nahm. Aus diesem berühmt sich die Beklagte nunmehr Forderungen in Höhe von 513.479,54 € per 08.08.2006, nachdem sie den Kredit mit Schreiben vom 10.08.2006 (in Kopie als Anlage K10 vorgelegt) gekündigt hatte. Als Sicherheit wurden zugunsten der Beklagten unter anderem die auf Seite 13 f. der Klageschrift näher bezeichneten Grundstücke in der Straße 116 sowie in der Straße 20 in Ort, deren Verkehrswerte 560.000,-- € bzw. 1.360.000,-- € betragen und deren jeweils hälftige Miteigentümer die ehemaligen Gesellschafter der Gemeinschuldnerin waren, mit Grundschulden belastet. Gemäß den notariellen Grundschuldurkunden übernahmen die ehemaligen Gesellschafter der Gemeinschuldnerin darüber hinaus die persönliche Haftung und unterwarfen sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung auch in ihr persönliches Vermögen. Die Beklagte betreibt nunmehr die Zwangsvollstreckung. Zu diesem Zwecke ließ sie die Vollstreckungsklauseln umschreiben und den Klägern zustellen.
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Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Nachdem die Kläger zunächst sowohl die Einstellung der Zwangsvollstreckung in ihr dingliches als auch persönliches Vermögen begehrten, beschränkten sie die Klage in der Verhandlung vom 18.10.2007 (Seite 2 des Sitzungsprotokolls; Blatt 440 d. A.) insoweit, als sie sich letztlich nur noch gegen die Zwangsvollstreckung in das dingliche Vermögen wenden.
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Zur Begründung tragen sie vor, die Zwangsvollstreckung sei unzulässig. Dies sei schon deshalb der Fall, weil der Beklagten keine Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin zustünden, für die der Grundbesitz hafte. Schon die Höhe der behaupteten Forderung sei zu bestreiten, zumal die Beklagte keine aussagefähigen Unterlagen vorgelegt habe, aus denen sich der Bestand ergäbe.
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Zudem sei der Beklagten der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens zu machen. Dieser leite sich daraus ab, dass sie sich für den Kontokorrentkredit Sicherheiten in Höhe von insgesamt 1.993.521,55 € gewähren ließ: so seien die beiden Grundschulden in Höhe ihres Nominalbetrags, insgesamt also mit 720.921,55 € zu berücksichtigen. Ferner schlügen die von den ehemaligen Gesellschaftern der Gemeinschuldnerin gewährten Bürgschaften mit jeweils 511.300,00 € zu Buche. Schließlich sei die Verpfändung eines Geldmarktkontos mit einem Wert von 250.000,00 € zu berücksichtigen. Damit sei die Beklagte von Anfang an übersichert gewesen, wodurch auch ihre verwerfliche Gesinnung zum Ausdruck komme.
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Der Zwangsvollstreckung stünde - so die Kläger weiter - auch entgegen, dass die Zweckerklärungen zu den Grundschuldbestellungen unklare Formulierungen enthielten. So lasse der Wortlaut „Kontokorrentkredit über Euro 511.300,-- auf Konto ... sowie geduldete Überziehung bis zu einer Höhe von 250.000,-- auf Konto ... bis zum 30.7.004" nicht erkennen, welche Forderungen durch dieses gesichert seien. Da es sich bei der Bestimmung um eine allgemeine Geschäftsbedingung handele, gingen Unklarheiten zu Lasten des Verwenders, also der Beklagten.
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Zu bestreiten sei weiterhin, dass die Sicherungszweckerklärungen von dem Erblasser unterschrieben wurden. Zweifel an der Echtheit der Unterschrift seien bereits deshalb „nicht aus der Luft gegriffen", weil „die Beklagte sich geweigert [habe, ihnen] die Möglichkeit zu geben, Einblick in die Originalunterlagen zu [geben]". Zu verweisen sei insoweit auf das bei der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) unter Aktenzeichen 5371 Js 641/07 geführte Ermittlungsverfahren gegen „Mitarbeiter der Beklagten".
