Beschluss vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (1. Zivilkammer) - 1 T 144/09
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die sofortige weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
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Die Betreuungsrichterin beim Amtsgericht S. hat mit Beschluss vom 08. Oktober 2008 gem. § 68 b Abs. 3 FGG die Vorführung der Betreuten zur Vorbereitung eines Gutachtens des Gesundheitsamtes zur Frage der Aufhebung der Betreuung durch die Betreuungsbehörde der Stadt S. notfalls mit Hilfe von polizeilichen Vollzugsorganen, angeordnet, da die Betroffene den Ladungen des Gesundheitsamtes keine Folge geleistet hat. Notfalls dürfe auch Gewalt angewendet werden. Der Behörde wurde auch gestattet, zum Zwecke der Vorführung die Wohnung der Betroffenen zu betreten und notfalls gewaltsam zu öffnen.
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Bei der Durchführung dieser Aufgabe sind der Behörde Kosten in Höhe von 165,00 € entstanden (90,00 € für die Feuerwehr, 75,00 € für einen neuen Schließzylinder).
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Am 15. Januar 2009 hat die Stadt S. als Träger der Betreuungsbehörde beantragt, der vorstehende Betrag möge gegen die Landeskasse festgesetzt werden.
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Dies hat der Rechtspfleger beim Amtsgericht S. als Kostenbeamter mit Beschluss vom 19. Januar 2009 abgelehnt und sich zur Begründung auf das Rundschreiben des Ministeriums der Justiz vom 21. September 2001 - Az. 3475-1-23 - bezogen. Dort ist ausgeführt; dass die zuständigen Kreis- und Stadtverwaltungen Ihre Aufgaben als Betreuungsbehörde in Selbstverwaltung ausübten und nicht „Hilfsbeamte“ des Vormundschaftsgerichts seien. Wie sie ihre Aufgaben erfüllten, sei von ihnen eigenständig zu gestalten, so dass sie bei Vorführungen selbst zu entscheiden hätten, in welcher Weise und mit welchen Mitteln sie die Vorführung durchführten.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der weiter Beteiligten zu 1) vom 27. Januar 2009, die das Amtsgericht als Erinnerung (offenbar nach § 14 Abs. 2 KostO) gewertet und durch die zuständige Vormundschaftsrichterin mit Beschluss vom 26. Juni 2009 zurückgewiesen hat.
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Gegen diesen - soweit erkennbar nicht zugestellten - Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der weiter Beteiligten zu 1) vom 13. Juli 2009, mit der sie ihre Rechtsauffassung weiter verfolgt und sich hierfür auf eine verschiedenen landgerichtlichen Entscheidungen entgegenstehende Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juli 2004, Az. 16 Wx 119/04 beruft.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
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Dabei folgt die Kammer nicht der offensichtlich beim Amtsgericht bestehenden Auffassung, es handele sich um ein Verfahren nach § 14 KostO mit dem Rechtsbehelf/Rechtsmittel nach § 14 Abs. 2 und Abs. 3 KostO, da es im vorliegenden Fall nicht um einen Kostenansatz durch den Kostenbeamten gegen Dritte geht, sondern um Erstattungsansprüche der Betreuungsbehörde gegen die Landeskasse. Da die Ansprüche nicht von einem Betreuer geltend gemacht werden, kommt eine direkte Anwendung des § 56 g FGG nicht in Betracht, allenfalls eine analoge (so wohl auch, wenn auch ohne nähere Begründung, OLG Köln, Beschluss vom 26. Juli 2004, Az. 16 Wx 119/04). Danach ist die sofortige Beschwerde nach § 56 g Abs. 5 FGG statthaft und ein Beschwerdewert von mehr als 150,00 € ausreichend, der hier erreicht ist.
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In der Sache ist die Beschwerde nicht begründet.