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Letztlich sei die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Befriedigung zunächst aus anderen Sicherheiten zu suchen, zumal es der Beklagten nur darum ginge, Herrn Gesellschafter 2 zu „schonen" und sich an den Erben nach Erblasser schadlos zu halten.
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Zumindest seien eventuell berechtigten Forderungen der Klägerin Schadensersatzansprüche in Höhe von 200.000,-- € entgegenzuhalten, mit welchen sie die Aufrechnung erklären. Diese ergäben sich daraus, dass die Beklagte unter Missachtung banküblicher Sorgfaltsstandards nach dem Tode des Erblassers von dem Konto Nr. ... eigenmächtig eine Überweisung in Höhe von 200.000,-- € auf das Konto der bereits insolvenzreifen Gemeinschuldnerin vorgenommen habe, um auf diese Weise ihre gesicherten Forderungen gegenüber dieser zu reduzieren.
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Nach Verweisung des Rechtsstreits durch das Landgericht Berlin beantragen die Kläger zuletzt,
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1. die Zwangsvollstreckung in ihr dingliches Vermögen aus folgenden, für vollstreckbar erklärten Notarurkunden gegen sie für unzulässig zu erklären:
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Urkunde des Notars Dr. H. B., L./Rh., vom 05.12.1985, UR-Nr. .../85 B
Urkunde des Notars Dr. A. I., L./Rh., vom 15.11.1961, UR-Nr. .../61
Urkunde des Notars Dr. H. B., L./Rh., vom 04.02.1976, UR-Nr. .../76
Urkunde des Notars Dr. A. I., L./Rh., vom 06.02.1957, UR-Nr. .../57
Urkunde des Notars Dr. H. B., L./Rh., vom 13.07.1971, UR-Nr. .../71;
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2. die Beklagte weiter zu verurteilen, die vollstreckbaren Ausfertigungen der nachfolgenden Notarurkunden an sie herauszugeben:
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Urkunde des Notars Dr. H. B., L./Rh., vom 05.12.1985, UR-Nr. .../85 B
Urkunde des Notars Dr. A. I., L./Rh., vom 15.11.1961, UR-Nr. .../61
Urkunde des Notars Dr. H. B., L./Rh., vom 04.02.1976, UR-Nr. .../76
Urkunde des Notars Dr. A. I., L./Rh., vom 06.02.1957, UR-Nr. .../57
Urkunde des Notars Dr. H. B., L./Rh., vom 13.07.1971, UR-Nr. .../71;
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, der Schuldsaldo könne nicht mit Nichtwissen bestritten werden, da dieser bereits aufgrund des letzten genehmigten Kontoabschlusses aus Juni 2006 feststünde, woran die Kläger als Erben und damit als Rechtsnachfolger nach Erblasser gebunden seien. Auch sei sie nicht verpflichtet, Kontoverdichtungen der Vorjahre vorzulegen, wie dies mit dem in vorbereitenden Schriftsätzen der Kläger angekündigtem Antrag gemäß § 424 ZPO begehrt wird. Dies gelte schon deshalb, weil den Klägern Auskunfts- und Einsichtsrechte gegen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin bzw. den Insolvenzverwalter (§ 51a GmbH-Gesetz) zustünden.
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Auch von einer anfänglichen Übersicherung sei nicht auszugehen, da die Bürgschaften nicht per se geeignet seien, die Entfaltungsmöglichkeiten der Gemeinschuldnerin zu beeinträchtigen. Auch das Geldmarktkonto sei nicht in Ansatz zu bringen, weil hiermit nur eine kurzfristige Absicherung von genehmigten Überziehungen des Kontokorrentkredits bzw. eine Rückführung des Sollsaldos auf das Kreditlimit erfolgt sei. Berücksichtigung fänden daher allenfalls die Grundschulden. Allein hierdurch sei eine Übersicherung aber nicht denkbar, da diese maximale Befriedigung nur bis zur Höhe der bestehenden Verbindlichkeiten böten. Letztlich bestünden auch keine Anhaltspunkte für eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten, zumal selbstschuldnerische Bürgschaften zum üblichen Standard in der Kreditsicherung zählten und überdies auch den Gestaltungsspielraum der Bürgen nicht einschränkten. In Bezug auf die Zweckerklärungen zu den Grundschulden verböte sich die von den Klägern vorgenommene Interpretation. Die Formulierung sei grammatikalisch eindeutig.
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Dass es sich auf den Zweckerklärungen nicht um die Unterschriften des Erblasser handeln soll, sei aus der Luft gegriffen; Anhaltspunkte hierfür bestünden nicht. Letztlich seien auch Schadensersatzansprüche nicht erkennbar. Bereits der Vorwurf, die Umbuchung sei eigenmächtig erfolgt, sei zu bestreiten. Insoweit habe ein mündlicher Auftrag des Gesellschafter 2 vorgelegen, der eine Einzelverfügungsberechtigung gehabt habe. Sie, die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, den ihr mündlich erteilten Auftrag auszuführen. Zu der von den Klägern behaupteten Äußerung einer Mitarbeiterin der Beklagten, sie könne sich die Umbuchung im Hinblick auf einen Sperrvermerk nicht erklären, sei es nicht gekommen; der Sperrvermerk habe im übrigen allein die Seite des Erblassers betroffen. Letztlich würde den Klägern aber ohnehin die Aktivlegitimation für die Durchsetzung des behaupteten Anspruchs fehlen.
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Die Kammer hat den Kläger zu 2. persönlich angehört. Insoweit wird auf Seite 2 des Sitzungsprotokolls vom 18.10.2007 (Blatt 440 d. A.) Bezug genommen. Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie alle sonstigen Aktenbestandteile verwiesen.
Entscheidungsgründe
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A. Zulässigkeit
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Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts ergibt sich aus §§ 800 Abs. 3, 779 Abs. 5, 802 i. V. mit § 767 ZPO, da die beiden Grundstücke, in die die Beklagte die Zwangsvollstreckung betreibt, in Ort und damit im hiesigen Bezirk gelegen sind.
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Soweit die Kläger in der Güteverhandlung vom 18.10.2007 den Klageantrag insoweit beschränkt haben, als er auf Abwehr der Vollstreckung in deren persönliches Vermögen gerichtet war, lag darin eine gemäß § 269 Abs. 1 ZPO zulässige Teilklagerücknahme. Der Zustimmung seitens der Beklagten bedurfte es hierzu nicht, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht mündlich verhandelt worden war.
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B. Begründetheit
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Die Klage in ihrer letzten Fassung ist jedoch unbegründet. Den Klägern stehen Einwendungen gegen die Vollstreckung seitens der Beklagten aus den Grundschuldurkunden in das dingliche Vermögen der Kläger nicht zu.
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1. Den Nachweis, dass der Beklagten keine gesicherten Forderungen (mehr) zustünden und diese deshalb wegen Wegfalls des Sicherungszwecks der Grundschulden gehindert wäre, aus diesen zu vollstrecken, haben die Kläger im Streitfall nicht erbracht. Insoweit muss Berücksichtigung finden, dass seitens der Gemeinschuldnerin der von der Beklagten als Anlage B 12 vorgelegte Kontoabschluss aus Juni 2006 genehmigt wurde. Diese Genehmigung - die rechtlich als abstraktes Schuldanerkenntnis zu qualifizieren ist - kommt der Beklagten auch im Verhältnis zu den Klägern als Rechtsnachfolger nach dem Gesellschafter Erblasser zugute. In einem zur Frage der Bürgenhaftung ergangenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.12.2001 (Aktenzeichen XI ZR 360/00) heißt es wie folgt: „Resultiert die Verbindlichkeit des Hauptschuldners aus einem im Kontokorrent geführten Konto, so kommt dem Gläubiger ein vom Hauptschuldner anerkannter Abschlusssaldo auch im Verhältnis zum Bürgen zugute. Er kann sich auf das abstrakte Schuldanerkenntnis berufen und braucht die Einzelpositionen nicht darzulegen und zu beweisen, die dem anerkannten Saldo zugrunde liegen". Aufgrund der vergleichbaren Interessenlage kann hier nichts anderes gelten. Zwar könnten die Kläger, wenn die Beklagte um das abstrakte Saldoanerkenntnis ungerechtfertigt bereichert wäre, dieses gemäß § 812 BGB kondizieren, worauf der Kammervorsitzende den Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausdrücklich hingewiesen hat. Indessen sahen sich die Kläger offenbar nicht dazu veranlasst, diesen Ausführungen Bedeutung beizumessen, was sich darin äußert, dass sich die Ausführungen des klägerischen Bevollmächtigten in seinem erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen und ohnehin nicht nachgelassenen Schriftsatz (dort: S. 20) darin erschöpfen, auf einen angeblichen „Irrtum des Vorsitzenden Richters" zu verweisen. Damit allein sind die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs jedenfalls nicht dargetan.