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Eine Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch aus bürgerlichem Recht ist für die Kammer nicht erkennbar, da die Betreuungsbehörde selbst nicht Betreuer gewesen ist und daher keine Erstattungsansprüche als Betreuer geltend machen kann (insoweit anders als in den Fällen, die den Entscheidungen des Landgerichts Koblenz, FamRZ 04, 566 und Landgericht Limburg, Bt-Prax 1998, 116 zugrunde lagen). Das OLG Köln (a.a.O.) verhält sich in seiner einen entsprechenden Antrag stattgebenden Entscheidung zur Anspruchsgrundlage nicht.
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Nach §§ 1 Abs. 1 LVwVfG Rheinland-Pfalz i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG hat im Falle der Amtshilfe die ersuchende Behörde der ersuchten Auslagen zu erstatten, soweit sie 35,00 € übersteigen. Hierbei handelt es sich zwar nach Auffassung der Kammer um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch der Stadt S. gegen das Land Rheinland-Pfalz mit der Folge der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Da das Vormundschaftsgericht aber eine Hauptsacheentscheidung erlassen hat - ohne dass auch die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt worden wäre - ist die Kammer letztlich daran gebunden und kann nicht mehr prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, § 17 a Abs. 5 GVG.
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Der vorgenannte Anspruch besteht aber nur dann, wenn die Betreuungsbehörde der Stadt S. in Amtshilfe für das Amtsgericht S. tätig geworden wäre. Dies ist zu verneinen. Vielmehr ist die Betreuungsbehörde in eigener Zuständigkeit tätig geworden (LG Koblenz a.a.O; LG Limburg a.a.O.; LG Freiburg, Beschluss vom 14. Oktober 2002, Az. 4 T 212/02; anderer Auffassung OLG Köln a.a.O.).
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Nach § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG liegt eine Amtshilfehandlung nicht vor, wenn die Handlung der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegt. Der nach § 1 BtBG örtlich zuständigen Behörde obliegen zunächst die in § 8 BtBG aufgezählten Aufgaben in eigener Zuständigkeit. Danach hat die Behörde das Vormundschaftsgericht zu unterstützen. Im Weiteren sind einige sich aus den Vorschriften des BGB und des FGG ergebende Aufgaben im Betreuungsverfahren mit der Formulierung „insbesondere" aufgezählt. Darüber hinaus heißt es in § 9 BtBG, dass Aufgaben, die der Behörde nach anderen Vorschriften obliegen, unberührt bleiben.
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Nach §§ 68 b Abs. 3 bzw. 70 e Abs. 2 FGG erfolgt die Vorführung eines Betroffenen zur Vorbereitung eines Gutachtens durch die zuständige Behörde. Das OLG Köln (a.a.O) schließt hieraus, dass es sich um eine Aufgabe der Behörde handelt, die außerhalb des BtBG aufgrund der vorgenannten Vorschriften übertragen ist, zumal das Gericht die Durchsuchung und Gewaltanwendung zugelassen hat. Dem schließt sich die Kammer nicht an. Auch bei der vorliegenden Tätigkeit handelt es sich um eine solche, mit der das Vormundschaftsgericht im Sinne von § 8 BtBG unterstützt wird. Die dortigen Aufzählungen sind nicht abschließend. Mit der Anordnung, dass bei der Vorführung polizeiliche Hilfskräfte hinzugezogen werden können, Gewaltanwendung, Öffnen des Hauses und Durchsuchung zulässig sind, handelt es sich lediglich um Konkretisierungen im Zusammenhang mit dem Begriff „Vorführung". An dem Umstand, dass es sich um originäre Zuständigkeiten der Betreuungsbehörde handelt - und nicht nur Amtshilfe - ändert sich durch diese Konkretisierung dahingehend, wie die Vorführung durchzuführen ist, nichts.
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Handelt es sich aber um eine originäre Aufgabe der Behörde, kommt ein Kostenerstattungsanspruch nicht in Betracht. Die Behörde hat in eigener Zuständigkeit zu prüfen, wie sie die amtsgerichtliche Anordnung ausführt, wen sie hierzu hinzuzieht und die anfallenden Kosten selbst zu tragen.
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Die weitere Beschwerde war gem. § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Erstattungsfrage zuzulassen.
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