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Indem sich die Kläger im übrigen darauf zurückziehen, die Angaben der Beklagten mit Nichtwissen zu bestreiten, genügen sie folglich der ihnen insoweit obliegenden Darlegungslast nicht. Unzureichend sind insoweit auch die Ausführungen, sie seien bis zur Vorlage näherer Informationen zum Kontenverlauf in den Jahren 2004 bis 2006 zu konkretem Vortrag nicht in der Lage. Denn um zu erreichen, dass die Beklagte die in ihren Händen befindlichen Urkunden vorzulegen habe, hätte es - wie der einschlägigen Kommentierung zu § 424 ZPO unschwer zu entnehmen ist (hierzu: Zöller-Geimer, ZPO, § 424 Rdnr. 1) - eines ausdrücklichen Antrags durch den klägerischen Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung bedurft. Dies hat dieser indessen verabsäumt. Da die bloße Ankündigung des Antrags in den vorbereitenden Schriftsätzen unzureichend war, konnte mithin offen bleiben, ob die Beklagte, die unstreitig bereits Kontoabschlüsse erteilt hatte, den Klägern gegenüber zur erneuten umfassenden Rechnungslegung i. S. einer erneuten erschöpfenden Darlegung sämtlicher Kontobewegungen verpflichtet war, oder ob sich ihr Auskunftsanspruch nur auf einzelne Buchungen beschränken würde (hierzu: BGH NJW 1985, 2699 und 2001, 1486 ff.).
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Offenbleiben konnte damit auch, ob den lehrreichen Ausführungen des klägerischen Bevollmächtigten, der seine Kenntnisse in einer Kanzlei erworben zu haben vorgibt, in der zweifelhafte Forderungen auch schon mal „durchgewunken wurden", zu folgen ist, den Klägern stünde kein Einsichtsrecht in die Insolvenzakte zu. Denn wäre dessen - in Rechtsprechung und Literatur umstrittene - Rechtsauffassung zutreffend, stünde der Widerlegung des Saldoabschlusses allein die - trotz Hinweises des Kammervorsitzenden - Versäumung der Kondiktion des abstrakten Schuldanerkenntnisses sowie der Stellung des Antrags gemäß § 424 ZPO und die dadurch verursachte Beweisfälligkeit der Kläger entgegen. Schlösse man sich hingegen der Gegenansicht (etwa: Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 07.09.2006; Az. 3 W 122/06) an, stünde nicht fest, was die Kläger unternommen haben, um sich beim Insolvenzverwalter die notwendigen Informationen zu verschaffen. Das Oberlandesgerichts Hamm führt dazu in seinem Beschluss vom 25.10.2001 (Az. 15 W 118/01), dem sich die Kammer anschließt, Folgendes aus: „Das Informationsrecht des Gesellschafters muss sich [...] sachlich auf Angelegenheiten beschränken, die seine persönliche vermögensrechtliche Stellung als Mitglied der Gesellschaft betreffen. Seinem Einsichtsrecht können in diesem Zusammenhang nur diejenigen Bücher und Schriften der Gesellschaft unterliegen, die der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Verfahrens übernommen hat [...]. Bereits im Hinblick auf diese sachlichen Einschränkungen des Informationsrechtes nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann einem Antrag des Gesellschafters nur entsprochen werden, wenn er sein konkretes Informationsbedürfnis darlegt und glaubhaft macht sowie diejenigen Unterlagen konkret bezeichnet, in die er Einsicht nehmen will." Dafür, dass die Anfrage der Kläger beim Insolvenzverwalter diesen Anforderungen genügt hätte, bietet ihr gesamter Vortrag aber keinen Anhalt. Davon abgesehen, dass selbst der Kläger zu 2. im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung (Seite 2 des Sitzungsprotokolls vom 18.10.2007; Blatt 440 d. A.) außer der Tatsache, dass man sich mündlich an den Insolvenzverwalter gewandt habe, hierüber keinen Aufschluss zu erbringen vermochte, lässt bereits das von den Klägern vorgelegten Antwortschreiben des Insolvenzverwalters vom 13.3.2007 (Bl. 429 d. A.) die Vermutung zu, dass dieser um „Auskunft" ersucht worden war. Hierauf besteht nach weit überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur aber kein Anspruch.
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2. Auch ein sittenwidriges Verhalten auf Seiten der Beklagten vermochte das Gericht nicht zu erkennen.
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Voraussetzung für eine ursprüngliche Übersicherung, die nach § 138 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit des Sicherungsvertrags führen könnte, wäre, dass bereits bei Vertragsschluss fest stünde, dass im noch ungewissen Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung bestehen wird. Die Übersicherung muss dabei auf einer verwerflichen Gesinnung des Sicherungsnehmers beruhen. Ein dahingehendes Unwerturteil setzt eine zusammenfassende Würdigung des jeweiligen Vortrags voraus, für die dessen wesentlichen äußeren Umstände und die darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung der Parteien maßgeblich sind. Für den Vergleich des Sicherungszwecks mit dem Wert des Sicherungsguts ist dabei zu berücksichtigen, dass der Gläubiger im Rahmen der Sicherungsvereinbarung alle seine gegenwärtigen und voraussehbaren, objektiv berechtigten Interessen absichern darf. Abzustellen ist hierbei auf die bei Vertragsschluss nach allgemeiner Erfahrung für den Fall der Verwertung zu erwartenden Erlöse, wobei der ungünstigste noch mögliche Fall angenommen werden kann und den Risiken und Unschärfen der Bewertung angemessen Rechnung zu tragen ist (vgl. hierzu: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 04.11.2003, 7 W 119; 121/03; BGH NJW 1998, 2047 f.).
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Insoweit gehen die Ausführungen der Kläger, welche die Bürgschaften der ehemaligen Gesellschafter berücksichtigt haben wollen und dabei außer Betracht lassen, dass Bürgen grundsätzlich nicht daran gehindert sind, auch weiteren Gläubigern diese Sicherheit zu erteilen, fehl. Denn dass eine Bürgschaft nicht per se dauerhaft werthaltig ist, liegt auf der Hand, zumal auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Bestand des Vermögens des Sicherungsgebers durch Inanspruchnahme seitens Dritter in kürzester Zeit erheblich verringert. Demgemäß gelangt auch der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass Bürgschaften bei der Festlegung der Deckungsgrenze nicht zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 28. April 1994 - Az.: IX ZR 248/93, WM 1994, 1161, 1163 und Urteil vom 21.11.1995, Az.: XI ZR 255/94 Tz. 22). Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an. Davon abgesehen vermag die Kammer auch eine verwerfliche Gesinnung auf Seiten der Beklagten nicht zu erkennen. Ein anerkennenswertes Interesse dieser im Hinblick auf die Gefahr der Vermögensverschiebung des Gesellschaftsvermögens auf die Gesellschafter kann ihr nicht abgesprochen werden. Auch die im Schriftsatz des Klägervertreters vom 29.10.2007 (dort: S. 11) als sittenwidrig dargestellten Verhaltensweisen der Beklagten lassen Rückschlüsse auf deren Gesinnung im Jahre 2004 nicht zu.
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Auch unter Berücksichtigung der Verpfändung des Geldmarktkontos (250.000,-- €) ergibt sich keine sittenwidrige Übersicherung. Selbst dann, wenn diese Sicherheit dem Nominalbetrag der Grundschulden (720.921,55 €) hinzuaddiert würde, ergäbe sich bereits bezogen auf den Kreditrahmen des Kontokorrents (511.300,-- €) keine Überschreitung von ca. 100 %. Abgesehen davon tragen die Kläger bereits in dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 19.2.2007 (Blatt 15 und 30 d. A.) selbst vor, dass auf dem Kontokorrentkonto eine Überziehung bis zu 250.000,-- € geduldet gewesen sei. Unter Berücksichtigung des unstreitig gebliebenen Vortrags der Beklagten, das Geldmarktkonto habe der kurzfristigen Sicherheit für die genehmigten Überziehungen gedient bzw. dazu, eine Rückführung des Sollsaldos auf das Kreditlimit vorzunehmen (Blatt 201 d. A.), kann erst recht keine sittenwidrige Übersicherung festgestellt werden. Die klagende Partei hätte sich die Polemik im Schriftsatz vom 29.10.2007 sparen können, hätte sie die Erörterungen der Kammer mit der gebotenen Aufmerksamkeit verfolgt.
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3. Soweit die Kläger ins Feld führen, die Zweckerklärungen zu den Grundschulden seien zu unbestimmt, ist ihr Vortrag erkennbar konstruiert und am gewünschten Ergebnis ausgerichtet. Abgesehen davon, dass es sich bei der Formulierung des Sicherungszweckes nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt, da diese - aufgrund unstreitig vorgenommener kurzfristiger Erhöhung des Kreditrahmens - augenscheinlich individuell vereinbart wurde, lässt bereits die grammatikalische Auslegung aber auch die Berücksichtigung der Umstände, die den Zweckerklärungen zugrunde lagen - nämlich eine kurzfristige Erhöhung der Kontokorrentlinie - die von den Klägern betrachtete Interpretation nicht zu. Nach der Auffassung des Gerichts ist die Formulierung eindeutig dahingehend zu verstehen, dass die Grundschulden zum einen den Kontokorrentkredit bis zu einer Linie von 511.300,-- € absichern sollen und („sowie") darüber hinaus auch Forderungen des Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin, soweit diese auf eine bis zum 30.7.2004 geduldete Überziehung um weitere 250.000,-- € zurückzuführen sind.
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4. In Bezug auf die im Verlauf des Rechtstreits auffallend spät aufgestellte Behauptung der Kläger, die Unterschriften des Erblassers auf den Sicherungszweckerklärungen seien gefälscht, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen, aufgrund welcher Tatsachen sich diese zu der Annahme veranlasst sehen müssen. Auch der Kläger zu 2. vermochte hierzu im Rahmen seiner informatorischen Anhörung (Seite 2 des Sitzungsprotokolls vom 18.10.2007; Blatt 440 d. A.) keine Aufklärung herbeizuführen. Die erkennbar ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung lässt daher nicht auf einen wahren Tatsachenvortrag schließen und entbehrt damit jeder Grundlage, die das Gericht zur Erhebung von Beweisen veranlassen müsste. Da es die Kläger zudem noch nicht einmal für notwendig erachteten, zu Inhalt und Umfang des bei der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) gegen „Mitarbeiter der Beklagten" geführten Ermittlungsverfahren vorzutragen und es auch nicht Aufgabe des Gerichts ist, sich durch Beiziehung „möglicherweise relevanter" Ermittlungsakten auf gut Glück denjenigen Sachverhalt zusammenzutragen, der notwendig wäre, um den insoweit völlig unsubstantiierten Vortrag der Kläger durch einen nachvollziehbaren zu ersetzen, konnten die Kläger auch mit diesem Einwand nicht gehört werden.
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5. Schließlich ist die Beklagte frei darin, auf welche Sicherheiten sie zurückgreift, um sich zu befriedigen. Abgesehen davon, dass es der Beklagten ohnehin nicht zuzumuten ist, auf solche „Sicherheiten" zurückzugreifen, die letztlich nicht erfolgversprechend erscheinen und es daher mit dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" durchaus in Einklang zu bringen ist, wenn sie - auch nach Angaben der Kläger - durchaus werthaltige Grundstücke - zu verwerten sucht, sind die Ausführungen der Kläger auch hierzu ohne Substanz und Halt.
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6. Letztlich bedurfte auch keiner Entscheidung, ob den Klägern Schadensersatzansprüche aufgrund der Umbuchung der 200.000,-- € zustehen, nachdem diese nicht (hilfsweise) beantragt haben, die Einstellung der Zwangsvollstreckung in deren dingliches Vermögen wegen eines Betrages, der eine bestimmte Summe übersteigt, auszusprechen. Damit ist die Beklagte zur Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden berechtigt, wenn ihr überhaupt Forderungen zustehen. Dass solche in einer Größenordnung existieren, die den zur Aufrechnung gestellten Betrag von 200.000,-- € weit übersteigen, steht schon aufgrund des - von den Klägern nicht kondizierten - abstrakten Schuldanerkenntnisses der Gemeinschuldnerin, an welches auch die Kläger gebunden sind, fest. Zweifellos würde daher auch ein teilweises Erlöschen der Forderungen der Beklagten durch die seitens der Kläger erklärten Aufrechnung nicht dazu führen, sämtliche Ansprüche der Beklagten aus dem Kontokorrent zum Erlöschen zu bringen.
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Abgesehen davon fehlt den Klägern die Berechtigung zur (aufrechnungsweisen) Geltendmachung des angeblichen Schadensersatzanspruches. Die 200.000,-- € wurden von einem Konto abgebucht, bei dem es sich um ein Gemeinschaftskonto der GdbR oder um ein Gemeinschaftskonto der Gebrüder O. handelt. Da auch im zweiten Fall das Konto einem gemeinsamen Zweck der Gebrüder O. diente, nämlich als „Mietkonto", läge auch insoweit eine gemeinschaftliche Berechtigung der Kontoinhaber vor. Der Gesellschafter (oder hier: dessen Erben) ist allein nicht berechtigt, eine der Gesamthand zustehende Forderung gegen einen Dritten im eigenen Namen geltend zu machen, denn nach § 709 Abs 1 BGB können die Gesellschafter, falls nichts anderes vereinbart ist, die Geschäfte der Gesellschaft nur gemeinschaftlich führen, mithin auch nur gemeinschaftlich deren Forderungen einklagen (BGHZ 102, 152). Allerdings kann der einzelne Gesellschafter dann eine Gesellschaftsforderung im eigenen Namen geltend machen, wenn er an der Geltendmachung ein berechtigtes Interesse hat, die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist. Zumindest zur zweiten Voraussetzung halten die Kläger ausreichenden Tatsachenvortrag nicht. Die Behauptung, der Gesellschafter Gesellschafter 2 sei „in die Angelegenheit, wegen der jetzt Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden sollen, selbst verstrickt", lässt nachvollziehbaren Tatsachenvortrag vermissen. Damit mangelt es an der für eine Aufrechnung erforderlichen Gegenseitigkeit des behaupteten Anspruchs.
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7. Nach alledem konnte nicht ausgesprochen werden, dass die Zwangsvollstreckung der Beklagten in das dingliche Vermögen unzulässig ist; demnach besteht auch kein Anspruch auf Herausgabe der Vollstreckungstitel. Die Klage war mithin voll umfänglich abzuweisen.
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C. Nebenentscheidungen
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 269 Abs. 3, 281 Abs. 3 Satz 1, 709 ZPO.
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Beschluss
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Der Streitwert wird in der Gebührenstufe bis 550.000,-- € festgesetzt.
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Gründe
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Die Bemessung des Streitwertes folgt aus §§ 3, 6 ZPO. Da über den hilfsweise zur Aufrechnung geltend gemachten Anspruch keine Entscheidung ergangen ist, blieb dieser bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG.
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Referenzen
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